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OLG Naumburg, Urteil vom 09.02.2012 – 1 U 67/11

BGB §§ 705 ff.

1. Soll eine Gesellschaft erst gegründet werden und wird sie bereits vor Einigung über alle vertraglichen Punkte im allseitigen Einverständnis in Vollzug gesetzt, kann trotz fehlender Gesamteinigung bereits eine BGB-Gesellschaft entstehen (so bereits: BGH Urteil vom 23.11.1959 – II ZR 187/58, NJW 1959, 430; Urteil vom 28.6.1982 – II ZR 226/81, NJW 1982, 2816, 2817].

2. Für den Beitritt zu einer bestehenden Gesellschaft kann dies indes jedenfalls dann nicht gelten, wenn sowohl der Wille der vorhandenen Gesellschafter als auch des Eintrittskandidaten dem entgegen stehen. Der Beitritt zu einer Gesellschaft stellt eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dar, über die Einigung erzielt werden muss, die aber nicht vorliegt, wenn die BGB-Gesellschaft bzw. deren Gesellschafter die Aufnahme eines neuen Gesellschafters von Bedingungen abhängig machen wollen, die der Eintrittskandidat nicht erfüllen will. Gegen den erklärten Willen aller Beteiligter kann ein Beitritt durch konkludentes Handeln zu einer bestehenden Gesellschaft nicht angenommen werden.

3. Unter einer Gemeinschaftspraxis versteht die Rechtsprechung in Abgrenzung zu einer Praxisgemeinschaft eine Organisation zur gemeinschaftlichen Behandlung von Patienten, gemeinsamer Karteiführung und zur Abrechnung aller Fälle unter einem Namen (BSG Urteil vom 22.4.1983 – 6 RKa 7/81, BSGE 55, 97; 104; vgl. auch die noch weitergehende geplante Definition für die Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte, zitiert nach Spickhoff/Scholz Medizinrecht, MBO § 18, Rn. 4). Die Gemeinschaftspraxis bedarf zudem der vorherigen Genehmigung durch den Zulassungsausschuss der kassenärztlichen Vereinigung (§ 33 Abs. 3 S. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte – Ärzte-ZV -). Diese auf eine langfristige Zusammenarbeit angelegte Organisation ist daher grundsätzlich als BGB-Gesellschaft anzusehen, die nach der vorgenannten Rechtsprechung auch durch Invollzugsetzung entstehen kann.

4. Eine durch Invollzugsetzung gegründete Gesellschaft kann von allen Gesellschaftern jeder Zeit gekündigt werden (MK-Ulmer BGB, 5. Aufl., § 705, Rn. 29).

5. Für die Beendigung einer gekündigten Gesellschaft sieht das Gesetz mangels gesellschaftsvertraglicher Regelungen grundsätzlich das Auseinandersetzungsverfahren nach den §§ 730 ff. BGB vor. Das Auseinandersetzungsverfahren setzt seinerseits voraus, dass die Gesellschaft Gesellschaftsvermögen gebildet hat. Davon kann aber bei einer (gleichsam vorläufigen) Gründung durch Invollzugsetzung nicht ausgegangen werden.

6. Ist davon auszugehen, dass kein Gesellschaftsvermögen gebildet wurde, kommt eine Liquidation nicht in Betracht, allenfalls denkbar ist ein schuldrechtlicher Auseinandersetzungsanspruch auf Abrechnung und (ggfls.) Auszahlung (BGH Urteil vom 26.6.1989 – II ZR 128/88, NJW 1990, 573). Ein solcher Anspruch muss aber ausscheiden, wenn ein solcher konkludent abgedungen oder erfüllt wurde.

Schlagworte: Auseinandersetzung, Beitritt, BGB-Gesellschaft, GbR, Gründung, Kündigung, Liquidation, Personengesellschaft