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OLG Hamm, Urteil vom 06.05.2003 – 27 U 131/02

§ 48 GmbHG

1. Wird dem legitimierten Vertreter eines Gesellschafters der Zutritt zu den Räumen, in denen die Gesellschafterversammlung stattfinden soll, vom Inhaber des Hausrechts verweigert, so muss von der Durchführung der Versammlung in diesen Räumen abgesehen werden.

2. Der Gesellschafter kann neben seinem Vertreter den Zutritt zum Versammlungsraum bis zur Klärung der Frage verlangen, ob der von ihm entsandte Vertreter zur Versammlung zugelassen wird.

Die in der Gesellschafterversammlung vom 11. Dezember 1999 gefassten Beschlüsse sind mit der Klage wirksam angefochten worden, weil das Informationsrecht beider Kläger und das Teilnahmerecht der Klägerin zu 1) verletzt worden sind.

Die Klägerin zu 1) war gemäß § 6 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages dazu berechtigt, zur Gesellschafterversammlung einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertreter zu entsenden. Dass sie ihren Steuerberater erst im Zuge der Auseinandersetzung über die Gestattung des Zutritts zu den Geschäftsräumen der Beklagten schriftlich bevollmächtigte, ist unschädlich, weil die Entsendung eines Vertreters nach der Satzungsregelung nicht vorher angekündigt werden musste. Es reichte daher aus, dass der erschienene Vertreter sich durch eine Vollmachtsurkunde legitimierte.

Die bloße Verweigerung des Zutritts zu den Geschäftsräumen der Beklagten durch deren Geschäftsführer stellte als solche noch keine die Anfechtung begründende Beeinträchtigung des Teilnahmerechts dar, weil sie in Ausübung des dem Geschäftsführer zustehenden Hausrechts geschah, bevor die Gesellschafterversammlung begonnen hatte. Dieses Hausrecht wurde durch die Absicht, dort eine Gesellschafterversammlung durchzuführen, grundsätzlich nicht berührt.

Fehlerhaft war es aber, in die Gesellschafterversammlung einzutreten, obwohl die Entscheidung über die Zutrittsberechtigung zum Versammlungslokal durch die Ausübung des Hausrechts über die Geschäftsräume faktisch bereits vorweg genommen worden war. Die Gesellschafterversammlung hat das Recht, über die Teilnahme der erschienenen Personen, die Wahl des Versammlungsleiters und eventuelle Ordnungsmaßnahmen zu beschließen (vgl. Scholz-Schmidt, 9. Aufl., § 48 GmbHG, Rdnr. 24, 30, 34, m.w.N.). Ihr steht auch das Hausrecht im Versammlungslokal zu (Scholz-Schmidt, a.a.O., Rdnr. 33). Für die jeweils zu treffende Entscheidung muss aber zunächst der Beginn der Versammlung abgewartet werden. Steht dem Beginn der Gesellschafterversammlung ein in der örtlichen Lage des Versammlungslokals begründetes Hindernis im Wege, das den Eintritt einzelner, ordnungsgemäß legitimierter Personen nicht zulässt, dessen Beseitigung jedoch der unmittelbaren Organkompetenz der Gesellschafter entzogen ist, muss von der Durchführung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Durchführung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
in diesen Räumen abgesehen werden. Die Versammlung muss dann an einem anderen Ort unter Wahrung der Einladungsfrist vollständig neu abgehalten werden. Erst dann hätte im Wege des Mehrheitsbeschlusses eine Ordnungsmaßnahme wirksam getroffen werden können.

Ob dies auch dann gilt, wenn Gründe in der Person eines erschienenen Gesellschafters oder seines Vertreters vorliegen, die aus objektiver Sicht eine unzumutbare Störung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Versammlung befürchten lassen, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn derartige Gründe sind hier nicht gegeben. Die von der Beklagten angeführten Umstände, die dazu geführt haben sollen, dass ein Betreten der Geschäftsräume durch den Steuerberater der Klägerin zu 1) von dem Geschäftsführer der Beklagten aus persönlichen Gründen abgelehnt worden ist, beschränken sich im Kern auf Vorgänge, die etwa fünf Jahre vor der Gesellschafterversammlung stattgefunden haben und damit als abgeschlossen anzusehen sind. Die neuerliche verbale Auseinandersetzung führte für sich gesehen ebenfalls nicht zur Unzumutbarkeit, und zwar auch dann nicht, wenn – wie die Beklagte behauptet – die Worte „du blöder Kerl, fass mich bloß nicht an“ gefallen sein sollten. Denn die Meinungsverschiedenheit und die damit einhergehenden Äußerungen wurden durch die strikte Weigerung des Geschäftsführers der Beklagten, dem Steuerberater der Klägerin zu 1) den Zutritt zu gewähren, erst ausgelöst. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit dem Erscheinen eines weiteren Beraters aus dem Grunde gerechnet werden musste, weil der Geschäftsführer der Beklagten seinerseits deren Steuerberater, dem ebenfalls kein Teilnahmerecht zustand, zur Gesellschafterversammlung eingeladen hatte, obwohl zwischen diesem und der Klägerin zu 1) beträchtliche Spannungen bestanden. Dass die Klägerin zu 1) ihren Steuerberater hinzuziehen würde, war aus Sicht des Geschäftsführers der Beklagten deshalb zu erwarten, zumal dieser Steuerberater bereits in den Jahren 1994 und 1995 an Gesellschafterversammlungen teilgenommen hatte. Unter diesen Umständen läßt die Reaktion auf die kompromisslose Verweigerung des Zutritts nicht den Rückschluss zu, der Steuerberater der Klägerin sei in der Absicht erschienen, die Gesellschafterversammlung als solche in ihrem Ablauf zu stören.

Aus oben Gesagtem folgt weiter, dass auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin zu 1) habe neben ihrem Vertreter an der Gesellschafterversammlung teilnehmen wollen, aus Rechtsgründen unerheblich ist. Unter den konkreten Umständen dieses Einzelfalles hatte die Klägerin jedenfalls das Recht, den Versammlungsraum bis zur Klärung der Frage, ob der von ihr entsandte Vertreter zur Teilnahme zugelassen würde, zu betreten. Eine dem entgegenstehende Verweigerung des Zutritts wäre treuwidrig und ihrerseits anfechtungsbegründend gewesen. Der Zutritt zur Gesellschafterversammlung steht dem Gesellschafter neben seinem Vertreter wenigstens bis zur Klärung der Frage zu, ob der von ihm entsandte Vertreter zur Gesellschafterversammlung zugelassen wird oder nicht, wenn begründeter Anlass zu der Befürchtung besteht, dessen Teilnahme werde von anderen Gesellschaftern aus persönlichen Gründen beanstandet. Denn im Konfliktfall steht dem Gesellschafter das Recht zu, die Vollmacht zu widerrufen und damit das Teilnahmerecht wieder an sich zu ziehen ( vgl. Hachenburg-Hüffer, 8. Aufl., § 48 GmbHG, Rdnr. 18; Scholz-Schmidt, a.a.O., Rdnr. 20).

Auch der Kläger zu 2) hat aus den im angefochtenen Urteil ausgeführten Gründen ein eigenes Anfechtungsrecht. Der mit der Berufung vorgetragene Einwand der Beklagten, ein Gesellschafter könne einen Beschluss der Gesellschafterversammlung dann nicht mit Erfolg anfechten, wenn er ausschließlich die Verletzung fremder Partizipationsinteressen rüge und der geltend gemachte Verfahrensverstoß die ihm selbst zustehenden Informations- und Teilhaberechte nicht konkret beeinträchtigt habe, rechtfertigt ein abweichendes Ergebnis nicht, weil jedenfalls das Informationsrecht des Klägers zu 2) unmittelbar betroffen worden ist. Zur Wahrnehmung des Informationsrechts zählt auch die Aussprache mit den anderen Gesellschaftern in der Gesellschafterversammlung. Wird ein Gesellschafter (oder sein Vertreter) von der Teilnahme ausgeschlossen, ist damit in der Regel auch das Informationsrecht der übrigen Gesellschafter betroffen, wenn nicht die Aussprache mit dem ausgeschlossenen Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vernünftigerweise für den Gesellschafterbeschluss hätte Bedeutung gewinnen können (vgl. Lutter Hommelhoff, Anh. § 47 GmbHG, Rdnr. 51).

Das Anfechtungsrecht ist schließlich auch im Hinblick auf die Kausalität bzw. Relevanz des Verstoßes für die gefassten Gesellschafterbeschlüsse zu bejahen. Entscheidend ist hierfür, ob ein objektiv urteilender Gesellschafter nach sachlicher Erörterung des Beschlussgegenstandes und Anhörung seiner Mitgesellschafter die alsbaldige Entscheidung im Sinne der gefassten Beschlüsse gesucht hätte (vgl. OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, GmbHR 1998, 138 m.w.N.). Umstände, die diese Annahme im vorliegenden Fall rechtfertigen könnten, lassen sich aus dem Sachverhalt nicht herleiten. Insbesondere ergeben sich aus dem Versammlungsprotokoll vom 11. Dezember 1999 (Bl. 4 ff. d.A.) keinerlei Informationen zu den maßgeblichen Jahresabschlüssen 1997 und 1998, die ohne Aussprache direkt zur Abstimmung gestellt worden sind. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass ein objektiv urteilender Gesellschafter der Feststellung dieser Jahresabschlüsse ohne weiteres zugestimmt hätte.

Schlagworte: Berater des Gesellschafters, Bevollmächtigter, Kein Teilnahmerecht des vertretenen Gesellschafters, Recht auf Hinzuziehung eines Beraters