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OLG Naumburg, Urteil vom 02.10.2006 – 2 U 14/06 (Hs)

GmbHG §§ 43, 46; BGB § 738

1. Da ein entschädigungsloser Ausschluss aus der Gesellschaft auf eine privatrechtliche Enteignung hinausliefe (vgl. Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 34, Rn. 111), hat grundsätzlich auch der Inhaber eines zwangseingezogenen Gesellschaftsanteils entsprechend § 738 Abs. 1 S. 2 BGB einen Abfindungsanspruch in Höhe des vollen wirtschaftlichen Werts seines Geschäftsanteils (vgl. Lutter Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34, Rn. 49; Scholz-Westermann, GmbHG, 9. Aufl., § 34, Rn. 22). Dieser Wert entspricht dem bei Veräußerung an einen Dritten erzielbaren Preis. Da insoweit kein Markt besteht, muss der Unternehmenswert nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt und auf den Geschäftsanteil umgelegt werden. Bestimmte Methoden sind hierbei zwar nicht vorgeschrieben, jedoch wird in Betriebswirtschaft und Rechtslehre seit langem die Berechnung auf der Grundlage des Ertragswerts bevorzugt. Dieser beruht auf der Kapitalisierung nachhaltig zu erwartender künftiger Erträge (i.S.v. Ertragsüberschuss, Gewinn), die auf der Grundlage der gegenwärtigen Ertragslage des Unternehmens unter Berücksichtigung bereits erkennbarer Entwicklungsfaktoren ermittelt werden (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, GmbHR 1998, 641, 642 m.w.N.).

2. Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch eine Abfindung zum (weit überwiegend am Substanzwert orientierten) Vermögenssteuerwert vereinbart werden (vgl. BGH, GmbHR 1992, 757; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, BB 1987, 2392; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, GmbHR 1998, 641, 642; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 34, Rn. 36; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 34, Rn. 82; Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, § 34, Rn. 9; Rowedder-Bergmann, GmbHG, 4. Aufl., § 34, Rn. 108). In diesem Fall findet dann eine Schätzung des Anteilswerts nach dem von der Finanzverwaltung entwickelten sog. „Stuttgarter Verfahren“ auf der Grundlage des Einheitswerts unter lediglich begrenzter Berücksichtigung des Ertragswerts statt (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 34, Rn. 36). Dass dieses Verfahren teilweise als zur Ermittlung des Wertes eines Gesellschaftsanteils ungeeignet angesehen wird (vgl. Göllert, DB 1999, 516 ff; Heller, GmbHR 1999, 594 ff; Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 34, Rn. 50; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 34, Rn. 45), ändert nichts an der auf Grund der Vertragsfreiheit zulässigen Vereinbarung der Beteiligten.

3. Das Stuttgarter Verfahren war ursprünglich in Abschn. 74 ff VStR 1989, danach in Abschn. 4 ff VStR 1995 geregelt und findet sich nach zwischenzeitlicher Aufhebung der Vermögensbesteuerung seit 1999 in R 96 ff der ErbStR. Die in § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages enthaltene Verweisung auf den zuletzt vom Finanzamt festgestellten gemeinen Wert des Gesellschaftsanteils geht infolge der Aufhebung der Vermögensbesteuerung ins Leere. In einem solchen Fall ergibt die ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB), dass eine Bewertung durch den Sachverständigen weiterhin nach dem Stuttgarter Verfahren anhand den nunmehr aktuellen Bewertungsgrundlagen, hier also den ErbStR erfolgen soll (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 34, Rn. 36). Da das von der Finanzverwaltung zur Ermittlung eines pauschalierenden Steuerwerts entwickelte Stuttgarter Verfahren tendenziell zu Werten unterhalb des Verkehrswertes gelangt, mussten die Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Interesse der Unternehmenserhaltung und Liquiditätssicherung auch in dem von ihnen nicht bedachten Fall der Aufhebung der Vermögensbesteuerung an der weiteren Anwendung des Stuttgarter Verfahrens interessiert sein, dabei auch mit zukünftigen Änderungen der Bewertungsgrundlagen rechnen und diese bei verständiger Würdigung aus Vereinfachungsgründen hinnehmen (vgl. Heller, GmbHR 1999, 594, 595 f).

4. Die Vereinbarung des Stuttgarter Verfahrens hat die Rechtsprechung bisher nur dann als unwirksam angesehen, wenn sie wegen eines groben Missverhältnisses zwischen dem vereinbarten Abfindungsbetrag und dem wirklichen Anteilswert den ausscheidenden Gesellschafter unvertretbar benachteiligte (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, GmbHR 1998, 641, 643).

5. Gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ist ein Gesellschafterbeschluss über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegen einen früheren Geschäftsführer im Wege der Aufrechnung erforderlich.

6. Der Geschäftsführer einer GmbH, der auf deren Kosten Baumaßnahmen für private Zwecke durchführen lässt, haftet der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbH auf Schadensersatz.

7. Beim Abschluss von Rechtsgeschäften zwischen der Gesellschaft und Dritten darf sich der Geschäftsführer keine Provisionen versprechen lassen oder Schmiergelder entgegennehmen; nimmt er derartige Vorteile an, muss er sie der Gesellschaft herausgeben bzw. ersetzen.

Schlagworte: Abfindung, Ausschluss, Bewertungsmethoden, Ertragswertverfahren, Geschäftsanteil, Geschäftsführer, Gesellschafterbeschluss, Herausgabe, Schadensersatzanspruch, Stuttgarter Verfahren, Unternehmensbewertung