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OLG München, Urteil vom 01. Dezember 2016 – 23 U 2755/13 

§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 116 HGB i.V.m. §§ 163, 161 Abs. 2 HGB

1. Die Feststellungsklage der Beklagten ist zulässig.

Die Beklagte will mit ihrem Widerklageantrag einen ihr selbst zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin als Rechtnachfolgerin des verstorbenen früheren Klägers festgestellt wissen. Dieses Begehren war auch schon Gegenstand der in erster Instanz erhobenen Widerklage (BGH, Urteil vom 21.06.2016, II ZR 305/14, Tz. 11 ff). Der zur Auslegung des Widerklageantrags heranzuziehenden Begründung in der Klageerwiderung vom 16.03.2011 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz eines eigenen Schadens festgestellt haben möchte. So führt die Beklagte auf den Seiten 14 und 15 dieses Schriftsatzes (Bl. 33/34 d.A.) aus, dass es „neben der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft“ bei „seiner unmittelbaren Haftung gegenüber der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG“ bleibe, „wenn diese satzungsgemäß für die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft verantwortlich ist“. Der frühere Kläger habe vor Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit der T. die Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der KG einholen müssen. Er sei „der Beklagten daher gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie ihrerseits wegen der vom früheren Kläger begangenen Pflichtverletzung der SGF KG die durch die Vertriebsvereinbarung mit der T. GmbH entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen hat“.

Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Beschluss vom 04.03.2015, IV ZR 36/14, juris Tz. 15 m.w.N.). Insoweit wird auf die Ausführungen zur Begründetheit der Klage verwiesen. Es kann insbesondere dahinstehen, ob Ansprüche der SGF KG gegen die Beklagte bereits verjährt sind (s. u. Ziffer 2.4).

Die Abweisung der von der SGF KG gegen T. erhobenen Auskunftsklage (Urteil des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vom 30.07.2015, U 3028/14 Kart, Anlage NZBE1) macht weder eine – weitere – Bezifferung unmöglich, noch steht sie der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts entgegen. Hinsichtlich der Schäden, die dadurch entstanden sind, dass Vi. im Zeitraum zwischen September 2010 und März 2013 Produkte nicht unmittelbar bei der SGF KG, sondern über T. bezogen hat, hat die Beklagte die Schäden bereits beziffert.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagten mittlerweile eine Bezifferung des gesamten Schadens möglich wäre. Auch in diesem Fall müsste sie nicht zur Leistungsklage übergehen. Bei Klageerhebung im Jahr 2010 war der Beklagten unstreitig eine Bezifferung nicht möglich. An einer zulässigerweise erhobenen Feststellungsklage darf die Klagepartei im Verlauf des Rechtsstreits jedoch grundsätzlich ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Schadens festhalten (BGH, Urteil vom 30.03.1983, VIII ZR 3/82, juris Tz. 28; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Urteil vom 30.01.1992, 5 U 228/91, juris Tz. 12).

2. Die Feststellungsklage ist begründet.

Der Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit T. erfolgte ohne die erforderliche Einwilligung durch die Gesellschafterversammlung. Die Missachtung der Kompetenzordnung der Gesellschaft stellt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar.

Der Geschäftsführer führt gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft und des Gesellschaftsvertrages der SGF KG. Nach § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der SGF KG (Anlage B 1) i.V.m. der am 16.08.1996 beschlossenen Änderung (Anlage B 2) bedarf die Komplementärin zu Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Als außergewöhnliche Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 3 der Gesellschaftsvertrages der SGF KG, der keine Abweichungen von § 116 HGB i.V.m. §§ 163, 161 Abs. 2 HGB enthält, sind solche mit Ausnahmecharakter nach Art und Inhalt, insbesondere einschneidende Änderungen von Organisation oder Vertrieb unter Beachtung der besonderen Umstände der Gesellschaft zu verstehen (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 116, Rn. 2).

Der Senat ist in seiner jetzigen Besetzung aufgrund der protokollierten Zeugenaussagen und den Ausführungen im Senatsurteil vom 02.10.2014, aus denen sich keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen ergeben, davon überzeugt, dass mit dem Abschluss des Vertriebsvertrags zwar keine „Aufgabe des Eigenvertriebs“ in dem Sinne verbunden war, dass die Beklagte Ersatzteile für Kraftfahrzeuge nicht mehr selbst an die Endkunden insbesondere Werkstätten lieferte, dass aber durch den Vertriebsvertrag mit T. eine weitere Ebene in der Vertriebsstruktur geschaffen wurde. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen wurden auch von den Parteien nicht vorgetragen.

Die Einführung einer weiteren Ebene in die Vertriebsstruktur ist eine solch einschneidende Änderung der Vertriebsorganisation, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin nach § 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages i.V.m. § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der SGF KG dazu der Zustimmung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bedurft hätte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Abschluss von Vertriebsverträgen auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet ist und der Ersatzteilmarkt nur einen kleineren Teil des Umsatzes der SGF KG ausmacht. Die Ausführungen des Kartellsenats des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(Anlage NZBE 1), es bestünden keine Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken des früheren Klägers und Herrn T., um T. zur Lasten der SGF KG durch den Abschluss des Vertriebsvertrages Vorteile zu verschaffen, stehen der Annahme einer Pflichtverletzung nicht entgegen.

Während die SGF KG nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Wä., Wr., T. und R. vor Abschluss des Vertriebsvertrages mit T. mindestens drei größere Ersatzteilkunden hatte, wurde der Vertrieb mit Abschluss des Vertrages mit T. neu strukturiert. Der von der Klagepartei benannte Zeuge T. bekundete insbesondere, dass es sich bei T. um eine weitere Ebene zwischen SGF und den bisherigen Kunden handelte, habe jedoch die zusätzliche Aufgabe gehabt, den Markenwert wiederherzustellen. Bislang hätten die Ersatzteilkunden die Aufträge ihrer Kunden zusammengefasst und an SGF weitergegeben; T. habe im Wesentlichen die gleiche Aufgabe gehabt, sollte aber darüber hinaus das Produkt auch promoten. Diese vom Zeugen T. für den Senat in seiner damaligen Besetzung ausweislich des Senatsurteils vom 02.10.2014 nachvollziehbar begründete Übertragung einer weiteren Aufgabe auf T., die sich allerdings nicht aus dem schriftlichen Vertriebsvertrag ergibt, ändert nichts an der damit verbundenen Einführung einer weiteren Ebene in der Vertriebsstruktur.

Die Behauptung des Rechtsvorgängers der Klägerin, auch über die früheren Vertriebsvereinbarungen seien die Gesellschafter nicht vorher informiert worden, hat der Zeuge T. nicht bestätigt. Er bekundete vielmehr, er könne nichts dazu sagen, was zu Vertriebsvereinbarungen mit den Gesellschaftern besprochen worden sei.

Da die Beklagte eine Pflichtverletzung des früheren Klägers nachgewiesen hat, kann offenbleiben, ob sich die Beklagte auch gegenüber der jetzigen Klägerin auf die von der Rechtsprechung entwickelte Darlegungs- und Beweislastverteilung (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2022, II ZR 224/00) berufen kann.

Der frühere Kläger hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Dies wird nach § 280 BGB i.V.m. dem Geschäftsführerdienstvertrag vermutet. Ein Rechtsirrtum wird nicht behauptet.

Der Abschluss des Vertriebsvertrages hat dadurch zu einem Schaden für die SGF KG geführt, dass – entgegen ihrem Willen – in die Vertriebsstruktur eine weitere Ebene eingeführt wurde und T. ein Preisnachlass gewährt wurde.

Ohne Erfolg berufen sich die Klägerin und die Nebenintervenientin darauf, (etwaige) Schadensersatzansprüche der SGF KG gegen die Beklagte als Komplementärin aus § 280 BGB seien mittlerweile nach §§ 195, 199 BGB verjährt und die Beklagte sei gemäß § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den behaupteten Schaden durch Einrede der Verjährung zu mindern.

 

 

Schlagworte: Entscheidungskompetenz der Geschäftsführer, Entscheidungskompetenz der Gesellschafter, GmbHG § 43, Grundsätzliche Kompetenz der Geschäftsführer, Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG, Haftung wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG, Kompetenzüberschreitung, Objektiver Zweifel ob eine Maßnahme die Kompetenz der Geschäftsführung überschreitet, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Übergeordnete Kompetenz der Gesellschafterversammlung