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OLG Celle, Urteil vom 26.09.1990 – 9 U 113/90 

§ 133 BGB, § 328 BGB

1. Im Gesellschaftsvertrag einer GmbH kann eine Stimmrechtsvereinbarung dahingehend getroffen werden, daß ein Familienmitglied jederzeit zu einer im voraus bestimmten Höhe an der GmbH beteiligt werden kann; diese Abrede wirkt wie ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S. des § 328 BGB.

2. Der Umstand, daß Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern Gewinnrücklagen gebildet werden, kann im Einzelfall dazu führen, daß die Stimmrechtsvereinbarung aufgrund veränderter Verhältnisse oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeschränkt ist.

Sachverhalt

Die Parteien sind Brüder. Der Beklagte und die Mutter der Parteien (M) sind Gesellschafter der X-GmbH. Der Beklagte ist alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft.

Der Kläger begehrt mit der Klage die Zustimmung auch des Beklagten zu einer Beschlußfassung der Gesellschaft dahin, daß das Stammkapital um 150 000 DM erhöht und er allein zur Übernahme der neuen Stammeinlage gegen Zahlung von 150 000 DM zugelassen werde. Der Kläger hat dies mit Schreiben vom 29. 5. 1989 auch im Namen der Mitgesellschafterin M vom Beklagten verlangt. Er hat sich dabei auf § 3 des Gesellschaftsvertrags vom 16. 9. 1980 gestützt. Dieser Gesellschaftsvertrag ist von den damaligen Gesellschaftern, dem Kläger, der M und dem im Jahre 1988 verstorbenen Vater der Parteien abgeschlossen worden. § 3 letzter Absatz, der auch bei späteren Änderungen des Gesellschaftsvertrags unverändert geblieben ist, lautet:

‚Die Gesellschafter verpflichten sich hiermit gegenüber Herrn …, diesem jederzeit auf seinen Wunsch die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit einer Stammeinlage bis zur Höhe von 150 000 DM an der Gesellschaft zu beteiligen und eine entsprechende Kapitalerhöhung zu beschließen.”

Der Kläger hat – unterstützt von M – gebeten, auf einer Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Beschluß zu fassen. Der Beklagte hat seine Zustimmung dazu verweigert. Das LG hat der Klage auf Zustimmung stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

1. Stimmbindungsvereinbarung zugunsten Nichtgesellschafter

Die Klausel … enthält eine Stimmbindungsvereinbarung, nach der sich die damaligen Gesellschafter, also auch der Beklagte, verpflichten, dem Kläger – sofern er dies wünscht – jederzeit die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit einer Stammeinlage bis zu 150000 DM an der Gesellschaft zu beteiligen und eine entsprechende Kapitalerhöhung zu beschließen. Diese Vertragsklausel wirkt im Verhältnis zum Kläger wie ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S. des § 328 BGB, der dem Kläger ein eigenes Forderungsrecht gewährt. Der BGH hat eine Stimmrechtsbindung grundsätzlich für zulässig erachtet (BGHZ 48, 163 ff. = GmbHR 1968, 99). In der Rechtslehre ist allerdings nicht unumstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Stimmbindung gegenüber Dritten zulässig ist. Es wird die Auffassung vertreten, daß Stimmbindungen gegenüber Nichtgesellschaftern nicht zulässig für Beschlußgegenstände sind, die der ausschließlichen Zuständigkeit der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorbehalten sind, also insbesondere für Satzungsänderungen (vgl. zum Meinungsstand Schilling in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rdnr. 23 ff., Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 6. Aufl., Rdnr. 39 ff. zu § 47 und Priester in Scholz, GmbHG, 6. Aufl., § 53 Rdnr. 35). Im vorliegenden Fall handelt es sich zunächst einmal um eine Stimmbindungsvereinbarung unter den Gesellschaftern, da sie im Gesellschaftsvertrag vom 16. 9. 1980 zwischen den damaligen Gesellschaftern vereinbart worden ist. Allerdings berechtigt sie unmittelbar und unentziehbar einen Dritten, nämlich den Kläger, der damals noch nicht Gesellschafter war (vgl. dazu auch den vom RG entschiedenen Fall in JW 1927, 2992). Es braucht indessen letztlich nicht entschieden zu werden, ob die Stimmbindung gegenüber Dritten bestimmten Einschränkungen unterliegt. Denn selbst wenn man der Auffassung folgt, daß grundsätzlich eine Stimmbindung gegenüber Nichtgesellschaftern nicht zulässig ist für Beschlußgegenstände, die der ausschließlichen Zuständigkeit der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vorbehalten sind, insbesondere für Satzungsänderungen, folgt daraus für den hier zu entscheidenden Fall keine Unwirksamkeit der entsprechenden Vereinbarung.

Denn der innere Grund dafür, daß eine Stimmbindung, die Nichtgesellschafter berechtigt, nur unter eingeschränkten Voraussetzungen für zulässig erachtet wird, liegt darin, daß es dem Wesen der GmbH zuwiderlaufe, wenn Dritte in die Gesellschaft hineinregierten. Es dürfe nicht sein, daß Außenstehende, die mit den Belangen der Gesellschaft möglicherweise nicht so vertraut seien und auch nicht die wirtschaftlichen Risiken trügen, die Geschicke der Gesellschaft, die von der Gesellschafterversammlung zu entscheiden seien, in entscheidenden Punkten (mit)bestimmen dürften. Im vorliegenden Fall ist die Ausgangslage eine andere. Es geht nicht darum, Außenstehenden das Geschick der Gesellschaft teilweise zu überantworten, sondern lediglich darum, daß ein weiterer Gesellschafter, nämlich der Kläger, aufzunehmen ist. Die Anteile der Gesellschaft wurden von Anfang an von drei Familienmitgliedern … gehalten. Der Kläger war seinerzeit noch sehr jung; es war indessen – wie aus der Bestimmung des § 3 letzter Absatz ersichtlich ist – das Ansinnen aller Gesellschafter, auch ihm, wie den anderen Familienmitgliedern, und nach dem damaligen Stand in gleicher Höhe wie seinem Bruder, dem Beklagten, irgendwann den Einstieg in die Gesellschaft zu ermöglichen. Letztlich wird mit dem Beitritt des Klägers nur das in die Tat umgesetzt, was seinerzeit alle Beteiligten schon vorhatten. Der Kläger wird nach seinem Beitritt auch wie die anderen Gesellschafter, der Beklagte und die Mutter der Parteien, Rechte und Pflichten der Gesellschafter haben, so daß eine Befürchtung, Außenstehende könnten die Geschicke der Gesellschaft bestimmen, nicht gerechtfertigt ist.

2. Kein Erlöschen der Stimmbindung

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht erloschen oder eingeschränkt aufgrund der veränderten Verhältnisse. Ebensowenig kann sich der Beklagte mit Erfolg auf einen Bestandsschutz berufen, der ihm gewährleisten müsse, die in der Zwischenzeit erworbene Mehrheit auf Dauer zu behalten.

Zum Zeitpunkt der Vereinbarung in § 3 letzter Absatz des Gesellschaftsvertrags hatte der Beklagte noch nicht die Mehrheit der Anteile. Er hat sie erst sieben Jahre später erhalten, ohne daß in diesem Zusammenhang durch die Gesellschafter oder unter Einschluß des Klägers im Familienkreis eine Änderung der Rechte des Klägers beschlossen worden ist. Der Beklagte mußte daher stets damit rechnen, daß der Kläger das ihm zustehende Recht geltend machen würde. Denn der Kläger konnte schon nach dem auch für einen Laien klaren Wortlaut ‚jederzeit” sein Beitrittsrecht ausüben. Es sind auch keine Umstände dafür hervorgetreten, daß der Kläger irgendwann einmal in schützenswerter Weise aufgrund des Verhaltens des Klägers davon hätte ausgehen dürfen, dieser werde von seinem Beitrittsrecht keinen Gebrauch machen. Vielmehr war angesichts des jüngeren Alters des Klägers und seines Studiums damit zu rechnen, daß er sein Beitrittsrecht erst geraume Zeit nach der Vereinbarung der entsprechenden Klausel im Gesellschaftsvertrag ausüben würde, wenn er seine Berufsausbildung abgeschlossen hatte und ihm auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung standen, um einen Anteil zu erwerben.

Es mußte daher von vornherein für alle Gesellschafter klar sein, daß der Kläger jederzeit die Forderung stellen konnte, sich an der Gesellschaft zu beteiligen, und daß dies auch entsprechende Folgen in bezug auf etwa inzwischen gegenüber der Ausgangssituation veränderte Mehrheitsverhältnisse haben konnte. Schon deshalb mußte sich der Beklagte – ebenso wie die M – bei allen wirtschaftlichen Entscheidungen auf diese Situation einstellen …

Angesichts der genannten Umstände ist daher davon auszugehen, daß der Kläger nach wie vor sein Beitrittsrecht ausüben durfte und die aus der Vereinbarung in § 3 letzter Absatz verpflichteten Gesellschafter gehalten waren, ihm dies durch eine entsprechende Stimmabgabe in einer Gesellschafterversammlung zu ermöglichen. Sofern und soweit der Kläger von seinem Recht Gebrauch machte – das war hier durch das Schreiben vom 29. 5. 1989 – konnte er grundsätzlich erwarten, der Gesellschaft unter den zu diesem Zeitpunkt bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beitreten zu können. Deshalb besteht umgekehrt kein Anspruch des Beklagten darauf, zunächst – ohne den Kläger – eine Kapitalerhöhung durchzusetzen und dann erst den Kläger aufzunehmen, um seine, des Beklagten, Kapitalmehrheit zu sichern. Denn der Anspruch des Klägers war mit seiner Geltendmachung unverzüglich nach dem 29. 5. 1989 zu erfüllen …

Sobald der Beklagte seine Verpflichtung dem Kläger gegenüber erfüllt hat und der Kläger Mitgesellschafter geworden ist, wird er wie die anderen Gesellschafter sich in der gebotenen Weise mit der Frage einer weiteren Kapitalerhöhung auseinandersetzen müssen.

Der Senat hat weiter die Frage erwogen, ob der Umstand, daß für die Jahre 1986 bis 1989 Gewinnrücklagen gebildet worden sind, zu einer Einschränkung des Rechtes des Klägers führen könnte oder ob der Kläger auch an diesen Gewinnrücklagen teilhaben darf. Diese Frage brauchte jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, weil nach den unstreitigen Fakten der Beklagte jedenfalls nicht so sehr benachteiligt wäre, daß dem Kläger der Beitritt bis zur Klärung dieser Frage versagt werden mußte. Soweit durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 7. 10. 1988 eine Gewinnrücklage von 200000 DM beschlossen worden ist, stammt diese im wesentlichen aus dem Gewinnvortrag des Jahres 1986. Bis 1987 war der Beklagte ohnehin nicht Mehrheitsgesellschafter. Die zahlenmäßig höchste Gewinnrücklage ist im Jahre 1990 aus dem Gewinn des Jahres 1989 i.H. von 540000 DM gebildet worden. Diese müßte dem Kläger, der am 29. 5. 1989 schriftlich sein Beitrittsrecht geltend gemacht hat, ohnehin zu einem großen Teil – Einzelheiten darüber, in welchen Monaten des Jahres 1989 die Gewinne erwirtschaftet sind, sind nicht genannt – zugute kommen. Unter diesen Umständen kann nach den vorliegenden Zahlen auch der Umstand, daß Gewinne teilweise nicht ausgeschüttet, sondern Gewinnrücklagen gebildet worden sind, jedenfalls nicht dazu führen, daß das dem Kläger im Gesellschaftsvertrag uneingeschränkt gewährte Recht aufgrund veränderter Verhältnisse oder eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeschränkt wäre. Es kommt mithin jedenfalls zur Zeit nicht darauf an, daß der Kläger im Senatstermin erklärt hat, er ziele nicht darauf ab, an den Gewinnrücklagen teilzuhaben, und der Bevollmächtigte seiner Mutter ausdrücklich angeboten hat, bei einer etwaigen Auflösung der Gewinnrücklagen würde die M nicht auf einer Auszahlung bestehen, sondern das Geld darlehensweise und zinslos der Gesellschaft belassen.

Aus den vorstehenden Erörterungen ergibt sich bereits, daß auch der vom Prozeßbevollmächtigten des Beklagten im Termin vor dem Senat angesprochene Gesichtspunkt der Verwirkung nicht durchgreifen kann. Die Rechte des Klägers konnten jederzeit geltend gemacht werden, es war sogar damit zu rechnen, daß eine gewisse Zeit bis zur Geltendmachung vergehen würde, und es sind keine Umstände dafür ersichtlich, daß die jetzigen Gesellschafter aufgrund des Verhaltens des Klägers glauben konnten, er werde seine Rechte nicht geltend machen, und sie sich in einem schützenswerten Vertrauen darauf in irgendeiner Weise eingestellt hätten …

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