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OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.11.2012 – I-6 U 18/12, 6 U 18/12

AktG §§ 131, 171, 243, 312, 313, 314

1. Zur ordnungsgemäßen Rüge einer die Anfechtung begründenden Verletzung der sich aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ergebenden Auskunftspflichten der Gesellschaft gehört neben der Darlegung des in Rede stehenden Auskunftsverlangens über Angelegenheiten der Gesellschaft in einer Hauptversammlung und der Reaktion der Gesellschaft auf dieses Verlangen – also der jeweils gestellten Fragen und der jeweils darauf gegebenen Antworten – unter anderem auch der Vortrag, dass und aus welchen Gründen die verlangten Informationen zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der angefochtenen Beschlüsse im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich waren.

2. Maßstab für die Erforderlichkeit einer Auskunft in diesem Sinne ist dabei die Sicht eines objektiv urteilenden Durchschnittsaktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als ein nicht nur unwesentliches Beurteilungselement für seine Entscheidung über den konkret in Rede stehenden Beschlussgegenstand benötigt. Dadurch wird der Auskunftsanspruch des Aktionärs sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht als auch in Bezug auf seinen Detaillierungsgrad begrenzt. Nicht jede marginale Information ist in diesem Sinne zur Beurteilung eines Beschlussgegenstandes erforderlich; vielmehr muss eine gewisse Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (OLG Stuttgart, AG 2011, 93 ff. = juris Rn 510 f. m.w.N.).

3. Zu Auskünften in der Hauptversammlung über die berufliche Qualifikation von Organmitgliedern, die über die Angabe des ausgeübten Berufes hinausgehen, ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft nur beim Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für eine mangelnde fachliche Eignung der betroffenen Organmitglieder verpflichtet. Insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen über die Entlastung der Organmitglieder und die Wahl der AbschlussprüferBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abschlussprüfer
Wahl der Abschlussprüfer
ist nicht zu erkennen, wieso es für die in diesem Zusammenhang nur erforderliche Beurteilung der Amtsführung in der Vergangenheit auf die berufliche Qualifikation der Vorstände oder der Aufsichtsräte der Beklagten ankommen soll (a.A. – ohne nähere Begründung – OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
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, NJW-RR 1987, 551 f.). Selbst wenn man dies außer Betracht lässt, ist nach der gesetzlichen Wertung des § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG zumindest der Verweis der Gesellschaft auf die aus dem Internet zu entnehmenden Informationen ausreichend (Hüffer, Aktiengesetz, 10. Auflage, § 32a AktG; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249 f., 256). Soweit sich aus dem Internet Informationen über die Studienabschlüsse der betroffenen Organmitglieder nicht entnehmen lassen, sind solche Angaben von der Gesellschaft nicht geschuldet. Wie sich aus der gesetzlichen Wertung in § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG entnehmen lässt, hält der Gesetzgeber solche über den ausgeübten Beruf hinausgehenden Informationen über die berufliche Qualifikation von Organmitgliedern zumindest im Regelfall ohnehin nicht für erforderlich. Etwas anderes könnte nur bei Vorliegen von konkreten Anzeichen für eine mangelnde Eignung aufgrund fehlender beruflicher Qualifikation gelten (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, NJW-RR 1987, 55 1 f.; etwas eingeschränkt auch Lutter/K. Schmidt/Spindler, Aktiengesetz, 2. Auflage, § 131 AktG Rn 51 m.w.N.).

4. Beschlüsse über die Entlastung von Organmitgliedern in einer Aktiengesellschaft sind gemäß § 243 Abs. 1 AktG wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz oder gegen die Satzung der Gesellschaft anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastungsentscheidung ein Verhalten ist, das seinerseits eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß beinhaltet (BGHZ 153, 47 ff. = WM 2005, 533 ff. = juris Rn 15; BGHZ 160, 385 ff. = WM 2004, 2489 ff. = juris Rn 6). Von einer Rechtsverletzung mit dem danach für eine Anfechtung erforderlichen Gewicht ist nämlich nur dann auszugehen, wenn sich ein Gesellschaftsorgan über eine zweifelsfreie und eindeutig geklärte Rechtslage hinweggesetzt hat (BGH ZIP 2009, 2436 f.).

5. Beim Aufsichtsratsbericht handelt es sich um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die nach allgemeiner Ansicht die Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen entsprechend anzuwenden ist (BGH NJW 2001, 289).

6. Führt die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass gegen diesen keine Beanstandungen bestehen, dann ist für diesen Fall jedenfalls von der bisher überwiegenden Ansicht anerkannt, dass die Schlusserklärung des Aufsichtsrates, wonach Beanstandungen gegen den Jahresabschluss nicht erhoben werden, bereits ausreicht und eine zusätzliche Aussage, dass dieser von dem Aufsichtsrat auch selbst geprüft worden ist, nicht verlangt wird (Hüffer, a.a.O., § 171 AktG Rn 13 und 14; MüKoAktG/Kropff, 2. Auflage, § 171 AktG Rn 149; Lutter/K. Schmidt/Drygala, a.a.O., § 171 AktG Rn 13; Adler/Düring/Schmaltz, Die Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Auflage, § 171 AktG Rn 74; teilweise a.A. allerdings eine von Drygala, a.a.O. als „im Vordringen befindlich“ bezeichnete Auffassung, wonach der Aufsichtsrat zumindest kurz anzugeben habe, wie er zu dem Ergebnis seiner Prüfung gelangt ist, Theisen BB 1988, 705 ff., 710; Theisen/Linn/Schöll, DB 2007, 2493 ff., 2500, Trescher DB 1989, 1981 ff., 1982, Lutter AG 2008, 1 ff., 3).

7. Der Umfang der Berichts- und Prüfungspflichten des Aufsichtsrates richtet sich nach der konkreten wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft, weshalb in einer wirtschaftlichen Krisensituation unter Umständen auch eine besonders umfangreiche Prüfung und Berichterstattung angezeigt sein kann (vgl. für die Berichtspflichten über den Jahresabschluss nach § 171 Abs. 2 AktG z.B. OLG Stuttgart WM 2006, 861 ff.).

8. Das Nachschieben eines neuen, zur Begründung einer Anfechtungsklage zunächst noch nicht herangezogenen Lebenssachverhalts nach dem Ende der Anfechtungsfrist ist unzulässig (BGH WM 2006, 402 ff. = juris Rn 24 m.w.N.).

Schlagworte: Anfechtungsfrist, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Aufsichtsrat, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Beschlussmängel, Entlastung der Geschäftsführer, Informationsrechte des Gesellschafters, Jahresabschluss, Nachschieben von Gründen, Prüfungspflicht