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OLG Hamm, Urteil vom 08.10.2012 – I-8 U 270/11, 8 U 270/11

AktG §§ 129, 135,

1. Die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses ist dann fehlerhaft, wenn Stimmen mitgezählt wurden, die nicht berücksichtigungsfähig waren, und ohne diese Stimmen ein anderes Abstimmungsergebnis erzielt worden wäre (Relevanz- bzw. Kausalitätserfordernis).

2. Gemäß § 135 Abs. 8 AktG gelten die Absätze 1 bis 7 der Vorschrift sinngemäß u. a. für solche Personen, die sich geschäftsmäßig gegenüber Aktionären zur Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung anbieten. Ein geschäftsmäßiges Erbieten in diesem Sinne setzt voraus, dass die betreffende Person beabsichtigt, sich wiederholt und nicht nur gelegentlich als Stimmrechtsvertreter zu betätigen und hierfür gegenüber den Aktionären zu werben (BGH WM 1995, 882 ff.; Spindler/Spitz, AktG Band 1, 2. Auflage 2010, § 135 Rn. 106; Hopt/Wiedemann, AktG Band 5, 4. Auflage 2008, § 135 Rn. 26; Bürgers/Körber, AktG, 2. Auflage 2011, § 135 Rn. 47).

3. Ein von der Gesellschaft benannter, geschäftsmäßiger Stimmrechtsvertreter kann in den Anwendungsbereich des § 135 Abs. 8 AktG fallen. Zwar soll § 135 Abs. 8 AktG auf den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nicht anwendbar sein, wenn es sich bei diesem um ein Mitglied der betreffenden Gesellschaft handelt (MüKo-Schröer, AktG Band 4, 2. Auflage 2004, § 135 Rn. 37) oder der Stimmrechtsvertreter sich ausschließlich für Hauptversammlungen der betreffenden Gesellschaft erbietet (so Spindler/Spitz aaO). Von den vorgenannten Ausnahmefällen abgesehen ist § 135 Abs. 8 AktG auf den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nach allgemeiner Ansicht anwendbar (so auch MüKo-Schröer und Spindler/Spitz aaO.). Dem ist zuzustimmen. Zum einen lässt sich dem Wortlaut des § 135 Abs. 8 AktG eine Einschränkung dahin, dass ein von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgeschlossen wäre, nicht entnehmen. Für eine telelogische Reduktion der Vorschrift besteht auch kein Grund. Denn es ist nicht einzusehen, weshalb ein von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter, der geschäftsmäßig handelt, weniger strengen Regeln unterworfen sein soll als ein geschäftsmäßig Handelnder, der Aktionäre vertritt, ohne von der Gesellschaft als Stimmrechtsvertreter benannt worden zu sein. Im Falle eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters besteht nämlich zusätzlich die Gefahr einer Interessenkollision, die in den anderen Anwendungsfällen des § 135 Abs. 8 AktG nicht notwendigerweise gegeben ist. Die Gefahr einer Interessenkollision ergibt sich bei Einschaltung eines von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters daraus, dass dieser regelmäßig in besonderer Nähe zur Verwaltung der Gesellschaft steht. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei ihm nicht um ein Mitglied der Gesellschaft, sondern um einen Dritten handelt. In diesem Fall wird der Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft aufgrund eines entgeltlichen Vertrages mit der Gesellschaft für diese tätig und regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse an dem Fortbestand dieser geschäftlichen Beziehungen haben. Diese Interessenlage begründet gegen den Rechtsgedanken des § 136 Abs. 2 AktG die Gefahr, dass der Stimmrechtsvertreter geneigt ist, in der Hauptversammlung im Sinne der Verwaltung der Gesellschaft zu agieren. Angesichts dieser Interessenlage besteht ein besonderes Bedürfnis, den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter – jedenfalls sofern es sich bei diesem um einen Dritten handelt – den strengen Anforderungen des § 135 Abs. 1 bis 7 AktG zu unterwerfen.

4. Gemäß § 135 Abs. 1 S. 1 AktG darf ein Kreditinstitut das Stimmrecht für Aktien, die ihm nicht gehören und als deren Inhaber es nicht im Aktienregister eingetragen ist, nur ausüben, wenn es bevollmächtigt ist. Hieraus ergibt sich nach allgemeiner Auffassung die Unzulässigkeit der Stimmabgabe durch ein Kreditinstitut im Wege der Legitimationszession (BGH WM 1995, 882 ff.; Spindler/Spitz, AktG Band 1, § 135 Rn. 14; Hopt/Wiedemann, AktG Band 5, § 134 Rn. 93 und § 135 Rn. 33, 37; MüKo-Kubis, AktG Band 4, § 129 Rn. 33). Denn ein Legitimationsaktionär gibt seine Stimmen nicht im fremden Namen als Bevollmächtigter, sondern gemäß § 129 Abs. 3 AktG im eigenen Namen ab. Die sinngemäße Anwendung des § 135 Abs. 1 S. 1 AktG auf den in § 135 Abs. 8 AktG bezeichneten Personenkreis hat zur Folge, dass die generelle Unzulässigkeit der Stimmabgabe als Legitimationsaktionär auch für diese Personen gilt (vgl. Hüffer, AktG, 10. Auflage 2012, § 135 Rn. 50; Hopt/Wiedemann, AktG Band 5, § 134 Rn. 93; Bürgers/Körber, AktG, § 135 Rn. 49).

5. Aufgrund des Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 S. 1, Abs. 8 AktG sind die abgegebenen Stimmen ungültig. Gemäß § 135 Abs. 7 AktG haben Verstöße gegen § 135 Abs. 1 S. 2 bis 7 und Abs. 2 bis 6 keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Stimmabgaben. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass ein Verstoß gegen § 135 Abs. 1 S. 1 AktG zur Unwirksamkeit der Stimmabgaben führt.

6. Die Zulässigkeit einer positiven Beschlussfeststellungsklage ist allgemein anerkannt, soweit diese sich – wie hier – auf ablehnende Beschlüsse in der Hauptversammlung bezieht, deren Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit gleichzeitig im Wege der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden (vgl. Hüffer, AktG, § 246 Rb. 42).

Schlagworte: Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Beschlussmängel, besonderer Vertreter, Feststellung des Beschlussergebnisses, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, Positive Beschlussfeststellungsklage, Relevanzlehre, Stimmrechte, Vorläufig verbindliche Feststellungen der Beschlussergebnisse durch Versammlungsleitung