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Saarländisches OLG, Urteil vom 22.12.1998 – 8 U 98/98

§ 43 GmbHG

1. Gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft solidarisch für den daraus entstandenen Schaden. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. § 43 GmbHG entspricht §§ 93 AktG, 34 GenG (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder).

2. Maßstab für Pflichterfüllung der Geschäftsführer ist danach die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Der dabei zu beachtende Standard wird umschrieben als der einer Person in der verantwortlichen Stellung des Verwalters eines fremden Vermögens (OLG BremenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 64, 9) oder der eines selbständigen, treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 17; Baumbach/Hueck, GmbHG, 14. Aufl., § 43 Rdnr. 9; Rohwedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 6). Die Pflicht des Geschäftsführers geht dabei über die eines ordentlichen Kaufmannes hinaus; denn verlangt wird die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhänderischer Wahrung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat (Scholz, GmbHG, 8. Aufl., § 43 Rdnr. 32). Dadurch unterscheidet sich der Pflichtenkreis des Geschäftsführers von demjenigen eines Einzelkaufmannes. Die Stellung des Geschäftsführers wird durch die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen und durch das Vertrauen geprägt, das die Gesellschafter dem Geschäftsführer durch die Übertragung der Verantwortung für das Unternehmen entgegenbringen. Die Geschäftsführer handeln nicht für ein eigenes, sondern für ein fremdes Unternehmen. Dabei können auch Art und Größe sowie Struktur des Unternehmens für den zu setzenden Maßstab von entscheidender Bedeutung sein. Insbesondere kann sich der Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass er seiner Aufgabe nicht gewachsen war (BGH WM 71, 1548; NJW 83, 1856).

3. Bei der Bestimmung und Abgrenzung der einem Gesellschafter obliegenden Pflichten ergeben sich insoweit Schwierigkeiten, als das Gesetz einerseits den Umfang dieser Pflichten nicht abschließend regelt, andererseits diese Pflichten grundsätzlich durch den Gesellschaftsvertrag, den Anstellungsvertrag oder durch einzelne Gesellschafterbeschlüsse erweitert bzw. eingeschränkt werden (vgl. Ebenroth/Lange, Sorgfaltspflichten und Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einer GmbH nach § 43 GmbHG, GmbHR 92, 69 ff). Oberstes Gebot für eine ordentliche Geschäftsführung ist es, im Rahmen des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrages, der für die Geschäftsführung verbindlichen Beschlüsse anderer Organe der Gesellschaft und unter der gebotenen Berücksichtigung öffentlicher interessen an dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden (Ebenroth/Lange, aaO, S. 70).

4. Pflicht eines Geschäftsführers ist es, für sein Unternehmen Geschäfte zu machen. Diese Aufgabe darf bei der Pflichtenanalyse nicht außer Betracht bleiben. Geschäftsführer sind Fremdverwalter und nicht selbst Unternehmer. Sie haften daher weder gegenüber Dritten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, noch haben sie der Gesellschaft ohne Weiteres die Verluste, die während der Zeit, in der sie die Organstellung innehatten oder die durch Maßnahmen im Rahmen ihrer Geschäftsführung entstanden sind, zu ersetzen. Das Unternehmerrisiko trägt allein die Gesellschaft. Es liegt also nicht bei dem Geschäftsführer, sofern dieser sich pflichtgemäß verhält (Scholz, aaO, § 43, Rdnr. 6).

5. Den Geschäftsführer trifft die Pflicht zur Unternehmensführung. Die Zuständigkeit für die Unternehmensleitung ist zwischen den Gesellschaftern und dem Geschäftsführer dergestalt aufgeteilt, dass die Gesellschafter zwar die Grundsätze der Unternehmenspolitik bestimmen, die Geschäftsführer aber für den organisatorischen Rahmen und das tatsächliche Geschäft verantwortlich sind. Bei einer Delegation von Verantwortung ist der notwendigen Aufsichtspflicht nachzukommen. Der Geschäftsführer hat sowohl die durch die Gesellschaft aufgestellten Grundsätze der Unternehmenspolitik als auch bestehende Einzelanweisungen bei der Planung und Realisierung der Unternehmenspolitik zu beachten.
 
6. Bei seiner Tätigkeit hat der Geschäftsführer einen weiten Ermessensspielraum. Allerdings begründet unternehmerisches Ermessen noch keinen Haftungsfreiraum, sondern definiert nur die Entscheidungsfreiheit in den gesetzlichen Grenzen. Es kann aber nicht angehen, dass die Gerichte die unternehmerische Freiheit durch eine zu weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit der vom Geschäftsführer getroffenen Entscheidung überprüfen. Die Gerichte haben sich bei der Prüfung darauf zu beschränken, ob die aus Gesetz und Satzung sich ergebenden Schranken und Regeln eingehalten sind; eine Zweckmäßigkeitskontrolle ist nicht ihre Aufgabe.
 
7. Bei der Leitung einer GmbH ist der Geschäftsführer an das Unternehmensziel und an das Unternehmerinteresse gebunden (vgl. Kion, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, BB 84, 864, 865); nicht damit zu vereinbarende Maßnahmen sind zu Unterlassen. Das Unternehmensziel kann in der Satzung niedergelegt sein oder sich unmittelbar aus der Geschäftspolitik, der vertretenen wirtschaftlichen, politischen, ideellen oder öffentlichen Zielsetzung ergeben. Problematisch ist nur, inwieweit die unterschiedlichen im Unternehmen zusammentreffenden interessen zu gewichten sind und welche Organe das Unternehmensinteresse konkretisieren.
 
8. Besondere Bedeutung kommt bei der Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Frage zu, ob und inwieweit das Eingehen geschäftlicher Risiken gegen die Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers verstößt. Aus § 43 Abs. 1 GmbHG ist nicht zu folgern, dass der Geschäftsführer risikoreiche Geschäfte grundsätzlich ablehnen muss; denn unternehmerische Geschäfte sind stets risikobehaftet. Mit der Verpflichtung des Geschäftsführers zur aktiven Förderung des Gesellschaftszwecks korrespondiert aber das Unterlassen jeglicher Gefährdung eben dieses Zwecks. Inzwischen ist anerkannt, dass nicht jedes gewagte Geschäft per se eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt (Ebenroth/Lange, aaO, S. 72). Maßgebend bleiben Fragen wie: ob das einzelne Risikogeschäft zweckmäßig vorbereitet wurde, bzw. ob alle Möglichkeiten der Risikominimierung getroffen wurden. Für alle denkbaren Schäden kann man nicht vorsorgen. Danach besteht eine Pflicht nur zur Verhinderung übermäßig riskanter Unternehmungen. Es muss stets naheliegender sein, dass sich das Geschäft für die GmbH als vorteilhaft erweist, als dass es zu einer Schädigung führt (Zöller in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 16. Aufl., § 43 Rdnr. 15).
 
9. Der Geschäftsführer vollzieht seine Tätigkeit im Spannungsfeld zwischen Weisungsgebundenheit und Eigenverantwortlichkeit. Die Geschäftsführer sind an Weisungen gebunden, soweit diese in Einklang mit Gesetz und Gesellschaftsvertrag stehen. Weisungsgemäßes Verhalten kann nicht zum Schadensersatz führen. Weisung kann auf Gesellschafterbeschluss beruhen, oder es kann sich um die Weisung des Alleingesellschafters handeln, weil dessen Wille identisch ist mit demjenigen der Gesellschaft.

Schlagworte: Geschäftsleiterpflichten, Haftung nach § 43 GmbHG, Innenhaftung, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, unternehmerische Entscheidungen