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OLG München, Beschluss vom 11.04.2018 – 31 Wx 72/18

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts München, Registergericht vom 01.02.2018 (Fall 104, Fall 105, Fall 106) aufgehoben.

Gründe

I.

1.a) Am 07.09.2017 meldete der eingetragene Vorstand O.G.S. der Beschwerdeführerin zur Eintragung im Handelsregister an, dass er zum Vorstandsvorsitzenden der Beschwerdeführerin bestellt wurde und F.K als Vorstandsvorsitzender der AG ausgeschieden sei (Fall104).

b) Am 21.09.2017 meldeten der eingetragene Vorstand O.G.S. und Dr. M.K. zur Eintragung ins Handelsregister an, dass Dr. P.B. nicht mehr Mitglied des Vorstands der AG sei, Dr. M.K. zum Vorstand bestellt wurde und die Prokura Y.P.B mit sofortiger Wirkung widerrufen wurde (Fall 105).

c) Am 18.10.2017 meldeten der eingetragene Vorstand O.G.S. und Dr. M.K. die Eintragung einer Gesamtprokura gemeinsam mit dem weiteren Vorstandsmitglied Dr. A.B. zum Handelsregister an Fall 106).

2. Das Registergericht hat bezüglich der drei Anmeldungen zur Eintragung ins Handelsregister das Verfahren jeweils mit Beschluss vom 01.02.2018 gemäß § 21 FamFG ausgesetzt. Es führt zur Begründung jeweils aus, gegen die Wahl sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung vom 23.08.2017 sei Nichtigkeits- und Anfechtungsklage beim Landgericht München I erhoben worden. Wegen der äußerst komplexen und schwierigen Sach- und Rechtslage könne das Registergericht die Wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder nicht beurteilen. Die Verfahren bezüglich der vorgenannten Anmeldungen zum Handelsregister seien daher auszusetzen.

II.

Die sofortigen Beschwerden haben einen vorläufigen Erfolg. Denn aus den angefochtenen Beschlüssen des Registergerichts sind die zwingenden Voraussetzungen des § 21 FamFG nicht ersichtlich.

1.a) Die Aussetzung des Verfahrens setzt nach § 21 Absatz 1 Satz 1 FamFG zunächst das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Als Regelbeispiel für einen wichtigen Grund nennt § 21 Absatz 1 Satz 1 FamFG die Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens Keidel/Sternal FamFG 19. Auflage <2017> § 21 Rn.9). Ob ein wichtiger Grund vorliegt, hat das Registergericht dabei in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Es hat die Sach- und Rechtslage selbst eingehend zu prüfen und ggfs. eigene weitere Ermittlungen (§ 26 FamFG) anzustellen. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt indes nur dann in Betracht, wenn besonders triftige, sachliche und im einzelnen vom Registergericht darzulegende Gründe eine Aussetzung nahelegen. Insbesondere bei Eintragungen, die keinen Aufschub dulden, ist eine Aussetzung nur angezeigt, wenn eine Entscheidung nicht ohne schwierige, zeitraubende und umfangreiche Ermittlungen getroffen werden kann oder sie von zweifelhaften, in Rechtsprechung und Rechtslehre unterschiedlich beantworteten Rechtsfragen abhängt (Keidel/ Heinemann a. a. O. § 381 Rn.10; Krafka/Kühn Registerrecht 10. Auflage <2017> Rn. 170a; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ZIP 2011, 2057 <2058>). Allerdings ist auch insoweit das Registergericht verpflichtet, im einzelnen darzulegen, welche schwierigen, umfangreichen und zeitraubenden Ermittlungen konkret erforderlich sind bzw. welche zwischen Rechtsprechung und Rechtslehre im Streit stehende Rechtsfragen aus seiner Sicht für die Entscheidung im Registerverfahren von Bedeutung sind. Der bloße Hinweis auf eine schwierige und komplexe Rechtslage genügt diesen Anforderungen nicht.

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze werden die angefochtenen Beschlüsse (Fall 104 Fall, 105, Fall 106) diesen Anforderungen nicht gerecht. So ist aus der Beschlussbegründung jeweils schon nicht nachvollziehbar, worin ein wichtiger Grund, der die Aussetzung rechtfertigen könnte, zu sehen sein soll. Dass der BGH Beschlüsse eines nichtig gewählten Aufsichtsrats für nichtig erachtet, stellt für sich betrachtet keinen wichtigen Grund dar, zumal ein Zusammenhang zwischen zitierter BGH- Rechtsprechung und den konkreten, vom Registergericht rechtlich selbst zu beurteilenden Vorgängen nicht dargetan ist. Dass ein Sachverhalt komplex und schwierig ist und bereits dem Prozessgericht zur Prüfung in einem Klageverfahren vorliegt, stellt für sich alleine keinen wichtigen Grund dar, zumal das Registergericht in eigener Zuständigkeit die Sach- und Rechtslage hätte prüfen müssen, wobei der Senat im Hinblick auf die substanzlosen und inhaltlosen Formularbeschlüsse des Registergerichts davon ausgehen muss, dass eine solche Prüfung bislang vollständig unterblieben ist. Dieses Versäumnis wird daher vom Registergericht nachzuholen sein, wobei es dem Registergericht auch zumutbar ist, zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ggfs. auch die Prozessakte 5 HKO XXX/XX beizuziehen.

2. a) Selbst wenn aber ein wichtiger Grund im Sinne von § 21 Absatz 1 Satz 1 FamFG vorläge, stünde die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen des Registergerichts. Bei der Entscheidung über die Aussetzung hat das Registergericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens die sachlichen Gründe abzuwägen, die für oder gegen die Zurückstellung der Verfügung bis zu einer Entscheidung des Prozessgerichts sprechen. Hierbei bedarf es einer Prüfung der Gewichtigkeit der Bedenken, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gegen das Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Rechtsverhältnisses bestehen oder vorgebracht werden. Soweit berechtigte Zweifel bestehen, ist zu erwägen, ob eine alsbaldige Entscheidung geboten oder eine Zurückstellung bis zur Klärung im Prozesswege vertretbar ist (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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a.a.O. <2059>). Dass das Registergericht sein Ermessen überhaupt ausgeübt hat und welche Ermessenserwägungen das Registergericht zur Aussetzung des Verfahrens bewogen haben, muss aus der Begründung des Beschlusses ersichtlich sein. Denn nur so ist es dem Beschwerdegericht möglich, die Entscheidung des Registergerichts auf Ermessensfehler hin zu überprüfen.

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze halten die Beschlüsse einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Es ist schon nicht ersichtlich, ob das Registergericht überhaupt von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Auch die angestellten Ermessenserwägungen, soweit es überhaupt welche gab, sind aus den Beschlussgründen nicht ersichtlich, so dass sich der Senat außerstande sieht, in eine Prüfung auf Ermessensfehler hin einzutreten. Die angefochtenen Beschlüsse erwecken vielmehr den Eindruck, dass sich das Registergericht im Hinblick auf die beim Prozessgericht anhängige Klage außer Stande oder nicht Willens sah, sich inhaltlich mit den Eintragungsanträgen auseinanderzusetzen und sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben.

3. Zum weiteren Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

a) Im Rahmen der weiteren Prüfung wird das Registergericht zu prüfen haben, ob die geltend gemachten aktienrechtlichen Nichtigkeitsgründe offensichtlich sind bzw. sich die behauptete Nichtigkeit der angefochtenen Beschlüsse der Hauptversammlung geradezu aufdrängt. Kommt das Registergericht aufgrund seiner eigenständigen Prüfung zu diesem Ergebnis, wird es in eigener Zuständigkeit weiter zu prüfen haben, ob und inwieweit sich daraus Eintragungshindernisse ergeben, die den beantragten Eintragungen entgegenstehen und daher ggfs. zur Zurückweisung der Eintragungsanträge führen. Kommt das Registergericht aufgrund seiner Prüfung zum Ergebnis, dass eine beantragte Eintragung zurückzuweisen ist, ist für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 21 FamFG kein Raum.

b) Ist eine Nichtigkeit fernliegend oder kommt nur eine Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen in Betracht, kann eine Aussetzung des Verfahrens in Betracht kommen, wenn die nach den vorgenannten Grundsätze erfolgte Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass eine Entscheidung des Prozessgerichts tatsächlich vorgreiflich sein und somit ein wichtiger Grund vorliegen könnte, und das Registergericht im Rahmen seiner Ermessensausübung zum Ergebnis gelangt, dass eine Zurückstellung einer Entscheidung vertretbar ist. Ist jedoch ein wichtiger Grund als erste Voraussetzung für eine Aussetzung des Verfahrens nicht ersichtlich, muss das Registergericht prüfen, ob die beantragte Eintragung vorzunehmen ist. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es in einem solchen Falle auch zu divergierenden Entscheidungen des Registergerichts und des Prozessgerichts kommen kann. Im Hinblick darauf, dass die Gestaltungswirkung im Rahmen einer Anfechtungsklage zwar rückwirkend, aber erst mit Rechtskraft des Urteils des Prozessgerichts eintritt und für diesen Fall das Aktiengesetz besondere Regelungen zur Richtigstellung der Registereintragungen enthält und unter Berücksichtigung der Funktion des Handelsregisters ist das aber hinzunehmen. Das Handelsregister soll in erster Linie über Unternehmensformen, ihre jeweilige konkrete Ausgestaltung wie Vertretung- und Haftungsverhältnisse Auskunft geben. Interessierte Dritte sollen sich daraus über wesentliche Tatsachen, die für den Rechtsverkehr mit Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften von Bedeutung sind, informieren können (Fleischhauer/Preuß Handelsregisterrecht 3. Auflage 2013, Rn.4; Münchner Kommentar – Krafka FamFG 2. Auflage 2013 § 374 FamFG Rn.8). Das Handelsregister hat insbesondere die Aufgabe, wesentliche und aktuelle Rechtsverhältnisse der Unternehmer und Unternehmen zu offenbaren und über im Handelsverkehr rechtserhebliche Tatsachen zutreffend Auskunft zu geben (Publizitätsfunktion Ebenroth / Schaub Handelsgesetzbuch 3. Auflage 2014 § 8 Rn. 44). Daher ist für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 21 FamFG auch hier nur Raum, wenn besonders triftige, sachliche und im einzelnen vom Registergericht darzulegende Gründe eine Aussetzung nahelegen.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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