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OLG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2014 – 4 U 24/14

BGB §§ 138, 242, 305, 310

1. Der Gesellschaftsvertrag einer körperschaftlich strukturierten Publikumsgesellschaft unterliegt im Hinblick auf § 310 Abs. 4 S. 1 BGB zwar nicht der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Es ist aber Konsens, dass eine gerichtliche Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrages über § 242 BGB stattfindet (vgl. BGHZ 64, 238; 84, 11; BGHZ 102, 172, 177; WM 1982, 583, 584; WM 1983, 1407). Denn die Mitgesellschafter (Kommanditisten) haben keinen Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Gesellschaft. Die für das Projekt erst später gewonnenen Kapitalanleger können, wenn sie beitreten, nur einen Gesellschaftsvertrag unterzeichnen, der fertig vorformuliert ist, so dass sie auf dessen Inhalt keinen irgendwie gearteten, ihre Interessen wahrenden Einfluss ausüben können. Ähnlich wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen ist deshalb der Gesellschaftsvertrag der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterworfen.

2. Gemäß § 242 BGB ist eine Vertragsklausel unwirksam, wenn sie ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung einseitig die Belange der Gründer bzw. bestimmter Gesellschafter verfolgt und die berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter unangemessen und unbillig beeinträchtigt (vgl. Roth/Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB 6. Auflage 2012 § 242 Rn. 473; zum Mehrstimmrecht: Gummert/Jaletzke in Münchner Hdb. des GesR, 2. Bd., 3. A. 2009, § 66 Rn. 24). Eine Mindermeinung sieht die Grenze erst bei § 138 BGB (vgl. Grunewald in MünchKomm zum HGB 2.A. 2007, § 161 Rn. 119; Hass in Röhrig/Graf v. Westphalen/Haas HGB 4.A. 2014, § 119 Rn. 33).

3. Die Einräumung von Mehrstimmrechten im Gesellschaftsvertrag ist bei Personengesellschaften nicht per se unzulässig (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 36. Aufl. 2014, § 163 Rn. 8; Gummert/Jaletzke in Münchner Hdb. des GesR, 2. Bd., 3. A. 2009, § 66 Rn. 24). Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die dies einschränkt oder ausschließt. Insofern unterscheidet sich das Personengesellschaftsrecht vom Aktiengesellschaftsrecht (vgl. § 12 Abs.2 AktG).

4. Die Einräumung von Mehrstimmrechten an nicht am Gesellschaftskapital partizipierende Gesellschafter (hier die Komplementärin) widerspricht auch nicht allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts. Denn es gibt im Gesellschaftsrecht keinen Grundsatz, dass das Stimmrecht zwingend eine Kapitalbeteiligung voraussetzt, unabhängig davon, dass eine Verteilung der Stimmrechte in Abhängigkeit zum (Fest-)kapital in einer Gesellschaft üblich sein mag. Vielmehr sind Eingriffe in diese Struktur zulässig.

5. Die Klausel im Gesellschaftsvertrag einer (Publikums-)KG, nach der der Komplementärin zusätzlich (zu den sich nach der Haftsumme richtenden Stimmen der Kommanditisten) Stimmen in Höhe von 20% der gezeichneten Haftsumme geteilt durch 1000 zustehen („Mehrstimmrecht“) ist auch dann nicht wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam, wenn die Komplementärin eine umsatzabhängige Vergütung erhält und am Gewinn und Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt ist.

6. Nach der Rechtsprechung des BGH können Rechtsstreitigkeiten, die das durch den Gesellschaftsvertrag begründete Rechtsverhältnis der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft untereinander betreffen, nur zwischen den Gesellschaftern ausgetragen werden; die Gesellschaft hat hierüber keine Dispositionsbefugnis (vgl. BGH, MDR 1975, 736 m.w.N; NJW 1999, 3113). Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung festgehalten, dass auch der Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen in der Publikumsgesellschaft grundsätzlich nicht mit der Gesellschaft, sondern mit den Mitgesellschaftern auszutragen ist (vgl. BGH NJW 99, 3113, 3115; Baumbach/Hopt, HGB, § 109, Rn 38; Anh. zu § 177 an, Rn. 73, jeweils m. w. N.). Allerdings sei es auch in der Kommanditgesellschaft rechtlich möglich, hiervon Abweichendes im Gesellschaftsvertrag zu bestimmen, so dass ein derartiger Prozess dann mit der Gesellschaft auszufechten sei.

Schlagworte: Gesellschaftsvertrag, Inhaltskontrolle, Klagegegner, Mehrstimmrecht, Publikumsgesellschaft, Sittenwidrigkeit