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OLG München, Urteil vom 12.01.2005 – 7 U 3691/04

§ 48 Abs 1 GmbHG, § 51a Abs 1 GmbHG, § 51a Abs 2 GmbHG

1. Der in der Gesellschafterversammlung einer GmbH ohne entsprechende Satzungsregelung mit einfacher Mehrheit gefasste Beschluss, den Mitgesellschafter P. zum Versammlungsleiter und Protokollführer auch für künftige Gesellschafterversammlungen zu wählen „bis eine Änderung durch förmlichen Beschluss herbeigeführt wird“ ist wirksam.

Der zu TOP 1 gefasste Beschluss, D. P. zum Versammlungsleiter und Protokollführer auch für künftige Gesellschafterversammlungen zu wählen, ist rechtmäßig. Die Gesellschafterversammlung kann mangels abweichender Satzungsregelung den Versammlungsleiter mit einfacher Mehrheit bestellen (vgl. Scholz-Schmidt, GmbHG, 9. Aufl. § 48 Rn 30; Roth in Roth-Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl., § 48 Rdn. 8; Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 48 Rn 9). Die vom Landgericht unter Hinweis auf Baumbach-Hueck vertretene Gegenauffassung überzeugt nicht. Könnte der Versammlungsleiter nur einstimmig bestimmt werden, wäre bei zerstrittenen Gesellschaftern ein ordnungsgemäßer Ablauf der Versammlung nicht gewährleistet. Rechte des Gesellschafters werden bei Mehrheitsentscheidungen über die Bestellung nicht beschnitten, da er jeweils Anträge zur Geschäftsordnung stellen kann.

Ausweislich des Protokolls ist D. P. mit 3.250 gegen 1.750 Stimmen zum Versammlungsleiter gewählt worden. Dass sich der Bestellungsbeschluss nicht nur auf die Versammlung vom 28.11.2003 bezog sondern auch für künftige Versammlungen gefasst wurde, ist nicht zu beanstanden. Gesetz und Satzung verbieten die wahl für künftige Versammlungen nicht. Im Hinblick auf den Umfang der Geschäfte der Beklagten und die zu regelnden Rechtsverhältnisse ist es auch zweckmäßig, dass der Versammlungsleiter und Protokollführer bereits vor der jeweiligen Gesellschafterversammlung feststeht, damit dieser sich auf die Versammlung entsprechend vorbereiten kann. Das über die streitgegenständliche Versammlung vom 28.11.2003 als Anlage K 9 vorgelegte 50-seitige Protokoll belegt anschaulich den hierfür erforderlichen Arbeitsaufwand. Das Stimm- und Stellungnahmerecht des einzelnen Gesellschafters wird entgegen der Annahme des Landgerichts durch die Bestimmung des Versammlungsleiters und Protokollführers auch für künftige Versammlungen nicht eingeschränkt, da jeder Gesellschafter jederzeit die Neuwahl eines anderen Versammlungsleiters und Protokollführers beantragen und im Rahmen der hierzu geführten Erörterungen seine Stellungnahme abgeben kann.

2. Das Recht des Gesellschafters aus § 51a Abs. 1 GmbHG auf Einsicht in die Bücher der GmbH umfasst auch das Anfertigen von Fotokopien.

Das Landgericht hat zutreffend den unter TOP 8 gefassten Beschluss, das Verlangen des Mitgesellschafters S. auf Aufhebung des in der Gesellschafterversammlung vom 20.09.2002 zu TOP 2 gefassten Beschlusses (Kopierverbot für alle Gesellschafter und Aufforderung zu funktionsgerechter Ausübung des Informationsrechtes) zurückzuweisen, für nichtig erklärt. Gemäß § 51 a Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskünfte über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht in die Bücher und Schriften zu gestatten. Somit besteht ein umfassendes Einsichtsrecht der Gesellschafter. Das Auskunftsrecht des Gesellschafters ist in § 51 a Abs. 1 GmbHG umfassend ausgestaltet. Jedem Gesellschafter der GmbH ist grundsätzlich umfassend Auskunft und Einsicht zu gewähren. Einschränkungen sind nur unter den in § 51 a Abs. 2 GmbHG genannten engen Voraussetzungen zulässig. Das Auskunftsrecht des Gesellschafters darf nicht faktisch dadurch eingeschränkt werden, dass der Inhalt umfangreicher Unterlagen durch nur handschriftliche Aufzeichnungen beschränkt dokumentiert werden kann. Das Auskunftsrecht umfasst auch das Anfertigen von Kopien als heute übliche, technisch einfach durchzuführende Methode zur Speicherung von Informationen, die bei komplizierten oder umfangreichen Unterlagen eine effektive Unterrichtung ermöglicht. Gerade weil die Gesellschafter zerstritten sind, dient die umfassende Information auch der Minderheitengesellschafter dazu, Missverständnisse und haltlose Verdächtigungen zu beseitigen.

Für eine Berechtigung zur Auskunftsverweigerung hat die Beklagte die Voraussetzungen nicht vorgetragen. Es muss nach § 51 a Abs. 2 GmbHG zu besorgen sei, dass der Kläger das Einsichtsrecht zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Dass der Kläger und sein Streithelfer Immobiliengeschäfte betreiben und hierfür mehrere Firmen einsetzen, begründet die Gefahr eines erheblichen Nachteils nicht. Die Gebäude auf dem Gesamtgrundstück sind langfristig vermietet. Die Finanzierung ist vertraglich abgesichert. Nachteile für die Beklagte wegen der Maklertätigkeit und Grundstücksgeschäfte des Klägers sind nicht hinreichend dargelegt.

Soweit die Beklagte vorträgt, es bestehe die Gefahr, dass der Kläger den ehemaligen Mitgesellschafter der Frau B., D., bei dessen Rechtsstreit gegen Frau B. mit Informationen versorgt hat bzw. beabsichtigt, diesen mit Informationen zu versorgen, hat die Beklagte Tatsachen für ihre Behauptung nicht ausreichend dargelegt. Die Vertretung des Herrn D. durch die Kanzlei H. & Kollegen in dem Rechtsstreit mit Frau B. reicht nicht aus, die Verweigerung der Einsichtnahme und das Anfertigen von Kopien im Sinne von § 51 a Abs. 2 GmbHG zu rechtfertigen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Rechtsanwälte H. & Kollegen berufsrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und der Kläger und seine Bevollmächtigten sich bei Weitergabe der durch die Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft gewonnenen Erkenntnisse möglicherweise gegenüber der Beklagten schadensersatzpflichtig machen könnten. Im vorliegenden Fall besteht im besonderen Maße ein Interesse des Klägers an umfassender Information über die Geschäftsvorgänge bei der Beklagten, weil der Mitgesellschafter P. 35 % und die L.-KG 25 % der Anteile an der Beklagten halten und P. an der L.-KG mit 94 % beteiligt ist. Maßgebliche wirtschaftliche Grundlage der Geschäftstätigkeit der Beklagten ist ihr Vertrag mit der B. & D. GbR vom 14.05.1998, wobei die L.-KG wiederum an dem Anteil der B. & D. GbR zu 99,3 % unterbeteiligt ist. Somit kann der Mitgesellschafter P. sowohl auf die Beklagte als auch mittelbar auf Frau B. maßgeblichen Einfluss ausüben, so dass ein besonderes Bedürfnis der Mitgesellschafter nach effektiver Einsicht und Kontrolle besteht.

3. Die Nichtzulassung des Rechtsanwalts H. als Vertreter des Gesellschafters S. in der Gesellschafterversammlung kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass dieser Anwalt bei der Einberufung einer früheren außerordentlichen Gesellschafterversammlung zu seiner Legitimation die Kopie einer ihm in anderer Sache erteilten Vollmacht des Gesellschafters, in der der Betreff abgeändert worden ist, vorgelegt hat, wenn dies der ausdrücklichen telefonischen Weisung des Gesellschafters entsprochen hat.

Den unter TOP 9 gefassten Beschluss hat das Landgericht zu Recht für nichtig erklärt. Soweit die Beklagte die Nichtzulassung der Rechtsanwälte H., G. und K. als Vertreter des Klägers damit rechtfertigt, das Vertrauensverhältnis zu diesen sei zerstört, weil Rechtsanwalt G. seinem Schreiben an die Beklagte vom 28.06.2002 (Anlage B 16), in dem er die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung für den Kläger verlangte, die Kopie einer Vollmacht mit geändertem Betreff beifügte (Anlage B 17), die der Kläger in anderer Sache erteilt hat, begründet dies den beschlossenen Ausschluss der Klägervertreter nicht. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, die Vollmachtsurkunde sei auf seinen ausdrücklichen telefonischen Wunsch hin unter Abänderung einer dem Rechtsanwalt G. bereits vorliegenden Vollmachtsurkunde des Klägers angefertigt worden, um eine zeitnahe Übersendung einer Vollmacht zu bewirken. Damit liegen die drei kumulativen Voraussetzungen für die Annahme einer echten Urkunde, nämlich die Befugnis des Urkundenausstellers zur rechtlichen Vertretung des Namensträgers, der Wille des Ausstellers zur Vertretung des Namensträgers und dessen Wille, sich bei der Ausstellung der Urkunde vertreten zu lassen (vgl. BayObLG NJW 1989, 2142) vor. Der Zweck der Vollmachtsverwendung, möglichst schnell eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen, ist rechtlich nicht zu missbilligen.

Soweit die Beklagte zusätzlich anführt, die Rechtsanwälte H. & Kollegen seien die Prozessbevollmächtigten des Herrn D. in einen Rechtsstreit gegen Frau B.; es bestehe die Gefahr, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers Herrn D. helfen könnten, diesem über ihr Einsichtsrecht Informationen und entsprechende Nachweise über die Geschäftstätigkeit der Beklagten zu verschaffen, die dieser in seinem Prozess gegen Frau B. verwenden könnte, ist ein wichtiger Grund zum Ausschluss der Bevollmächtigten des Klägers von der Vertretung nicht dargetan. Dass Herrn D. Kopien von Geschäftsunterlagen der Beklagten, die die Klägervertreter aufgrund des Einsichtsrechts gewonnen haben, zur Verfügung gestellt worden sind, ist nicht konkret dargetan. Die Klägervertreter unterliegen insoweit gemäß § 43 a Abs. 2 BRAO der Verschwiegenheitspflicht. Der Umstand, dass der am 12.04.2000 rechtskräftig aus der B. & D. GbR ausgeschlossene Mitgesellschafter D. die Vorlage des Mietvertrages vom 19./22.12.2000 in dem Prozess gegen Frau B. gefordert hat, beweist nicht die Weitergabe von betriebsinternen Informationen der Beklagten durch die Bevollmächtigten des Klägers an Herrn D. Dass die B. und D. GbR bzw. Frau B. einen Mietvertrag über das Objekt auf ihrem Grundstück abgeschlossen haben, liegt angesichts des Bezugs der Mieträume auf der Hand. Es besteht auch die Möglichkeit, dass Herr D. das zitierte Datum des Mietvertrags von dritter Seite erfahren hat.

Schlagworte: Anspruch auf Auskunftserteilung, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Auskunftsanspruch gegen Gesellschafter, Auskunftspflichten, Auskunftsrecht, Berater des Gesellschafters, Bevollmächtigter, Recht auf Hinzuziehung eines Beraters, Wahl des Versammlungsleiters, Wahl mit einfacher Mehrheit