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OLG Bremen, Beschluss vom 10.10.2014 – 2 Sch 2/14

ZPO §§ 1025 ff.; 1059; BGB §§ 134, 138, 195, 199; DRiG §§ 39, 40

1. Ein Aufhebungsgrund liegt nicht vor, weil – mangels Nebentätigkeitsgenehmigung – ein gesetzlich ausgeschlossener Richter an dem Schiedsverfahren teilgenommen habe (§ 1059 Abs. 1 Nr. 1 d ZPO). Die Teilnahme eines Schiedsrichters, der über keine oder keine gültige Nebentätigkeitsgenehmigung nach § 40 DRiG verfügt, kann nicht mit Erfolg eingewendet werden.

2. Zwar darf nach § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG eine Nebentätigkeit einem Schiedsrichter nur genehmigt werden, wenn die Parteien des Schiedsvertrags ihn gemeinsam beauftragen oder wenn er von einer unbeteiligten Stelle benannt ist.

3. Teile in Rechtsprechung und Literatur erblicken in der von § 40 Absatz Abs. 1 Satz 1 DRiG vorausgesetzten „gemeinsamen Beauftragung“ nicht eine lediglich formale Verfahrensbestimmung, sondern ein Verbotsgesetz. Nur wenn der bestellte Schiedsrichter das Vertrauen beider Parteien genösse, sei sichergestellt, dass er von allen Beteiligten als unparteiischer Dritter wahrgenommen werde. Darauf stelle die Norm des § 40 DRiG ab. Diese Vorschrift sei als flankierende Bestimmung zu § 39 DRiG zu verstehen. Gemäß § 39 DRiG hätten sich Berufsrichter innerhalb und außerhalb ihres Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet werde. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit würde aber gefährdet, wenn Berufsrichter außerhalb ihres Amtes eine Schiedsrichtertätigkeit ausübten, in der sie nicht als unparteiische Dritte, sondern als Vertrauensleute einer einzelnen Partei erschienen (KG, Beschl. v. 6.5.2002 – 23 Sch 1/02, BeckRS 2010, 04433; BGH, Urt. v. 11.2.1971 – VII ZR 73/69, NJW 1971, 755 offengelassen für einen Schiedsspruch; vgl. divergierend dazu Münch, der den Schiedsrichtervertrag für nichtig, aber nicht das schiedsrichterliche Verfahren für fehlerhaft hält: Münchener Kommentar, ZPO, vor § 1034 Rn. 28).

4. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Es ist zwischen dem Schiedsspruch und der Bildung des Schiedsgerichts zu unterscheiden. Die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs setzt nicht voraus, dass die Parteien sich über die Modalitäten der Schiedsrichterbestellung verständigen (vgl. zur Schiedsvereinbarung, BGH, Urt. v. 18.6.2014 – III ZR 89/13, BeckRS 2014, 14706 Tz. 10). Allein das Fehlen oder aber auch die fehlerhafte Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung kann nicht die Unwirksamkeit des Schiedsrichtervertrages bewirken, weil es nicht zu Lasten der Schiedsparteien gehen darf, dass ein Schiedsrichter nicht die erforderliche Genehmigung für seine Tätigkeit hat oder gar eine solche trotz Vorliegens nicht hätte erhalten dürfen (Stein/Jonas-Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 1032 aF Rn. 1; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 1059, Rn. 16; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.07.2002 – 1 Sch 8/02, BeckRS 2002, 17801; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Beschl. v. 8.9.2009 – 13 Sch 5/09).

5. Nach der Entstehungsgeschichte enthielt der Rothenburger Entwurf zum DRiG zunächst keine Vorschrift über die Beschränkungen des Richters bei schiedsrichterlicher, schiedsgutachterlicher und bei einer Schlichtertätigkeit. Erstmal der Referentenentwurf von August 1955 sah eine Beschränkung insoweit vor, dass die Genehmigung nur erteilt werden sollte, wenn die Parteien den Richter gemeinsam beauftragten. Die Regierungsvorlagen von 1957 und 1958 erweiterten diese Vorschrift dahin, dass eine Schlichtertätigkeit dem Richter überhaupt verboten sein sollte. Der Bundestag hat das Verbot der Schlichtertätigkeit nicht übernommen, sondern die Schlichtertätigkeit der schiedsrichterlichen Tätigkeit gleichgestellt. Außerdem hat der Bundestag in Absatz 1 den besonderen Versagungsgrund des Satzes 2 aufgenommen, der in der Regierungsvorlage nicht enthalten war (Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6. Aufl., § 40 Rn. 1).

6. Bedenken, die gegen eine zu weite Ausdehnung der Schiedsgerichtsbarkeit bestehen könnten, haben den Gesetzgeber letztlich nicht veranlasst, dem Richter eine schiedsrichterliche Nebentätigkeit schlechthin zu verbieten (BGH, NJW 1964, 593, 594; Schmidt-Räntsch aaO § 40 Rn. 14). Fehlt die Nebentätigkeitsgenehmigung, darf der Richter nicht an dem Verfahren mitwirken. Geschieht dies dennoch, liegt ein Dienstvergehen vor. Die Vorschrift dient aber in erster Linie dem Schutz der Funktionsfähigkeit der staatlichen Rechtspflege und besteht nicht im Interesse einer funktionierenden Schiedsgerichtsbarkeit. Die staatlich Rechtspflege ist durch unabhängige (Art. 97 Art. 1 GG), unparteiische Richter sicherzustellen. Nebentätigkeiten dürfen nicht zu einer Gefährdung ihrer Unabhängigkeit und Neutralität führen. Im Schiedsverfahren hingegen ist die Unparteilichkeit der dort bestellten Richter nicht durch Tätigkeit in der staatlichen Rechtspflege von vornherein in Frage gestellt und von dem Vorliegens einer Nebentätigkeitsgenehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG abhängig. Für das Interesse der Parteien, das darauf gerichtet ist, im Einzelfall einen kompetenten und unbefangenen Schiedsrichter zu benennen, ist die Erteilung einer solchen Genehmigung nicht relevant (OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, Beschl. v. 8.9.2009 – 13 Sch 5/09 ).

7. Bei dieser Auslegung führt der lediglich einseitige Verstoß des Richters gegen die dienstrechtliche Vorschrift des § 40 DRiG im Fall eines Tätigwerdens als Schiedsrichters auch nicht zu einer Nichtigkeit nach § 134 BGB. Die Vorschrift des § 134 BGB ordnet für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nicht ausnahmslos Nichtigkeit an. Während festgestellte Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ohne weiteres zu dessen Nichtigkeit führt (§ 138 BGB), macht § 134 BGB diese Rechtsfolge davon abhängig, dass sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. § 134 BGB kann deshalb nicht ohne Rückgriff auf das verletzte Verbot angewendet werden. Ordnet diese Regelung selbst eine Rechtsfolge an, ist sie maßgeblich; fehlt – wie bei § 40 DRiG – eine verbotseigene Rechtsfolgenregelung, so sind Sinn und Zweck des verletzten Verbots entscheidend (st. Rspr., BGH, NJW 1996, 926; BGHZ 110, 230, 240; BGHZ 93, 264, 267). Dies erfordert eine normbezogene Abwägung, ob es mit dem Sinn und Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen bzw. bestehen zu lassen (vgl. BGHZ 115, 123, 125).

8. Diese Prüfung ergibt, dass in Fällen, in denen eine fehlerhaft erteilte Genehmigung vorliegen mag, allein mit einem Verstoß gegen § 40 Abs. 1 DRiG kein Verbot missachtet ist, dessen Verletzung zur Unwirksamkeit führt. Für die nach § 134 BGB gebotene Abwägung ist wesentlich, ob sich das betreffende Verbot an alle Beteiligten des Geschäfts richtet, das verhindert werden soll, oder ob das Verbot nur eine Partei bindet. Sind beide Teile Adressaten des Verbots, kann regelmäßig angenommen werden, das verbotswidrige Geschäft solle keine Wirkungen entfalten. Richtet sich das Verbot dagegen nur gegen eine Partei, ist regelmäßig der gegenteilige Schluss berechtigt. Diese unterschiedliche Bewertung kommt bereits in den „Motiven zu dem Entwurf eines BGB” zum Ausdruck (Bd. I, S. 210), entspricht seit dem Beschluss der Vereinigten Zivilsenate des RG vom 17. 3. 1905 (RGZ 60, 273, 276 f.) der Rechtsprechung des BGB – gegen Stimmen in der Literatur (vgl. z.B. Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S. 9, 23 m.w. Nachw.) -, und ist seiner ständigen Rechtsprechung zugrunde gelegt worden (vgl. BGHZ 118, 142, 145). Die Unterscheidung führt dazu, dass in den Fällen, in denen das betreffende Verbot allein den einen Teil trifft, die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge nur in Betracht kommt, wenn dem Verbot ein Zweck zugrunde liegt, der gleichwohl die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts erfordert (BGH NJW 2000, 1186, 1187).

9. Auf dieses Erfordernis kommt es auch im vorliegenden Fall entscheidend an. Die Vorschrift des § 40 DRiG richtet sich einseitig an den staatlichen Richter. Der bloße Verstoß gegen § 40 DRIG als nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck dienstrechtliche Vorschrift erfordert nicht die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs.

10. Für eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf sachlich oder materiell-rechtliche Fehler ist im Verfahren nach §§ 1062-1064 ZPO kein Raum (vgl. OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
, NJOZ, 2010, 2127, 2129; BayObLG, NJOZ 2003, 2871 = DB 2003, 2545; Zöller/Geimer, § 1060 Rdnr. 24 m. w. Nachw.). Ebenso wenig bietet die Überprüfung des staatlichen Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs Schutz dagegen, dass das Schiedsgericht Beweisanträge der Parteien gemäß § 1042 Abs. 4 Satz 2 ZPO unberücksichtigt gelassen hat. Die Beurteilung der Entscheidungsrelevanz der unter Beweis gestellten Behauptungen obliegt damit dem Schiedsgericht; eine Fehlentscheidung des Schiedsgerichts ist wegen des Verbots einer révision au fond kein Aufhebungsgrund (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1059 Rn. 40, § 1042 Rn. 11a; BGH SchiedsVZ 2008, 40, 42 Rn. 18; BGH NJW 1992, 2299).

11. Es genügt, wenn das Schiedsgericht in seiner Begründung eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen gibt. Daher braucht sich das Schiedsgericht in seiner Begründung nicht mit jedem Punkt des Parteivorbringens zu befassen (Zöller aaO § 1042 Rn. 11a, 12).

12. Auch eine Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts ohne ausdrückliche Ermächtigung kann keinen Aufhebungsgrund begründen (§§ 1051 Abs. 3, 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO). Eine Billigkeitsentscheidung ohne Ermächtigung durch die Parteien (§ 1051 Abs. 3 ZPO) – anstatt der gebotenen Rechtsentscheidung – kann nur bei bewusstem und willkürlichem Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage den Schiedsspruch aufhebbar machen (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschl.v.22.6.2005, 34 Sch 10/05 = SchiedsVZ 2005, 308; vgl. Zöller/Geimer § 1051 Rn. 7 m. w. N.).

13. Eine Billigkeitsentscheidung (§ 1051 Abs. 3 ZPO) liegt vor, wenn das Schiedsgericht gänzlich davon Abstand nimmt, Erwägungen zum positiven Recht anzustellen (vgl. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1051 Rn. 9 m. w. N.).

14. Nach der Rechtsprechung des BGH stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – III ZB 17/08, NJW 2009, 1215 Rn. 5; auch schon OLG SaarbrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Saarbrücken
, OLG-Report 2007, 426, OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Karlsruhe
, OLG-Report 2002, 94). Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist. Zu diesem Bereich gehören nach der Rechtsprechung des Senats die Vorschriften über die Verjährung, die ein im Interesse des Schuldners unverzichtbares Rechtsinstitut sind (OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Bremen
, Beschl. v. 30.9.1999 – 2 Sch 4/99, BB 2000, Beilage 12, S. 18, 21).

15. Gemäß § 199 BGB beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis darum. Bei Schadensersatzansprüchen aus § 280 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung nach § 199 BGB zwar mit der Entstehung des Schadens, aber vorbehaltlich der Nr. 2 Hs.1 (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 199 Rn. 15). Hierzu genügt es, dass die Verschlechterung sich wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat, mag ihre Höhe auch noch nicht beziffert werden können; in diesem Falle ist gegebenenfalls eine Feststellungsklage zu erheben. Ist dagegen noch offen, ob pflichtwidriges, ein Risiko begründendes Verhalten zu einem Schaden führt, ist ein Ersatzanspruch noch nicht entstanden, so dass eine Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Es handelt sich dann erst um eine bloße Gefährdung einer Rechtsposition (BGH NJW 1993, 648).

Schlagworte: Feststellung der Unwirksamkeit des Geschäftsführeranstellungsvertrags, Genehmigung, Nichtigkeit, Schiedsgericht, Schiedsgerichtsverfahren, Verjährung