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OLG Hamburg, Urteil vom 05.07.2000 – 19 U 173/99

§ 823 Abs 2 BGB, § 43 GmbHG, § 58 Abs 1 Nr 2 GmbHG

Dem Gläubiger einer GmbH, der eine Forderung angemeldet hat, aber wegen Kapitalherabsetzung bei der GmbH nicht befriedigt wird, steht gegen den Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter gemäß BGB § 823Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 823
Abs 2, GmbHG § 58 Abs 1 Nr 2 ein Schadensersatzanspruch zu, wenn seine Zustimmung zur Kapitalherabsetzung nicht eingeholt worden und eine Sicherstellung nicht erfolgt ist. Für den entstandenen Schaden hat der Geschäftsführer gegenüber dem Gläubiger direkt einzustehen und nicht nur im Innenverhältnis gegenüber der GmbH. Diese Haftung besteht auch dann, wenn die GmbH die geltend gemachte Forderung bestritten hatte.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 10, vom 24. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2 % und der Beklagte zu 98 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700.000,00 DM abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 446.551,19 DM.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Gesamtvollstreckungsverwalter des Vermögens der A …-Vertriebs GmbH vom Beklagten als Geschäftsführer der damaligen Firma A … GmbH S … Zahlung im Wege des Haftungsdurchgriffs. Auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils — Bl. 117 bis 123 d. A. — wird vollen Umfangs Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 446.551,19 DM nebst Zinsen mit der Begründung verurteilt, der Beklagte habe die Gemeinschuldnerin vorsätzlich Sittenwidrig geschädigt (§ 826 BGB). Es sei nämlich durch die vom Beklagten veranlaßte Stammkapitalherabsetzung von 4.650.000,00 DM auf 650.000,00 DM eine Unterkapitalisierung der GmbH eingetreten und durch den Verkauf des Betriebsgrundstücks eine weitere Kapitalentziehung erfolgt, womit der Beklagte die Gemeinschuldnerin vorsätzlich in Höhe von 446.551,19 DM geschädigt habe. Im übrigen seien auch die Voraussetzungen für eine Durchgriffshaftung gemäß den §§ 302, 303 AktG analog anzunehmen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er geltend macht, durch die Kapitalherabsetzung sei keine Unterkapitalisierung der GmbH eingetreten, ebenso nicht durch den Verkauf des Betriebsgrundstücks. Die Ausführungen des Landgerichts zur Kausalität seien falsch, denn das Grundstück habe nicht das vollständige Anlagevermögen ausgemacht. Die Treuhandanstalt habe die Geschäftsanteile an der Hauptschuldnerin nur deshalb an Herrn G und den Beklagten verkauft, weil das Grundstück aus der Gesellschaft herausgenommen und dort ein Gewerbepark errichtet werden sollte. Ein Schädigungsvorsatz des Beklagten habe nicht vorgelegen. Er habe sich auf die Aussage des die Anmeldung gegenüber dem Handelsregister beglaubigenden Notars verlassen, seine Vorgehensweise sei ordnungsgemäß. Die Ausführungen des Landgerichts zur Durchgriffshaftung analog §§ 302, 303 AktG seien jedenfalls insofern falsch, als es sich ggf. um einen Schulfall des die pauschale Konzernhaftung verdrängenden Einzelausgleichs handeln würde.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1.  die Berufung zurückzuweisen,

2.  hilfsweise dem Kläger nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gemäß § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung abzuwenden,

3.  ferner hilfsweise dem Kläger die Befugnis einzuräumen, Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer in Deutschland als Wechsel- und Steuerbürgin anerkannten Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse zu stellen.

Seine zunächst erhobene AnschlußBerufung hat der Kläger mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen.

Der Kläger verteidigt die Gründe des landgerichtlichen Urteils und weist darauf hin, daß das Landgericht auch aus anderen Rechtsgründen der Klage hätte stattgeben können. Der Beklagte habe mit der Kapitalherabsetzung der GmbH die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel entzogen und das Risiko ab 1993 noch weiter zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger erhöht. Es müsse unterstellt werden, daß der Beklagte das Betriebsgrundstück ohne Zahlung eines Kaufpreises erworben habe.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 446.551,19 DM nebst Zinsen verurteilt. Die vom Beklagten hiergegen mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen greifen im Ergebnis nicht durch.

1.  Der Gemeinschuldnerin steht eine rechtskräftig durch das Urteil des OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
vom 14. Februar 1995 — 7 U 104/93 — titulierte Forderung von 439.493,80 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 2. Februar 1992 gegen die Firma A … GmbH S … zu. Auch durch eine Restitutionsklage hat der Beklagte eine Revidierung dieses Urteils nicht erreicht. Hinzu kommen die vom Kläger angesetzten, im Kostenfestungsbeschluß des Landgerichts Stendal vom 17. Oktober 1995 — 23 0 239/92 — titulierten 7.057,39 DM.

2.  Wegen dieser Ansprüche haftet der Beklagte, der der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter dieser früher und später mehrfach umbenannten Schuldnerin ist, gemäß den §§ 823 Abs. 2 BGB, 58 GmbHG.

Die Herabsetzung des Stammkapitals der GmbH durfte nur erfolgen, wenn die Gläubiger, die sich bei der Gesellschaft meldeten und der Herabsetzung nicht zustimmten, befriedigt oder sichergestellt wurden (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Die Gemeinschuldnerin hatte sich gegenüber der GmbH mit einer weitaus höheren Forderung als 439.493,80 DM nicht nur gemeldet, sondern solche Ansprüche sogar rechtshängig gemacht. Daß die Klage durch das Urteil des Landgerichts Stendal vom 9. November 1993 zunächst abgewiesen wurde, ändert nichts daran, daß die Gemeinschuldnerin sich als Gläubigerin gemeldet hatte.

Sie hat auch der Kapitalherabsetzung nicht zugestimmt. Vielmehr war ihr die beabsichtigte Kapitalherabsetzung gerade nicht bekannt gegeben worden. Wäre dies geschehen, so ist anzunehmen, daß sie einer Kapitalherabsetzung allenfalls gegen Sicherstellung zugestimmt hätte. Sie könnte sich dann aus einer solchen Sicherstellung nunmehr befriedigen.

Der Beklagte war als Geschäftsführer der GmbH verpflichtet, für eine Befriedigung oder Sicherstellung der Gemeinschuldnerin zu sorgen (§ 43 GmbHG), was nicht geschehen ist. Der Gemeinschuldnerin ist ein entsprechender Schaden erwachsen. Daß die Gemeinschuldnerin von der GmbH Befriedigung zu erlangen vermöchte, trägt der Beklagte selbst nicht vor. Im übrigen hätte er sonst die Befriedigung der Gemeinschuldnerin durch die GmbH herbeiführen können. Daß es bei der GmbH neben dem Betriebsgrundstück noch weiteres Anlagevermögen gegeben haben soll, besagt nichts über Befriedigungsmöglichkeiten der Gemeinschuldnerin.

Für diesen Schaden der Gemeinschuldnerin hat der Beklagte nicht nur im Innenverhältnis gegenüber der GmbH, sondern gegenüber der Gemeinschuldnerin direkt einzustehen, denn § 58 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Herabsetzung des Stammkapitals durchbricht die Grundsätze der Sicherung der Kapitalaufbringung und -erhaltung und erfordert daher Schutzvorschriften. Zu diesen gehört § 58 GmbHG, der dem Schutz der Gläubiger dient und verhindern soll, daß diesen durch eine ihnen nicht bekannte Kapitalherabsetzung der Haftungsfonds entzogen wird (vgl. z. B. BayObLG BB 1974, 1362/1363; Scholz/Priester, GmbHG, 8. Aufl. 1995, § 58, Rnr. 77; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl. 1996, § 58, Rnr. 56 m.w.N. auf die „einheitliche Meinung“).

Ein Verschulden des Beklagten entfällt auch nicht deshalb, weil der die Anmeldung zum Handelsregister beglaubigende Notar die Vorgehensweise des Beklagten als ordnungsgemäß erachtete. Welchen Rechtsrat der Notar aufgrund welcher tatsächlichen Kenntnisse erteilte, ist seitens des Beklagten nicht ausgeführt worden.

Ein Mitverschulden des Klägers bzw. der Gemeinschuldnerin im Sinne des § 254 BGB ergibt sich nicht. Zwar hätte der Kläger aus dem vollstreckbaren Urteil des OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
vom 14. Februar 1995 die Zwangsvollstreckung betreiben können. Daß dies jedoch bei der GmbH zu einem Erfolg geführt hätte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte trägt hierzu substantiiert nichts vor.

3.  Im übrigen verstieß der Beklagte auch gegen § 58 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 GmbHG. Er gab der Gemeinschuldnerin die Kapitalherabsetzung nicht bekannt, obwohl sie als Gläubigerin der GmbH bekannt war. Daß die GmbH die geltend gemachte Forderung bestritt, änderte an der Verpflichtung, die Gesamtschuldnerin zur Anmeldung ihrer Forderung aufzufordern, nichts. Zugleich gab er gegenüber dem Handelsregister die unrichtige Versicherung ab, daß die Gläubiger, die sich bei der GmbH gemeldet und der Herabsetzung nicht zugestimmt hätten, befriedigt oder sichergestellt seien. Auch aus diesen Gründen haftet der Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 BGB.

Daß der GmbH durch die Kapitalherabsetzung wie auch durch die Veräußerung des Betriebsgrundstücks entscheidendes Kapital entzogen wurde, ergibt sich einerseits aus dem Kapitalherabsetzungsbeschluß vom 15. August 1991 (Anl. K 6), nach dem an den Beklagten 2.040.000,00 DM bzw. 1.960.000,00 DM zum Zwecke der verhältnismäßigen Rückzahlung von Stammeinlagen ausbezahlt werden sollten, und andererseits daraus, daß ein Gegenwert für das Grundstück der GmbH nicht zufloß.

Ob die Ansprüche des Klägers sich auch aus § 826 BGB oder aus den §§ 302, 303 AktG analog herleiten lassen, kann unerörtert bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die Vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

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