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OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 20.03.2012 – 5 AktG 4/11

UmwG § 8, 13, 16, 65, 66, 69; AktG § 76, 182, 243, 246, 246a, 319; BGB § 139

1. Im Freigabeverfahren (§ 16 Abs. 3 UmwG) wird die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG nur durch ihren Vorstand vertreten. Die Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG, wonach die Gesellschaft im Anfechtungsprozess durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, findet keine entsprechende Anwendung (a. A. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, AG 2004, 207 für § 319 Abs. 5 AktG), weil das Freigabeverfahren und die Anfechtungsklage gemäß § 246 AktG selbstständige Verfahren mit eigenständigem Streitgegenstand sind. Auch ist der Zweck der Regelung in § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG zu verhindern, dass der Vorstand sich über seine Pflicht, den Beschluss zu verteidigen hinwegsetzen und eigenmächtig im Einvernehmen mit dem Anfechtungskläger über den angefochtenen Beschluss disponieren könnte, nicht einschlägig, weil der Vorstand, der namens der Gesellschaft das Freigabeverfahren beantragt, dadurch dem angefochtenen Beschluss gerade zur Geltung verhelfen will (vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG 2008, § 246a, Rz. 11).

2. Es ist jedoch unschädlich, wenn die Gesellschaft in der Antragsschrift ihre Vertretungsverhältnisse unzutreffend dahin angegeben hat, sie werde durch den Vorstand und den Aufsichtsrat vertreten.

3. Neben der Freigabe des Verschmelzungsbeschlusses (§§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG) kann zulässigerweise auch die Freigabe des Kapitalerhöhungsbeschlusses (§§ 69 UmwG, § 182 AktG) beantragt werden. Wegen § 66 UmwG kann die Verschmelzung erst im Handelsregister eingetragen werden, wenn die zur Durchführung beschlossene Kapitalerhöhung eingetragen worden ist. Der Schutzzweck des § 16 Abs. 3 UmwG erfordert daher, dass auch die Unbedenklichkeit der Eintragung der Kapitalmaßnahme festgestellt wird (vgl. Widmann/Mayer, UmwG, Loseblatt, Stand 11/05, § 16, Rz. 105; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, 4. Aufl. 2010, § 16, Rz. 25), abgesehen davon, dass (nunmehr) mit § 246a AktG auch ein eigenes aktienrechtliches Freigabeverfahren mit identischen Voraussetzungen zur Verfügung steht.

4. Eines Nachweises, dass der Antragsgegner seit Bekanntmachung der Einberufung einen anteiligen Betrag von mindestens EUR 1.000 hält, bedarf es nicht, wenn nie zweifelhaft war oder bestritten wurde, dass der Antragsgegner das Quorum erreicht (std. Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 30.03.2010 – 5 Sch 3/09, AG 2010, 508). Die Ansicht des Kammergerichts (ZIP 2011, 172), die Voraussetzung des (gleichlautenden) § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG sei kein rein Verfahrens-, sondern ein explizit materiellrechtliches Kriterium, überzeugt nicht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb bei fehlendem Streit über das Erreichen des Quorums ein urkundlicher Nachweis noch materiellrechtlich sinnhaft sein könnte.

5. Die Klage des Antragsgegners in der Hauptsache ist offensichtlich unbegründet, wenn sich auf der Grundlage glaubhaft gemachter Tatsachen mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage vorhersagen lässt, wobei der für diese Prognose erforderliche Prüfungsaufwand des Prozessgerichts nicht entscheidend ist (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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am Main, AG 2006, 249; Senat, Beschluss vom 16.2.2007 Az.: 5 W 43/06; Beschluss vom 5.11.2007 Az.: 5 W 22/07), oder anders formuliert, wenn das Gericht bei umfassender rechtlicher Würdigung des gesamten Sachverhalts und der glaubhaft gemachten Tatsachen eine andere Beurteilung für nicht oder kaum vertretbar hält (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Beschluss vom 14.12.2011 – 7 AktG 3/11, BB 2012, 412).

6. Wegen der Abhängigkeit der Kapitalmaßnahme von der Verschmelzung, deren Umsetzung sie erklärtermaßen dient, ergibt sich schon nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB, der auf Beschlüsse von Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft analog anzuwenden ist (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2008, 864), genauso auch Beschlussübergreifend bei Beschlüssen gilt, die -wie hier die Kapitalmaßnahme auf der Verschmelzung – als aufeinander aufbauende Einheit zu sehen sind (vgl. LG München, AG 2010, 419), dass der Kapitalerhöhungsbeschluss bei Anfechtbarkeit der Verschmelzung ebenfalls keinen Bestand haben kann.

7. Eine sachliche Rechtfertigung für den Verschmelzungsbeschluss im Sinne einer materiellen Beschlusskontrolle ist nicht erforderlich (vgl. Semler/Stengel/Gehling, a. a. O., § 13, Rz. 23, a. A. Lutter/Drygala, a. a. O., § 13, Rz. 31); ein ausreichender Minderheitenschutz wird daher neben dem Mehrheitserfordernis dadurch gewährleistet, dass ein ausführlicher Verschmelzungsbericht zu erstatten ist (Semler/Stengel/Gehling, a. a. O., § 13, Rz. 23; Lutter/Drygala, a. a. O., § 13, Rz. 36; Kallmeyer/Zimmermann, a. a. O., § 13, Rz. 12). Deshalb bezweckt die Vorschrift des § 8 UmwG den Schutz der Anteilsinhaber (Lutter/Drygala, a. a. O., § 8, Rz. 3), die in die Lage versetzt werden sollen, darüber zu befinden, ob die Verschmelzung wirtschaftlich sinnvoll und gesetzmäßig ist (vgl. vgl. vgl. BGH, Urteil vom 22.05.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296 noch zu § 340a AktG; Lutter/Drygala, a. a. O., § 8, Rz. 12).

8. Wenn der Verschmelzungsbericht den Anteilseignern keine Plausibilitätskontrolle ermöglicht, leidet der Verschmelzungsbeschluss – bei wertender Betrachtungsweise – an einem Legitimationsdefizit, das die Anfechtung rechtfertigt (§ 243 Abs. 4 Satz 1 AktG, vgl. Lutter/Drygala, UmwG, 4. Aufl. 2009, § 8, Rz. 55; Widmann/Mayer, a. a. O., § 8, Rz. 73; Kallmeyer/Marsch-Barner, a. a. O., § 8, Rz. 34; Schmitt/Hörtnaqel/Stratz, UmwG, 5. Aufl. 2009, § 8, Rz. 41; Semler/Stengel/Gehling, UmwG, 3. Aufl. 2012, § 8, Rz, 78).

9. Die Verschmelzung ist nicht gesetzmäßig, wenn das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers als Wert der Sacheinlage den Nennbetrag der im Rahmen der Verschmelzung zu gewährenden Aktien der Antragstellerin nicht erreicht und dadurch gegen das Verbot der Unterpariemission (§ 9 Abs. 1 AktG) verstößt.

10. Da auch der Prüfungsbericht Grundlage des Verschmelzungsbeschlusses ist, führt dies ebenso wie der fehlerhafte Verschmelzungsbericht zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (vgl. Schmitt/Hörtnaqel/Stratz, UmwG, 5. Aufl. 2009, § 8, Rz. 39, § 12, Rz. 22).

11. Ein Sondervorteil ist jeder Vorteil, der bei einer Gesamtwürdigung als sachwidrige, mit den Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
oder der anderen Aktionäre unvereinbare Bevorzugung erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 20.04,2009 – II ZR 148/07, AG 2009, 534; Urteil vom 9.02.1998 – II ZR 278/96, BGHZ 138, 71; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, BB 2012, 412).

12. Weil die Aufgabe des § 243 Abs. 2 AktG im Wesentlichen darin liegt, eine Ausübung des Stimmrechts abzuwehren, die in einer der Umstandssittenwidrigkeit ähnlichen Weise nicht hingenommen werden kann, liegt eine sachwidrige Bevorzugung und mit ihr ein Sondervorteil dann vor, wenn sich der Aktionär eine Missbilligung seiner Stimmrechtsausübung gefallen lassen muss, was wiederum dann der Fall ist, wenn er von der Gesellschaft einen Vorteil erwerben oder einen erzielten Vorteil behalten möchte, obwohl der Vorstand diesen Vorteil als pflichtbewusster, selbstständig handelnder und fremden Vermögensinteressen verpflichteter Leiter des konkreten Gesellschaftsunternehmens nicht gewähren oder belassen darf (vgl. MünchKomm AktG/Hüffer, 3. Aufl. 2011, § 243, Rz. 79).

13. Den interessen des Antragsgegners kann nicht entgegen gehalten werden, dass dieser über eine nur geringe Beteiligung verfügt. Denn oberhalb des Quorums kann die regelmäßig vorliegende Tatsache, dass der Schaden des in seinen Rechten verletzten Anfechtungsklägers im Verhältnis zum behaupteten Nachteil für die Gesellschaft oder die Gesellschaftermehrheit bei Aufschub der Maßnahme ungleich geringer sein dürfte, für sich allein keine Ausnahme von der Registersperre begründen (vgl. Semler/Stengel/Schwanna, a. a. O., § 16 Rz. 379).

Schlagworte: Aktienrecht, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Aufsichtsrat, Erhöhung des Stammkapitals, Erstreben von Sondervorteilen, Freigabeverfahren, Handelsregister, Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschluss, Minderheitenschutz, Mindestaktienbesitz, Nichtigkeitsgründe, Sacheinlagen, Sondervorteile nach § 243 Abs. 2 AktG analog, Stimmrechtsausschluss, Stimmrechtsmissbrauch, Treuepflicht und Sondervorteile, Umwandlung, Verschmelzung, Verschmelzungsbericht, Vertretungsbefugnis, Vorstand