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OLG München, Urteil vom 03.12.2009 – 23 U 2863/09

138 Abs 1 BGB, § 242 Abs 2 AktG

Insbesondere teilt der Senat nicht die Auffassung des Klägers, dass sich hier die Abfindung von vornherein nach § 12 Abs. 2 der Satzung

§ 12 der Satzung  

„(1) Ein nach § 11 der Satzung ausscheidender Gesellschafter wird für seine Ansprüche in Geld abgefunden. Die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters besteht in einem nach dem Verhältnis der Stammeinlagen zu berechnenden Anteil am nominellen Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne von § 266 Abs. 3 lit. A HGB i.V.m. § 272 HGB, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Maßgebend ist das nominelle Eigenkapital am letzten Bilanzstichtag vor dem Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters.      

 

(2) In den Fällen, in denen die Anwendbarkeit der Bestimmung des Absatzes 1 Satz 2 gesetzlich nicht zulässig ist, bemisst sich die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters nach dem gemeinen Wert seines Anteils, der sich unter Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens nach den Bestimmungen der Abschnitte 76 f Vermögenssteuerrichtlinien zum letzten vor dem Ausscheiden liegenden Bilanzstichtag errechnet.“

bestimmt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Bestimmung in § 12 Abs. 1 wegen sittenwidriger Benachteiligung des Klägers nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. In § 12 Abs. 1 der Satzung kommt bei der gebotenen objektiven Auslegung zum Ausdruck, dass eine Abfindung grundsätzlich nach dem Nennwert erfolgen soll. Aus der Einschränkung „soweit dies gesetzlich zulässig ist“ folgt nichts anderes. Insoweit fehlt es an einem selbständigen Regelungsgehalt. Soweit nämlich die Klausel gesetzlich nicht zulässig ist, folgt hieraus bereits eo ipso, dass sie keine Anwendung finden kann. § 12 Abs. 2 der Satzung stellt daher entgegen der Auffassung des Klägers keine alternative Regelung zur Abfindung nach § 12 Abs. 1 dar, sondern soll vielmehr, wie sich auch aus dem Wortlaut selbst ergibt, lediglich die Vertragslücke schließen, falls sich die Klausel nach § 12 Abs. 1 als gesetzlich unzulässig darstellen sollte. Eine solche Regelung ist auch sinnvoll, da hierdurch festgelegt wird, dass ersatzweise nicht andere Wertermittlungsverfahren, wie z. B. das Ertragswertverfahren, zur Anwendung kommen sollen, sondern vielmehr der Wert des Geschäftsanteils im Falle einer Unwirksamkeit der Nennwertklausel nach dem Stuttgarter Verfahren berechnet werden soll. Soweit irgend möglich, sind Lücken von Gesellschaftsverträgen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (BGHZ 123, 281, 286). Es ist daher zweckmäßig für den Fall der Nichtigkeit einer Satzungsregelung festzulegen, welche Regelung dann an deren Stelle treten soll, ohne dass davon ausgegangen werden kann, die Gesellschafter hätten damit eine von der Wirksamkeit der Ausgangsvorschrift unabhängige alternative weitere Berechnungsmöglichkeit festlegen wollen.

Eine Berechnung des Abfindungsguthabens nach § 12 Abs. 2 der Satzung käme daher allenfalls dann in Betracht, wenn die Regelung in § 12 Abs. 1 unwirksam wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insoweit kann offen bleiben, ob hier ein Fall des sog. Managermodells (BGH NJW 2005, 3641 ff) vorliegt und nach diesem die Nennwertklausel zulässig ist. Auch wenn ein solches nicht vorliegt und aufgrund eines auffälligen Missverhältnisses ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB vorliegt, weil der Verkehrswert ein Vielfaches des Nennwerts beträgt (vgl. BGHZ 116, 359, 376), wäre die Regelung in § 12 Abs. 1 wirksam, da jedenfalls in entsprechender Anwendung von § 242 Abs. 2 AktG Heilung eingetreten ist. Nach § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Nichtigkeit eines Beschlusses nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind. Bei der Erörterung mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung blieb unstreitig, dass sowohl der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vom 14.09.1982 als auch der am 23.03.1998 neu gefasste Gesellschaftsvertrag bereits länger als drei Jahre im Handelsregister eingetragen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 80, 212, 216) ist der Rechtsgedanke des § 242 Abs. 2 AktG auf das GmbH-Recht entsprechend zu übertragen. Es kann daher auch eine Nichtigkeit eines im Handelsregister eingetragenen Beschlusses wegen Verstoßes gegen § 138 BGB nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr geltend gemacht werden (BGHZ 116, 359, 368, BGH NJW 1996, 257, 258). Da die Heilung generell für Beschlüsse vorgesehen ist, die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind, erstreckt sich eine Heilung sowohl auf nichtige Regelungen in der ursprünglichen Satzung als auch auf nichtige Beschlüsse über Satzungsänderungen (BGH NJW 2000, 2819, 2820; BGH NJW 1987, 902).

Eine ursprünglich wirksame Abfindungsklausel wird nicht dadurch nichtig, dass sich – insbesondere bei wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen – Abfindungsanspruch und tatsächlicher Anteilswert im Laufe der Jahre immer weiter voneinander entfernen. Die vertragliche Regelung bleibt vielmehr als solche wirksam. Die Frage ist dann nur, welchen Inhalt sie unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben hat und ob sie gegebenenfalls im Hinblick auf die geänderten Verhältnisse zu ergänzen ist (BGHZ 123, 281, 284). Ein im Laufe der Zeit eingetretenes, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abzusehendes, außergewöhnlich weitgehendes Auseinanderfallen von vereinbartem Abfindungs- und tatsächlichem Anteilswert kann ganz allgemein nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die im Gesellschaftsrecht durch die besondere Treuepflicht des Gesellschafters verstärkt sind, dazu führen, dass dem von dieser tatsächlichen Entwicklung betroffenen Gesellschafter das Festhalten an der vertraglichen Regelung auch unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses der Mitgesellschafter nicht mehr ohne weiteres zugemutet werden kann (BGHZ 65, 22, 29; BGH WM 1993, 1412, 1413).

Im vorliegenden Fall kommt allerdings eine Vertragsanpassung durch ergänzende Vertragsauslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter angemessener Abwägung der Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und des ausscheidenden Gesellschafters nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 123, 281, 285 f; 126, 226, 242) nicht in Betracht. Der Kläger behauptet zwar nunmehr in der Berufungsinstanz, dass sich das grobe Missverhältnis zwischen Nennwert und Verkehrswert erst nach seinem Beitritt ergeben habe (Blatt 353 d.A.). Am Stichtag 31.12.1996 habe das Unternehmen der Beklagten nach dem Stuttgarter Verfahren einen Wert von 18.644,00 DM gehabt (Bl. 357 d.A.). Der Verkehrswert des Unternehmens belaufe sich zum 31.12.2007 auf mindestens € 3.560.000,–. Damit übersteige der Wert nach dem Stuttgarter Verfahren den Nominalwert um 4000 %, der Verkehrswert den Nominalwert sogar um 13.800 %. Das Vorbringen des Klägers, dass sich nach seinem Beitritt ein grobes Missverhältnis entwickelt habe, ist jedoch neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat dieses neue Vorbringen bestritten.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung dieses neues Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Kläger hat vielmehr in erster Instanz das Gegenteil behauptet. Dort hatte er noch vorgetragen, dass bereits Anfang Mai 1997, als er Gesellschafter der Beklagten geworden sei, der Verkehrswert der Geschäftsanteile der Beklagten um ein Vielfaches über dem Stammkapital von 50.000,– DM gelegen und ebenso ein Missverhältnis bestanden habe, als am 23.03.1998 die Satzung der Beklagten neu gefasst wurde (Blatt 174 d.A.). Aus diesem Grund hielt der Kläger die Abfindungsklausel in § 12 Abs. 1 der Satzung für nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB. Wenn nach eigenem Vortrag des Klägers jedoch bereits von Anfang an ein derartiges Missverhältnis bestand, das zu einer Sittenwidrigkeit dieser Klausel führte, ist auch für eine nachträgliche Vertragsanpassung kein Raum, da die Klausel dann von vornherein keine Wirkung zeitigen würde. Soweit der Kläger nunmehr versucht, durch sein neues Vorbringen zu einem nachträglichen Entstehen eines Missverhältnisses die Wirkung des § 242 Abs. 2 AktG zu vermeiden, ist dies zwar nachvollziehbar, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben, da der Kläger den entsprechenden Sachvortrag bereits in erster Instanz hätte vorbringen müssen. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Beklagte in erster Instanz zunächst ebenfalls behauptet hatte, dass zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers der Wert der von ihm übergenommenen Geschäftsanteile ein Vielfaches des Nominalwerts gewesen sei (Blatt 149 d.A.) und im Laufe des Verfahrens aber dann mit Nichtwissen bestritten hat, dass der Verkehrswert der Geschäftsanteile der Beklagten tatsächlich bereits Anfang Mai 1997 um ein Vielfaches über den Stammkapital gelegen habe (Blatt 204 d.A.). Hierin liegt kein Eingeständnis der Beklagten, dass sich erst nachträglich ein grobes Missverhältnis hinsichtlich des Werts des Geschäftsanteils entwickelt hat, zumal die Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 19.03.2009 (Blatt 323/330 d.A.) zwei Berechnungen nach dem Stuttgarter Verfahren vorgelegt hatte (B 44 und B 45), in denen sie errechnete, dass der Anteilswert des Klägers zum 01.01.1995 um das 5,1-fache und zum 01.01.1997 um 2,2-fache über dem Nominalwert gelegen hat. Der Kläger muss sich daher an seiner Behauptung, ein Missverhältnis zwischen Wert des Geschäftsanteils nach dem Stuttgarter Verfahren und dem Nominalwert habe von Anfang an bestanden, festhalten lassen. Wie bereits ausgeführt, ist ihm allerdings eine Berufung auf eine Nichtigkeit der Satzungsregelung zur Abfindung auf Grund der entsprechenden Anwendung des § 242 Abs. 2 AktG verwehrt.

 

Schlagworte: anfänglich unwirksame Abfindungsklauseln, Beschränkung der Abfindung, Dreijahresfrist nach § 242 Abs. 2 AktG, Eintragungspflichtiger Beschluss, Fristen, Grenzen der Abfindungsbeschränkung, Grundsätzliche Zulässigkeit der Abfindungsbeschränkung, Heilung, Heilung von Mängeln des Beschlusses nach § 241 Nr. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AktG analog, Heilung von Nichtigkeitsgründen nach § 242 AktG analog, nachträglich unangemessene Abfindungsklausel