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OLG München, Beschluss vom 23. Februar 2017 – 21 U 2838/16

§ 30 GmbHG, § 31 GmbHG, § 596 Abs 1 HGB, § 522 Abs 2 ZPO

1. Ist der klägerische Vortrag zu einer Falschberatung auch nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 06.12.2012 (III ZR 66/12) unsubstantiiert, ist eine Parteianhörung oder -einvernahme nicht veranlasst.

2. Die Möglichkeit einer Insolvenz des Treuhänders ist kein spezifisches Risiko des Fonds, auf das hingewiesen werden müsste.

3. Auch das Risiko der Geltendmachung von Schiffsgläubigerrechten ist ein allgemeines wirtschaftliches Risiko, auf das der Anleger nicht hingewiesen werden muss (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 01. Juli 2016, 325 O 308/15). Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Fondsgesellschaft Verbindlichkeiten aus von ihr selbst als Schiffseigentümerin geschlossenen Verträgen bezahlen muss und bei Zahlungsausfall mit Vollstreckungsmaßnahmen des betreffenden Gläubigers rechnen muss.

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.05.2016, Aktenzeichen 28 O 14209/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 14.685,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.05.2016, Aktenzeichen 28 O 14209/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 16.12.2016 Bezug genommen.

Die Stellungnahme mit Schriftsatz vom 20.01.2017 rechtfertigt keine andere Entscheidung:

1. Der klägerische Vortrag zu einer Falschberatung ist auch nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 06.12.2013, Az. III ZR 66/12, derart unsubstantiiert, dass eine Parteianhörung oder -einvernahme nicht veranlasst ist. Zu Recht weisen die Klägervertreter darauf hin, dass es für eine ausreichende Substantiierung genügt, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Auch aus dem Schriftsatz vom 20.01.2017 ergeben sich aber keine hinreichenden Tatsachen, denn selbst nach diesen Ausführungen wird nicht klar, auf welche Tatsachen der Kläger die Pflichtverletzung genau stützt: In dem Schriftsatz heißt es auf Seite 4, im vorliegenden Fall würden vor allem Prospektfehler geltend gemacht. Für die behaupteten Prospektfehler (dazu unten 2.) bedarf es aber keiner Anhörung des Klägers zur konkreten Beratungssituation. Soweit der Kläger weiter ausführen lässt, es obliege „nicht der Darlegungsund Beweislast der Klägerseite, ob der Vertrieb die Prospektfehler richtiggestellt bzw. sich von den Prospektfehlern distanziert hat„, treffen diese abstrakten Ausführungen zur Darlegungs- und Beweislast zwar im Allgemeinen zu, sind hier aber nicht einschlägig: Dem Kläger geht es gerade nicht um die Frage einer Richtigstellung/Distanzierung von Prospektfehlern in der Beratung. Eine Anhörung wäre nur dann veranlasst, wenn Tatsachen für eine Falschberatung neben dem/ abweichend vom Prospekt vorgetragen worden wären. Hierzu trägt der Kläger zwar auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 10.01.2017 erstmals ein konkretes Beratungsgespräch vor, aber auch weiterhin keinen konkreten Beratungsfehler. Vielmehr beschränkt er sich zunächst auf die Darstellung des allgemeinen Geschäftsgebahrens der Beklagten ohne Bezugnahme auf die konkrete Aufklärungssituation: „Da es der Geschäftspolitik der Beklagten zu 1) entsprach, Anleger mit Empfehlungsschreiben rmlich zu bombardieren“ und Telefonate sowohl von Herrn als auch Herrn gehrt wurden, kann dieses Verwirrspiel nicht zu Lasten des Anlegers gehen“ (Schriftsatz vom 20.01.2017, S. 4). Maßgeblich sind aber jeweils die Umstände des Einzelfalls und die dem Kläger zur Verfügung stehenden Beweismittel. Er kann seinen Anspruch nicht damit begründen, dass es Entscheidungen in anderen Fällen gibt, bei denen die Beklagte unterlegen ist. So wird vorliegend schon nicht behauptet, dass irreführende Schreiben oder fehlerhafte Flyer Grundlage der Anlageentscheidung gewesen seien. Vielmehr trägt der Kläger selbst in der Berufung ausdrücklich vor, dass sein Entschluss zur Zeichnung auf der Grundlage der Informationen des Prospekts erfolgt sei.

Soweit auf Seite 6 des Schriftsatzes konkretere Ausführungen zu einer Beratung des Klägers durch Herrn Lange persönlich in den Räumen der … Straße erfolgen, wird nur vorgetragen, dass der Kläger nicht mündlich auf die Risiken hingewiesen wurde. Dies stellt ebenfalls keinen hinreichenden Tatsachenvortrag für eine Pflichtverletzung dar, weil der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) seine Aufklärungspflicht durch Übergabe des Prospekts erfüllt hat (S. 8 der Berufungsbegründung), mithin nicht gesondert auf die Risiken hinweisen musste. Prospektfehler liegen nicht vor (siehe unten 2.). Eine vom Prospekt abweichende Falschberatung (Freibriefrechtsprechung) ist weiterhin nicht substantiiert vorgetragen. Die bloße Behauptung, dem Kläger sei „suggeriert“ worden, es handle sich um eine langfristige und sichere Kapitalanlage (S. 7 der Klageschrift) genügt auch weiterhin nicht (vgl. Hinweisbeschluss vom 16.12.2016).

Eine Beweisaufnahme und auch eine Anhörung des Klägers bei dieser Sachlage wäre eine reine Ausforschung. Es ist nicht ersichtlich, weswegen unter dem Gesichtspunkt des „rechtlichen Gehörs“ oder des „fairen Verfahrens“ eine Anhörung hier unabdingbar wäre.

2. Die Voraussetzung einer Prospekthaftung liegen nicht vor, die gerügten Prospektfehler greifen nicht durch. Insoweit wird auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil und im Hinweisbeschluss vom 16.12.2016 verwiesen. Nur zur Ergänzung wird noch ausgeführt wie folgt:

Unabhängig davon, ob überhaupt eine Aufklärungspflicht über das Risiko aus §§ 30, 31 GmbHG besteht, wird hier jedenfalls auf das Haftungsrisiko nach §§ 30, 31 GmbHG auf S.25, 78 des Prospekts hinreichend hingewiesen. Der Hinweis umfasst auch eine Haftung bei nicht strafrechtlich relevantem Verhalten. Soweit der Kläger eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30.12.2015, Az 22 U 128/15, zitiert, betrifft diese zum einen einen anderen Gesellschaftsvertrag, zum anderen geht es dort nicht um Aufklärungspflichten, sondern um die umgekehrte Frage, ob ein Kommanditist eine Liquiditätsausschüttung zurückzahlen muss, die dort gerade verneint wurde. Letztendlich ergibt sich aus den Hinweisen auf Seiten 25 und 78 des Prospekts hinreichend, dass die Haftung des Kommanditisten wieder auflebt, wenn seine Einlage durch Auszahlungen unter den Stand der Haftungseinlage absinkt.

Die Möglichkeit einer Insolvenz des Treuhänders ist kein spezifisches Risiko des Fonds, auf das hingewiesen werden müsste.

Hinsichtlich der Schiffsgläubigerrechte musste der Prospekt nicht aufklären. Insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Landgerichts Hamburg mit Urteil vom 01.07.2016, Az. 325 O 308/15 an: Das Risiko, dass Schiffsgläubigerrechte geltend gemacht werden, ist ein allgemeines wirtschaftliches Risiko, auf das der Anleger nicht hingewiesen werden muss. Denn dass die Fondsgesellschaft Verbindlichkeiten aus von ihr selbst als Schiffseigentümerin geschlossenen Verträgen bezahlen muss und bei Zahlungsausfall mit Vollstreckungsmaßnahmen des betreffenden Gläubigers rechnen muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Es würde sich überhaupt nur dann um ein Risiko handeln, wenn Schiffsgläubigerrechte (nämlich das Pfandrecht für schuldrechtliche Forderungen) für solche in § 596 Abs. 1 HGB aufgeführten schuldrechtlichen Forderungen geltend gemacht werden, hinsichtlich derer die Fondsgesellschaft nicht selbst Schuldnerin ist. Hier war aber das Schiff bemannt verchartert. Auf den Fall des § 596 Abs. 1 Nr. 1 HGB (unbeglichene Heuerforderungen) war daher von vornherein nicht gesondert hinzuweisen. In dem in § 596 Abs. 1 Nr. 2 HGB genannten Fall (öffentliche Schiffs-, Schifffahrts- und Hafenabgaben und Lotsgelder) entsteht das Risiko, dass Schiffsgläubigerrechte geltend gemacht werden, allenfalls dann, wenn der Charterer zur Zahlung verpflichtet ist und seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, was indes nur zu befürchten ist, wenn der Charterer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Dass aber eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Charterers ein Risiko ist, ergibt sich aus der Darstellung im Prospekt, so u.a. aus den Erläuterungen im Kapitel „Risiken der Beteiligung“ auf Seite 22 unter „Chartervertrag/Beschäftigung“ und auf Seite 26 „Vertragserfüllungsrisiko“. Dass etwaige Schadensersatzansprüche (§ 596 Abs. 1 Nr. 3 HGB) oder Bergekosten (§ 596 Abs. 1 Nr. 4 HGB) entstehen können, bedarf keines gesonderten Hinweises. Im Übrigen enthält der Prospekt auf Seite 85 auch hinreichende Hinweise zu Schiffshypothekendarlehen und deren Besicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.

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