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OLG München, Urteil vom 22.06.2017 – 23 U 3293/16

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grobe Pflichtverletzung
Pflichtverletzung

§ 294 BGB, § 615 S 1 BGB

1. Ein wichtiger Grund für die Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen des Geschäftsführers. Verschulden ist hierfür nicht erforderlich. Maßstab ist nicht das subjektive Empfinden des kündigenden Teils, sondern ob objektiv aus Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der weiteren Zusammenarbeit die Grundlage entzogen ist.

2. Die Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund darstellen, trägt derjenige, der gekündigt hat und sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.07.2016, Az. 3 HK O 3107/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags des Klägers mit der Beklagten.

Die Beklagte ist ein Verlagsunternehmen mit über 100 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 30 Millionen Euro. Mitgeschäftsführer ist seit 2003 Herr Clemens S., der zudem über eine Beteiligungsgesellschaft am Stammkapital der Beklagten mit 95 % beteiligt ist.

Die Parteien schlossen am 21.10.2010 einen Geschäftsführerdienstvertrag (Anlage K 1), der nach § 13 Nr. 1 nach dem 31.12.2013 mit einer Frist von 12 Monaten zum Monatsende ordentlich kündbar ist.

In einem Verlagshandbuch der Beklagten und einem Handbuch für Führungskräfte der Beklagten (auszugsweise vorgelegt als Anlage B 1) sind u.a. folgende Handlungsgrundsätze für Mitarbeiter der Beklagten enthalten:

Bitte beachten Sie: Vorauszahlungen sind nicht möglich! Zahlungen sind immer erst NACH erbrachter Leistung möglich. Bei längeren Projekten ist eine acto-Zahlung nur dann möglich, wenn Teilleistungen bereits abgeschlossen wurden (d.h. die Leistung wurde erbracht, abgenommen und mangelfrei übergeben). ….. Der Geschäftsführer berichtet an den Gesellschafter Clemens S. oder eine von diesem bestimmte Person“.

Anfang September 2013 wurde ein Auftrag zur Neugestaltung des Online-Shops der Beklagten an die t. GmbH vergeben. Dieser Vertrag sah mit Zustimmung des Mitgeschäftsführers S. eine Anzahlung in Höhe von 30 %, eine zweite Rate in Höhe von 30 % nach Abnahme des Screendesigns und eine dritte Rate in Höhe von 40 % vor. Die Anzahlung in Höhe von 9.895,31 Euro wurde im Herbst 2013 an die t. GmbH überwiesen.

Am 17.12.2013 stellte die t. GmbH die zweite Rate in Höhe von 9.895,31 Euro in Rechnung. Zu diesem Zeitpunkt war das Screendesign noch nicht abgenommen. Da die Rechnung nicht bezahlt wurde, erinnerte die t. GmbH mit Schreiben vom 14.03.2014, bei der Beklagten eingegangen am 17.03.2014, an die Bezahlung (Anlage B 3). Mangels vollständiger Leistungserbringung durch die Agentur war auch zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzung für eine Bezahlung der Rechnung in voller Höhe nicht gegeben. Am 17.03.2014 buchte der Buchhalter, Herr W., die zweite Rate in voller Höhe ein und gab diese am nächsten Tag zur Überweisung an die Bank.

Im Rahmen eines Jour Fixe am 18.03.2014 erteilte Herr Clemens S. angesichts der bis dahin erbrachten Teilleistungen der t. GmbH die Zustimmung zur Bezahlung von – nur – 50 % der zweiten Rate.

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29.04.2014 (Anlage K 6) den Dienstvertrag des Klägers ordentlich zum 30.04.2015. Den Bereich Buchhaltung übernahm ab diesem Zeitpunkt Herr S.

In Stellungnahmen gegenüber Herrn S. vom 8. und 12. August 2014 (Anlagen B 5, B 6, B 7) erklärte der Kläger, er habe bis Ende Juli 2014 nicht gewusst, dass die Rechnung über die zweite Rate insgesamt bezahlt worden sei, er vermute, Herrn W. sei ein Fehler passiert.

Mit Schreiben vom 20.08.2014, dem ein Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag beigefügt war, erklärte die Beklagte die außerordentliche fristlose Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags aus wichtigem Grund (Anlage K 4). Der Kläger erhielt die monatliche Festvergütung letztmals im August 2014 anteilig in Höhe von 10.105,35 Euro.

Der Kläger behauptet, er habe nach Erhalt der Mahnung der t. GmbH am 17.03.2014 mit dieser telefoniert und die hälftige Zahlung der Rechnung angekündigt. Dies habe er am selben Tag Herrn P. mitgeteilt, der auf der Originalrechnung die entsprechende Haftnotiz angebracht habe. Der Kläger habe diese mit seiner Paraphe versehen (vgl. Anlage B 8, S. 1, untere Haftnotiz). Eine vollständige Zahlung der zweiten Rate habe er nicht angewiesen.

Sonstige Gründe für eine fristlose Kündigung lägen ebenfalls nicht vor.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63.685,00 Euro brutto als Vergütung und Nutzungsentschädigung nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2015 zu bezahlen sowie in Höhe von acht Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz aus weiteren

Euro 48.927,17 vom 01.12.2014 bis 31.12.2014
Euro 34.169,04 vom 01.11.2014 bis 30.11.2014
Euro 19.410,91 vom 01.10.2014 bis 31.10.2014
Euro 4.652,78 vom 01.09.2014 bis 30.09.2014

abzüglich

am 21.10.2014 erhaltener Euro 2.253,72 netto Arbeitslosengeld für Leistungszeitraum September 2014
am 31.10.2014 erhaltener Euro 2.414,70 netto Arbeitslosengeld für Leistungszeitraum Oktober 2014
am 28.11.2014 erhaltener Euro 2.414,709 netto Arbeitslosengeld für Leistungszeitraum November 2014 und
am 30.12.2014 erhaltener Euro 2.414,70 netto Arbeitslosengeld für Leistungszeitraum Dezember 2014.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe am 17.03.2014 Herrn P. mündlich angewiesen, die zweite Rate vollständig zu begleichen, was dieser sodann an den Buchhalter Herrn W. weitergegeben habe. Die fristlose Kündigung sei daher wirksam, zumal der Kläger im August 2014 die Freigabe von 100 % der Rate gegenüber Herrn S. geleugnet habe. Ferner habe der Kläger auf verschiedene Weise versucht, eigenes Fehlverhalten und den mangelnden Projektfortschritt bei verschiedenen Projekten zu verschleiern. Bezüglich des Joint Ventures „E. H. f. T. M. GmbH“ habe der Kläger Herrn S. nicht über eine drohende Umsatzsteuersonderprüfung informiert.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben und nur bezüglich der Höhe des Zinssatzes eine teilweise Klageabweisung ausgesprochen. Die außerordentliche Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass der Kläger mündlich die vollständige Bezahlung der zweiten Rate an die t. GmbH angewiesen habe. Zwar habe dies der Zeuge P. bestätigt. Das Landgericht habe aber erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass sich der Zeuge an die mündliche Freigabe über 100 % sicher erinnern wolle, an die sogar schriftlich dokumentierte Freigabe über 50 % aber nur ungenaue Erinnerungen habe. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger am 17.3. die vollständige Freigabe angeordnet habe, wenn am nächsten Tag ohnehin der Jour fixe mit Herrn S. stattfand. Die weiteren von der Beklagten behaupteten Kündigungsgründe lägen ebenfalls nicht vor bzw. vermöchten eine fristlose Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft. Der Zeuge P. sei glaubwürdig und seine Angaben glaubhaft. Er habe die mündliche Anweisung von 100 % der Rate durch den Kläger bestätigt. Der Kläger habe ferner gegenüber Herrn D. von der t. GmbH in einem Telefonat am 17.03.2014 geäußert, die zweite Rate sei bereits in zwei Teilbeträgen am 10.03.2014 und am 14.03.2014 freigegeben worden, er werde aber bei der Buchhaltung nachhaken, damit alles überwiesen werde. Außerdem hätte sich der Zeuge D. nie auf eine Teilzahlung der zweiten Rate eingelassen. Der Kläger habe auch ein Motiv gehabt, gegenüber Herrn S. zu verschleiern, dass Projekte des Klägers stockten. Im Übrigen stelle das Landgericht zu hohe Anforderungen an das Erinnerungsvermögen des Zeugen P. Zudem habe der Kläger im August 2014 gegenüber Herrn S. bewusst unwahre Angaben über seine Kenntnis von der vollständigen Bezahlung der zweiten Rate gemacht. Dies genüge schon für sich als Kündigungsgrund. Außerdem habe der Kläger Herrn S. über die drohende Umsatzsteuersonderprüfung im Zusammenhang mit dem Joint Venture „E. H. f. T. M. GmbH“ nicht unterrichtet.

Die Beklagte beantragt daher:

Das am 01. Juli 2016 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az. 3 HK O 3107/15 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger habe lediglich 50 % der zweiten Rate freigegeben, wie auf dem Post-it auf Anlage B 8 vermerkt. Auch der Zeuge P. habe ein Motiv gehabt, das Projekt voranzutreiben, er sei unter erheblichem Druck von Herrn S. gestanden. Der neue Vortrag der Beklagten über das Telefonat des Klägers mit Herrn D. sei nicht mehr zu berücksichtigen. Ein Telefonat mit dem behaupteten Inhalt am 17.03.2014 vormittags habe wohl zwischen Herrn D. und dem Zeugen P., aber nicht mit dem Kläger stattgefunden. Dieser habe erst am Nachmittag des 17.03.2014 mit Herr D. telefoniert und keinesfalls die vollständige Zahlung der zweiten Rate zugesagt. Der Kläger habe den Projektfortschritt nicht gegenüber Herrn S. verschleiert und diesem gegenüber auch keine falsche Angaben über seine Kenntnis von der Anweisung der vollständigen Rate gemacht. Die E-Mail über die drohende Umsatzsteuersonderprüfung habe er jedenfalls Herrn L. weitergeleitet.

Im Übrigen fehle bereits ein Beschluss der Gesellschafterversammlung, dem entnommen werden könne, welche Gründe zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung dienen sollten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen Mario D. und Tobias P. Auf das Protokoll der Beweisaufnahme vom 18.05.2017 (Bl. 360 ff d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2017 (Bl. 327 ff d.A.) und die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung verbleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist zulässig und in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang begründet.

1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Streitgegenstand hinreichend bestimmt. Der Kläger macht die ihm zustehende Festvergütung für die Zeit ab 21.08.2014 bis einschließlich 31.12.2014 sowie Entschädigung für die entgangene Nutzung des Dienstfahrzeugs für den Zeitraum 03.09.2014 bis 31.12.2014 geltend.

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Festvergütung abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengelds für den Zeitraum vom 03.09.2014 bis 31.12.2014 aus § 615 BGB.

2.1. Die Beklagte befand sich ab 03.09.2014 in Annahmeverzug, § 615 Satz 1, §§ 293 ff BGB. Der Kläger hatte der Beklagten unstreitig am 03.09.2014 seine Arbeitskraft angeboten, § 294 BGB. Der Geschäftsführerdienstvertrag war auch nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 20.08.2014 (Anlage K 4) beendet worden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein ausreichender Beschluss der Gesellschafterversammlung entsprechend § 46 Nr. 5 GmbHG vorlag. Jedenfalls fehlt es an einem wichtigen Grund für die Kündigung i.S. des § 626 Abs. 1 BGB.

2.1.1. Ein wichtiger Grund für die Kündigung des Dienstvertrags setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machen, insbesondere aufgrund grober Pflichtverletzungen des Geschäftsführers (BGH WM 2017 S. 1014, 1016). Verschulden ist hierfür nicht erforderlich. Maßstab ist nicht das subjektive Empfinden des kündigenden Teils, sondern ob objektiv aus Sicht eines verständigen Betrachters unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der weiteren Zusammenarbeit die Grundlage entzogen ist (Zöllner / Noack, in Baumbach / Hueck, GmbHG, 21. Aufl, § 35 Rz. 218). Ein wichtiger Grund für die Gesellschaft kann je nach den Umständen des Einzelfalls etwa darin liegen, dass ein Geschäftsführer sich Weisungen der Gesellschafterversammlung widersetzt (OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Nürnberg
NZG 2000, 154, 155), gegen die innergesellschaftliche Kompetenzordnung verstößt (BGH, Beschluss vom 10.12.2007, II ZR 289/06, juris Tz. 2) oder den Alleingesellschafter auf dessen Fragen nach dem Stand einzelner Geschäfte unzureichend informiert (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urteil vom 23.02.1994, 7 U 5904/93, juris Tz. 8). Dabei rechtfertigt nicht jede fehlerhafte Leistungserbringung schon eine außerordentliche Kündigung. Die Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund darstellen, trägt derjenige, der gekündigt hat und sich auf die Wirksamkeit der Kündigung beruft (BGH WM 2017 S. 1014, 1015, BGH NJW 2003, S. 431, 432; BGH NJW-RR 2007, S. 690, 691; Weidenkaff in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 626 Rz. 6).

2.1.2. Ein wichtiger Grund liegt nicht in der Anweisung zur Zahlung der zweiten Rate in voller Höhe von 9.895,31 Euro durch den Kläger. Denn die Beklagte konnte den ihr obliegenden Beweis nicht führen, dass gerade der Kläger die zweite Rate insgesamt freigegeben hatte:

2.1.2.1. Zwar hat der Zeuge P. in seiner Einvernahme vor dem Senat (Protokoll vom 18.05.2017 S. 5, Bl. 364 d.A.) bestätigt, es habe eine E-Mail der Agentur gegeben, dass sie nur weitermachten, wenn eine vollständige Zahlung erfolge. Er habe dies dem Kläger gesagt. Es habe dann einen Termin mit dem kaufmännischen Leiter (Herrn L.), dem Kläger und dem Zeugen gegeben. Der Kläger habe ihn dann zur vollständigen Zahlung angewiesen. Sie seien mit der Arbeit der Agentur unzufrieden gewesen. Es habe insoweit auch keinen Meinungsumschwung gegeben. Es habe lediglich die mündliche Order zu zahlen gegeben, damit das Projekt voranschreite. Diese mündliche Order sei vom Kläger gewesen.

Indessen bestehen so erhebliche Zweifel am korrekten Erinnerungsvermögen des Zeugen P., dass der Senat von der mündlichen Freigabe durch den Kläger nicht mit der erforderlichen Sicherheit i. S. v. § 286 ZPO überzeugt ist:

Zum einen vermochte der Zeuge P. schon nicht näher darzulegen, wie es zunächst zu der auf dem unteren Post-it der Anlage B 8 (Seite 1) dokumentierten Freigabe der 50 % und später dann zur Weisung des Klägers, die 100 % zu zahlen, gekommen ist. Genauere Angaben, wann welche der beiden Entscheidungen fiel, konnte der Zeuge nicht machen. Er gehe aber davon aus, dass die Überlegungen zur Zahlung von 50 % und die Weisung, 100 % zu zahlen, nicht am selben Tag stattgefunden hätten (Protokoll S. 5, Bl. 364 d.A.). Gegen diesen Zeitablauf spricht, dass unstreitig die Zahlungserinnerung erst am 17.03.2014 bei der Beklagten einging, der Zeuge P. am 17.03.2014 um 11:09 Uhr (Anlage K 23) beim Kläger wegen der Zahlungen nachfragte, der – vom Landgericht als glaubwürdig eingestufte – Zeuge W. unstreitig schon am 17.03.2014 die Rate in voller Höhe einbuchte und in der Zeugeneinvernahme in erster Instanz ausgeführte, er sei schon am 17.03.2014 vom Zeugen P. angewiesen worden, die Zahlung in voller Höhe zu veranlassen. Dies deckt sich zudem mit dem Post-it auf S. 2 der Anlage B 8 sowie der E-Mail des Zeugen W. vom 19.3.2014 (Anlage B 9). Im Übrigen hat die Beklagte selbst behauptet, der Zeuge P. habe den Zeugen W. am 17.03.2014 um Zahlung der vollen Rechnung für die zweite Rate gebeten (Klageerwiderung S. 8, Bl. 23 d.A). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch nicht davon auszugehen, das Post-it auf Seite 1 der Anlage B 8 links unten habe sich schon lange vor dem 17.03.2014 auf der Rechnung befunden. Denn dort ist ausgeführt, 50 % Zahlung solle „heute“ erfolgen. Dass es vor dem 17.03.2014 schon zur Zahlung eines Teilbetrags von 50 % der zweiten Rate gekommen wäre, behauptet auch die Beklagte nicht.

Zudem ist – wie auch schon des Landgericht ausgeführt hat – wenig nachvollziehbar, dass der Zeuge P. sich an die Umstände der sogar schriftlich dokumentierten Freigabe von nur 50 % (Post-it links unten auf der Anlage B 8, 1. Seite) nicht mehr näher erinnert, aber sicher ist, dass es eine bloß mündlich erteilte Weisung durch den Kläger gab, nähere Umstände dazu allerdings ebenfalls nicht angeben kann. So konnte sich der Zeuge an eine konkrete Antwort des Klägers auf die als Anlage K 23 vorgelegte Mail des Zeugen P. vom 17.03.2014, 11:09 Uhr nicht mehr erinnern (Protokoll S. 8, Bl. 367 d.A), obwohl er in dieser Mail gerade den Kläger um Hilfe bat, weil die t. GmbH nachgefragt habe, wann mit den Zahlungen bezüglich der Screendesigns gerechnet werden könne. Auch wusste der Zeuge nicht mehr, ob es an diesem Tag zwei Gespräche mit dem Kläger oder nur eines gegeben habe und ob an dem späteren Gespräch mit Herrn W. auch Herr L. teilgenommen habe (Protokoll S. 8, Bl. 367 d.A.). Auch konnte der Zeuge nicht angeben, um welche Uhrzeit er zu Herrn W. gegangen war (Protokoll S. 7, Bl. 366 d.A.).

Letztlich bleiben damit nach der Aussage des Zeugen P. die Umstände, der nähere Ablauf und Inhalt der angeblichen Gespräche am 17.03.2014 im Unklaren.

Insgesamt ist die Aussage des Zeugen P. vor allem dadurch geprägt, dass er sich auch an sonstige Ereignisse im Zusammenhang mit der zweiten Rate nicht mehr oder zum Teil sogar falsch erinnert. Auch wenn dies aufgrund der Länge der seither verstrichenen Zeit ohne weiteres nachvollziehbar ist, erscheint damit äußerst fraglich, ob sein Erinnerungsvermögen ausgerechnet bezüglich der mündlichen Freigabe der gesamten Rate zutrifft. Entgegen der Behauptung der Beklagten handelte es sich bei den Erinnerungslücken des Zeugen P. auch nicht um unzulässige Fragen außerhalb des Beweisthemas. Beispielsweise konnte sich der Zeuge nicht mehr erinnern, wann der Beschluss fiel, das Screendesign gemeinsam mit dem Marketing zu finalisieren (Protokoll S. 5 / 6, Bl. 364 f d.A.). Der Zeuge wusste nicht mehr, ob er den Kontierungsstempel auf der Anlage B 8 selbst angebracht hatte. Der Zeuge hatte keine konkrete Erinnerung mehr, ob er mit dem Zeugen Dobelmann oder einem anderen Mitarbeiter der Agentur darüber gesprochen hatte, dass nur 50 % der zweiten Teilzahlung geleistet würden (Protokoll S. 6 / 7, Bl. 365 f d.A). Auch konnte sich der Zeuge nicht an die Zahlungsaufforderung der t. GmbH vom März 2014 (Anlage B 3) erinnern, obwohl nach seinen Angaben Zahlungserinnerungen bei ihm aufliefen, weil er der fachliche Bearbeiter war (Protokoll S. 7, Bl. 366 d.A.). Auch hat der Zeuge ausgeführt, er könne sich nicht vorstellen, dass sie die finalen Screens an den Zeugen D. zurückgemeldet hätten. Er könne sich daran nicht erinnern (Protokoll S. 9, Bl. 368 d.A.). Auf Vorhalt der E-Mail des Zeugen vom 20.03.2014 (Anlage zum Protokoll) musste der Zeuge dann einräumen, dass er die Screendesigns „doch“ an die t. GmbH gesendet hatte. Entgegen der Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 19.06.2017 hat der Zeuge P. sich selbst überrascht gezeigt, dass die Screendesigns überhaupt an die Agentur zurückgesendet wurden.

Letztlich verbleiben so erheblich Zweifel an der – korrekten – Erinnerung des Zeugen P., dass der Senat die Behauptung, der Kläger habe dem Zeugen P. die Weisung zur vollständigen Bezahlung der Rate erteilt, nicht für nachgewiesen hält. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob am 17.03.2014 bis 10 Uhr ein IT-Jour Fixe mit dem Kläger stattgefunden hat.

2.1.2.2. Den Aussagen des Zeugen D. lassen sich ebenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit Indizien dafür entnehmen, dass der Kläger selbst die vollständige Rechnung zur Zahlung freigab.

Der Zeuge D. hat in seiner Einvernahme ausgeführt (Protokoll S. 3 / 4, Bl. 362 f d.A.), er habe Kontakt mit Herrn L. gehabt. Die zweite Zahlung sollte in zwei Teilbeträge aufgespaltet werden. Die erste Zahlung sollte am Montag, die zweite an einem Freitag vorgenommen werden. Die angekündigten Zahlungen seien aber nicht gekommen. Danach sei es zu dem Telefonat gekommen, dieses habe mit dem Kläger stattgefunden. In dem Telefonat mit dem Kläger habe es geheißen, dass die Beträge kommen. Er habe zum Kläger gesagt, falls das Screendesign nicht vollgezahlt werde, komme es sofort zum Abbruch des Projekts. Danach habe er intern eine E-Mail (Anlage zum Protokoll vom 18.05.2017) geschrieben. Er könne sich nicht vorstellen, dass in dem Telefonat darüber gesprochen wurde, dass nur 50 % der Teilzahlung geleistet werde. Dann hätte es weitere interne Mails gegeben. Im Übrigen hätten sie sich dann auch wundern müssen, wenn am nächsten Tag die volle Zahlung gekommen sei. Er denke, dass er sich daran erinnern würde.

Jedoch hat der Senat erhebliche Zweifel, ob die Ausführungen des Zeugen D. sich mit den tatsächlichen Abläufen decken. Zwar ist auch nach den Angaben des Klägers unstreitig, dass am 17.03.2014 ein Telefonat zwischen dem Kläger und dem Zeugen D. stattfand. Indessen steht nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass das vom Zeugen D. geschilderte Telefonat mit der Zusage, die vollständigen Beträge kämen, tatsächlich mit dem Kläger geführt wurde. Der Zeuge D. hat eingeräumt, dass er seine Erinnerungen aus den ihm vorliegenden E-Mails rekonstruiere (S. 4, Bl. 363 d.A.). Unmittelbare eigene Erinnerungen hatte der Zeuge D. daher offensichtlich nicht mehr. Aus der als Anlage zum Protokoll vorgelegten internen E-Mail vom 17.03.2014, aus der der Zeuge seine Erinnerung an das Telefonat mit dem Kläger ableitet, ergibt sich zwar, dass die Zahlungen freigegeben seien und „er“ sofort bei der Buchhaltung nachfrage. Indessen ist daraus nur ersichtlich, dass der Zeuge mit dem „Verlagshaus“ telefoniert habe. Mit welcher konkreten Person das Telefonat geführt wurde, ist dieser E-Mail nicht zu entnehmen. Daher ist auch nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass dieses Telefonat gerade nicht mit dem Kläger, sondern mit dem Zeugen P. geführt wurde. Dafür spricht auch der zeitliche Ablauf: Die nach Angaben des Zeugen im Anschluss an das Telefonat erstellte E-Mail datiert vom 17.03.2014, 9:53 Uhr. Ausweislich der Anlage K 23 hat der Zeuge P. am selben Tag um 11:09 Uhr – also später – an den Kläger geschrieben, dass Herr D. von t. nachfrage, wann er mit den Zahlungen bezüglich des Screendesigns rechnen könne. Diese zeitliche Abfolge wäre eher nachvollziehbar, wenn der Zeuge P. und nicht der Kläger vor 9:53 Uhr mit dem Zeugen D. telefoniert hätte.

Soweit der Zeuge D. aus den E-Mails vom 22.04.2014 des Klägers (Anlage B 13) und vom 02.05.2014 (Anlage zum Protokoll vom 18.05.2017) schließt, diese bezögen sich auf das – vormittägliche – Telefonat mit dem Kläger, ist dieser Rückschluss keineswegs zwingend. Unstreitig hat der Kläger am 17.03.2014 mit dem Zeugen D. telefoniert. Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, das Telefonat mit dem Kläger sei dasjenige vor 9.53 Uhr gewesen, in dem „das Verlagshaus“ die vollständige Zahlung zugesagt habe. Insbesondere hat der Zeuge D. ausgeführt, er habe sicher auch mal mit Herrn P. telefoniert, wisse aber nicht mehr, ob er am 17.03.2014 mehrmals mit dem Verlagshaus und insbesondere mit Herrn P. telefoniert habe (Protokoll S. 3, Bl. 362 d.A.). Auch konnte der Zeuge D. keine Angaben dazu machen, was der Kläger in dem Telefonat konkret zu der Zahlung gesagt habe (Protokoll S. 3, Bl. 362 d.A.).

Schließlich wusste der Zeuge D. weder, ob die t. GmbH zur zweiten Zahlung eine Zahlungserinnerung gestellt hatte (was unstreitig ist und sich auch aus der Anlage B 3 ergibt) noch konnte er sicher bestätigten, dass ein vorheriges Gespräch über die Aufteilung der zweiten Rate in zwei Tranchen gerade mit dem Kläger und nicht mit jemandem anderen stattgefunden hatte (Protokoll S. 4, Bl. 363 d.A).

Insgesamt steht daher mangels ausreichender eigener Erinnerung des Zeugen D. nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Kläger schon am 17.03.2014 vormittags mit dem Zeugen D. telefoniert und ihm gegenüber geäußert hatte, die zweite Rate sei, aufgeteilt auf zwei Tranchen, angewiesen, er werde in der Buchhaltung nachfassen.

2.1.2.3. Auch aus anderen Umständen lässt sich nicht ableiten, dass der Kläger tatsächlich wie von der Beklagten behauptet die Weisung erteilt habe, die Zahlung vollständig freizugeben:

Aus der E-Mail des Klägers vom 22.04.2014 (Anlage B 13) ergibt sich zwar, dass der Kläger im März mit dem Zeugen D. telefonierte und die Zahlung „umgehend getätigt worden sei“. Daraus ist aber nicht ersichtlich, in welcher Höhe der Kläger die Zahlung freigegeben hatte. Ob es eine Freigabe in Höhe von 100 % oder nur der Hälfte der zweiten Rate war, ist daraus nicht zu ersehen.

Mit E-Mail des Klägers vom 02.05.2014 (Anlage zum Protokoll vom 18.05.2017, nach Bl. 369 d.A.) teilte dieser dem Zeugen D. mit, der Zeuge D. habe ihn informiert, sie würden die Programmierung, Entwicklung und Projektfinalisierung umgehend aufnehmen, „alsbald wir bezahlt haben“. Auch daraus lässt sich aber nicht ersehen, dass der Kläger tatsächlich eine Zahlung von 100 % der zweiten Rate angewiesen hätte.

Aus der E-Mail vom 19.03.2014 (Anlage B 9) ist nur ersichtlich, dass der Zeuge W. dem Zeugen P. mitteilt, am Vortag des 18.03.2014, also am 17.03.2014, hätten der Zeuge P. und Herr L. (“CLa“) erklärt, die Rechnung sei so schnell wie möglich und zu 100 % zu zahlen. Ob der Kläger zuvor dem Zeugen P. entsprechend angewiesen hatte, lässt sich aus dieser Mail nicht ersehen.

2.1.3. Einen wichtigen Grund für die Kündigung des Klägers kann die Beklagte nicht aus falschen Angaben des Klägers gegenüber Herrn S. im August 2014 herleiten:

2.1.3.1. Soweit der Kläger in den Stellungnahmen vom 08.08.2014 und vom 12.08.2014 (Anlagen B 5, B 6 und B 7) gegenüber Herrn S. ausführte, er habe nur 50 % der Rate angewiesen, hat die Beklagte nicht den Nachweis geführt, dass dies falsch ist (s. oben Ziff. 2.1.2).

2.1.3.2. Soweit der Kläger in den Stellungnahmen Anlage B 5 und B 6 angab, er habe selbst erst Ende Juli 2014 erfahren, dass die zweite Rate zu 100 % überwiesen wurde, hat die Beklagte ebenfalls nicht nachgewiesen, dass dies unzutreffend war. Zwar hätte der Kläger aus der als Anlage B 23 vorgelegten E-Mail des Zeugen W. vom 15.05.2014 ersehen können, dass die zweite Rate für das t. GmbH Shopware Projekt im März 2014 in voller Höhe und nicht nur zu 50 % überwiesen wurde. Indessen hat der Kläger bestritten, dass ihm dies aufgefallen sei. Beweise für ihre anderweitige Behauptung bietet die Beklagte nicht an. Zudem ist ohne weiteres denkbar, dass der Kläger – im Mai 2014 – nur auf den Mailtext „die beiden Raten 1/3 und 2/3 sind umbucht auf das Jahr 2013“ gesehen und die Screenshots, aus denen sich die vollständige Zahlung ergibt, nicht näher beachtet hat.

2.1.3.3. Ein wichtiger Grund für die Kündigung liegt nicht darin, dass der Kläger in den Stellungnahmen vom 12.08.2014 (Anlage B 6 und B 7) gegenüber Herrn S. den Eindruck erweckt, er habe auch 50 % der zweiten Rate erst nach dem Jour fixe mit Herrn S. am 18.03.2014 freigegeben. Dies ist unstreitig falsch. Auch nach dem Vortrag des Klägers hat er bereits am 17.03.2014 gegenüber dem Zeugen P. erklärt, die zweite Rate sei zu 50 % zu überweisen. In den Stellungnahme B 6 und B 7 wird aus der Sicht des Erklärungsempfängers – entgegen der Behauptung des Klägers – dargetan, es habe erst den Jour fixe und dann diese Freigabe gegeben.

Indessen genügt diese falsche Angabe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht, die Fortbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.04.2015 für die Beklagte unzumutbar erscheinen zu lassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der – über seine Beteiligungsgesellschaft – Mehrheitsgesellschafter und Mitgeschäftsführer S. mit der Bezahlung von 50 % der zweiten Rate unstreitig einverstanden war. Der Schwerpunkt in den Stellungnahmen des Klägers und der maßgebliche Augenmerk des Herrn S. im August 2014 lag daher nicht auf der Frage, ob der Kläger vor oder nach dem Jour fixe 50 % der Rate freigegeben hatte, sondern ob der Kläger oder ein anderer Mitarbeiter die weiteren 50 %, also letztlich die ganze Rate, angewiesen hatte. Vor diesem Hintergrund ist die zeitliche Ungenauigkeit bezüglich der 50 % nur als geringfügige Pflichtverletzung des Klägers zu werten.

2.1.4. Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt ferner nicht in der behaupteten Anweisung des Klägers an Herrn P., gegenüber Herrn S. zu sagen, der Kläger habe die Überweisung der zweiten Rate zu 100 % nicht veranlasst. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung (s. oben Ziff. 2.1.2) ist der Beweis nicht geführt, dass der Kläger tatsächlich die Rate insgesamt freigegeben hatte. Eine Pflichtverletzung der Klägers könnte aber allenfalls eine Aufforderung an den Zeugen P. zu einer wahrheitswidrigen Angabe gegenüber Herrn S. sein.

2.1.5. Ein wichtiger Grund für die Kündigung des Klägers liegt nicht darin, dass der Kläger Herrn S. nicht über die drohende Umsatzsteuersonderprüfung in dem Joint Venture „E. H. f. T. M. GmbH“ unterrichtete.

Unstreitig hatte der Kläger die E-Mail vom 13.05.2014 (Anlage B 19) erhalten. Darin wurde er von Herrn W. informiert, dass er eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2012 erstellen / abgeben müsse, was zwar seinerzeit mit Frau N. und Herrn L. besprochen, aber nie umgesetzt worden sei. Er rechne mit einer Umsatzsteuersonderprüfung. Diese Mail leitete der Kläger unstreitig nicht direkt an Herrn S., den Geschäftsführer der E. H. f. T. M. GmbH weiter. Im August 2014 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen Herrn S. eingeleitet.

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt in der unterlassenen Weiterleitung an Herrn S. schon keine Pflichtverletzung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten. Der Kläger war unstreitig nicht Geschäftsführer der E. H. f. T. M. GmbH. Auch bei der Beklagten hatte der Kläger jedenfalls ab 01.05.2014 keine Zuständigkeit mehr für das Rechnungswesen und die Buchhaltung bezüglich der E. H. f. T. M. GmbH und erhielt die E-Mail vom 13.05.2014 auch nur zur Information. Zudem leitete er diese Mail ausweislich der Anlage K 21 Herrn L. weiter, der ab 01.05.2014 Herrn S. direkt unterstellt war.

Selbst wenn man in der mangelnden Weiterleitung an Herrn S. eine Pflichtverletzung sehen wollte, wäre jedenfalls unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung bis zum 30.04.2015 nicht unzumutbar. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass die falsch gezogene Vorsteuer und die Notwendigkeit eine korrigierten Umsatzsteuervoranmeldung unstreitig kein Fehler des Klägers war. Zum anderen war aus der E-Mail vom 13.05.2014 nur ersichtlich, dass es zu einer Umsatzsteuersonderprüfung kommen könnte, nicht aber zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen Herrn S. Auch ist nicht hinreichend ersichtlich, welche Nachteile oder Schäden allein durch die unterbliebene Weiterleitung eingetreten sind, die hätten vermieden werden können, wenn der Kläger die E-Mail am 13.05.2014 an Herrn S. weitergeleitet hätte. Dass es dann nicht zur Einleitung des Steuerstrafverfahrens gekommen wäre, behauptet auch die Beklagte nicht. Wie das von der Beklagten nur allgemein umschriebene „proaktive“ Verhalten ausgesehen hätte, erschließt sich nicht. Noch weniger ist nachvollziehbar, wie bei rechtzeitiger Weiterleitung an Herrn S. die „Diskreditierung der Beklagten“ bei dem Joint-Venture Partner, der F.-M.-Gruppe hätte verhindert werden können.

2.1.6. Ein wichtiger Grund für die Kündigung lässt sich nicht aus der – vom Kläger bestrittenen – Behauptung der Beklagten ableiten, der Kläger habe gegenüber Herrn S. wahrheitswidrig am 7.8./ 8.8.2014 behauptet, er habe vor dem 7.8.2014 von der Korrektur der Umsatzsteuervoranmeldung nichts gewusst. Nach dem landgerichtlichen Urteil (S. 19) hat die Beklagte den Nachweis nicht geführt, dass der Kläger eine solche unzutreffende Behauptung getätigt habe. Der Verweis der Beklagten in der Berufung auf die Anlage B 19 ist unbehelflich. Aus dieser ergibt sich nur, dass der Kläger tatsächlich Kenntnis von der Korrektur der Umsatzsteuervoranmeldung hatte. Die Anlage B 19 ist aber kein Beweis dafür, dass der Kläger eine entsprechende Kenntnis im August 2014 gegenüber Herrn S. leugnete.

2.1.7. Bezüglich der weiteren ursprünglich von der Beklagten geltend gemachten wichtigen Gründe ist bereits unklar, ob diese von der Beklagten in zweiter Instanz noch geltend gemacht werden. Insoweit trägt die Beklagte nur pauschal vor (Berufungsbegründung S. 17, Bl. 248 d.A.), der Kläger sei allgemein bemüht gewesen, gegenüber den Gesellschaftern und insbesondere Herrn S. zu verschleiern, dass Projekte des Klägers stockten, und nimmt Bezug auf ihren Vortrag in erster Instanz im Schriftsatz vom 30.04.2014, S. 14 bis 18, Bl. 29 bis 33 d.A.). Jedenfalls ist auch insoweit kein wichtiger Grund für eine Kündigung des Klägers feststellbar:

2.1.7.1. Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, der Mitarbeiter der Beklagten Herr T. habe mit Mail vom 07.05.2014 (Anlage B 16) den Kläger darauf hingewiesen, dass der von der t. GmbH vorlegte Terminplan völlig unrealistisch sei. Der Kläger habe den Zeugen T. angewiesen, künftig derartige Kritik schriftlich nicht mehr zu äußern, da sie dann aktenkundig werde. Das Landgericht hat insoweit einen wichtigen Grund für eine Kündigung verneint (Urteil S. 14 f). Es fehle an einer Pflichtverletzung, erst recht an einer schweren Dienstpflichtverletzung des Klägers, auch wenn man den vom Kläger bestrittenen Vortrag als wahr unterstelle. Ein berechtigtes Bedürfnis von Herrn T. an einer Dokumentation der Kritik sei nicht vorgetragen. Es handle sich um eine Anweisung des Klägers bezüglich des internen Kommunikationsverhaltens, die ohne nähere Kenntnis der Umstände nicht beurteilt werden könne. Diese Einschätzung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Näherer Vortrag oder Ausführungen, weshalb die Entscheidung des Landgerichts insoweit falsch sein sollte, finden sich in der Berufung nicht.

2.1.7.2. Die Beklagte hat in erster Instanz ferner behauptet, der Kläger habe andere Mitarbeiter angewiesen, die Fehlleistungen des Mitarbeiters G. in der Onlineabteilung nicht gegenüber Herrn S. zu erwähnen. Auch hierin sieht das Landgericht (Urteil S. 15) weder eine schwere Pflichtverletzung noch einen schwerwiegenden Vertrauensbruch, selbst wenn die – vom Kläger bestrittene – Behauptung der Beklagten zutreffe. Es handle sich um eine Anweisung des Klägers bezüglich des internen Kommunikationsverhaltens, insbesondere hätten bei Informationsbedarf nicht die dem Kläger unterstellten Mitarbeiter, sondern der Kläger selbst Herrn S. zu berichten. Außerdem werde dem Kläger nicht vorgeworfen, Mitarbeiter zu unzutreffenden Informationen angestiftet zu haben. Des Weiteren sei unklar, welche Auswirkungen die Anweisung des Klägers gehabt habe, zumal der Mitarbeiter G. unstreitig von Herrn S. selbst wieder in die Buchhaltungsabteilung versetzt worden sei. Diese Ausführungen des Landgerichts sind nicht zu beanstanden. Weshalb das Urteil des Landgerichts insoweit unzutreffend sein soll, wird in der Berufung nicht dargetan.

2.1.7.3. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe den Zeugen P. aufgefordert, alle Projektpläne hinsichtlich der Online-Projekte mit Datum früher als 16.05.2014 zu löschen. Das Landgericht hat einen wichtigen Kündigungsgrund verneint (Urteil S. 15 f), da es an Tatsachenvortrag der Beklagten zur Beurteilung von Hintergrund und Umfang der Löschung sowie den Auswirkungen einer derartigen Anweisung, sollte sie erfolgt sein, fehle. Eine umfassende Bewertung anhand aller Umstände des Einzelfalls sei daher nicht möglich. Dem schließt sich der Senat an. Näherer Vortrag oder Rügen, weshalb die Ausführungen des Landgerichts unzutreffend seien, finden sich in der Berufung nicht.

2.1.7.4. Die Beklagte hat zudem behauptet, der Kläger habe mit den als Anlage B 17 und B 22 vorgelegten E-Mails suggeriert, der Projektplan bezüglich des Projekts „Vermarktungs-Vertikal Haustiere“ sei schon vor dem 05.08.2014 erstellt worden. Insoweit führt das Landgericht zutreffend aus (Urteil S. 16 f), der Plan suggeriere nicht zwingend, schon im Juni 2013 erstellt worden zu sein. Angriffe hiergegen finden sich in der Berufung nicht.

Zudem ist die fristlose Kündigung nach Ansicht des Landgerichts (Urteil S. 17 f) selbst dann nicht berechtigt, wenn zu Lasten des Klägers die weitere Behauptung der Beklagten unterstellt werde, der Kläger habe Herrn P. angewiesen, bei einer eventuellen Nachfrage durch Herrn S. anzugeben, der Projektplan (Anlage B 22) habe bereits im Juni 2013 vorgelegen. Nicht jede bewusst unzutreffende Information führe zur Berechtigung der fristlosen Kündigung, auch hier müssten Schwere des Verstoßes, Hintergrund und mögliche Auswirkungen auf die Zusammenarbeit gewürdigt werden. Vorliegend habe Herr P. die Anweisung nicht umgesetzt, mögliche Fehlvorstellungen bei Herrn S. über das Vorliegen des Projektplans seien nicht dargetan, es sei nicht ersichtlich, dass Herr S. für die Kontrolle des Projektforschritts überhaupt auf einen Projektplan angewiesen sei und im Übrigen bedeute das Nichtvorliegen eines schriftlichen Plans nicht, dass dem Projekt keine Planung zugrundelag. Diese Würdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Fehler dieser Einschätzung zeigt die Berufung nicht auf. Soweit die Beklagte rügt, dem Mitarbeiter Herrn B. sei nicht aus Gründen im Zusammenhang mit dem Projekt, sondern wegen eines Wettbewerbsverstoßes gekündigt worden, kann dies als wahr unterstellt werden, führt aber zu keiner anderen Beurteilung. Denn die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (Urteil S. 18), die Kündigung eines Mitarbeiters des fraglichen Projekts durch Herrn S. seien ohne Kenntnis der Ablaufplanung kaum vorstellbar, sind nur eine weitere, letztlich aber nicht entscheidende Zusatzerwägung des Landgerichts.

2.1.8. Soweit die Beklagte ferner in erster Instanz die Kündigung auch darauf gestützt hat, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht, ist dem das Landgericht nicht gefolgt. Die Beklagte sei beweisfällig geblieben (Urteil S. 19). Angriffe hiergegen oder Beweisangebote dazu finden sich in der Berufung nicht.

2.1.9. Entgegen der Ansicht der Beklagten in der Berufung führt auch eine Gesamtwürdigung der von der Beklagten angeführten wichtigen Gründe nicht zur Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Soweit überhaupt Pflichtverletzungen des Klägers vorliegen bzw. bei Wahrunterstellung des Vortrags der Beklagten in Betracht kommen könnten (oben Ziff. 2.1.3.3, Ziff. 2.1.5, Ziff. 2.1.7.4), sind diese auch in der Gesamtwürdigung nicht als so schwerwiegend zu qualifizieren, dass der Beklagten die Fortsetzung des Dienstvertrags bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre.

2.2. Gemäß § 615 Satz 2 BGB ist das ab September 2014 vom Kläger bezogene Arbeitslosengeld auf den Anspruch anzurechnen (vgl. Weidenkaff in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 615 Rz. 19).

3. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Festvergütung für die Zeit vom 21.08.2014 bis 02.09.2014 aus § 7 Ziff. 1 des Geschäftsführerdienstvertrags (Anlage K 1). Danach wird die monatliche Vergütung im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten in Höhe des vertraglichen Fixums fortgezahlt.

4. Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 283, § 249 BGB für die entgangene Nutzung des Dienstfahrzeugs. Gemäß § 4 Ziff. 3 des Geschäftsführerdienstvertrags (Anlage K 1) hatte die Beklagte dem Kläger einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Unstreitig gab der Kläger nach Aufforderung der Beklagen im Hinblick auf die ausgesprochene fristlose Kündigung den Dienstwagen am 03.09.2014 an die Beklagte heraus. Der vom Landgericht angesetzte Wert von 799,80 Euro pro Monat wird in der Berufung nicht angegriffen.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auf die Ausführungen des Landgerichts, gegen die die Berufung keine Einwände erhebt, wird Bezug genommen.

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

7. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzlich Bedeutung.

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