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OLG Hamm, Urteil vom 27.10.2009 – 21 U 78/09, I-21 U 78/09

§ 634 BGB, § 636 BGB, § 637 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 Abs 1 BGB

1. Überträgt eine GmbH das Eigentum an einer von ihr errichteten mangelfreien Eigentumswohnung, können dem Erwerber wegen einer Beeinträchtigung seines Eigentums, die durch die Fertigstellung einer anderen Eigentumswohnung eintritt, Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und § 1004 Abs. 1 BGB gegen die GmbH zustehen.

Die Beklagten schulden den Klägern gemäß § 823 Abs. 1 BGB aber deshalb Schadensersatz, weil sie sich im Zusammenhang mit der am 09.08.2004 erfolgten Veräußerung der Erdgeschosswohnung an die Eheleute F – offensichtlich wegen einer ansonsten bestehenden Unverkäuflichkeit der Wohnung – entschlossen haben, von dem Einbau von Brandschutzfenstern abzusehen und das Eigentum der Kläger dadurch schuldhaft verletzt haben. Zudem ergibt sich ihre Haftung verschuldensunabhängig auch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. §§ 683, 684 BGB oder i.V.m. §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (siehe dazu unter 2 d)).

Durch das Absehen von den zunächst geplanten Brandschutzmaßnahmen haben die Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB das Eigentum der Kläger an ihrer Eigentumswohnung verletzt. Zwar stellt eine mangelhafte Bauwerkserrichtung grundsätzlich keine Rechtsgutverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB dar, weil das Eigentum dann von vorneherein mit einem Fehler behaftet ist und der Eigentümer deshalb niemals unbeschadetes Eigentum erworben hat. Vielmehr ist erforderlich, dass durch eine fehlerhafte Bauleistung in eine bereits vorhandene und vorher unversehrte Sache eingegriffen wird (siehe zusammenfassend Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rn. 1839 m.w.N.). In einem derartigen Fall können vertragliche Gewährleistungsansprüche und deliktische Ansprüche unabhängig nebeneinander stehen. Hier ist es zu einem Eingriff in das zunächst unversehrte Eigentum der Kläger an ihrer Eigentumswohnung gekommen. Sie sind unstreitig am 11.06.2004 als Eigentümer ihrer Wohnung im 2. und 3. OG ins Grundbuch eingetragen worden, so dass der im Anschluss an die am 09.08.2004 erfolgte Veräußerung der Erdgeschosswohnung an die Eheleute F ausgeführte Einbau der unzureichenden Dachflächenfenster eine Verletzung ihres Eigentums bewirkt hat.

Eine Verletzung des Eigentums setzt keine Substanzbeschädigung voraus, sondern ist u.a. auch bei einer nicht nur kurzfristigen Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache anzunehmen (Palandt-Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 7). Unabhängig davon, ob die Brandüberschlagsgefahr als solche eine einer Substanzverletzung gleichzustellende Gefährdung darstellte, ist zumindest der bestimmungsgemäße Gebrauch nachhaltig beeinträchtigt worden, weil das Bauordnungsamt wegen der Problematik eine Nutzungsuntersagung angekündigt hat.

2. Ein Geschäftsführer kann nach diesen Vorschriften auch persönlich in Anspruch genommen werden, wenn er durch sein Verhalten selbst einen Deliktstatbestand verwirklicht hat bzw. als Störer anzusehen ist. Eine Eigentumsverletzung i.S. von § 823 Abs. 1 BGB bzw. eine Beeinträchtigung i.S. von § 1004 Abs. 1 BGB können zu bejahen sein, wenn durch den Einbau von nicht hinreichend brandschützenden Fenstern für eine andere zuvor sichere Wohnung die Gefahr eines Brandüberschlags entsteht.

Die Beklagten haften nach § 823 Abs. 1 BGB persönlich, wenngleich sie die Angelegenheit als Geschäftsführer der D Immobilien- und Vermögensgesellschaft mbH abgewickelt haben.

Der verfassungsgemäße Vertreter ist neben der juristischen Person nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die sanktionierte Verhaltenspflicht gerade auch ihn persönlich im Verhältnis zum Verletzten trifft, z.B. als für jedermann geltende Pflicht bei einer unmittelbaren Rechtsgutverletzung (Palandt-Sprau, § 823 Rn. 78; BGH NJW 1996, 1535, 1536). Der Geschäftsführer einer GmbH hat demgemäß selbst einzustehen, wenn er den Deliktstatbestand dadurch verwirklicht, dass er maßgebliche Weisungen erteilt oder pflichtwidrig nicht erteilt hat (Baumbach/Hueck, GmbHG, 18.Aufl., § 43 Rn. 76ff.).

Beide Beklagte haben durch ihr Handeln jeweils persönlich dazu beigetragen, dass andere als die ursprünglich geplanten F 90 Dachflächenfenster eingebaut worden sind und es dadurch zu einer nutzungsbeeinträchtigenden Brandüberschlagsgefahr und zu einer Verletzung des Eigentums der Kläger an ihrer Wohnung gekommen ist. Zwar hat sich vorrangig der Beklagte zu 2) um die Angelegenheit gekümmert. Er hat sich vor Ausführung der Dachflächenfenster mit Schreiben vom 25.08.2004 (Anlage zum Schriftsatz vom 01.09.2009, Bl. 202 GA) an die Architektin X gewandt und um Klarstellung hinsichtlich der Notwendigkeit einer Feuerschutzverglasung gebeten. Die Antwort der Architektin vom 30.08.04 (Bl. 204ff. GA) ist aber an beide Beklagte gerichtet, ohne dass ersichtlich ist, dass der Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) das Schreiben vorenthalten hat. Die Anhörung der Beklagten im Senatstermin hat ergeben, dass die technischen Fragen zwar maßgeblich von dem Beklagten zu 2) geklärt worden sind. Der Beklagte zu 1) hat jedoch eingeräumt, dass auch ihm die Problematik vor der Ausführung der Dachflächenfenster bekannt war und die Entscheidung nach Rücksprache mit der Architektin X gefallen ist. Demnach sind beide Beklagte als Handelnde im Hinblick auf die Verwirklichung des Deliktstatbestandes anzusehen.

Die Beklagten haben das Eigentum der Kläger an ihrer Eigentumswohnung durch ihr Handeln auch jeweils schuldhaft i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB verletzt. Sie haben sich nicht hinreichend nach der Zulässigkeit der letztlich auf ihre Entscheidung hin eingebauten Fenster erkundigt. Die Zeugin X, die nicht bauüberwachend tätig war, hat bei ihrer Vernehmung durch das Landgericht ausgesagt, die Planänderung, die für die Erdgeschosswohnung keine F 90 Fenster mehr vorgesehen habe, habe nicht von ihr, sondern wohl von einem von den Eheleuten F eingeschalteten befreundeten Architekten gestammt. Den Beklagten hätten sich unter diesen Umständen Zweifel aufdrängen müssen, ob die von den Eheleuten F gewünschte Änderung brandschutztechnisch und rechtlich zulässig war. Dass sie diese Zweifel auch tatsächlich hatten, folgt aus dem oben bereits erwähnten Schreiben vom 25.08.2004 (Bl. 202 GA), das der Beklagte zu 2) an die Architektin X verfasst hat. Darin bemängelt er, während vor einiger Zeit mitgeteilt worden sei, eine Feuerschutzverglasung sei entbehrlich, „solle es auf einmal doch so sein?!“ . Die den Beklagten von der Architektin X hierauf gegebene Antwort vom 30.08.2004 (Bl. 204ff. GA) war nicht geeignet, die Zweifel der Beklagten auszuräumen. Vielmehr hat sie hinsichtlich der damals offensichtlich bereits bestellten Veluxfenster ausgeführt, sie „sollten erst ab einer Dachneigung von 15 Grad eingebaut werden! . Wie der Beklagte zu 1) bei seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin ausgeführt hat, ist die Brandüberschlagsgefahr vom Bauordnungsamt später tatsächlich wegen einer zu geringen Neigung des Daches bejaht worden. Angesichts der Aussage der Zeugin X und des Schriftverkehrs ist die Behauptung der Beklagten widerlegt, die Zeugin X habe die Planungsänderung für unproblematisch gehalten oder sie hätten sich anderweitig – auch im Hinblick auf die Dachneigung – zuverlässig nach der Zulässigkeit ihres Vorhabens erkundigt.

Ein Anspruch stünde den Klägern im Übrigen selbst dann zu, wenn den Beklagten hinsichtlich des von ihnen veranlassten Einbaus nicht brandschützender Fenster wegen einer hinreichenden Prüfung der Angelegenheit entgegen der obigen Begründung kein Verschulden vorzuwerfen wäre. Ein Eigentümer, der – wie hier die Kläger – eine Beeinträchtigung seines Eigentums selbst beseitigt, kann nämlich von dem nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB an sich hierzu verpflichteten Störer gemäß §§ 683, 684 BGB Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, weil er ein Geschäft des Störers besorgt hat, oder, wenn sich die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht feststellen lassen, nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB Ersatz beanspruchen (BGH NJW 2005, 1366, 1367).

Angesichts der gesetzwidrigen Brandüberschlagsgefahr und der deshalb drohenden Nutzungsuntersagung lag eine Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.

Schlagworte: allgemeine deliktische Haftung, Geschäftsführer, Geschäftsführerhaftung, Störer