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OLG Hamm, Urteil vom 17.09.2001 – 8 U 126/01

Abberufung vorläufiger Rechtsschutz

§ 84 Abs 3 S 4 AktG, § 38 Abs 1 GmbHG, § 935 ZPO, § 940 ZPO

In der GmbH kann sich ein Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht mit der einstweiligen Verfügung gegen eine gemäß GmbHG § 38 jederzeit mögliche Abberufung zur Wehr setzen. Insoweit gilt der Rechtsgedanke des AktG § 84 Abs 3 Nr 4 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 06. April 2001 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Verfügungskläger ist Geschäftsführer der niederländischen C Inc. Diese und der Verfügungsbeklagte zu 1) waren bzw. sind Gesellschafter der Verfügungsbeklagten zu 2). Geschäftsführer waren bzw. sind der Verfügungskläger und der Verfügungsbeklagte zu 1).

Mit Schreiben vom 22.02.2001 (Bl. 20 GA) erklärte die Verfügungsbeklagte zu 2) die Fa. C ihres Geschäftsanteils mangels Leistung der Stammeinlage für verlustig. Der Verfügungskläger hat diese Kaduzierung sowohl mangels Vorliegen der formellen als auch der materiellen Voraussetzungen für unwirksam gehalten.

Auf Antrag des Verfügungsklägers hat das Landgericht zunächst durch eine im Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung vom 12.03.2001 (Bl. 57 GA) gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 2) festgestellt, daß die Kaduzierung unwirksam und der Verfügungskläger weiterhin Geschäftsführer sei, dem Verfügungsbeklagten zu 1) verboten zu behaupten, daß der Verfügungskläger nicht mehr Geschäftsführer sei, und beiden Verfügungsbeklagten verboten, die Eintragung der Kaduzierung ins Handelsregister zu vollziehen.

Auf Widerspruch der Verfügungsbeklagten, die ergänzend einen Beschluß vom 23.02.2001 (Bl. 85 f. GA) über die Abberufung des Verfügungsklägers als Geschäftsführer zur Akte gereicht haben, hat es diese einstweilige Verfügung wieder aufgehoben. Die Verfügungsbeklagten hätten glaubhaft gemacht, daß die Voraussetzungen einer Kaduzierung vorlagen. Die Stammeinlage sei nicht wirksam geleistet worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Gegen dieses richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung vom 12.03.2001 mit folgender Maßgabe zu bestätigen:

1.

a)

daß festgestellt wird, daß der Antragsteller weiterhin alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2) ist,

b)

hilfsweise im Verhältnis zum Antrag zu 1. a), daß den Antragsgegnern untersagt wird, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die Abmeldung des Antragstellers als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2) beim Handelsregister zu betreiben

und daß den Antragsgegnern aufgegeben wird, dem Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu gestatten, nach innen im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 2) und nach außen im Verhältnis zu allen Geschäftspartnern als alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer aufzutreten, zu entscheiden und zu handeln und in alle Geschäftsunterlagen der Antragsgegnerin zu 2) Einsicht zu nehmen,

2.

daß dem Antragsgegner zu 1) verboten wird, gegenüber Dritten zu behaupten, daß der Antragsteller nicht mehr Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2) ist,

3.

daß im Falle der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.

Der Verfügungskläger rügt, daß sich das Landgericht mit der Frage nach seiner Abberufung als Geschäftsführer in den Entscheidungsgründen in keiner Weise auseinandergesetzt habe. Eine wirksame Abberufung oder Kündigung des Anstellungsvertrages habe es nie gegeben. Des weiteren fehle es an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Abberufungsbeschlusses. Die notwendige förmliche Kundgabe sei nie erfolgt; seine zufällige Kenntnisnahme von einem ergangenen Beschluß genüge nicht.

Die Verfügungsbeklagten behaupteten fortlaufend sowohl in Schreiben an Kunden wie auch im Internet, daß er nicht mehr Geschäftsführer sei, und ließen eine Geschäftstätigkeit durch ihn nicht mehr zu. Er müsse aber in die Geschäftsunterlagen u.a. deshalb Einsicht nehmen, um die Notwendigkeit eines Konkursantrages prüfen zu können, damit er sich nicht dem Vorwurf der Konkursverschleppung aussetze, und um die ordnungsgemäße steuerliche Abwicklung aller Geschäfte zu überprüfen. Ferner gehe es nicht an, daß die Differenzen über seine Geschäftsführerstellung in die Kundschaft getragen würden, er dort blockiert und möglicherweise bis zu einer Klärung in der Hauptsache jahrelang entmachtet werde.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Berufung bereits für unzulässig. Sie meinen, daß ein Parteiwechsel in zweiter Instanz vorläge, da Antragsteller in erster Instanz nach der Formulierung des Rubrums in der Antragschrift und dem Inhalt des Begehrens die vom Verfügungskläger vertretene niederländische Gesellschaft gewesen sei.

Der Verfügungsantrag sei aber auch unabhängig hiervon unzulässig. Der Hauptantrag zu 1. a) lasse die in erster Instanz erfolgte Verknüpfung mit der Wirksamkeit der Kaduzierung außer acht, die dazu geführt habe, daß das Landgericht sich ausschließlich hiermit und nicht näher mit den jetzt angesprochenen Fragen der Abberufung befaßt habe. Das jetzige Begehren stelle eine grundlegende Veränderung des Petitums dar, für das die zweite Instanz nicht zuständig sei. Da der Senat nicht Gericht der Hauptsache sei, sei er auch für die verschiedenen neuen Petita des Hilfsantrags nicht zuständig.

Darüber hinaus stehe dem Begehren des Verfügungsklägers entgegen, daß mit ihnen eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache erfolge, und daß der zugrundeliegende Abberufungsbeschluß nicht angefochten sei.

Es fehle ferner ein Verfügungsgrund. Die Verfügungsbeklagte zu 2) sei durch den Verfügungsbeklagten zu 1) handlungsfähig. Das Vorbringen zur wirtschaftlichen Krise und zur Notwendigkeit der Prüfung eines Insolvenzantrags sei nicht glaubhaft gemacht. Der Geschäftsführer könne gem. § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit abberufen werden, und vom rechtlichen Ansatz des Antragstellers aus, daß die Kaduzierung unwirksam sei, könne die C Inc. als Mehrheitsgesellschafterin alle Informations-, Kontroll- und Weisungsrechte ausüben. Tatsächlich bestünden umgekehrt beträchtliche Risiken für die Verfügungsbeklagte zu 2), wenn der Verfügungskläger weiter als ihr Geschäftsführer tätig sei, da er alle Konten der Gesellschaft habe sperren lassen, Mietverträge über Geschäftsräume gekündigt und Kunden angewiesen habe, auf sein Konto zu zahlen.

Schließlich bestehe auch kein Verfügungsanspruch, da die Abberufung des Verfügungsklägers wirksam erfolgt sei. Unter näherer Darlegung wiederholen die Verfügungsbeklagten ihr Vorbringen zur Wirksamkeit der Kaduzierung und meinen, daß der Verfügungskläger als Fremdgeschäftsführer im Hinblick hierauf sowie auf den Abberufungsbeschluß weder Nichtigkeits- noch Anfechtungsklage erheben könne.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig.

Ein unzulässiger Parteiwechsel in zweiter Instanz liegt nicht vor. Antragsteller war bei sachgerechter Auslegung bereits in erster Instanz nur der Verfügungskläger. Zwar enthält die Antragsschrift im Rubrum den Zusatz, „handelnd als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der …“. Ein entsprechender Zusatz ist aber auch auf der Beklagtenseite beim Verfügungsbeklagten zu 1) angebracht. Es ist indes offensichtlich, daß dieser neben der Verfügungsbeklagten zu 2) als weiterer Antragsgegner in Anspruch genommen werden sollte. Im übrigen ist auch in allen Schriftsätzen des Verfügungsklägers stets nur von „dem Antragsteller“ die Rede.

B.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

I.

Der Senat läßt die Frage der wirksamen Kaduzierung und die der Wirksamkeit oder der etwaigen Nichtigkeit des AbberufungsbeschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nichtigkeit
Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses
wegen hierdurch begründeter Ladungsmängel offen.

Der Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Verfügung ist schon deshalb unbegründet, weil der Verfügungskläger selbst nicht Gesellschafter ist und ihm als Fremdgeschäftsführer die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Abberufung grundsätzlich nicht eröffnet ist.

Dies folgt daraus, daß ein Fremdgeschäftsführer, der nach § 38 GmbHG jederzeit abberufen werden kann, in der Gesellschaft keine vorläufigen Interessen hat, die durch einstweilige Verfügung zu schützen sind. Für den Vorstand der AG hat der Gesetzgeber in § 84 Abs. 3 S. 4 AktG die Entscheidung getroffen, daß der Widerruf seiner Bestellung als wirksam zu betrachten ist, bis das Gegenteil rechtskräftig festgestellt ist. Diese Regelung, mit der der Gesetzgeber Ruhe in die Geschäfte der Gesellschaft bringen will, beansprucht entsprechende Geltung auch in der GmbH. Ihr liegt nämlich die allgemeine Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, daß Organfragen möglichst nicht vorläufig geregelt werden sollen. Ihr Sinn würde durch eine gegenläufige einstweilige Verfügung unterlaufen, der gleichzeitige Schutz der anderen Gesellschafter in Frage gestellt.

Hiervon sind in der GmbH lediglich in bestimmten Fällen Ausnahmen aus übergeordneten Gesichtspunkten zu machen: So muß es dem gleichbeteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer in der 2-Mann-GmbH sowie dem Mehrheitsgesellschafter als Geschäftsführer möglich sein, seine Abberufung überprüfen zu können, weil es rechtsmißbräuchlich erscheint, wenn wegen des Stimmrechtsausschlusses des betroffenen Gesellschafters bei der Abstimmung ein Minderheitsgesellschafter eine Abberufung durchsetzen kann oder im Falle zweier gleichberechtigter Gesellschafter ein Wettlauf wechselseitiger Abberufungen stattfindet (wie hier Scholz/Schneider, § 38 GmbHG Rdn. 74 d e; a.A. Baumbach/Hueck-Zöllner, § 38 GmbHG Rdn. 35 und Teile der Rechtsprechung, Nachweise siehe bei Baumbach/Hueck-Zöllner, a.a.O.). Darüber hinaus sind weitere Sonderfälle denkbar, etwa wenn der treuhänderische Gesellschafter den Treugeber als Geschäftsführer abberuft (so die Fallgestaltung in OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, NJW-RR 1992, 934). Hier liegt indes keiner der erwähnten Ausnahmefälle vor. Es wäre deshalb Sache der Mehrheitsgesellschafterin, ggf. einstweiligen Rechtsschutz zu erwirken, soweit sie in ihren Rechten verletzt ist.

II.

Hilfsweise weist der Senat darauf hin, daß es auch an einem Verfügungsgrund fehlt. Es ist nicht ersichtlich, daß der Verfügungskläger in der Gefahr steht, für einen unterlassenen Insolvenzantrag oder andere Maßnahmen später in die Haftung genommen zu werden, wenn er aufgrund des vorliegenden Abberufungsbeschlusses de facto von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist und keinerlei Handlungsmöglichkeiten hat. Eine Pflichtverletzung scheidet dann ersichtlich aus. Darüber hinaus ist es unstreitig, daß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung, also nach mehr als einem halben Jahr seit den streitigen Beschlußfassungen, Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen zur Hauptsache nicht eingereicht sind. Auch das spricht in hohem Maße gegen eine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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