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OLG München, Beschluss vom 20.09.2017 – 34 SchH 14/17

ZPO § 1040 Abs. 2 S. 3, 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 GZVJu § 7

Unzulässigkeitsgründe, die erst nach Erlass eines Zwischenentscheids entstanden sind, können im Rechtsbehelfsverfahren nach § 1040 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht berücksichtigt werden.

Tenor

I. Der Antrag, den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 31. Juli 2017 aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die in der Schiedsklage vom 8. März 2017 geltend gemachten Ansprüche unzuständig ist, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Grüne

I.

Die Antragstellerin begehrt als Beklagte eines Schiedsverfahrens die Aufhebung des Zwischenentscheids des Schiedsgerichts vom 31.7.2017 sowie die Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts.

1. Die in M. ansässige Antragstellerin war vom 1.12.1978 bis 30.9.2011 für die Antragsgegnerin, eine Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht, als selbständige Handelsmaklerin tätig. Die Parteien streiten nach der Beendigung ihrer Geschäftsbeziehung über Rückzahlungspflichten aus einem bzw. mehreren Handelsvertreterverträgen.

Zwischen den Parteien bestand eine im Jahr 1999 getroffene schriftliche „Vereinbarung über die Abschlüsse von Unfall-Versicherungen“, deren § 12 wie folgt lautet:

Alle aus dieser Vereinbarung entstehenden Streitigkeiten mit Ausnahme der Saldenauskehrung, worüber die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben, unterliegen unter Ausschluss des Rechtsweges der Entscheidung durch ein Schiedsgericht, das aus 3 Personen besteht.

Jede Vertragspartei ernennt einen unabhängigen Schiedsrichter. Die Schiedsrichter ernennen einen Obmann, der die Befähigung zum Richteramt haben muß. Wenn sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von 14 Tagen über die Person des Obmannes verständigen können, so ist der Präsident der Industrie- und Handelskammer M. zu ersuchen, einen Obmann zu ernennen.

Sitz des Schiedsgerichtes ist München. Im Übrigen gelten die allgemeinen rechtlichen Bestimmungen der ZPO.

Eine von der Antragsgegnerin erhobene Leistungsklage hat das Landgericht mit Urteil vom 29.5.2015 abgewiesen, weil die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Forderung aus einem Unfallpool-Unterkonto in Höhe von 6.646,89 € wegen der von der Antragsgegnerin wirksam erhobenen Schiedseinrede bereits unzulässig sei. Weiter gehende Ausgleichsforderungen hielt das Landgericht wegen Verjährung für unbegründet. Die Berufung der Antragstellerin blieb mit der Maßgabe erfolglos, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wurde. Das Oberlandesgericht München war der Meinung, dass nicht das gesamte Kontokorrent der Schiedsvereinbarung unterliege. Jedoch könnten die Einzelforderungen aus dem Kontokorrent nicht getrennt und selbständig betrachtet werden. Hinsichtlich des Untersaldos Unfallversicherungen müsse erst eine Entscheidung durch das vereinbarte Schiedsgericht herbeigeführt werden.

Auf Antrag der Antragsgegnerin hat der Senat mit Beschluss vom 19.7.2016 (Az.: 34 SchH 10/16) den zweiten Schiedsrichter für das Schiedsverfahren bestellt.

Unter dem 31.7.2017 hat das Schiedsgericht mit Zwischenentscheid in München festgestellt, dass es für die Entscheidung zuständig sei. Es liege eine wirksame Schiedsvereinbarung vor. Im Übrigen sei es der Antragstellerin verwehrt sich auf die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts zu berufen, da sich die Antragstellerin im staatlichen Verfahren erfolgreich mit der Schiedseinrede verteidigt habe. Dass die Antragstellerin den Schiedsrichtervertrag nicht unterzeichnet habe, sei unschädlich. Auch die Berufungs-Entscheidung des Oberlandesgerichts München stehe der Durchführung des Schiedsverfahrens nicht entgegen.

2. Unter dem 7.9.2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin beantragt, den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts vom 31.7.2017, der Antragstellerin nach eigenen Angaben zugegangen erst am 8.8.2017, aufzuheben und festzustellen, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die Schiedsklage der Antragsgegnerin vom 8.3.2017 unzuständig sei. Zur Begründung führt sie aus:

a) Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 7.9.2017 die Schiedsvereinbarung aus wichtigem Grund – hilfsweise ordentlich – gekündigt, weil die Kosten des Schiedsverfahrens im Vergleich zum verhandelten Streitgegenstand unverhältnismäßig hoch zu werden drohten. Der bereits eingeforderte Kostenvorschuss übersteige den Streitgegenstand bereits um 30%. Das Verfahren verliere dadurch jede ökonomische Zweckmäßigkeit, eine Fortführung sei für die Beteiligten daher unzumutbar. Dieser Umstand sei für die Antragstellerin erst durch den zuständigkeitsbejahenden Zwischenentscheid offenbar geworden.

b) Im Übrigen sei die Schiedsklausel durch Beendigung des die Schiedsklausel enthaltenden Vertrages obsolet geworden. Die Antragsgegnerin habe die Vereinbarung mit Schreiben vom 20.5.2005 gekündigt. Hierdurch sei die Vereinbarung insgesamt beendet worden.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens zuständig (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012, GVBl S. 295), da der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Bayern liegt.

2. In der Sache ist das Begehren nicht begründet.

a) Eine Klärung der Frage, ob die Schiedsvereinbarung durch die Kündigung von 2005 beendet ist, ist hier nicht veranlasst. Wie der Senat bereits bei Bestellung des zweiten Schiedsrichters (Entscheidung vom 19.7.2016, Az.: 34 SchH 10/16) ausgeführt hat, ist es der Antragstellerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine etwaige Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu berufen. Die Antragstellerin hat sich in der von der Antragsgegnerin angestrengten Klage vor einem staatlichen Gericht in zwei Instanzen erfolgreich mit der Schiedsreinrede verteidigt. Sie ist daher nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens mit dem Einwand der Unwirksamkeit der Schiedsabrede ausgeschlossen (BGH vom 16.3.2017, I ZB 49/16 m.w.N. nach juris; BGH vom 30.4.2009, III ZB 91/07 nach juris; Hk-ZPO/Saenger 7. Aufl. § 1059 Rn. 9; BeckOK ZPO/Wilske/Markert Stand 15.6.2017 § 1059 Rn. 38). Der Schiedsklägerin ist es nicht zumutbar, sich durch das widersprüchliche Verhalten der Antragstellerin abwechselnd von einem Rechtsweg in den anderen verweisen zu lassen (BGH vom 30.4.2009, III ZB 91/07 nach juris). Die Antragstellerin muss sich deshalb an ihrer Auffassung, die Angelegenheit gehöre nicht vor ein staatliches Gericht, festhalten lassen.

b) Soweit die Antragstellerin ihren Antrag auf die Kündigung der Schiedsvereinbarung vom 7.9.2017 stützen will, kann dies hier keine Beachtung finden.

Zwar ist der Senat weder an die tatsächlichen Feststellungen noch an die rechtliche Würdigung des Schiedsgerichts gebunden, so dass auch grundsätzlich weitere, vom Schiedsgericht nicht beachtete Gesichtspunkte im Rechtbehelfsverfahren eingeführt werden können (so wohl BayObLG vom 13.11.2003, 4Z SchH 8/03, nach juris).

Anders ist es jedoch, wenn die behaupteten (weiteren) Unzulässigkeitsgründe erst nach Erlass des Zwischenentscheids entstanden sind. Denn nach Bildung des Schiedsgerichts entfällt die Möglichkeit des Feststellungsantrages nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts kann ab diesem Zeitpunkt nur noch gemäß § 1040 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden (Hk-ZPO/Saenger ZPO 7. Aufl. § 1040 Rn. 8, 9). Dies setzt insbesondere die Rüge der Unzuständigkeit gegenüber dem Schiedsgericht voraus. Das Schiedsgericht hat dann insoweit die vorläufige – wenn auch unter der Endkontrolle des Oberlandesgerichts stehende – Kompetenz, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden (Schlosser in Stein/Jonas ZPO 23. Aufl. § 1040 Rn. 1; Schütze in: Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 1040 Rn. 11). Diese Kompetenz kann dem Schiedsgericht nicht dadurch entzogen werden, dass ein Antragsteller Umstände, die erst nach Erlass des Zwischenentscheids entstanden sind, direkt gegenüber dem Oberlandesgericht geltend macht.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Streitwert aus § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO (siehe Seiler in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 1063 Rn. 5).

Schlagworte: Schiedsgericht, Schiedsgerichtsbarkeit, Schiedsgerichtsverfahren