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LG München I, Urteil vom 31. März 2008 – 5 HK O 20117/07

§ 142 Abs 2 AktG

1. Eine positive Beschlussanfechtungsklage ist dann nicht möglich, wenn ein Beschluss mit dem beantragten Inhalt nicht den inhaltlichen Anforderungen an einen gesetzmäßigen Beschluss (hier: § 142 Abs. 1 AktG) entspricht.

2. Prüfungsgegenstand einer Sonderprüfung können nur bestimmte Vorgänge sein. Die Prüfung von Vorgängen im Zusammenhang mit der zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Zahlungsunfähigkeit lässt den hinreichenden Bezug zu einzelnen Geschäftsvorfällen vermissen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Der Kläger trägt die Kosten der Nebenintervention.

III. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Das Urteil ist für den Nebenintervenienten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert wird bis zum Teilanerkenntnisurteil vom 27.12.2007, Az. 5HK O 20117/07 auf € 10.000,–, ab diesem Zeitpunkt auf € 5.000,– festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage um das Zustandekommen eines Beschlusses während einer Hauptversammlung der Beklagten.

Am 29.9.2007 fand in den Geschäftsräumen der Beklagten, deren Grundkapital von € 50.000,– in 1.000 Namensaktien aufgeteilt ist, deren ordentliche Hauptversammlung statt, bei der das gesamte Grundkapital vertreten war und somit auch der Kläger sowie der Nebenintervenient als Aktionäre der Beklagten teilnahmen. Als einzelne Tagesordnungspunkte wurden die Vorlage des festgestellten Jahresabschlusses (TOP 1), die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat (TOP 2 und 3), der Bericht des Vorstandes über die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft (TOP 4) sowie eine Kapitalerhöhung um € 50.000,– durch Ausgabe von bis zu 1.000 neue Namensaktien zum Ausgabebetrag von € 150,– je auszugebender Aktie (TOP 5) besprochen.

Nachdem der Kläger einige Fragen zur wirtschaftlichen Situation gerade auch im Zusammenhang mit Darlehensgewährungen und deren Rückzahlung gestellt hatte, formulierte er nach der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 4 und vor der Behandlung von Tagesordnungspunkt 5 folgenden Gegenantrag:

„Zur Prüfung der Vorgänge im Zusammenhang mit der zum Februar 2007 – oder spätestens 01.10.2007 – gegebenen und vom Vorstand zugestandenen Zahlungsunfähigkeit der S. AG bestellt die Hauptversammlung zum Sonderprüfer gemäß § 142 AktG die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, F.straße 59, … H.“

Der Versammlungsleiter stellte den Antrag des Klägers zur Abstimmung. Der Aktionärsvertreter der D. GmbH Steuerberatungsgesellschaft sowie der Nebenintervenient versprachen der Beschlussfassung und erklärten, der Antrag sei unzulässig. Gegen den Sonderprüfungsantrag stimmten folgende Aktionäre:

Daraufhin stellte der Versammlungsleiter fest, dass der Sonderprüfungsantrag des Klägers nicht die aufgrund von § 15 Abs. 4 der Satzung erforderliche 2/3-Mehrheit gefunden habe. Der Kläger erklärte Widerspruch zu Protokoll nach Feststellung des Ergebnisses der Beschlussfassung über den Sonderprüfungsantrag.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, nur über die Ergänzung des Anfechtungsantrages durch einen positiven Feststellungsantrag könne der infolge der Berücksichtigung von Stimmen trotz bestehender Stimmverbote zu Unrecht abgelehnte Antrag aufgrund der dann bestehenden mehrheitlichen Zustimmung zur Geltung gebracht werden. Da die Vorschrift des § 124 Abs. 4 AktG den Schutz der nicht erschienenen Aktionäre bezwecke, werde angesichts des Charakters der Hauptversammlung als Vollversammlung der Normzweck nicht tangiert. Zudem handele es sich bei der Bestellung von Sonderprüfern um einen Antrag, der zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden könne und daher bekanntmachungsfrei sei. Der vom Kläger gestellte Antrag genüge auch dem Bestimmtheitserfordernis. Die vorliegend gegebene Zahlungsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt, basierend auf einen bestimmten Vorgang sei einer Sonderprüfung zugänglich. Auf die entsprechende Frage des Klägers, ab wann die Beklagte fällige Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen könne, habe der Vorstand „morgen“ geantwortet. Auf die weitere Frage nach dem Vorhandensein von Zahlungsmitteln zur Erfüllung einer Darlehensforderung von Herrn H. in Höhe von € 60.000,– habe der Vorstand die Antwort „keine“ gegeben.

Das Landgericht München I hat mit Teilanerkenntnisurteil vom 27.12.2007, Az. 5HK O 20117/07 den Beschluss der Hauptversammlung vom 27.9.2007 mit dem Inhalt „Der Sonderprüfungsantrag Insolvenz des Aktionärs S. K. wird abgelehnt“ für nichtig erklärt.

Der Kläger hat daher in diesem Verfahren noch folgenden Antrag gestellt:

Es wird festgestellt, dass in der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.09.2007 der folgende Beschluss gefasst worden ist:

Zur Prüfung der Vorgänge im Zusammenhang mit der zum Februar 2007 – oder spätestens zum 01.10.2007 – gegebenen und vom Vorstand zugestandenen Zahlungsunfähigkeit der S. AG bestellt die Hauptversammlung zum Sonderprüfer gemäß § 142 AktG die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, F.straße 59, … H.“

Die Beklagte beantragt demgegenüber:

Klageabweisung.

Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die Hauptversammlung habe angesichts der nicht erfolgten Ankündigung keinen Beschluss fassen dürfen. Für die Feststellung eines wegen unzureichender Bekanntmachung anfechtbaren Beschlusses könne es kein Feststellungsinteresse ergeben. Auch diene der Antrag allein dem Interesse des Klägers, den Geschäftsbetrieb der Beklagten zu stören und diese in die Insolvenz zu treiben. Vor allem aber sei der Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung zu unbestimmt, weil er die einzelnen zu untersuchenden Vorgänge nicht genau bezeichne und auch nicht zeitlich und sachlich klar abgrenzbare Teilakte betreffe; zudem scheide eine Sonderprüfung während ganzer Zeiträume aus. Eine flächendeckende Ausforschung solle dieses Rechtsinstitut nicht ermöglichen. Auch liege ein Stimmverbot für Vorstand und Aufsichtsrat nicht vor, weil die Voraussetzungen von § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG angesichts der bereits zuvor erteilten Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat nicht gegeben seien.

Der Nebenintervenient ist mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.01.2008 (Bl. 32/35 d.A.) dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat sich im Termin vom 28.02.2008 dem Antrag der Beklagten angeschlossen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2008 (Bl. 57/59 d.A.).

Entscheidungsgründe

I.

1. Der auf positive Beschlussfeststellung gerichtete Antrag ist zulässig. Die Klage ist als Feststellungsklage im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Es entspricht heute der nahezu einhellig vertretenen Auffassung, dass mit einer Anfechtungsklage gegen die unrichtige Feststellung eines Beschlusses auch die Feststellung verbunden werden kann, was in Wahrheit beschlossen wurde. Erst die Feststellungsklage schafft nämlich neben der zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den gefassten Beschluss mit ihrer lediglich kassatorischen Wirkung den notwendigen Ausgleich zu der einem Versammlungsleiter aus Gründen der Rechtsicherheit eingeräumten Macht, das Beschlussergebnis mit vorläufiger Bestandskraft festzulegen. Ohne die Feststellungsklage wäre in einem solchen Fall der Aktionär schutzlos gestellt, weil ihm alleine mit der Beseitigung der falschen Ergebnisfeststellung nicht geholfen wäre. §§ 243 ff. AktG enthalten auch keine abschließende Sonderregelung, aus der die Unzulässigkeit anderer Klagearten abzuleiten wäre (vgl. nur BGHZ 76, 191, 197 ff.; Schwab in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., Rdn. 29 ff. zu § 246; Göz in: Bürgers/Körber, AktG, Rdn. 45 zu § 246).

2. Die innerhalb der Monatsfrist von § 246 Abs. 1 AktG erhobene positive Beschlussfeststellungsklage ist jedoch nicht begründet, weil ein Beschluss mit dem beantragten Inhalt nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 142 Abs. 1 AktG entspricht. In einer solchen Situation kann ein Beschluss vom angerufenen Gericht nicht positiv festgestellt werden.

a. Zur Prüfung von Vorgängen bei der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung aufgrund der Vorschrift des § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG mit einfacher Stimmenmehrheit Sonderprüfer bestellen. Prüfungsgegen-stände einer Sonderprüfung können danach nur bestimmte Vorgänge sein, auch wenn diese im Einzelfall durchaus mehraktig und komplex sein können. Dabei werden an die Bestimmtheit des Prüfungsgegen-standes zwar nicht zu strenge Anforderungen zu stellen sein. Ungeachtet dessen muss es sich aber um bestimmte Vorgänge bei der Geschäftsführung handeln – die Prüfung der gesamten Geschäftsführung ohne Beziehung zu einzelnen Vorgängen kann nicht verlangt werden (vgl. RGZ 146, 385, 393 f.; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
WM 1992, 14, 22; Spindler in: Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Rdn. 9 zu § 142; Mock in: Spindler/Stilz, AktG, Rdn. 6 zu § 142; Hüffer, AktG, 7. Aufl., Rdn. 2 zu § 142; Bezzenberger in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 28 zu § 142).

b. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes kann ein zulässiger Beschlussinhalt nicht bejaht werden. Die Prüfung von Vorgängen im Zusammenhang mit der zum Februar 2007 oder spätestens zum 1. Oktober 2007 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit lässt den hinreichenden Bezug zu einzelnen Geschäftsvorfällen vermissen. Vielmehr würde dieser Auftrag dazu führen, dass der Sonderprüfer gegebenenfalls die gesamte Geschäftsführung der Beklagten untersuchen müsste. Es entspricht einer Erfahrungstatsache, dass die Zahlungsunfähigkeit mit der sich daraus möglicherweise abzuleitenden Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages in einer Vielzahl von Fällen auf einem Ursachenbündel beruht. Zudem erstreckt sich der Prüfungszeitraum auf eine Zeitspanne von rund acht Monaten, weil nach der Formulierung „zum Februar 2007 oder spätestens zum 1. Oktober 2007“ auch der Zeitraum dazwischen umfasst ist, in dem Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein könnte.

Dem kann der Kläger auch nicht entgegen halten, bei Unklarheiten hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes, die nicht durch Auslegung zu beseitigen seien, könne gegebenenfalls ein klärender Hauptversammlungsbeschluss eingeholt werden. Von einer solchen Situation kann hier indes nicht ausgegangen werden. Wenn es lediglich Zweifel hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes gibt, liegt vom Grundsatz her ein hinreichend bestimmter Hauptversammlungsbeschluss vor, an dem es hier gerade fehlt.

Angesichts dessen muss die Kammer nicht mehr entscheiden, inwieweit hier tatsächlich ein bekanntmachungsfreier Antrag im Sinne des § 142 Abs. 4 Satz 2 AktG vorliegt und ob die Vorschrift des § 121 Abs. 6 AktG einer Beschlussfassung und einer positiven Beschlussfeststellungsklage entgegensteht.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Da die Beklagte bezüglich des Teilanerkenntnisurteils ihre Kostentragungspflicht anerkannt hat und die Klage, soweit darüber noch zu entscheiden war, durch Schlussurteil abgewiesen wurde, ist von einem hälftigen Obsiegen und Unterliegen der beiden Parteien auszugehen. Da der Nebenintervenient seinen Beitritt erst nach dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils erklärt und sich dieser erkennbar auch lediglich auf die positive Beschlussfeststellungsklage bezogen hat, kann er aufgrund von §§ 101 Abs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Erstattung der ihm entstandenen Kosten in vollem Umfang verlangen.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage jeweils in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

3. Der Streitwert war gestaffelt festzusetzen, weil ab dem Erlass des Teilanerkenntnisurteils am 27.12.2007 nur noch die positive Beschlussfeststellungsklage rechtshängig war. Deren Wert ist in analoger Anwendung von § 247 Abs. 1 AktG ebenso wie der Wert der Anfechtungsklage gemäß § 247 Abs. 1 AktG mit € 5.000,– zu bewerten. Aufgrund der Vorschrift des § 5 ZPO waren die beiden Streitwerte angesichts des unterschiedlichen Streitgegenstandes zu addieren.

Schlagworte: Sonderprüfung