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OLG Köln, Urteil vom 23.10.2015 – 19 U 43/15

HGB §§ 84, 89b

1. Nach § 89b Abs. 4 S. 1 HGB ist es unzulässig, den Ausgleichsanspruch im Voraus auszuschließen oder, was dem gleichsteht, zu beschränken; für die Zeit nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses gilt das nicht (vergleiche BGH, Urteil vom 21.05.1975, I ZR 141/74).

2. Gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 HGB kommt es zur Berechnung des Ausgleichs darauf an, dass der Versicherungsvertreter neue Versicherungsverträge, sei es auch mit Altkunden, vermittelt hat, aus denen der Unternehmer nach Ende des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Vorteile hat (vergleiche Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 89b Rn. 86). Der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrags steht gleich, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Vertrags entspricht, § 89b Abs. 5 S. 1 2. Fall HGB. Für die dem Versicherungsvertreter übertragenen Bestände, die grundsätzlich als Altverträge nicht ausgleichspflichtig sind, wird angenommen, dass sie dem Versicherungsvertreter allmählich zuwachsen, was bei der Ausgleichshöhe zu berücksichtigen ist (vergleiche Emde in Staub, Großkommentar HGB, 5. Auflage 2008, § 89b Rn. 429, zitiert nach juris; Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 2, 9. Auflage 2014, XX Rn. 90).

3. Als problematisch wird in diesem Zusammenhang angesehen, ob ein übertragener Bestand auch dann noch ausgleichsmindernd in vollem Umfang, den er zum Zeitpunkt seiner Übertragung hatte – oder je nach Zeitablauf teilweise – in Ansatz gebracht werden kann, wenn er ganz oder teilweise bei der Vertragsbeendigung nicht mehr vorhanden ist (vergleiche Emde in Staub, Großkommentar HGB, a.a.O., § 89b Rn. 430; Thume in Küstner/Thume, a.a.O., XX Rn. 101 ff).

4. Zwar ist der Versicherungsvertreter als Anspruchsteller grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, auch für ihm zum Vorteil gereichende Bestandsveränderungen (vergleiche Emde in Staub, Großkommentar HGB, a.a.O., § 89b Rn. 430; Thume in Küstner/Thume, a.a.O., XX Rn. 109; a.A. EBJS-Löwisch; a.a.O., § 89b Rn. 201, der die Ermittlung und Errechnung des Ausgleichsanspruchs anhand der „Grundsätze“ aufgrund einer nachvertraglichen Treuepflicht als Aufgabe des Unternehmers ansieht). Jedoch kann es im Einzelfall zu einer Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach „Gefahrensphären“ kommen (vergleiche Emde in Staub, Großkommentar HGB, a.a.O., § 89b Rn. 430). Weil dem grundsätzlich beweisbelasteten Versicherungsvertreter die Beweisführung durch Ermittlung des bereits weggefallenen oder noch vorhandenen Bestands oft unzumutbar sein dürfte und dem Versicherungsunternehmer der Tatsachenstoff eher bekannt ist als ihm, soll nach den Grundsätzen der Zumutbarkeit der Beweisführung davon ausgegangen werden, dass das ausgleichspflichtige Unternehmen den Sachverhalt darzulegen bzw. substantiiert zu bestreiten hat (vergleiche Küstner in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 2, 8. Auflage 2008, XX Rn. 111).

5. Grundvoraussetzung für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs ist das Bestehen eines Handelsvertreterverhältnisses (§ 84 HGB) zwischen rechtlich selbständigen Personen; auf sonstige Dienst- oder Vertragsverhältnisse mit Vertriebsmittlern ist § 89b HGB nicht anwendbar (vergleiche EBJS-Löwisch, a.a.O., § 89b Rn. 16 und 17). Daher kann sich der Handelsvertreter zur Begründung seines Ausgleichsanspruchs nicht auf das berufen, was er früher als Arbeitnehmer in gesicherter Stellung ohne Unternehmerrisiko ausschließlich für den Gewerbebetrieb seines Arbeitgebers geleistet hat (vergleiche OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 01.07.1969, 8 U 270/64, zitiert nach beck-online). Dies gilt nicht nur für die Ermittlung der dem Unternehmer verbliebenen Vorteile i.S.v. § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB (vergleiche Thume in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 2, 9. Auflage 2014, VI Rn. 17), sondern auch für eine möglicherweise im Rahmen der Billigkeit (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu berücksichtigende Tätigkeitsdauer, die sich – wenn überhaupt relevant – nur auf diejenige des Handelsvertretervertrags bezieht (vergleiche EBJS-Löwisch, a.a.O., § 89b Rn. 143; Hopt in Baumbach/Hopt, a.a.O., § 89b Rn. 36; Emde in Staub, Großkommentar HGB, a.a.O., § 89b Rn. 162 „Dauer der Tätigkeit des Handelsvertreters“).

Schlagworte: Ausgleichsanspruch, Darlegungs- und Beweislast, Handelsvertreter