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LG München I, Urteil vom 20.12.2007 – 5 HK O 11783/07, 5 HKO 11783/07

§ 256 Abs 4 AktG, § 256 Abs 5 AktG

1. Ein Gliederungsverstoß im Sinne des § 256 Abs. 4 AktG liegt vor, wenn ein Vermögensgegenstand, Kapital oder eine Verbindlichkeit an falscher Stelle aufgeführt ist. Wenn eine Gesellschaft Beteiligungen halten und erwerben kann, dann ist die Veräußerung einer derartigen Beteiligung kein atypischer Geschäftsvorfall außerhalb ihrer eigenen Geschäftstätigkeit. Die Erlöse können als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgewiesen werden.

Der Ausweis der Erlöse aus den Beteiligungsveräußerungen als ordentliche Erträge bedeutet keine Verletzung von § 256 Abs. 4 AktG. Ein Gliederungsverstoß muss zwar dann angenommen werden, wenn ein Vermögensgegenstand, Kapital oder eine Verbindlichkeit an falscher Stelle aufgeführt ist (vgl. nur LG Stuttgart AG 1994, 473 f.; Hüffer, AktG, 7. Aufl. Rdn. 23 zu § 256; Heidel in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Rdn. 26 zu § 256; Rölike in: Spindler/Stilz, AktG, 2007, Rdn. 56 zu § 256). Dies lässt sich jedoch bei der Ausweisung der Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit nicht bejahen. Ein außerordentlicher Ertrag im Sinne der §§ 275 Abs. 3 Nr. 14, 277 Abs. 4 HGB liegt nicht vor. Von einem außerordentlichen Ertrag ist nur dann auszugehen, wenn die Erträge der Art nach ungewöhnlich, selten im Vorkommen und von einiger materieller Bedeutung sind (vgl. Kessler/Freisleben in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 146 zu § 158 AktG, §§ 275 bis 277 HGB; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., Rdn. 80 zu § 277 HGB; ähnlich auch Hüttermann in: Großkommentar zum HGB, 4. Aufl., Rdn. 23 zu § 277 HGB mit einer abweichenden Beurteilung nur zum Merkmal „wesentlich“, das als entbehrlich angesehen wird). Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse der Gesellschaft. Die Beklagte hat jedenfalls auch Holdingcharakter, weshalb die Veräußerung von Beteiligungen zum Geschäftsgegenstand gehört. Dieser ist in § 2 Abs. 2 der Satzung der Beklagten nämlich dahingehend definiert, dass die Beklagte unter anderem gleichartige oder ähnliche Unternehmen neu errichten oder bestehende erwerben oder sich an bestehenden beteiligen kann; auch darf die Beklagte Beteiligungen eingehen. Wenn die Gesellschaft Beteiligungen halten und erwerben kann, dann ist die Veräußerung einer derartigen Beteiligung kein atypischer Geschäftsvorfall außerhalb ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit. Es kann dabei dann nicht in erster Linie darauf abgestellt werden, dass sich die Veräußerung der konkreten Beteiligung nicht wiederholen kann und diese Veräußerung voraussichtlich auch nicht rückgängig gemacht werden kann. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Veräußerung von Beteiligungen unter Beachtung des Unternehmensgegenstandes wiederholen kann. Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte in den Konzernverbund von O. eingebunden ist und es einen Beherrschungs- und GewinnabführungsvertragBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gewinnabführungsvertrag
mit einer Tochtergesellschaft von O. gibt. Die Umstrukturierung von Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns bedeutet keinen atypischen Vorgang außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten.

2. Die Anwendung eines Abzinsungssatzes von 6 % bei den Pensionsrückstellungen führt nicht zu einer erheblichen Unterbewertung der Passivseite der Bilanz.

Die Anwendung eines Abzinsungssatzes von 6 % bei den Pensionsrückstellungen führt nicht zu einer erheblichen Unterbewertung der Passivseite der Bilanz und damit auch nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 5 AktG. Es entspricht der weithin vertretenen Auffassung, dass ein Zinssatz zwischen 3 % und 6 % allgemein als zulässig erachtet und vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht (vgl. Kleindick in: Großkommentar zum HGB, a.a.O., Rdn. 36 zu § 253; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, a.a.O., Rdn. 307 ff. zu § 253 HGB). Angesichts dessen kann gerade auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der materiellen Bilanzkontinuität die Annahme auch des höchsten Prozentsatzes nicht als unzutreffend angesehen werden, weil sie sich im Rahmen dessen hält, was weithin als sachgerecht angesehen wird. Zudem orientiert sich der Prozentsatz an der Regelung des § 6 a Abs. 3 Satz 2 EStG, weshalb – ungeachtet aller Unterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz mit der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Handelsbilanz – der Ansatz nicht als willkürlich bezeichnet werden kann.

Schlagworte: Mangelhafte Gliederung und Nichtgebrauch von Formblättern nach § 256 Abs. 4 AktG analog