Einträge nach Montat filtern

OLG München, Urteil vom 09.03.2016 – 7 U 3965/15

§ 161 HGB, §§ 242, 226 BGB

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 5.2.2013, Az. II ZR 134/11) ist bei einem Gesellschaftsvertrag einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft das Recht, seinen Vertragspartner zu kennen, selbstverständlich. Es folgt als unentziehbares mitgliedschaftliches Recht aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem. Auch wer sich – wie der Kläger – mittelbar über einen Treuhänder an einer Publikumsgesellschaft beteiligt, hat einen solchen Auskunftsanspruch gegen die Gesellschaft (= Beklagte zu 1)) und die geschäftsführende Gesellschafterin (= Beklagte zu 2)) (BGH a.a.O.) sowie gegen den das Anlegerregister führenden Treuhänder (= Beklagte zu 3)) (BGH, Urteil vom 16.12.2014, Az. II ZR 277/13).

Das auf Kenntnis seiner Mitgesellschafter gerichtete Auskunftsbegehren des Gesellschafters ist lediglich durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) und das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB begrenzt (BGH, Urteil vom 5.2.2013, Az. II ZR 134/11, Tz. 12 und 43 bei JURIS m.w.N.). Der Senat verkennt hierbei ebensowenig wie der Bundesgerichtshof (BGH a.a.O. Tz. 44), dass anwaltliche Vertreter von Anlegern die aus Auskunftsverfahren der vorliegenden Art gewonnenen Erkenntnisse zur Kontaktaufnahme mit bislang unbekannten Anlegern nutzen können. Allein dadurch wird jedoch nicht die konkrete Gefahr eines Datenmissbrauchs begründet. Erfolgt die Kontaktaufnahme etwa im Auftrag des obsiegenden Auskunftsklägers, scheidet ein missbrauch bereits dann aus, wenn ein Kläger den Kontakt deshalb sucht, um sich mit den anderen Anlegern über aus seiner Sicht hinsichtlich der Gesellschaft bestehende Probleme auszutauschen. Ebenso wenig ist es bedenklich, wenn ein Klägeranwalt im Auftrag seines Mandanten durch die Kontaktaufnahme mit anderen Anlegern z.B. versucht, eine Interessengemeinschaft unter den Anlegern zu organisieren. Nutzt der Anwalt eines (erfolgreich) auf Auskunft klagenden Anlegers dagegen die Daten eigenmächtig, d.h. ohne eine dahingehende Beauftragung durch den Anleger im Rahmen der Verfolgung von dessen Interessen, zur Werbung um konkrete Mandate, liegt darin zwar ein missbrauch der Daten. Dieser kann aber dem klagenden Anleger nur dann als eigener missbrauch angelastet werden, wenn er mit dem missbräuchlich Handelnden kollusiv zusammenwirkt (BGH a.a.O. Tz. 44 bei JURIS). Die Beklagten haben ein derartiges missbräuchliches Handeln des Klägers persönlich bzw. ein kollusives Zusammenwirken des Klägers persönlich mit seinen Prozessbevollmächtigten nicht nachgewiesen; derartiges ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus den Umständen bzw. den Erklärungen der Klägervertreter im prozess. Der Senat ist insbesondere nicht in der für eine Abweisung der Klage erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass der Kläger von vornherein beabsichtigt hat, bei einem Erfolg seiner Klage die Namen und Anschriften der anderen Anleger an den Anlegerschutzverband weiterzugeben oder seinen Prozessbevollmächtigten zu dem Zweck zu überlassen (vgl. dazu, dass derartiges missbräuchlich wäre: BGH, Beschluss vom 28.5.2013, Az. II ZR 207/12, Tz. 12 bei JURIS).

Die Klägervertreter haben erstinstanzlich durchaus schriftsätzlich vorgetragen, dass Kläger sich mit den anderen Anlegern austauschen möchte. Die Erklärungen des Klägervertreters in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 21.8.2015 sind auch nicht so auszulegen, dass damit dieser schriftsätzliche Vortrag aufgegeben werden sollte. Der Senat verkennt nicht, dass der Klägervertreter in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 21.8.2015 zunächst seine Unkenntnis darüber mitgeteilt hat, wofür der Kläger die Anlegerkontakte benötigen würde. Dies ist jedoch schon nicht als Aufgabe des vorherigen schriftsätzlichen Vortrages zu verstehen, sondern hätte allenfalls, wenn – wie nicht (vgl. dazu sogleich unter b)) – eine Sachaufklärung hinsichtlich der Motive des Klägers geboten wäre, dem Erstgericht Anlass geben können, den Kläger persönlich anzuhören. Hinzu kommt, dass der Klägervertreter in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 21.8.2015 ausdrücklich erklärt hat, dass im Rahmen von Vergleichsgesprächen ggf. auch eine Fortführung der Beteiligung des Klägers an der Beklagten zu 1) vorgesehen sei und dass auch aus diesem Grunde ein Nutzen der mitgliedschaftlichen Daten für die Zukunft jedenfalls nicht ausgeschlossen sei. Auch dies zeigt, dass der Klägervertreter am 21.8.2015 nicht vorgetragen hat, dass der Kläger gegen die Beklagten seinen Auskunftsanspruch ohne jeden Grund (und damit ggf. missbräuchlich) erhebt. Bei dieser Sachlage bleibt es Sache der Beklagten, Kollusion, Rechtsmissbrauch bzw. Schikane des Klägers nachzuweisen. Es kann als wahr unterstellt werden, dass die hiesigen Klägervertreter, die als Prozessbevollmächtigte einer anderen Person im Verfahren des Senats Az. 7 U 679/12 (das Ersturteil enthält auf Seite 6 beim Aktenzeichen insoweit ein Tippfehler) erfolgreich Auskunft in Bezug auf die Gesellschafter der I. D. I. I GmbH & Co KG begehrt haben, mit der Auskunft missbräuchlich umgegangen sind. Ein derartiger missbrauch der Klägervertreter im Verfahren 7 U 679/12 kann dem hiesigen Kläger ebenso wenig zugerechnet werden wie ein etwaiger missbrauch der Person, die im Verfahren 7 U 679/12 Klage erhoben hat. Das vom Landgericht herangezogene Indiz, dass eine Kontaktaufnahme des Klägers mit allen Mitgesellschaftern für den Kläger mit einem organisatorischen Aufwand und mit Kosten verbunden wäre, die außer Verhältnis zur klägerischen Einlage von 20.000 € stünden, führt nicht dazu, dass der Senat von einem missbräuchlichen Handeln des Klägers persönlich überzeugt wäre. Der Kläger begehrt auch die Benennung der jeweiligen Beteiligungshöhe, was ihn z.B. in die Lage versetzt, seine Kontaktaufnahme ggf. dadurch preisgünstiger und organisatorisch einfacher zu gestalten, dass er jedenfalls zunächst nur einige Mitgesellschafter (z.B. solche mit besonders hoher Anlagesumme) anschreibt. Auch folgt aus dem Umstand, dass vorprozessual eine Übersendung an die E-Mail-Adresse der Klägervertreter gebeten wurde, nicht die Überzeugungsbildung, dass hier der Kläger persönlich missbräuchlich handeln wollte. Vielmehr ist es nicht ungewöhnlich, dass dann, wenn eine Person schon einen Anwalt mit einer Sache betraut, dieser auch die Abwicklung für seinen Mandanten übernimmt.

Die Klage ist auch in Richtung auf die Beklagte zu 3) in vollem Umfang begründet. Der Senat verkennt nicht, dass es die Möglichkeit gab, sich an der Beklagten zu 1) auch über einen anderen Treuhänder zu beteiligen. Beantragt wird aber (auch) in Richtung auf die Beklagte zu 3) lediglich, dass diese dem Kläger die ihr „zuletzt bekannten Namen und aktuellen Adressen“ seiner Mitgesellschafter etc. übermittelt. Dies bedeutet, dass die Beklagte zu 3) die Daten derjenigen Gesellschafter, die sich über einen anderen Treuhänder an der Beklagten zu 1) mittelbar beteiligt haben, dem Kläger nicht mitteilen muss.

 

Schlagworte: Anspruch auf Auskunftserteilung, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Kommanditisten, Mitwirkungs- und Auskunftspflichten, Rechtsmissbrauch, Schikaneverbot, Treuepflicht, Treuhandkommanditist