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OLG München, Urteil vom 14.10.2014 – 7 U 2604/13

BGB § 314; HGB § 89a

1. Enthält der Franchise-Vertrag keine abschließende Aufzählung der außerordentlichen Kündigungsgründe, kommen ergänzend die gesetzlichen Vorschriften des § 314 BGB, möglicherweise auch des § 89a HGB (ob die Regelungen für ein Handelsvertreterverhältnis auf den vorliegenden Franchise-Vertrag wirklich passen, lässt der Senat offen) zur Anwendung kommen.

2. Das hat zur Folge, dass eine Mehrzahl einzelner Pflichtverstöße, auch wenn sie je für sich die Anforderungen der vertraglich aufgezählten Gründe nicht erfüllen bzw. die Wesentlichkeitsschwelle nicht überschreiten, die Gegenseite zur Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB berechtigen, wenn sich in der Gesamtschau unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Gegenseite nicht mehr zumutbar ist.

3. Rechtfertigen einzelne Verstöße isoliert betrachtet eine fristlose Kündigung nicht, sind sie dennoch bei der Gesamtbetrachtung gemäß § 314 Abs. 1 BGB einzubeziehen.

4. Zwar ist dem Senat bekannt, dass Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdauer (knapp) überschritten ist, nicht zwingend ungenießbar oder gesundheitsgefährdend sein müssen. Die Verwendung abgelaufener Lebensmittel ist jedoch geeignet, das Markenimage in der Öffentlichkeit massiv zu beschädigen. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass derartige Vorgänge (sei es durch einen „Maulwurf“, durch einen – eventuell gekündigten, ehemaligen – Mitarbeiter oder sonstwie) an die Medien und damit an die Öffentlichkeit gelangen.

5. Im Rahmen des § 314 Abs. 1 BGB hat eine Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

6. Dabei ist auch die verbleibende Restlaufzeit zu berücksichtigen. Eine lange Restlaufzeit (hier: 11 Jahre) schlägt bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht nur und auch nicht vorwiegend zugunsten des Gekündigten zu Buche. Zwar ist richtig, dass Verträge wie der vorliegende üblicherweise mit einer langen Laufzeit geschlossen werden, um dem Franchisenehmer die Gelegenheit zu geben, seine Investitionen zu amortisieren, so dass der Franchisenehmer ein Interesse am Fortbestehen des Vertrages bis zum regulären Laufzeitende hat. Auf der anderen Seite schlägt nach allgemeinen kündigungsrechtlichen Grundsätzen die lange Restlaufzeit eines befristeten Vertrages bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Schuldverhältnisses zugunsten des Kündigenden ins Gewicht. Denn beim befristeten Vertrag ist ihm die ordentliche Kündigung verwehrt, und die Fortsetzung des Vertrages wird ihm beim Vorliegen von Kündigungsgründen umso unzumutbarer, je länger die ausstehende Restlaufzeit ist.

7. Es kann offen bleiben, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung (dessen Reichweite im Privatrecht im einzelnen ungeklärt ist) der Kündigung entgegen stehen könnte.

Schlagworte: Außerordentliche Kündigung, beiderseitige Interessen, Franchise-Vertrag, Gesamtabwägung, Gesamtwürdigung, Gleichbehandlung, Interessenabwägung, Kündigung, Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit, Wichtiger Grund