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OLG Hamm, Urteil vom 26.02.2003 – 8 U 110/02

§ 193 BGB, § 246 AktG, § 47 GmbHG, § 51 GmbHG

1. Die Frist zur Anfechtung von Beschlüssen der GmbH-Gesellschafterversammlung beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Gesellschafters von dem Inhalt der gefassten Beschlüsse.

Jedenfalls bei einer Vielzahl von Beschlüssen, deren Inhalt teilweise von den zuvor mitgeteilten Beschlussvorlagen abweicht, ist es erforderlich, dass die Beschlüsse in Schriftform vorliegen, damit die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt wird.

Einen Gesellschafter, der trotz Kenntnis von der Gesellschafterversammlung und der in der Einladung enthaltenen Tagesordnungspunkte nicht an der Gesellschafterversammlung teilnimmt, kann aber zur Vermeidung von Rechtsnachteilen die Pflicht treffen, sich über den Inhalt eventueller Beschlussfassungen in Kenntnis zu setzen.

Auch wenn nach ganz herrschender Auffassung, der der Senat folgt, für die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen in einer GmbH die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG weder unmittelbar noch entspr. gilt (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344), muss die Klage gleichwohl innerhalb einer angemessenen Frist mit aller dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden. Dabei dient die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AG, die dem Gesellschafter in jedem Fall zur Verfügung stehen muss, als Leitbild (BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, BGHZ 111, 224 = MDR 1990, 902 = GmbHR 1990, 344; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
v. 3.7.1991 – 8 U 11/91, OLGReport Hamm 1991, 10 = GmbHR 1992, 458 = BB 1992, 33 [34]; Rohwedder/Koppensteiner, 3. Aufl., § 47 Rz. 18). Ob diese Frist bereits mit Beschlussfassung oder erst mit Kenntnis des Gesellschafters von den ergangenen Beschlüssen in Lauf gesetzt wird, ist in Rspr. und Lit. umstritten (für Fristbeginn am Tag der Beschlussfassung: OLG Schleswig v. 29.1.1998 – 5 U 125/96, OLGReport Schleswig 1998, 265 [266]; Hachenburg/Raiser, GmbHG, 6. Aufl., Anh. § 47 Rz. 183; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., Anh. § 47 Rz. 79c; Wolff in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, GmbH, 2. Aufl., § 40 Rz. 75; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 45 Rz. 145; für Fristbeginn mit Kenntnis des Gesellschafters: OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 1999, 828 [830]; Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., Anh. Rz. 47, 60; Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rz. 126; einschränkend Rowedder/Koppensteiner, 3. Aufl., § 47 Rz. 118). Der Senat hält insoweit grundsätzlich an seiner mit Urt. v. 3.7.1991 (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 3.7.1991 – 8 U 11/91, OLGReport Hamm 1991, 10 = GmbHR 1992, 458 = BB 1992, 33 [34]) vertretenen Auffassung fest, dass die Frist erst mit Kenntnis der Beschlussfassung beginnt. Erst damit wird der Gesellschafter in die Lage versetzt, die Beschlüsse ggf. nach Einholung von Rechtsrat zu prüfen und sinnvoll über eine eventuelle Anfechtung zu entscheiden. Die entspr. Übertragung der Regelung in § 246 Abs. 1 AG für die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, die für den Fristbeginn auf die Beschlussfassung abstellt, ist für die vielfach anders gelagerten Verhältnisse bei der GmbH nicht sachgerecht. Die Wahrung des Interesses der Gesellschaft an einer beschleunigten Ausführung des Gesellschafterbeschlusses kann dadurch gewährleistet werden, dass die Geschäftsführung für eine zügige Übermittlung des Versammlungsprotokolls sorgt und damit die Frist in Lauf setzt.

2. Läuft die Einberufungsfrist für eine Gesellschafterversammlung an einem Sonntag ab, ist § 193 BGB jedenfalls dann nicht analog anzuwenden, wenn der eingeladene Gesellschafter zuvor seine Bereitschaft zu erkennen gegeben hatte, sich auch am Wochenende mit Belangen der Gesellschaft zu befassen. In dem Fall greift der Schutzzweck des § 193 BGB nicht ein.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die satzungsgemäße Einberufungsfrist für die Gesellschafterversammlung vom 17.12.2001 gewahrt worden. Die Einberufungsfrist betrug nach § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages eine Woche. Zu dieser Dispositionsfrist ist nach ganz h.M., der sich der Senat anschließt, eine Zustellungsfrist von zwei Tagen hinzuzurechnen (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., § 51 Rz. 17; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 6. Aufl., § 51 Rz. 15; Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., § 51 Rz. 9; a.A. Wolff in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III, GmbH, § 39 Rz. 45: Zustellungsfrist ein Tag). Nachdem der Einschreibebrief mit der Einberufung zur Gesellschafterversammlung am 7.12.2001 zur Post gegeben worden war, lief die Frist von insgesamt 9 Tagen danach am Sonntag, dem 16.12.2001 ab und damit noch rechtzeitig vor der am 17.12.2001 einberufenen Gesellschafterversammlung. Das Ende der Einberufungsfrist, das auf einen Sonntag fiel, ist auch nicht in entspr. Anwendung des § 193 BGB auf den folgenden Montag zu verlegen. Die Vorschrift des § 193 BGB ist unmittelbar auf den hier zu beurteilenden Fall nicht anwendbar, da sie nur die Abgabe von Willenserklärungen oder die Bewirkung von Leistungen an einem Sonntag erfasst, nicht aber den Ablauf einer Frist vor einer Gesellschafterversammlung. Ob die Vorschrift grundsätzlich bei der Berechnung der Einberufungsfrist analog angewandt werden kann, was in Rspr. und Lit. umstritten ist (für die Anwendung des § 193 BGB bei der Bemessung der Einberufungsfrist: OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Naumburg
v. 17.12.1996 – 7 U 196/95, OLGReport Naumburg 1997, 271 = GmbHR 1998, 90 [92]; Lutter/Hommelhoff, 15. Aufl., § 51 Rz. 8; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 51 Rz. 14; Rowedder/Koppensteiner, 3. Aufl., § 51 Rz. 9; Hachenburg/Hüffer, GmbHG, 6. Aufl., § 51 Rz. 14; Wolff in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. III GmbH, Bd. 3, § 39 Rz. 45; gegen die Anwendung des § 193 BGB: Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 17. Aufl., § 51 Rz. 18; Loritz, GmbHR 1992, 790 [793]), bedarf hier letztlich keiner Entscheidung. Selbst wenn man die Regelung des § 193 BGB grundsätzlich analog auch bei der Bemessung der Einberufungsfrist anwenden wollte, wozu der Senat neigt, liegen die Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Sinn und Zweck des § 193 BGB ist die Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe und die Freihaltung dieser Tage sowie des Sonnabends von geschäftlichen Aktivitäten (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 193 Rz. 1; Loritz, GmbHR 1992, 790 [793]). Dieses Schutzes bedarf ein Gesellschafter dann nicht, wenn er erklärtermaßen auch bereit ist, sich am Wochenende mit Belangen der Gesellschafter zu befassen, also auch die vor einer Gesellschafterversammlung erforderlichen Dispositionen wie die Beratung und Abstimmung mit Dritten oder die Prüfung der Beschlussvorlage zu treffen. In dem Fall greift der Schutzzweck des § 193 BGB nicht ein, so dass für eine analoge Anwendung kein Raum ist. So liegen die Dinge im Streitfall. Der Kläger hatte mit Schreiben vom 24.7.1999 an die Beklagte darum gebeten, wegen seines Aufenthalts in Norddeutschland von dienstags bis einschl. freitags die kommenden Gesellschafterversammlungen auf Freitag bis Montag zu setzen. Im Senatstermin hat er dies dahin ergänzt, dass er den Geschäftsführer der Beklagten zusätzlich mündlich gebeten habe, die Gesellschafterversammlung so zu terminieren, dass er nicht hin- und herfahren müsse, und zwar – so wörtlich – „von mir aus auch an einem Sonntag”. Die Beklagte durfte danach davon ausgehen, dass der Kläger keinen Wert darauf legte, die Wochenenden von geschäftlichen Dingen die Beklagte betreffend freizuhalten. Wenn der Kläger sogar mit der Abhaltung von Gesellschafterversammlungen an einem Sonntag einverstanden gewesen wäre, konnte erst recht erwartet werden, dass er keine Einwendungen dagegen hatte, eine am folgenden Tage stattfindende Gesellschafterversammlung am Sonntag vorzubereiten. Angesichts dieser besonderen Verhältnisse zwischen den Parteien kommt somit die Anwendung des Rechtsgedankens des § 193 BGB nicht in Betracht mit der Folge, dass die Einberufung der Folgegesellschafterversammlung zum 17.12.2001 ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Anfechtung der in dieser Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse kann auf einen Einberufungsmangel demnach nicht gestützt werden.

3. In einer zweigliedrigen GmbH hat der Gesellschafter-Geschäftsführer auch dann kein Stimmrecht bei der Beschlussfassung über seine Entlastung als Geschäftsführer, wenn der Beschluss auf einer Folgeversammlung gefasst werden soll und der andere Gesellschafter dieser und der vorangegangenen Gesellschafterversammlung trotz ordnungsgemäßer Einladung fern geblieben ist.

Schlagworte: Anfechtungsfrist, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Beginn des Fristlaufs, Bei Abwesenheit in Gesellschafterversammlung, Bei Anwesenheit in Gesellschafterversammlung, Einberufungsfrist, Entlastung der Geschäftsführer, Fristbeginn bei Gesellschafterbeschlüssen, Geschäftsführer, Klagefrist/Anfechtungsfrist, Stimmrechtsausschluss, Zwei-Personen-Gesellschaft