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OLG München, Urteil vom 31. Juli 2014 – 23 U 3842/13

Verletzung Teilnahmerecht

§ 38 Abs 1 GmbHG, § 46 Nr 5 GmbHG, § 49 GmbHG, §§ 49ff GmbHG, § 626 Abs 2 BGB

Das Teilnahmerecht eines Gesellschafters kann verletzt werden, wenn sich erst nach der Einladung zur Gesellschafterversammlung herausstellt, dass einer der Gesellschafter verhindert ist und durch Dritte nicht sachgemäß vertreten werden kann.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 22.08.2013, Gz. 4 HK O 543/13 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten insbesondere über die Wirksamkeit der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.01.2013 gefassten Beschlüsse und der ordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses vom 16.01.2013.

Der Kläger ist neben seinen Eltern und seinen beiden Brüdern Gesellschafter der Beklagten. Er wurde am 23.01.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Am gleichen Tag schlossen die Parteien einen Geschäftsführerdienstvertrag.

Nach Buchstabe H Ziffer 5 der Satzung der Beklagten kann sich jeder Gesellschafter bei der Gesellschafterversammlung durch einen anderen Gesellschafter vertreten lassen.

Am 31.10.2012 kam es in den Geschäftsräumen zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Bruder M. P. Am 05.11.2012 schrieb die Ehefrau des Klägers an Herrn R. P., der Kläger sei „völlig zusammengebrochen“ und sie bemühe sich um einen Termin bei einem Therapeuten. Am 07.11.2012 kam es zu einem weiteren Streit.

Der Kläger, der sich seit 13.11.2012 in der psychosomatischen Klinik W. befand, schrieb am 12.12.2012 an seine beiden Brüder und Mitgeschäftsführer, dass er noch immer Patient in einer psychosomatischen Klinik sei und sein voraussichtlicher Entlassungstermin auf Mitte/Ende Januar 2013 terminiert sei. Die Einladung zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten am 05.01.2013 wurde am 19.12.2012 zur Post gegeben. Tagesordnungspunkte waren die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung, die Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen den Parteien und die Ermächtigung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ermächtigung
Ermächtigung des Geschäftsführers
R. P., die Kündigung gegenüber dem Kläger auszusprechen und die Gesellschaft in diesem Zusammenhang zu vertreten. Der Bevollmächtigte des Klägers schrieb daraufhin am 31.12.2012 an Herrn R. P. und teilte mit, dass der Kläger an der für den 05.01.2013 einberufenen Versammlung krankheitsbedingt leider nicht teilnehmen könne. Der Kläger schlage daher eine Verschiebung der Versammlung auf einen Zeitpunkt nach seiner Wiedergenesung vor. Aufgrund der Bedeutung der auf der Tagesordnung stehenden Punkte bestehe der Kläger in jedem Fall auf einer persönlichen Teilnahme an der Gesellschafterversammlung. Er empfehle daher auch im Interesse vermeidbarer Kosten eine Verschiebung der geplanten Versammlung. Dieser Bitte kam die Beklagte nicht nach. Herr R. P. antwortete mit E-Mail vom 04.01.2013. Auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 05.01.2013, bei der der Kläger nicht anwesend war, wird Bezug genommen. Die in der Tagesordnung genannten Beschlüsse wurden einstimmig gefasst.

Der Kläger wurde am 24.01.2013 aus der Klinik entlassen. Er befand sich während des Zeitraums seines Klinikaufenthaltes gelegentlich am Wochenende zu Hause.

Der Kläger hat insbesondere die Ansicht vertreten, die am 05.01.2013 gefassten Beschlüsse seien für unwirksam zu erklären, weil die Gesellschafterversammlung trotz der rechtzeitig mitgeteilten Verhinderung des Klägers abgehalten wurde. Darin liege ein Einladungsmangel. Eine Abberufung sei im Übrigen nur aus wichtigem Grund zulässig. Die Beklagte habe kein Recht zur ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages. Diese sei nach der gesellschaftsvertraglichen Regelung nur möglich, wenn der Kläger seiner Berufung zugestimmt habe.

Der Kläger hat beantragt:

I. Es wird festgestellt, dass die in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.01.2013 gefassten Beschlüsse

• Herr F. P. jun. wird als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung abberufen.

• Der Anstellungsvertrag zwischen der C. P. GmbH und Herrn F. P. jun. wird ordentlich gekündigt.

• Der Geschäftsführer R. P. wird von der Gesellschafterversammlung ermächtigt, die Kündigung gegenüber F. P. jun. auszusprechen und die Gesellschaft respektive die Gesellschafterversammlung bei allen Rechtshandlungen in diesem Zusammenhang, insbesondere auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu vertreten,

unwirksam sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen der Beklagten und dem Kläger vom 16.01.2013 unwirksam ist und das Anstellungsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

III. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an die Beklagte herauszugeben:

• Die Schlüssel zu den Geschäftsräumen der Beklagten,

• den Pkw mit dem amtl. Kennzeichen … mit Schlüssel und Papieren,

Geschäftsunterlagen und sonstige Gegenstände (Laptop, Handy).

IV. Die Beklagte wird verurteilt, das mit Schreiben vom 16.01.2013 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Hausverbot mit der Untersagung, die Räume der Beklagten zu betreten, aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe trotz der behaupteten Erkrankung und dem angeblichen Klinikaufenthalt des Klägers davon ausgehen dürfen, dass der Kläger zumindest am Wochenende zu Hause sei. Er sei im Dezember und Januar mehrmals am Wochenende gesehen worden. Die Gesellschafterversammlung sei für Samstag, den 05.01.2013 einberufen worden, um dem Kläger die Teilnahme zu ermöglichen. Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer sei nicht erforderlich gewesen. Eine ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages sei ohne weiteres möglich.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die am 05.01.2013 gefassten Beschlüsse seien unwirksam. Es liege zwar kein Einladungsmangel vor, denn die Einberufung einer Gesellschafterversammlung sei auch bei einer Krankheit eines Gesellschafters möglich, der Abberufungsbeschluss sei jedoch unwirksam, weil eine Abberufung des Klägers nur aus wichtigem Grund zulässig sei und ein solcher nicht vorliege. Der Beschluss, den Anstellungsvertrag mit dem Kläger ordentlich zu kündigen sei mangels Zustimmung des Klägers unwirksam. Aus der Satzung der Beklagten i.V.m. dem Anstellungsvertrag des Klägers ergebe sich, dass auch der Anstellungsvertrag nur mit Zustimmung des Klägers möglich sei. Deshalb sei auch die Feststellung, dass die Kündigung des Anstellungsvertrages zwischen der Beklagten und dem Kläger vom 16.01.2013 unwirksam sei und das Anstellungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu unveränderten Bedingungen fortbestehe zulässig und begründet. Da die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages unwirksam sei, sei der Kläger auch nicht verpflichtet, die Schlüssel, den Pkw und die Geschäftsunterlagen an die Beklagte herauszugeben, auch das mit Schreiben vom 16.01.2013 gegenüber dem Kläger ausgesprochene Hausverbot mit der Untersagung, die Räume der Beklagten zu betreten, sei nicht zulässig.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt insbesondere, das Gericht habe den Buchstaben F der Satzung der Beklagten falsch ausgelegt und sei deshalb zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Abberufung nur aus wichtigem Grund erfolgen könne. Ein wichtiger Grund liege indes auch vor, das Landgericht habe insbesondere die unter den Mitgesellschaftern eingetretene Zerrüttung nicht berücksichtigt. Der Kläger habe außerdem privat veranlasste Rechnungen als Betriebsausgaben der Beklagten ausgegeben und die Bezahlung dieser Rechnungen durch die Beklagte veranlasst sowie Bestellungen für die Pflege und Wartung seines privaten Fuhrparks im Namen und auf Rechnung der Beklagten getätigt. Auf entsprechenden Hinweis des Senats in der Sitzung vom 06.02.2014 behauptet die Beklagte, für die Beschlussfassung am 05.01.2013 habe besondere Eilbedürftigkeit bestanden. Der wichtige Grund für die Abberufung und Kündigung erforderte eine zeitnahe Entscheidung und damit eine möglichst baldige Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
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. Die Beklagte habe daher eine möglichst baldige und abschließende Klärung der Verhältnisse angestrebt, um ihr Recht zur Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund zu wahren und um sich wieder dem operativen Geschäft widmen zu können. Aufgrund der tatsächlichen Umstände hätten die Mitgesellschafter allen Grund gehabt anzunehmen, dass dem Kläger eine persönliche Teilnahme möglich gewesen wäre. Denn sowohl die Ehefrau des Geschäftsführers M. P. als auch der IT-Administrator Herr S., der zugleich der unmittelbare Nachbar des Klägers sei, hätten ihn in der Zeit von Dezember bis Januar (dem Zeitraum des angeblichen Klinikaufenthalts) mehrmals draußen mit dem Hund gesehen. Ein ärztliches Attest habe den Mitgesellschaftern zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen. Die Wertung, dass der Kläger außer Stande wäre, an der Versammlung teilzunehmen, hätten die Mitgesellschafter deshalb nicht ziehen können oder müssen. Die Behauptung, der Kläger sei „krankheitsbedingt“ nicht in der Lage an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, stelle sich für den medizinischen Laien, der sehe, dass die betreffende Person „ganz normal draußen unterwegs“ sei, allenfalls als Schutzbehauptung und Verzögerungstaktik dar.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts München II vom 22.08.2013 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Vorsorglich beantragt die Beklagte, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und ist den neuen Vorwürfen der Beklagten entgegengetreten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. B.; insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung vom 26.06.2014 Bezug genommen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Klageantrag zu I. ist begründet, da bei der am 05.01.2013 erfolgten Beschlussfassung das Teilnahmerecht des Klägers verletzt wurde.

1.1 Der Kläger hatte ein Teilnahmerecht an der Versammlung, auch wenn er über seine Abberufung aus wichtigem GrundBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung aus wichtigem Grund
nicht mit abstimmen durfte. In dem Schreiben seines Anwalts vom 31.12.2012 wurde explizit darauf hingewiesen, dass der Kläger an der Gesellschafterversammlung persönlich teilnehmen möchte. Dass er bei der Gesellschafterversammlung vom 19.11.2013, in der es nochmals um seine Abberufung und die Kündigung des Anstellungsvertrages ging, nicht persönlich erschien, sondern sich – entgegen der Regelung in der Satzung der Beklagten – durch Herrn Rechtsanwalt Kohlmeier vertreten ließ, ist insoweit ohne Bedeutung.

1.2 Aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. B. steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass es dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen.

Der Zeuge bekundete für den Senat glaubhaft, der Kläger habe an einer schweren depressiven Episode gelitten und sich deshalb seit 13.11.2012 in der Klinik Windach in stationärer Therapie befunden. Die Auseinandersetzung mit seiner Familie habe dabei eine große Rolle gespielt. Die Nachricht von der für den 05.01.2013 einberufenen Gesellschafterversammlung habe ihn stark verunsichert. Mit dem Ärzteteam sei vereinbart worden, er solle nicht an der Gesellschafterversammlung teilnehmen, da sonst eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands zu erwarten gewesen wäre. Es hätte die Gefahr eines depressiven Einbruchs bestanden. Aus Sicht des Zeugen bestand durchaus die Gefahr, dass es nach der Teilnahme des Klägers an der Gesellschafterversammlung zu einer suizidalen Handlung gekommen wäre. Der Senat hat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. B.

1.3 Das Teilnahmerecht eines Gesellschafters kann auch dadurch verletzt werden, dass die Gesellschafterversammlung zu einem Zeitpunkt einberufen wird, an dem der Gesellschafter, wie das Einberufungsorgan von vornherein weiß, verhindert ist (BGH, Urteil vom 28.01.1985, II ZR 79/84, juris Tz. 10). Hier hatten die Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter unstreitig spätestens mit Erhalt des Schreibens des Klägers Kenntnis von dem Klinikaufenthalt und dessen voraussichtlicher Dauer bis Mitte/Ende Januar 2013. Dass sie den Kläger schon vor der Einberufung an einem Wochenende draußen gesehen haben, hat die Beklagte zwar nicht explizit vorgetragen, der Kläger befand sich jedoch unstreitig an den Wochenenden gelegentlich zu Hause. Der Senat unterstellt den Vortrag der Beklagten als wahr, die Brüder des Klägers seien bei der Einberufung davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage wäre, am Samstag, dem 05.01.2013 an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, so dass es keiner Einvernahme des Zeugen B. und der Zeuginnen P. und S. bedurfte.

1.4 Mit Erhalt des Schreibens von Herrn Rechtsanwalt K. vom 31.12.2012 durften die Mitgesellschafter der Beklagten davon jedoch nicht mehr ausgehen und wären aufgrund der gesellschaftlichen Treupflicht gehalten gewesen, die Gesellschafterversammlung um ca. drei bis vier Wochen auf einen Zeitpunkt nach der Entlassung des Klägers zu verschieben, da die Behandlung der Angelegenheit nicht eilbedürftig war.

1.4.1 Die Frage, ob es nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere bei geringer Gesellschafterzahl geboten sein kann, auf das Teilnehmerecht eines Gesellschafters auch dann Rücksicht zunehmen, wenn sich erst nach Einladung der Gesellschafter herausstellt, dass einer von ihnen verhindert ist und durch Dritte nicht sachgemäß vertreten werden kann (zustimmend OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Bremen
, Urteil vom 09.04.2010, 2 U 107/09, juris Tz. 55), hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung von 28.01.1985 (a.a.O.) zwar ausdrücklich offengelassen, aber auch nicht generell ausgeschlossen.

Unter dem Gesichtspunkt der Treupflicht macht es jedoch keinen entscheidenden Unterschied, ob die Mitgesellschafter und -Geschäftsführer, die vor der Einberufung zumindest Kenntnis davon hatten, dass der Kläger Patient in einer psychosomatischen Klinik ist, schon vor dem 19.12.2012 oder erst durch Mitteilung vom 31.12.2012 davon erfuhren, dass der Kläger krankheitsbedingt nicht in der Lage war, an der Gesellschafterversammlung am 05.01.2013 teilzunehmen.

Die Entscheidung des OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Dresden
vom 15.11.1999, 2 U 2303/99, betrifft eine andere Fallkonstellation.

1.4.2 Das Einberufungsorgan wurde mit Schreiben vom 31.12.2012 hinreichend darüber informiert, dass der Klägers krankheitsbedingt an der Gesellschafterversammlung nicht teilnehmen kann.

Dem Schreiben war zwar weder ein Attest beigefügt, noch enthielt es eine genauere Erläuterung des Gesundheitszustands des Klägers, ihm ließ sich jedoch die eindeutige Aussage des Rechtsanwalts des Klägers entnehmen, der Kläger sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Wenn die Mitgesellschafter Zweifel an der Richtigkeit dieser Behauptung hatten, wären sie verpflichtet gewesen, den Kläger oder seinen Anwalt um Vorlage einer entsprechenden Bestätigung der behandelnden Ärzte zu bitten. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte insoweit auf eine Obliegenheit des Klägers, von vornherein ein ärztliches Attest beizufügen.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um eine reine Familiengesellschaft handelt. Wenn, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 12.03.2014 ausführt, die Anfang November 2012 eskalierte Situation zwischen dem Kläger und seinen Brüdern, letztere belastete, hätte es im Übrigen nahegelegen, davon auszugehen, dass die Situation auch den Kläger, der sich zur Behandlung in einer psychosomatischen Klinik befand, belastete.

Zuzugeben ist der Beklagten, dass die Bitte, die Gesellschafterversammlung auf einen Zeitpunkt „nach der Wiedergenesung“ des Klägers zu verschieben, etwas vage ist. Die Mitgesellschafter wären jedoch aufgrund ihrer Treupflicht gehalten gewesen, die Gesellschafterversammlung auf einen Zeitpunkt nach dem vom Kläger mitgeteilten voraussichtlichen Entlassungstermin zu verschieben. Keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob es einer nochmaligen Verschiebung bedurft hätte, wenn der Kläger länger in der Klinik hätte bleiben müssen und – nach einer Verschiebung der Gesellschafterversammlung – einen späteren Entlassungstermin mitgeteilt hätte. Nicht gefolgt werden kann jedenfalls der Ansicht der Beklagten, angesichts der Schreiben drängte sich massiv der Eindruck auf, dass sie allein der Verzögerungstaktik dienten. Mit der vom Oberlandesgericht Bremen entschiedenen Fallkonstellation (Urteil vom 09.04.2010, 2 U 107/09, juris Tz. 56 f.), ist der streitgegenständliche Fall nicht vergleichbar, zumal es dort darum ging, eine Kapitalerhöhung noch in einem bestimmten Jahr zu beschließen, während hier eine Verschiebung der Gesellschafterversammlung um einige Wochen problemlos möglich gewesen wäre (s.u. Ziffer 1.4.3).

Auf das Schreiben vom 31.12.2012 nur mit E-Mail vom 04.01.2013 zu reagieren und die Gesellschafterversammlung abzuhalten, war somit treuwidrig. Der Hinweis, der verhinderte Gesellschafter könne im Rahmen der Satzung einen Vertreter benennen, blendet aus, dass nach der Satzung nur eine Vertretung durch einen anderen Gesellschafter zulässig ist. Dadurch wäre es dem Kläger indes nicht möglich gewesen, zu den Vorwürfen seiner Mitgesellschafter Stellung zu nehmen.

Aus dem Umstand, dass der Kläger bei der Gesellschafterversammlung vom 24.11.2013 nicht persönlich erschien, kann nicht geschlossen werden, der Kläger wäre auch am 05.01.2013 nicht an einer Teilnahme interessiert gewesen.

1.4.3 Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte hinsichtlich der Eilbedürftigkeit darauf, sie habe eine möglichst baldige und abschließende Klärung der Verhältnisse angestrebt, um ihr Recht zur Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund zu wahren. Auf die Abberufung als Geschäftsführer findet § 626 Abs. 2 BGB keine Anwendung (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 38 Rn. 17; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, Urteil vom 24.02.2000, 6 U 77/99, juris Tz. 92). Die Beklagte musste auch nicht befürchten, wegen Verwirkung von der Geltendmachung der von ihr behaupteten wichtigen Abberufungsgründe ausgeschlossen zu sein, wenn sie der Bitte des Klägers, die Gesellschafterversammlung zu verschieben, nachgekommen wäre. Abgesehen davon, dass Verwirkung nur nach einem längeren Zeitraum angenommen werden kann, muss der Geschäftsführer auf Grund des Verhaltens nach Treu und Glauben annehmen dürfen, die Gesellschaft wolle auf diese Umstände nicht zurückgekommen (Zöllner/Noack a.a.O.).

Auch die Befürchtung, sich aufgrund der Stellung des Klägers als Geschäftsführer und seiner Eintragung im Handelsregister etwaige Rechtshandlungen des Klägers, die ihren Interessen entgegenlaufen, zurechnen lassen zu müssen, begründet keine Eilbedürftigkeit. Dass der Kläger während seines Klinikaufenthalts Geschäftsführungsbefugnisse ausgeübt oder dies angekündigt hätte, hat die Beklagte nicht behauptet. Dem Schreiben seines Anwalts vom 19.12.2012 lässt sich nur entnehmen, dass der Kläger nach seinem Klinikaufenthalt seine Tätigkeit als Geschäftsführer wieder aufnehmen wolle.

Schließlich begründet auch der Wunsch der Beklagten, Klarheit zu schaffen, um sich wieder dem operativen Geschäft widmen zu können, keine Eilbedürftigkeit. Eine solche ergab sich auch nicht aus der Notwendigkeit, die Kündigungserklärungsfrist gem. § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten, da nur eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden sollte.

2. Mangels eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses, das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen, ist die ausgesprochene ordentliche Kündigung unwirksam (OLG NürnbergBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Nürnberg
, Urteil vom 22.12.2000, 6 U 1604/00, juris Tz. 12; Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 46 Rn. 36 und § 35 Rn. 216).

3. Mangels einer wirksamen Abberufung des Klägers am 05.01.2013 sind auch die Klageanträge zu III. und IV. begründet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die wesentlichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch höchstrichterliche Entscheidungen geklärt.

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