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OLG München, Beschluss vom 23.12.2010 – 7 U 3343/10

gebotene Erhebung einer Klage

GmbHG § 38

1. Bei einer Zweipersonen-GmbH richtet sich die Wirksamkeit der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund nach § 38 Abs. 2 GmbHG, also danach, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorlag. In einem solchen Fall sind zur Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowohl die Gesellschaft als auch der Gesellschafter, der den Geschäftsführer abberuft, befugt.

2. Zur Entlassung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Zweipersonen-GmbH, der nur gemeinsam mit dem anderen Gesellschafter-Geschäftsführer zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist, wegen grober Verletzung seiner Treuepflicht auf Grund Unterlassens der Mitwirkung an der gebotenen Erhebung einer Klage gegen Steuerschätzbescheide und an der Erstellung und Offenlegung des Jahresabschlusses durch Verweigerung der Einsicht in die Geschäfts- und Buchungsunterlagen.

Tenor

1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20.05.2010, Aktenzeichen 14 HKO 21590/09, wird einstimmig zurückgewiesen.

2. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.000,00 € festgesetzt.

Die Berufung des Verfügungsbeklagten war durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.

Auf den Hinweis des Senats vom 18.10.2010 wird Bezug genommen. Der Verfügungsbeklagte hat mit Schriftsatz vom 10.12.2010 hierzu Stellung genommen. Die hierin vorgetragenen Einwände zeigen keine Aspekte auf, die der Senat in seinem Hinweis nicht bereits berücksichtigt hätte, geben zu keiner von den Hinweisen des Senats abweichenden rechtlichen Bewertung Anlass und führen nicht zum Erfolg der Berufung.

Zu den Einwänden in der Stellungnahme ist lediglich ergänzend folgendes anzumerken:

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der Verstoß des Erstgerichts gegen § 349 ZPO hier sanktionslos bleibt. Eine Zurückverweisung würde zudem an der hier vorliegenden Entscheidungsreife scheitern. Eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme ist nicht erforderlich (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

2. Der Verfügungsbeklagte kann nicht mit dem Einwand des Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs hinsichtlich der Einvernahme des Zeugen E. gehört werden. Die Aussage des Zeugen E. ist hier nicht entscheidungserheblich.

3. Der Verfügungskläger zu 1) ist aktivlegitimiert.

Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass hier sowohl der Gesellschaft, der Verfügungsklägerin zu 2), als auch dem Verfügungskläger zu 1) als dem übrigen Gesellschafter der Weg der einstweiligen Verfügung bleibt. Aus der zitierten BGH-Entscheidung (II ZR 102/82, nach Juris Rz. 14 = BGHZ 86/177,183) ergibt sich kein Ausschluss der Klagemöglichkeit von Gesellschaft und Gesellschafter nebeneinander.

4. Der Senat verkennt nicht, dass sich die Mahnung des Bundesamtes für Justiz vom 09.07.2009 (Anlage AST 28) auf das Geschäftsjahr 2007 bezog.

Die hier erfolgte Zahlungserinnerung und Vollstreckungsankündigung hat der Senat (u.a.) als Beleg für die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen angesehen, um die Gesellschaft vor möglichen weiteren Schäden zu bewahren, so dass der Verfügungsgrund vorliegt.

5. Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch die Feststellungen im Urteil des Landgerichts München I vom 12.06.2007 (13 HKO 10215/07, Anlage B 1) nicht unberücksichtigt gelassen. Das Landgericht führt aus, dass trotz der wechselseitigen Abberufung als Geschäftsführer den Parteien eine Geschäftsführung ohne Zustimmung des jeweils anderen Geschäftsführers nicht gestattet ist, der (dortige) Beklagte (hier Verfügungskläger zu 1) folglich jedwede Geschäftsführertätigkeit und Vertretung der Gesellschaft, der der (dortige) Kläger (hier Verfügungsbeklagter) nicht zugestimmt hat, zu Unterlassen hat.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsbeklagten ergibt sich hieraus aber nicht, dass der Verfügungskläger zu 1) nur noch zum eigenen Vorteil und später zu Gunsten der Plagiatsfirma gearbeitet hätte.

6. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Verfügungskläger zu 1) jahrelang nicht um die Geschäfte der Verfügungsklägerin zu 2) gekümmert hat. Maßgeblich ist hier jedenfalls der gerichtliche Vergleich vom 21.03.2007, woraus sich ab diesem Zeitpunkt für die Parteien ein Treueverhältnis ergibt, dass sie zum Wohle der Gesellschaft bei der gemeinschaftlichen Geschäftsführung nachhaltig mitzuwirken verpflichtet sind.

7. Nach Auffassung des Senats belegt der vorgelegte E-Mail-Verkehr, dass der Verfügungsbeklagte die Mitwirkung des Verfügungsklägers zu 1) in erheblichem Maße erschwert hat, indem er ihm ohne berechtigten Grund die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen versagt hat.

Soweit der Verfügungsbeklagte sich auf die E-Mail vom 19.07.2009 (Anlage AST 21 = B 20) beruft, ergibt sich auch aus dieser E-Mail die nur eingeschränkte Bereitschaft des Verfügungsbeklagten, Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu gewähren. Danach wollte er den Steuerberatern des Verfügungsklägers zu 1) nur Einsicht gewähren, wenn sie von keiner Plagiatsfirma oder Stagegroup sind und entsprechende eidesstattliche Versicherungen abgeben. Ein Gesellschafter kann sich aber zur Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen eines Sachverständigen bedienen, der zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet ist (vgl. Zöllner in Baumbach/Huck GmbHG, 19. Aufl., § 51 a Rz. 25).

Maßgeblich ist das Schreiben der Steuerberaterin S. vom 22.07.2009 (Anlage AST 20) an den Verfügungskläger zu 1), der Verfügungsbeklagte habe sie angewiesen, bis zur Klärung zunächst keine Unterlagen herauszugeben. Dass diese Anweisung auch tatsächlich vorlag, belegt die E-Mail des Verfügungsbeklagten vom 16.07.2009 an die Steuerberaterin S. (Anlage AST 24).

8. Selbst den Vortrag des Verfügungsbeklagten unterstellt, der Verfügungskläger zu 1) habe vertragswidrig ohne sein Wissen die Kanzlei B. mit der Vertretung der Verfügungsklägerin zu 2) im Finanzgerichtsverfahren beauftragt (vgl. Vollmacht Anlage B 2, Beratungsleistungen lt. Anlage B 37) ist nicht erkennbar, inwiefern hierdurch gegen die aus dem Vergleich übernommene Verpflichtung seitens des Verfügungsklägers zu 1) verstoßen worden sein soll, zum Wohle der Gesellschaft nachhaltig zusammenzuwirken.

Dasselbe gilt, soweit der Verfügungsbeklagte rügt, die Kanzlei B. habe ohne Mitteilung an ihn den Antrag auf Aussetzung der VollziehungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und technische Stundung der Einspruchsentscheidung des Finanzamts München für Körperschaften gestellt (Anlage B 18 und B 19). Gerade letztere Schreiben dienten doch augenscheinlich dem Wohle der Gesellschaft, unabhängig von der Frage der berechtigten Vollmachtserteilung.

9. Die seitens des Verfügungsbeklagten behauptete eigene Untätigkeit des Verfügungsklägers zu 1) hinsichtlich der Unterzeichnung von Jahresabschluss und Steuererklärung für 2003 (vgl. Schreiben der Steuerberaterin S. vom 22.05.2009 = Anlage B 14 a und E-Mail des Verfügungsklägers vom 13.07.2009 = Anlage B 15) ist nicht erkennbar. Immerhin hat der Verfügungskläger zu 1) mit E-Mail vom 18.06.2009 (Anlage B 14 c) darauf hingewiesen, er habe Frau S. angeschrieben, dass ihm unverzüglich Einblick in die Buchhaltung zu gewähren sei. Vorher und bevor er die Jahresabschlüsse und Erklärungen und alle zugrundeliegenden Sachverhalte prüfen konnte, könne eine Unterzeichnung nicht erfolgen.

10. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es ein grob pflichtwidriges Handeln des Verfügungsbeklagten darstellt, seine weitere Kooperationsbereitschaft gerade in der Finanzangelegenheit der Gesellschaft von der Zustimmung des Verfügungsklägers zu 1) zur vorrangigen Klageerhebung der GvB GmbH abhängig zu machen, um seinerseits seiner originären Zahlungsverpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich nachkommen zu können. Der Verfügungsbeklagte wollte zunächst die Angelegenheit zur Begleichung seiner eigenen Forderung aus dem Vergleich regeln unter Hintanstellung der Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Der Einwand des Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin zu 2) habe sich durch diese Forderung ja gar nicht beeindrucken lassen, sondern diese umgehend mit Schreiben von Rechtsanwalt Sz. vom 15.07.2009 (Anlage BB 33) zurückgewiesen, ist unerheblich. Maßgeblich ist das eigene Verhalten des Verfügungsbeklagten. Dass er von diesem „Junktim“ wieder Abstand genommen hat, wie er nunmehr behauptet, ergibt sich entgegen dessen Vortrag nicht aus der vorgelegten E-Mail des Verfügungsbeklagten vom 14.07.2009 (Anlage BB 33 a). Im Gegenteil erwartete er vom Verfügungskläger zu 1) ausdrücklich eine Antwort auf seine E-Mail vom 13.07.2009.

Auch die E-Mail des Verfügungsbeklagten vom 17.07.2009 (Anlage BB 35) belegt keine Abstandnahme des Verfügungsbeklagten von diesem Junktim. Laut E-Mail sollten noch offene Punkte abgestimmt werden.

11. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der Zuspitzung der Lage für die Gesellschaft.

Der Einwand des Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger zu 1) habe sich nach Erhalt der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen 2004 und 2005 mit Schreiben vom 31.07.2009 bis zum 04.09.2009 Zeit gelassen, die Steuererklärungen zu unterzeichnen und über das weitere Vorgehen zu befinden, greift nicht.

Mit E-Mail des Verfügungsklägers zu 1) vom 18.07.2009 (Anlage B 14 c) hat der Verfügungskläger zu 1) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er vor Unterzeichnung Einsicht in die Buchhaltung benötige, um die Abschlüsse und Erklärungen prüfen zu können.

12. Ausreichende Glaubhaftmachung ist durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsklägers zu 1) vom 12.11.2009 (Anlage AST 1) erfolgt.

Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass die vom Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen den Beweis berechtigten Handelns nicht erbringen. Vielmehr sind sie ein Beleg für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags, was sich aus dem bereits im Hinweisbeschluss genannten E-Mail-Verkehr ergibt. Soweit der Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 10.12.2010 die Nachreichung einer eigenen eidestattlichen Versicherung ankündigt, bedurfte es nicht des weiteren Zuwartens; das angekündigte neue Vorbringen wäre ohnehin als verspätet zurückzuweisen.

13. Aus den oben genannten Gründen hat es auch bei dem den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss sein Bewenden.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert bemisst sich nach § 247 AktG analog.

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