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OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2016 – 8 U 2/14

§ 119 Abs 2 BGB, § 142 Abs 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zur Nichtanwendbarkeit der Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
fehlerhafte Gesellschaft
Gesellschaft
bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über Kommanditanteile nach Irrtumsanfechtung.

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Heidelberg vom 19.12.2013 – 3 O 184/13 – wird zurückgewiesen.

2. Die Widerklagen werden abgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 27.280,00 € ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Im Übrigen sind dieses Urteil und das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar. Insoweit kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über Kommanditanteile.

Der Beklagte ist gesetzlicher Vertreter und Gesellschafter der P. GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der P. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
ist. Die Klägerin erwarb vom Beklagten mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28. Mai 2010 30% der Kommanditanteile der P. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
im Nennwert von 210.000,00 €. Der Kaufpreis von 210.000,00 € wurde von der Klägerin an den Beklagten bezahlt. Die Kommanditeinlage war bereits vom Beklagten geleistet worden und wurde nicht ausbezahlt. Nachdem es auf mehreren Gesellschafterversammlungen zu Auseinandersetzungen zwischen der Klägerin und den übrigen Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft gekommen war, erklärte die Klägerin mit an den Beklagten gerichtetem Schreiben vom 4. Juni 2013

„Sehr geehrter Herr B.,
wie Ihnen bekannt sein dürfte, haben wir mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28.05.2010 von Ihnen 30% der Kommanditanteile an der P. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
GmbH
GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
zu einem Preis von 210.000,00 € erworben. Der Kaufpreis wurde an Sie bezahlt. Dies dürfte unstreitig sein. Trotz der im Kaufvertrag genannten Garantien (dort §§ 3 und 6) haben Sie vor und bei Abschluss des Vertrags zu keinem Zeitpunkt die Tatsache erwähnt, dass die von Ihnen vorgelegten Vertragswerke und Liquiditätsplanungen der Gesellschaft fehlerhaft waren. Sie haben trotz positiver Kenntnis verschwiegen, dass die A AG den Betreibervertrag nicht kostendeckend in der Vergangenheit ausführen konnte. Basis für die damalige Preisfindung waren jedoch Ihre Angaben zur wirtschaftlichen Gestalt des Unternehmens, die im Rahmen einer Due Diligence rechtlich geprüft wurden. Sie haben hiernach bei Abschluss des Vertrags verschwiegen, dass der Betreibervertrag mit der A AG vom 24.02.2004 (44% der Jahresnettovergütung zzgl. Umsatzsteuer) für diese Gesellschaft ob der tatsächlichen Kosten überhaupt nicht kostendeckend war und hiernach die von Ihnen vorgelegten Liquiditätsplanungen durch Fremdkompensation seitens der A AG künstlich geschönt wurden, um den vermeintlichen Wert unseres Investments nach oben zu treiben. Als Vorstandsvorsitzender der A AG und als Geschäftsführer der geschäftsführenden Komplementärin der Gesellschaft hatten sie nach unserer Auffassung eine Garantenstellung dahingehend, dass dieser Umstand hätte erläutert werden müssen. In Kenntnis dieses Umstands hätten wir den mit Ihnen geschlossenen Kaufvertrag nicht geschlossen. Sie haben hiernach uns durch Unterlassen über den tatsächlichen Wert unseres Investments getäuscht. Entgegen § 6 Nr. 1 des Kaufvertrags haben Sie mit keiner Silbe erwähnt, dass die A AG die Gesellschaft im Zuge des Betreibervertrags wissentlich querfinanziert hat.

Erstmals haben Sie in der Gesellschafterversammlung vom 25.03.2013 unter Top 7 auf die Frage der Gesellschafter nach dem Ursprung von Liquiditätslücken trotz des ‚guten Winters‘ erklärt, dass die Gesellschaft durch die A AG jahrelang durch den Betreibervertrag subventioniert wurde.

Ob dieses Umstands erklären wir hiermit die
Anfechtung
des Kaufvertrags vom 28.05.2010 wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise wegen Irrtums, wiederum hilfsweise wegen jedes weiteren rechtlich in Betracht kommenden Umstands.

Die Rückübertragung der Kommanditanteile hiermit anbietend fordern wir Sie auf, den gezahlten Kaufpreis in Höhe von 210.000,00 € bis Ablauf des 12.06.2013 auf das unten benannte Konto der Gesellschaft zu zahlen.

Wir werden nach Ablauf der Frist ohne weiteres Zuwarten Zahlungsklage gegen Sie einreichen.

Ferner weisen wir darauf hin, dass wir ob des vorbezeichneten Umstands Strafanzeige wegen Eingehungsbetrugs stellen werden.

Mit freundlichen Grüßen“

die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise wegen Irrtums. Der Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 7. Juni 2013, dass er die Anfechtung wegen Irrtums akzeptiert. Er führte aus:

„Sehr geehrter Herr S.,
mit großer Überraschung habe ich Ihr Schreiben vom 04.06.2013 erhalten, in dem Sie den Kaufvertrag vom 28.05.2010 (Übertragung der Kommanditanteile) anfechten.

Ich akzeptiere Ihre Anfechtung wegen Irrtums, obwohl es mich verwundert, dass Sie behaupten, trotz vorheriger Prüfung meines Unternehmens und Ihrer Einblicke in alle Vorgänge keine genaue Kenntnis gehabt zu haben. Eine Täuschung lag auf keinen Fall vor, ich weise diesen Vorwurf zurück.

Ihr Angebot zur Rückübertragung der Kommanditanteile nehme ich hiermit an.

Wegen der Zahlung einer angemessenen Abfindung werde ich mich in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen.
Hochachtungsvoll B.“

Ausweislich eines Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. GmbH vom 7. Januar 2013 betrug der Unternehmenswert der Kommanditgesellschaft zum 30. September 2012 97.600,00 €.

Die Klägerin behauptet, sie sei bei Abschluss des Kaufvertrages durch den Beklagten durch Unterlassen der Aufklärung über die wertbildenden Faktoren der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft arglistig getäuscht worden. Sie ist der Ansicht, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft hier nicht anwendbar seien. Die erklärte Anfechtung beziehe sich auf den Kaufvertrag über die Kommanditanteile und habe mit dem Gesellschaftsvertrag nichts zu tun.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 210.000,00 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung der von der Klägerin mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28.05.2010 von dem Beklagten erworbenen Kommanditanteile an der P. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Nennwert von 210.000,00 € an den Beklagten.

Der Beklagte, der eine arglistige Täuschung der Klägerin in Abrede stellt, aber das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB auf Seiten der Klägerin zugesteht („Die Klägerin hat sich über den Wert ihrer Beteiligung beim Kauf und Erwerb des Kommanditanteils schlichtweg geirrt i. S. d. § 119 BGB“), hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 31. Oktober 2013 zunächst umfassend Klageabweisung beantragt. Mit Schriftsatz vom 28. November 2013 hat er dann erklärt, einen Anspruch auf Zahlung von 27.280,00 € anzuerkennen.

Das Landgericht hat mit – nunmehr vom Beklagten mit der Berufung angefochtenem – Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 19. Dezember 2013, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, soweit sie zu den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Der Kaufvertrag vom 28. Mai 2010 sei aufgrund der Anfechtungserklärung der Klägerin vom 4. Juni 2013 gemäß § 142 BGB von Anfang an nichtig und nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabzuwickeln. Beide Parteien hätten das aufgrund des nichtigen Kaufvertrages Erlangte zurückzuerstatten. Die Klägerin habe durch den Kaufvertrag die streitgegenständlichen Kommanditanteile erworben, der Beklagte einen Geldbetrag in Höhe von 210.000,00 € erhalten. Die Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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fänden auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung.

Der Beklagte macht mit der Berufung im Wesentlichen geltend, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf den Fall der fehlerhaften Übertragung eines Kommanditanteils anzuwenden seien. Infolgedessen habe sich die Klägerin nur durch außerordentliche Kündigung für die Zukunft von ihrer Beteiligung lösen können. Die Anfechtungserklärung der Klägerin vom 4. Juni 2013 wegen Irrtums sei aufgrund der Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als – von ihm anerkannte – außerordentliche Kündigung zu bewerten. Die Parteien hätten ein Ausscheiden der Klägerin vereinbart. Die Höhe der ihr zustehenden Abfindung sei in § 21 des Gesellschaftsvertrages geregelt. Danach erhalte ein ausscheidender Gesellschafter in allen Fällen als Abfindungsguthaben den Verkehrswert seiner Beteiligung abzüglich eines Abschlags von 30%, zahlbar in drei gleichen Jahresraten, wobei die erste Rate innerhalb von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt des Ausscheidens zur Zahlung fällig sei. Nach einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. GmbH vom 7. Januar 2013 habe der Unternehmenswert zum 30. September 2012 97.600,00 € betragen. Die Beteiligung der Klägerin von 210.000,00 € entspreche einer Quote von 30%. Der Anteilswert der Klägerin betrage mithin 29.280,00 €. Hiervon sei der Abschlag von 30% nach § 21.1. des Gesellschaftsvertrages vorzunehmen, so dass sich für die Klägerin mithin ein Abfindungsanspruch in Höhe von 20.496,00 € ergebe. Da nach § 20.1 des Gesellschaftsvertrages ein Kommanditist im Falle der außerordentlichen Kündigung sofort aus der Gesellschaft ausscheide, sei die Klägerin am 4. Juni 2013 aus der Gesellschaft ausgeschieden und ihre Beteiligung sei ihm – dem Beklagten – zum selben Zeitpunkt angewachsen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 19. Dezember 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Heidelberg – 3 O 184/13 – die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte außerdem festzustellen, dass

1. er eine Abfindung von 20.496,00 € schuldet, fällig in drei gleichen Jahresraten ab dem 4. Juni 2015,
und
2. die Klägerin am 4. Juni 2013 mit ihrer Beteiligung im Nennwert von 210.000,00 € aus der P. GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbH & Co. KG
GmbH & Co. KG
KG
ausgeschieden ist und die Beteiligung der Klägerin ihm angewachsen ist.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen
und
2. die Feststellungswiderklage(n) des Beklagten abzuweisen.

Die Klägerin bezweifelt zunächst die Zulässigkeit der Berufung und verteidigt im Weiteren das angefochtene Urteil. Der Beklagte habe die Anfechtung zumindest wegen Irrtums angenommen, so dass Einigkeit über die von Anfang an bestehende Unwirksamkeit des Anteilskaufvertrages bestehe. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft änderten hieran nichts. Das erstinstanzliche Gericht habe dies zutreffend gewürdigt. Die Parteien stritten nicht um die Fehlerhaftigkeit des Gesellschaftsvertrags, sondern um die Fehlerhaftigkeit eines Kaufvertrags von Gesellschafter zu Gesellschafter. Soweit der Beklagte darstelle, dass er nach dem Gesellschaftsvertrag eine Abfindung zu zahlen habe, werde darauf verwiesen, dass nach § 21.1 des Gesellschaftsvertrages grundsätzlich die Gesellschaft die zahlende Partei sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügungen und Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Die von der Klägerin vorgetragenen Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtsmittels greifen nicht durch.

Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet.

1.

Die Berufung des Beklagten ist zunächst insoweit unbegründet, als das Landgericht die Auffassung vertritt, dass die Klageforderung in Höhe von 27.280,00 € vom Beklagten anerkannt worden und er demzufolge gemäß diesem (Teil-)Anerkenntnis zu verurteilen ist. Der Beklagte ist im Hinblick auf seine Ausführungen auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 20. September 2013 vom Landgericht in der mündlichen Verhandlung am 31. Oktober 2013 gefragt worden, ob er den bei Zugrundelegung seiner Rechtsansicht verbleibenden Auszahlungsbetrag anerkenne. Er hat geantwortet, dass er sich schriftsätzlich erklären werde. Mit Schriftsatz vom 28. November 2013 hat er sodann erklärt: „Anerkannt wird mithin ein Anspruch auf Zahlung von € 27.280,00“. Dies stellt ein wirksames (Teil-)Anerkenntnis dar, das das Landgericht – ohne erneute mündliche Verhandlung (§ 307 Satz 2 ZPO) – seiner Entscheidung zugrunde legen durfte und musste (§ 307 Satz 1 ZPO). Da die Bindung des Beklagten an dieses (Teil-)Anerkenntnis fortbesteht, ist die hierauf beruhende Verurteilung durch das Landgericht zu bestätigen. Auf die Schlüssigkeit und/oder die Begründetheit der Klage kommt es insoweit nicht an.

2.

Auch soweit das Landgericht den Beklagten zur Zahlung eines den anerkannten Betrag von 27.280,00 € übersteigenden Betrages – Zug um Zug gegen Rückübertragung der Kommanditanteile an den Beklagten – verurteilt hat, ist die Berufung des Beklagten nicht begründet.

a)

Das Landgericht hat dahingehend erkannt, dass die Parteien Einigkeit darüber erzielten, dass die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juni 2013 den Kaufvertrag vom 28. Mai 2010 wirksam wegen Irrtums anfocht. Dies zugrunde gelegt, geht es des Weiteren davon aus, dass der Kaufvertrag nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabzuwickeln ist, in Sonderheit der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 (1. Alt.) BGB ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 210.000,00 € zusteht, und dem die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegenstehen.

b)

Dem ist zuzustimmen. Die dagegen geführten Berufungsangriffe bleiben jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft finden im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Beklagten keine Anwendung.

aa)

Der Vertrag, den die Parteien am 28. Mai 2010 schlossen, wird als „Kauf- und Abtretungsvertrag“ bezeichnet. An diese Bezeichnung knüpft die Klägerin zu Beginn ihres Schreibens vom 4. Juni 2013 an, während sie auf Seite 2 dieses Schreibens „die Anfechtung des Kaufvertrages“ erklärt. Dies spricht dafür, dass sich die Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) nur auf den Kaufvertrag (§§ 433, 453 BGB) bezieht und das Verfügungsgeschäft – also der „Abtretungsvertrag“ (§§ 398, 413 BGB), durch den die Kommanditanteile vom Beklagten auf die Klägerin übergingen – von der Anfechtung nicht umfasst ist. Dass das Verfügungsgeschäft nicht durch die Anfechtung vernichtet wurde, sondern wirksam blieb, kommt im Schreiben vom 4. Juni 2013 außerdem in dem Satz

„Die Rückübertragung der Kommanditanteile hiermit anbietend fordern wir Sie auf, den gezahlten Kaufpreis in Höhe von 210.000,00 € bis Ablauf des 12.06.2013 auf das unten benannte Konto der Gesellschaft zu zahlen.“

zum Ausdruck, mit dem die Klägerin einerseits das Fortbestehen ihrer Rechteinhaberschaft, andererseits ihren Willen betont, diese bei vollständiger Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises zugunsten des Beklagten aufzugeben.

Der Erklärungsempfänger ist nach Treu und Glauben verpflichtet, ihm zugehende Willenserklärungen unter Berücksichtigung aller für ihn erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit darauf hin zu prüfen, was der Erklärende meint (vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 133 Rn. 9). Hätte der Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 4. Juni 2013 in dieser Weise geprüft, hätte er erkannt, dass die Klägerin nur den Kaufvertrag vom 28. Mai 2010 anficht, die Übertragung der Kommanditanteile hingegen noch solange weiter Bestand haben solle, bis sie von ihm den gezahlten Kaufpreis von 210.000,00 € zurückerhalten hat.

Der rechtliche Mangel wirkt sich folglich hier nur auf das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) aus, die Anteilsübertragung wird davon nicht erfasst. Für die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ist somit – mangels Fehlerhaftigkeit der Anteilsübertragung – kein Raum.

Dem steht die von der Berufung zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1951 – II ZR 18/51 -, BGHZ 3, 285 ff.; vom 4. April 1968 – II ZR 68/66 -, WM 1968, S. 892 f.; vom 18. Januar 1988 – II ZR 140/87 -, juris; vom 22. Januar 1990 – II ZR 25/89 -, juris; vom 21. Juli 2003 – II ZR 387/02 -, juris und vom 20. Juli 2010 – XI ZR 465/07 -, juris) nicht entgegen. Denn sie betrifft ebenso wenig wie die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Übrigen (vgl. die vom Senat überdies ausgewerteten Entscheidungen BGH, Urteile vom 14. April 1969 – II ZR 142/67 -, juris; vom 13. März 1975 – II ZR 154/73 -, juris; vom 23. Februar 1976 – II ZR 177/74 -, juris; vom 2. Juli 1990 – II ZR 243/89 -, juris; vom 7. Oktober 1991 – II ZR 194/90 -, juris; vom 14. Oktober 1991 – II ZR 212/90 -, juris; vom 24. Mai 1993 – II ZR 136/92 -, juris; vom 27. März 1995 – II ZR 3/94 -, juris; vom 2. Juli 2001 – II ZR 304/00 -, juris; vom 16. Dezember 2002 – II ZR 109/01 -, juris; vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02 -, juris; vom 18. Oktober 2004 – II ZR 352/02 -, juris; vom 29. November 2004 – II ZR 6/03 -, juris und vom 13. Dezember 2004 – II ZR 409/02 -, juris; BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 218/04 -, juris; BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 – VIII ZR 37/06 -, juris; BGH, Beschlüsse vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06 -, juris und vom 17. Juli 2012 – II ZR 217/10 -, juris; BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 – KZR 90/13 -, juris) Fälle, in denen – wie hier – der rechtliche Mangel das Verfügungsgeschäft nicht erfasst.

bb)

Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stünden dem von der Klägerin geltend gemachten, aus der Rückabwicklung des Kaufvertrages resultierenden Zahlungsanspruch im Übrigen auch dann nicht entgegen, wenn die Klägerin die Anteilsübertragung (Verfügungsgeschäft) mit angefochten hätte. Denn die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft regeln nur die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen und diejenigen der Gesellschaft zu Dritten, nicht jedoch das Verhältnis der Parteien eines Kaufvertrages (wie hier: über Kommanditanteile). Diese Rechtsbeziehung ist deshalb nach § 142 Abs. 1, §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 1988 – II ZR 140/87 – (juris, Rn. 15) nichts anderes. Diese Entscheidung besagt nur, dass die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft nicht auf den fehlerhaften Abschluss des Gründungsvertrages beschränkt sind, sondern auch für den fehlerhaften Beitritt und für das fehlerhafte Ausscheiden eines GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
sowie für die fehlerhafte Rechtsnachfolge durch Abtretung des Gesellschaftsanteiles gelten.

III.

Die vom Beklagten im Berufungsrechtszug erhobenen (Feststellungs-)Widerklagen sind zulässig. In Sonderheit sind sie sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO) und können zudem auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).

In der Sache bleibt der Beklagte mit seinen Begehren festzustellen, dass er eine Abfindung von 20.496,00 € schulde, fällig in drei gleichen Jahresraten ab dem 4. Juni 2015, und die Klägerin am 4. Juni 2013 mit ihrer Beteiligung im Nennwert von 210.000,00 € aus der Gesellschaft ausschied und ihre Beteiligung ihm angewachsen ist, allerdings ohne Erfolg. Denn wie vorstehend unter Ziffer II im Einzelnen dargelegt, schuldet der Beklagte mehr, nämlich die ungeschmälerte Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 210.000,00 € Zug um Zug gegen Rückübertragung der Kommanditanteile auf ihn durch die Klägerin, die nach wie vor Inhaberin der ihr im Jahre 2010 übertragenen Anteile ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nrn. 1 und 10, § 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestehen nicht.

 

 

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