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OLG München, Urteil vom 23.02.2017 – 23 U 4888/15

Beschlussfeststellungsklage § 256 ZPO

GmbHG § 46 Nr. 8

1. Fehlt es in einer Gesellschafterversammlung an einer förmlichen Beschlussfeststellung, weil kein Versammlungsleiter bestimmt wurde, ist die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses durch eine Beschlussfeststellungsklage nach § 256 ZPO festzustellen (Anschluss BGH, 24. März 2016, IX ZB 32/15, ZIP 2016, 817).

2. Die Gesellschafterversammlung einer GmbH ist analog § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG berechtigt, im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Mitgesellschafter einen besonderen Vertreter zu bestellen.

3.  Der im Rahmen einer Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bestehende Stimmrechtsausschluss eines wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im prozess gegen ihn vertreten soll. Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Interessen der Gesellschaft
am entschiedensten vertritt.

4. Auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens kommt es für den Stimmrechtsausschluss nicht an.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 02.09.2015, Az. 1 HK O 1308/14, in der durch Beschluss vom 11.01.2016 berichtigten Fassung abgeändert wie folgt:

In Ergänzung von Ziff. 1 des vorbezeichneten Urteils wird gegen die Beklagte zu 1) zusätzlich festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 17.03.2014 folgender Beschluss wirksam gefasst worden ist:

zu TOP 9 lit. b):

Herr Ulrico A. B. wird als Geschäftsführer und auch im Sinne von § 46 Nr. 8 GmbHG als besonderer Vertreter der Gesellschaft beauftragt, die unter TOP 9 lit. a) dargestellten Schadensersatzansprüche außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen und durchzusetzen. Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

2. Die Beklagte zu 1) hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Wirksamkeit eines Beschlusses in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 17.03.2014 betreffend die Beauftragung des damaligen Geschäftsführers B. der Beklagten zu 1) als Geschäftsführer und als besonderer Vertreter zur Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nebenintervenienten, einen Gesellschafter der beiden Beklagten.

Die Klägerin und der Nebenintervenient, Herr Christopher S., sind an der Beklagten zu 2) mit jeweils 25,2% beteiligt, ihre beiden Väter Gabrijel R. und Manfred S. über Beteiligungsgesellschaften zu je 24,8 %. An der Beklagten zu 1), der Komplementärin der Beklagten zu 2), sind die Klägerin und der Nebenintervenient ebenfalls zu je 25,2 % beteiligt, die beiden Väter unmittelbar jeweils mit 24,8 %. Zwischen den Familienstämmen S. und R. besteht seit Jahren Streit, der bereits zu zahlreichen Gerichtsverfahren geführt hat.

Die Familie R. entsandte aufgrund von § 6 Abs. 3 der Satzung der Beklagten zu 1) in der Fassung vom 25.06.2013 Herrn Ulrico B. mit Wirkung zum 01.01.2014 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Am 17.03.2014 fand eine Gesellschafterversammlung bei beiden Beklagten statt, bei der alle Gesellschafter anwesend waren. Der Geschäftsführer B. sollte angewiesen werden, die Löschung der Eintragung des Nebenintervenienten als Geschäftsführer der E. Tortechnik GmbH, H., durchzuführen (TOP 8), gegen den Nebenintervenienten sollte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen seines Versuches, die E. Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln (TOP 9 lit. a) beschlossen werden, ferner sollte Herr B. als besonderer Vertreter im Sinne des § 46 Ziff. 8 GmbHG zur Durchsetzung der vorgenannten Schadensansprüche bestimmt werden (TOP 9 lit. b). Bei diesen Beschlussanträgen stimmten die Mitglieder der Familie R. jeweils mit Ja, die der Familie S. mit Nein. Ferner wurde bei dieser Gesellschafterversammlung unter TOP 10 über die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
B. aus wichtigem Grund abgestimmt, unter TOP 11 über die Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrages sowie unter TOP 12 und TOP 13 über die Beauftragung des Nebenintervenienten zur Bekanntgabe der Abberufung und Kündigung sowie als besonderer Vertreter im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer B.; unter TOP 14 sollte die Beauftragung des von der Familie S. berufenen Geschäftsführers L., den Beratervertrag mit Herrn Gabrijel R. mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grunde zu kündigen, beschlossen werden. Hinsichtlich dieser Beschlussanträge stimmten die Mitglieder der Familie R. jeweils mit Nein, die der Familie S. mit Ja. Ein Beschlussergebnis ist im Protokoll nicht ausgewiesen. Ein Versammlungsleiter wurde nicht bestellt. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 17.03.2014 (Anlage K39) Bezug genommen.

Am 11.06.2014 fand eine weitere Gesellschafterversammlung der Beklagten statt. Hierbei wurde erneut über die Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung des Geschäftsführers
B. (TOP 10 bis 13) sowie über die Bestellung des Nebenintervenienten als besonderer Vertreter gemäß § 46 Ziff. 8 GmbHG für dieses Verfahren abgestimmt (TOP 14). Die Mitglieder der Familie R. stimmten dagegen, die Mitglieder der Familie S. dafür. Im Übrigen wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung (Anlage B20) Bezug genommen.

Ausweislich der Vereinbarung zur Beendigung von Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien und Herrn B. vom 19.01.2017 (Anlage zu Bl. 420/423 d.A.) ist Herr B. im Dezember 2016 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ausgeschieden.

Die Klägerin ist insbesondere der Ansicht, dass der Beschluss in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 unter TOP 9 lit. b wirksam gefasst worden sei. Sie habe als Gesellschafterin das Recht, ein unklares BeschlussergebnisBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Beschlussergebnis
unklares Beschlussergebnis
gerichtlich feststellen zu lassen, zumal der Nebenintervenient bzw. die Familie S. auf einer wirksamen Stimmabgabe beharre und eine wirksame Beschlussfassung in Abrede stelle. Die Klägerin besitze keinen einfacheren Rechtsschutzweg der Anspruchsdurchsetzung bezüglich der Klage der Gesellschaft gegen den Nebenintervenienten, da die Klägerin hierauf keinen Einfluss habe. Im Rahmen der Beschlussfassung sei die Stimmabgabe des Nebenintervenienten wegen des Stimmverbots aus wichtigem Grund bzw. wegen Richtens in eigener Sache nichtig gewesen, hilfsweise habe er eine Treuepflicht zur Zustimmung besessen. Da der Nebenintervenient als Vertreter für seinen Vater Manfred S. abgestimmt habe, habe sich der Stimmrechtsausschluss durchgeschlagen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, gegen die Beklagte zu 1) festzustellen, dass die in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 zu den TOP 8, 9a, 9b gefassten Beschlüsse wirksam gefasst wurden sowie dass die Beschlüsse zu TOP 10, 11, 12, 13 nicht wirksam gefasst wurden. Ferner hat sie beantragt, dass gegen die Beklagte zu 2) festgestellt wird, dass in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 der Beschluss zu TOP 14 nicht wirksam gefasst worden ist. Hinsichtlich des genauen Wortlautes der Anträge sowie der Hilfsanträge der Klägerin in erster Instanz wird auf S. 7 bis S. 11 des landgerichtlichen Urteils vom 02.09.2015 Bezug genommen (Bl. 250/254 d.A.).

Der Nebenintervenient hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Nebenintervenient ist der Ansicht, dass das Rechtsschutzinteresse fehle, da eine Feststellung angesichts der Möglichkeit, ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, nicht erforderlich sei. Die Klägerin trage unsubstantiiert vor, dass die Familie S. auf einer eigenen wirksamen Stimmabgabe beharre und eine wirksame Beschlussfassung in Abrede stelle. Es werde aber nicht ein Umstand vorgetragen, aus welchem sich dieses ergebe.

Der Nebenintervenient trägt vor, der Geschäftsführer B. habe schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen, insbesondere gegen die Geschäftsordnung verstoßen sowie Auskunftsrechte des Nebenintervenienten und dessen Vater verletzt, indem er Auskunftsverlangen nicht, teilweise bewusst falsch bzw. unzureichend beantwortet habe.

Widerklagend hat die Beklagte zu 1) in erster Instanz die Feststellung beantragt, dass die auf der gemeinsamen Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) und zu 2) vom 11.06.2014 gefassten Beschlüsse unter den TOP 11, 12, 13, 14 wirksam sind. Hinsichtlich des genauen Wortlautes des Widerklageantrages wird auf Seite 13 des landgerichtlichen Urteils vom 02.09.2015 Bezug genommen (Bl. 255 d.A.).

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO in dem Urteil vom 02.09.2015, berichtigt mit Beschluss vom 11.01.2016, Bezug genommen wird, hat der Klage nur zum Teil stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hinsichtlich der Klage hat das Landgericht festgestellt, dass in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 17.03.2014 der Beschluss unter TOP 9 lit. a zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nebenintervenienten wegen seines Versuches, die E. Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, wirksam gefasst wurde sowie dass die Beschlüsse derselben Gesellschafterversammlung unter TOP 10 bis 13 nicht gefasst wurden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Klageabweisung betreffend den Beschluss zu TOP 9 lit. b hat das Landgericht ausgeführt, dass dieser nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sei, da die Stimmen der Gesellschafterfamilie S. bei der Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
zu berücksichtigen seien; diese seien aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nicht verpflichtet gewesen, einer Bestellung des Geschäftsführers B., der von der Familie R. entsandt wurde, zum besonderen Vertreter zuzustimmen. Die Abweisung der Widerklage hat das Landgericht damit begründet, dass die Klägerin hinsichtlich der Beschlussfeststellungswiderklage nicht passivlegitimiert sei.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagten zu 1) und 2) Berufung eingelegt.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Teilabweisung ihrer Klage und begehrt unter entsprechender Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Feststellung, dass der Beschluss zu TOP 9 lit. b in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 wirksam gefasst wurde. Im Hinblick auf ihre Anträge zu den Beschlüssen zu TOP 8 und TOP 14 hat sie den Rechtsstreit für teilerledigt erklärt. Hinsichtlich der Berufungsanträge und der -hilfsanträge der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 11.03.2016 (S. 2f, Bl. 278f d.A.) Bezug genommen. Die Beklagten haben der Teilerledigterklärung zugestimmt (Schriftsatz vom 13.04.2016, Bl. 293 d.A.).

Die Beklagten haben mit ihrer Berufung begehrt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als das Landgericht festgestellt habe, dass die Beschlüsse unter TOP 10 bis 13 der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 nicht gefasst wurden und die Klage insoweit abzuweisen. Darüber hinaus haben sich die Beklagten gegen die Abweisung der Widerklage gewandt. Hinsichtlich der Berufungsanträge der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 08.03.2016 (S. 1f, Bl. 264f d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte zu 2) hat ihre Berufung nach entsprechendem Hinweis in der Ladung vom 31.08.2016 (Bl. 311f d.A.) mit Schriftsatz vom 11.10.2016 (Bl. 322 d.A.) zurückgenommen, woraufhin sie mit Beschluss des Senats vom 19.10.2016 (Bl. 387f d.A.) des eingelegten Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt wurde.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.01.2017 (S. 2, Bl. 422 d.A.) die Klage zurückgenommen, soweit nicht die Klageanträge zu Ziff. I.2.a, I.2.b, II.2 und II.3 gemäß Klageschrift vom 14.05.2014 betroffen sind. Mit Schriftsatz vom 31.01.2017 (Bl. 425 d.A.), bei dem Oberlandesgericht eingegangen am 01.02.2017, haben die Beklagten der teilweisen Rücknahme der Klage zugestimmt und gleichzeitig die Widerklage zurückgenommen. Die Klägerin hat bereits in ihrem Schriftsatz vom 20.01.2017 (S. 2, Bl. 422 d.A.) der Rücknahme der Widerklage zugestimmt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Nebenintervenient bei der Abstimmung über TOP 9 lit. b in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 wegen Richtens in eigener Sache einem Stimmverbot unterlegen sei, das auch die Bestellung eines besonderen Vertreters umfasse. Entgegen der Auffassung des Landgerichts gebe es kein Gebot der Treuepflicht zur Bestellung eines „neutralen“ besonderen Vertreters.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das am 02.09.2015 verkündete Endurteil des Landgerichts Landshut (1 HKO 1308/14) unter Aufhebung der Teilabweisung der Klage wie folgt abzuändern:

I. In Ergänzung von Ziff. 1 des vorbezeichneten erstinstanzlichen Urteils wird gegen die Beklagte zu 1) zusätzlich festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 17.03.2014 folgende Beschlüsse wirksam gefasst worden sind:

zu TOP 9 lit. b):

Herr Ulrico A. B. wird als Geschäftsführer und auch im Sinne von § 46 Nr. 8 GmbHG als besonderer Vertreter der Gesellschaft beauftragt, die unter TOP 9 lit. a) dargestellten Schadensersatzansprüche außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen und durchzusetzen. Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

II. Gegen die Beklagte zu 1) wird in Ergänzung von Ziff. 1 des vorbezeichneten erstinstanzlichen Urteils hilfsweise, für den Fall der Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags zu I., zusätzlich festgestellt, dass der in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 17.03.2014 gefasste Beschluss, wonach der Beschlussantrag zu TOP 9 lit. b) abgelehnt worden ist, unwirksam ist und der Beschlussantrag zu TOP 9 lit. b) antragsgemäß und im Sinne des Antrags zu I. gefasst worden ist.

Die Beklagte zu 1) beantragt zuletzt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, für die entsprechende Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses unter TOP 9 lit. b der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 bestehe kein Rechtsschutzinteresse, da die betreffenden Schadensersatzansprüche gegen den Nebenintervenienten mittlerweile vor dem Landgericht Landshut geltend gemacht seien (Az. 1 HKO 2952/14), dieser prozess sei gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ausgesetzt; in dem dortigen Verfahren hätte die Frage der wirksamen Bestellung als Vorfrage inzident geprüft werden können. Im vorliegenden Fall sei ein Feststellungsurteil, dass ein Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers B. als besonderer Vertreter gefasst worden sei, nicht Voraussetzung für die Erhebung der Klage gegen den Nebenintervenienten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die Frage der Wirksamkeit des betreffenden Beschlusses hätte das Landgericht in dem Schadensersatzverfahren inzidenter prüfen müssen, dies sei der einfachere, effizientere und kostensparendere Weg. Die Beklagte bezweifelt den Sinn, den Geschäftsführer B. als einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer zum besonderen Vertreter zu bestellen, wenn ratio legis § 46 Nr. 8 GmbHG sei, den Gesellschaftern die Möglichkeit zu geben, einen anderen als den bestellten Geschäftsführer zur organschaftlichen Vertretung zu berufen. Die Treuepflicht gebiete, dass der Geschäftsführer B. kein besonderer Vertreter wegen seiner andauernden gravierenden Pflichtverletzungen sein könne, da zahlreiche Gründe vorlägen, die seine Abberufung rechtfertigen würden.

Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2016 (Bl. 417/419 d.A.) und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

1. Gegenstand der Entscheidung in zweiter Instanz ist allein die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Klageantrages zur Feststellung der Wirksamkeit der Beschlussfassung zu TOP 9 lit. b in der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014.

Nach teilweiser Klagerücknahme in der Berufungsinstanz betreffend die Wirksamkeit von Beschlüssen in den Gesellschafterversammlungen der beiden Beklagten vom 17.03.2014 sowie unter Berücksichtigung der vorangegangenen übereinstimmenden Teilerledigterklärung in der Berufungsinstanz verfolgt die Klägerin in der Hauptsache lediglich noch ihr Begehren gegenüber der Beklagten zu 1) weiter, die Beschlussfassung hinsichtlich TOP 9 lit. b der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014, wonach der damalige Geschäftsführer B. als besonderer Vertreter für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nebenintervenienten bestellt wurde, für wirksam zu erklären. Aufgrund der Klagerücknahme betreffend die Anträge zu den Beschlüssen TOP 10 bis 13 der Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 und der Rücknahme der Widerklage durch die Beklagte zu 1) betreffend TOP 10 bis 14 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 11.06.2014 ist die Berufung der Beklagten zu 1) gegenstandslos.

2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache erfolgreich. Ihre Beschlussfeststellungsklage ist zulässig und begründet, so dass gegen die Beklagte zu 1) festzustellen ist, dass der Beschluss zu TOP 9 lit. b der Gesellschafterversammlung vom 17.3.2014 wirksam gefasst wurde.

2.1. Die Klage ist diesbezüglich zulässig.

2.1.1. Die vorgenannte Klage ist als allgemeine Feststellungsklage statthaft, da in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 17.03.2014 keine Feststellung des BeschlussergebnissesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Beschlussergebnisses
zu TOP 9 lit. b durch einen Versammlungsleiter erfolgte. Fehlt es an einer förmlichen Beschlussfeststellung, ist die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Beschlusses durch eine Beschlussfeststellungsklage nach § 256 ZPO festzustellen (BGH, Beschluss vom 24.03.2016 – IX ZB 32/15 -, Rn. 32, juris, m.w.Nw.). Dies ist vorliegend der Fall, da kein Versammlungsleiter in der betreffenden Gesellschafterversammlung bestimmt wurde.

2.1.2. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin liegt vor, da zwischen den Parteien streitig ist, ob der Beschluss wirksam gefasst wurde, insbesondere beurteilen die Parteien die Fragen eines Stimmverbots des Nebenintervenienten und der gesellschafterlichen Treuepflicht unterschiedlich.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) entfällt vorliegend das rechtliche Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses auch nicht dadurch, dass Schadensersatz gegen den Nebenintervenienten nach Erhebung der gegenständlichen Beschlussfeststellungsklage vor dem Landgericht geltend gemacht wurde und im dortigen Verfahren als Vorfrage inzident geprüft hätte werden können. Die Beklagte zu 1) bezieht sich darauf, dass das Rechtsschutzinteresse bei Anfechtungsklagen fehle, wenn die Gestaltungswirkung nicht mehr eintreten könne oder die Nichtigerklärung keine Auswirkung habe. Eine derartige Konstellation ist vorliegend indes nicht gegeben.

Das Feststellungsinteresse als spezielle Ausgestaltung des bei jeder Rechtsverfolgung erforderlichen Rechtsschutzinteresses (Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., § 256 Rn. 13) fehlt zwar, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen könnte, jedoch besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage (BGH, Urteil vom 15.03.2006 – IV ZR 4/05 -, Rn. 19, juris). Eine Leistungsklage, die das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Feststellungsklage entfallen lassen könnte, steht jedoch der Klägerin als Gesellschafterin nicht zur Verfügung. Die Klägerin kann vorliegend nur mit der Beschlussfeststellungsklage erreichen, dass der Beschluss über die Bevollmächtigung des Geschäftsführers B. auch als besonderer Vertreter für die Beklagte zu 1) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüche gegen den Nebenintervenienten für wirksam erklärt wird. Die Frage der wirksamen Bevollmächtigung des Geschäftsführers B. kann die Klägerin als Gesellschafterin jedoch nicht im Rahmen des Schadensersatzprozesses inzident klären lassen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Schadensersatzklage erst nach Rechtshängigkeit der Beschlussfeststellungsklage bei dem Landgericht Landshut eingereicht wurde.

2.2. Die Klage ist begründet, da der Beschluss unter TOP 9 lit. b in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) am 17.03.2014 wirksam gefasst worden ist.

2.2.1. In formeller Hinsicht wurden Bedenken gegen die Wirksamkeit weder vorgetragen noch sind Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.

2.2.2. Der gegenständliche Beschluss ist materiell wirksam zustande gekommen, da der Nebenintervenient bei der Abstimmung einem Stimmverbot unterlag, so dass der Beschlussantrag unter TOP 9 lit. b mehrheitlich beschlossen wurde und der Geschäftsführer B. wirksam angewiesen und wirksam als besonderer Vertreter im Sinne von § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG bestellt wurde.

2.2.2.1. Die Gesellschafterversammlung war analog § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG berechtigt, im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nebenintervenienten als Mitgesellschafter einen besonderen Vertreter zu bestellen. Auch im Verfahren gegen einen Gesellschafter kann die Gesellschaftergesamtheit in analoger Anwendung von § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG einen Prozessvertreter bestellen (Bayer in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 46 Rn. 43; Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 46 Rn. 170).

2.2.2.2. Der Nebenintervenient unterlag bei der Abstimmung hinsichtlich der Weisung an den Geschäftsführer sowie der Bestellung eines besonderen Vertreters zur Geltendmachung und Durchsetzung der in dem Beschluss zu TOP 9 lit. a genannten Schadensersatzansprüche einem Stimmverbot.

Aus § 47 Abs. 4 GmbHG ergibt sich der Grundgedanke des Stimmverbots, dass ein Gesellschafter nicht Richter in eigener Sache sein darf. Der im Rahmen einer Beschlussfassung gemäß § 46 Nr. 8 1. Alt. GmbHG bestehende Stimmrechtsausschluss eines wegen einer Pflichtverletzung in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters gilt ebenso, wenn es darum geht, nach § 46 Nr. 8 GmbHG das Organ zu bestellen, das die Gesellschaft im prozess gegen ihn vertreten soll. Das Stimmrecht in diesem Punkt auszuschließen, ist ebenfalls sachgerecht, weil von dem betroffenen Gesellschafter nicht erwartet werden kann, dass er einen Prozessvertreter auswählt und bestellt, der gegen ihn selbst die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Interessen der Gesellschaft
am entschiedensten vertritt (BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85 -, BGHZ 97, 28-37, Rn. 12). Unter Anwendung dieser Grundsätze war der Nebenintervenient bei der Abstimmung über die Bestellung eines besonderen Vertreters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihn selbst von der Abstimmung ausgeschlossen, so dass seine Stimmabgabe nicht zählte. Auf die Erfolgsaussichten des geplanten Vorgehens kommt es für den Stimmrechtsausschluss nicht an (BGH, Urteil vom 20.01.1986 – II ZR 73/85 -, BGHZ 97, 28-37, Rn. 14).

2.2.2.3. Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) verstießen die Klägerin und ihr Vater Gabrijel R. nicht gegen ihre gesellschafterlichen Treuepflichten, indem sie für die Bestellung des damaligen Geschäftsführers B. stimmten.

Zwar hat der Senat im Verfahren 23 U 1338/14 im Beschluss vom 19.08.2014 ausgeführt, es sei angesichts des jahrelangen erbitterten Streits zwischen den Gesellschafterfamilien zweifelhaft, ob die Gesellschafter der einen Familie aufgrund ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht gehalten seien, der Bestellung eines Gesellschafters der anderen Familie als besonderen Vertreter zuzustimmen. Jedoch steht vorliegend schon nicht um die Bestellung eines Mitgesellschafters als besonderer Vertreter inmitten, sondern die des damaligen Geschäftsführers der Beklagten zu 1). Zudem geht es vorliegend nicht darum, ob eine Zustimmungspflicht besteht, sondern darum, ob die Stimmabgabe der Gesellschafter der Familie R. treuwidrig war.

Gegen eine Treuwidrigkeit spricht, dass im Grundsatz jeder Gesellschafter bei der Stimmabgabe frei ist und eine Treuwidrigkeit der Stimmabgabe nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2016, II ZR 275/14, juris Tz.14). Allein die jahrelangen Streitigkeiten zwischen den Familienstämmen und der Umstand, dass der damalige Geschäftsführer B. von der Familie der Klägerin entsandt wurde, genügen hierfür nicht. Denn mit der Bestellung von Herrn B. als besonderer Vertreter kann der Familienstamm R. nur erreichen, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Nebenintervenienten durch ein unabhängiges Gericht geprüft werden. Konkrete Vorteile oder eine weitergehende Einflussmöglichkeit sind für den Familienstamm R. damit nicht verbunden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) konnte Herr B. trotz seiner damaligen Stellung als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) als besonderer Vertreter bestimmt werden.

Es ist anerkannt, dass hinsichtlich der Person des Prozessvertreters Freiheit besteht. Prozessvertreter kann u.a. auch ein Geschäftsführer sein (Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 46 Rn. 172). Dies gilt auch vorliegend, zumal in derselben Gesellschafterversammlung vom 17.03.2014 ein Beschlussantrag zur Abberufung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Abberufung des Geschäftsführers
B. aus wichtigem Grund unter TOP 10 gestellt wurde.

Ferner ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) eine Ungeeignetheit von Herrn B. als besonderer Vertreter im Hinblick auf die ihm als Geschäftsführer von den Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzungen nicht gegeben. Eine Ungeeignetheit für die konkrete Aufgabe als besonderer Vertreter ist hieraus nicht ersichtlich. Die Stellung eines besonderen Prozessvertreters ist mit einer organschaftlichen Vertretung als Geschäftsführer nach § 35 Abs. 1 GmbHG nicht vergleichbar. Der besondere Vertreter ist gegenüber den Gesellschaftern weisungsgebunden (Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 46, Rn. 172), wobei die Gesellschafterversammlung dem bestellten besonderen Vertreter Weisungen hinsichtlich Anwaltsauswahl, Prozessführung, Rechtsmitteleinlegung etc. erteilen kann (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 46 Rn. 71a). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Geschäftsführer B. in diesem Zusammenhang etwaigen Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht nachgekommen wäre, werden nicht vorgetragen.

Da somit der Beschluss unter TOP 9 lit. b in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) wirksam gefasst wurde, bedarf es keiner Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag.

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