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OLG Schleswig, Urteil vom 16. 3. 2000 – 5 U 244/97

KapErhG §§ 23 Abs. 1, 25 Abs. 1; AktG § 242 Abs. 2 analog

1. Geht man davon aus, dass für den Beginn der Beschlussanfechtungsfrist in der GmbH die Kenntnis oder Erkennbarkeit des Beschlussmangels für den Anfechtungsberechtigten maßgeblich ist, so kommt es im Falle der Rechtsnachfolge in einen Geschäftsanteil auf den früheren Anfechtungsberechtigten an, von dem der jetzige Inhaber des Geschäftsanteils sein Anfechtungsrecht ableitet.

2. Die Klagebefugnis zur Nichtigkeitsklage steht jedem GmbH-Gesellschafter zu. Ein etwaiger Verzicht des RechtsvorgängersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Verzicht
Verzicht des Rechtsvorgängers
des Geschäftsanteils auf die Anfechtung eines Beschlusses steht dem nicht entgegen.

3. Der spätere Eintritt einer Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kapitalerhöhung kann deren Heilung analog § 242 Abs. 2 AktG nicht zeitlich hinausschieben.

Aus den Gründen

2. Beide Klageanträge sind bereits unabhängig davon unbegründet, ob die behaupteten Beschlussmängel wegen Verstoßes gegen KapErhG §§ 23 Abs. 1 vorliegen.

a) Soweit die Kl. aus diesem etwaigen Verstoß (nur) einen Anfechtungsgrund herleitet, scheitert sie schon an ihrer fehlenden Anfechtungsbefugnis. Zwar gilt für die Anfechtungsbefugnis nicht AktG § 245 Nr. 1-3 analog. Vielmehr hat jeder Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis, vorausgesetzt, er war entweder schon im Zeitpunkt der angegriffenen Beschlussfassung Gesellschafter, oder er ist Rechtsnachfolger eines solchen Gesellschafters. Soweit ein Anfechtungsberechtigter alle seine Anteile veräußert, geht das Anfechtungsrecht auf den Erwerber des zuletzt übertragenen Anteils über (Baumbach/Hueck-Zöllner, GmbH, 16. Aufl., 1996, Anh. § 47 Rdn. 74 m.w.N.). Hier steckt in dem von der Kl. erworbenen Teilgeschäftsanteil von 250000,- DM, der seinerseits aus dem durch Zusammenlegung entstandenen früheren Geschäftsanteil des Nebenintervenienten i.H.v. 500000,- DM hervorgegangen ist, (teilweise) auch der Geschäftsanteil von 100000,- DM, der der B-GmbH vor den Verschmelzungsvorgängen des Jahres 1993 an der Gemeinschuldnerin zugestanden hat. Jedenfalls von daher erfüllt die Kl. grundsätzlich die Voraussetzungen der Klagebefugnis. Doch ist sie nicht die Letzterwerberin. Wie sich aus dem Schreiben des Notars P vom 18. 4. 1997 an den Nebenintervenienten ergibt, hat der Nebenintervenient den anderen Teilgeschäftsanteil später an eine andere Gesellschaft aus der Unternehmensgruppe der Kl. veräußert. Da die Kl. ihre Anfechtungsbefugnis auf ihre Inhaberschaft hinsichtlich des von dem Nebenintervenienten zuerst veräußerten Geschäftsanteils stützt, kann sie mit einer Anfechtungsklage schon deswegen nicht durchdringen. Hinsichtlich der Antrags b (Zustimmungsbeschluss) kommt hinzu, dass der Nebenintervenient auf das Anfechtungsrecht nach II der Nr. 527 der Urkundenrolle für 1993 des Notars P verzichtet hat. Da die Kl. das Anfechtungsrecht von ihren Rechtsvorgängern ableitet, muss sie sich deren Dispositionen darüber zurechnen lassen. Schließlich ist ein etwaiges Anfechtungsrecht, das auf die Kl. hätte übergehen können, insgesamt, d.h. bezüglich Antrag a und b, eindeutig verfristet. Zwar gilt im GmbH-Recht nicht die Einmonatsfrist nach § § 246 Abs. 1 AktG analog, sondern eine angemessene Frist (zuletzt BGHZ 111, BGHZ Band 111 Seite 225f.), und es mag auch sein, dass die angemessene Frist nicht schon – wie gem. § 246 Absatz I AktG – mit der Beschlussfassung, sondern erst mit der Kenntnis oder doch wenigstens Erkennbarkeit des Beschlussmangels für den Anfechtungsberechtigten beginnt (Zöllner, aaO, Rdn. 79c m.w.N.). Jedenfalls aber kann es nicht auf die Kenntnis bzw. Erkennbarkeit des etwaigen Beschlussmangels für die Kl., sondern muss es auf die Kenntnis bzw. Erkennbarkeit für die früheren Anfechtungsberechtigten ankommen, von denen die Kl. ihr etwaiges Anfechtungsrecht ableitet. Der B-GmbH und dem Nebenintervenienten war aber schon seit Februar 1994 bekannt, dass die Eintragung der zweiten Verschmelzung programmwidrig der ersten vorausgegangen statt nachgefolgt war. Damit war die Grundlage für rechtliche Zweifel bekannt, die Möglichkeit rechtlicher Überprüfung gegeben. Das reicht nach ganz überwiegender Lit.ansicht (vgl. Zöllner, aaO, Rdn. 79c). Die Rspr. hat ohnehin noch keine Neigung erkennen lassen, den Fristbeginn anders zu bestimmen, als § 246 Absatz I AktG dies im Aktienrecht tut. BGHZ 111, BGHZ Band 111 Seite 225 identifiziert die angemessene Frist sogar mit der Einmonatsfrist, sofern nicht besondere Umstände und fehlende Erkennbarkeit des Beschlussmangels die Klage innerhalb der Einmonatsfrist verhindern. Legt man das zu Grunde, so hätte die Anfechtungsklage (durch den Nebenintervenienten) noch in der ersten Hälfte 1994 erhoben werden müssen. Die Klageerhebung Anfang 1997 ist viel zu spät.

b) Soweit die Klägerin aus dem etwaigen Verstoß der Beschlüsse einen Nichtigkeitsgrund ableitet, hat sie zwar die Klagebefugnis. Das Recht, die Nichtigkeit der Beschlüsse feststellen zu lassen, ist Ausfluss ihres Mitgliedschaftsrechts. Deshalb kommt es schon im Aktienrecht nicht darauf an, ob der Aktionär zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits Aktionär gewesen ist oder ob er seine Mitgliedschaft auf einen zur Zeit der Beschlussfassung bereits beteiligten Rechtsvorgänger zurückführen kann (Hüffer, AktG, 4. Aufl., 1999, § 249 Rdn. 4f). Erst Recht entfallen derartige Anforderungen im GmbH-Recht. Da die Klagebefugnis zur Nichtigkeitsklage jedem Gesellschafter zusteht, spielt auch der Verzicht des RechtsvorgängersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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auf die Anfechtung der Verschmelzung keine Rolle. Schließlich gibt es schon im Aktienrecht keine Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage, die im GmbH-Recht entsprechend herangezogen werden könnte.

Wohl ist die etwaige Nichtigkeit analog § 242 Absatz II AktG geheilt. Der BGH hält heute nach ursprünglich abweichender Sicht auch im GmbH-Recht den Ablauf der Dreijahresfrist ab Eintragung für maßgebend (BGHZ 80, 216f.). Was die Kapitalerhöhung betrifft, so ist diese Frist bereits vor der Klageerhebung verstrichen. Denn die Kapitalerhöhung ist bereits am 31. 8. 1993 in das HR am Sitz der Gemeinschuldnerin eingetragen worden. Die spätere Berichtigung von Amts wegen ist ein für  § 242 Absatz II AktG wirkungsloser Fehler des RegGer. gewesen. Die Eintragung der Kapitalerhöhung war nämlich völlig in Ordnung. § 25 Absatz I 1 KapErhG bezieht sich nur auf die Eintragung der Verschmelzung. Wie sich aus § 25 Absatz I 2 KapErhG ergibt, muss die Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft (hier: der Gemeinschuldnerin) sogar vor der Verschmelzung bei der übertragenden Gesellschaft eingetragen werden, weil die – mit der Eintragung bei der übertragenden Gesellschaft eintretende – Wirksamkeit der Verschmelzung die vorherige Eintragung der Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft voraussetzt (Hachenburg/Schilling/Zutt, aaO, § 25 VerschmG Rdn. 4). Mindestens im Ansatz führt deshalb kein Weg daran vorbei, dass die für die Dreijahresfrist des § § 242 Absatz II AktG maßgebliche Eintragung diejenige am 31. 8. 1993 ist. Daran könnte sich nur dann etwas ändern, wenn die Dreijahresfrist ausnahmsweise nicht von der Eintragung der Kapitalerhöhung, sondern von ihrem Wirksamwerden an abliefe. Denn die Wirkung der Kapitalerhöhung tritt erst mit derjenigen der Verschmelzung, d.h. mit der Eintragung der Verschmelzung im HR am Sitz der übertragenden Gesellschaft, hier: der R. B-GmbH ein (Hachenburg/Schilling/Zutt, aaO, § 25 VerschmG Rdn. 4). Doch wird die Verschiebung des Fristbeginns auf den späteren Zeitpunkt des Wirksamwerdens des eingetragenen Beschlusses nicht nur – soweit ersichtlich – nirgendwo erwogen. Vielmehr würde sie auch nicht damit harmonieren, dass nach ganz h.M. ein bis dahin mangels Eintritts einer zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzung nicht nichtiger, sondern unwirksamer Beschluss 3 Jahre nach Eintragung analog § 242 Absatz II AktG geheilt wird (Hüffer, AktG, § 242 Rdn. 10). Wenn der Ausfall einer Wirksamkeitsvoraussetzung die Heilung analog § 242 Absatz II AktG nicht verhindern kann, kann ihr späterer Eintritt sie nicht zeitlich hinausschieben.

Mit der Heilung des Kapitalerhöhungsbeschlusses entfällt ggf. zugleich die Grundlage dafür, Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses zur Verschmelzung – Antrag b – anzunehmen. Denn die etwaige Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der Verschmelzung kann sich nur daraus ergeben, dass die wirksame Kapitalerhöhung für die Verschmelzung Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Die Heilung der Kapitalerhöhung führt deshalb zugleich zur Heilung der Verschmelzung.

3. Die Klageanträge sind aber auch dann unbegründet, wenn man den Überlegungen unter 2. nicht folgt, inbes. mit der Kl. davon ausgeht, dass der Verstoß gegen § 23 Absatz I 1 KapErhG zur Nichtigkeit des Beschlusses über die Kapitalerhöhung führt und eine Heilung (wegen Beginns der Dreijahresfrist des § § 242 Absatz II AktG erst nach der zweiten Eintragung vom 3. 2. 1994) vor Einreichung der Klage am 31. 1. 1997 nicht eingetreten ist. Denn ein Verstoß gegen § 23 Absatz I 1 KapErhG liegt nicht vor.

§ 23 Absatz I 1 KapErhG setzt die Kapitalerhöhung gem. § 22 KapErhG durch eine übernehmende Gesellschaft voraus, die Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft hat. Im Zeitpunkt des Beschlusses über die Kapitalerhöhung (12. 3. 1993) hat die Gemeinschuldnerin noch gar keine Geschäftsanteile an der R. B.-GmbH gehabt. Der Beschluss selbst kann daher gar keine Mängel aufweisen, aus denen seine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit abgeleitet werden könnte. Allenfalls lässt sich argumentieren, die Kapitalerhöhung sei nicht – wie normalerweise – mit der Eintragung der Verschmelzung in das HR der übertragenden Gesellschaftwirksam geworden, weil in diesem Zeitpunkt die Normsituation des § 23 Absatz I 1 KapErhG vorgelegen habe. Aber abgesehen davon, dass eine Unwirksamkeit der Kapitalerhöhung in diesem Sinne kaum mit einer Klage auf Vernichtung bzw. Feststellung der Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses geltend gemacht werden kann: Auf jeden Fall scheitert eine solche Argumentation daran, dass der Zweck des § 23 Absatz I 1 KapErhG sie nicht zulässt. Wie die Kl. in ihrer Berufungsbegründung selbst hervorhebt, erklärt § 23 Absatz I 1 KapErhG sich daraus, dass im Fall der übernehmenden Gesellschaft, die die Anteile an der übertragenden Gesellschaft hält, eine die Kapitalerhöhung erfordernde Anteilsgewährungspflicht gegenüber den bisherigen Gesellschaftern der übertragenden Gesellschaft ausscheidet, weil sich Pflicht und Anspruch in einer Person (mit der Folge der Konfusion) vereinigen. Es „drohen” demzufolge eigene Geschäftsanteile der übernehmenden Gesellschaft, die ausweislich des § 33 GmbHG im Interesse einer ordnungsgemäßen Aufbringung des Stammkapitals nur beschränkt zugelassen sind. Im vorliegenden Fall ist auf Grund des Verschmelzungsvertrags zwischen der Gemeinschuldnerin und der R. B-GmbH zunächst nicht eine (durch Konfusion erlöschende) Anteilsgewährungspflicht der Gemeinschuldnerin gegenüber sich selbst, sondern gegenüber der B-GmbH entstanden. Auch hat die B-GmbH die Gegenleistung für die versprochene Anteilsgewährung, nämlich die Übertragung des Vermögens der R. B-GmbH, erbracht, mag auch der Weg – statt der Gesamtrechtsnachfolge der Gemeinschuldnerin nach der R. B-GmbH diejenige nach der B-GmbH selbst mit nachfolgender Mutter-Tochter-Fusion – ein anderer gewesen sein als vorgesehen. Die Anteilsgewährungspflicht kann vor diesem Hintergrund unmöglich mit dem Erlöschen der B-GmbH (infolge Konfusion mit dem etwa kraft Gesamtrechtsnachfolge auf die Gemeinschuldnerin übergegangenen Anteilsgewährungsanspruch) erloschen sein. Denn anderenfalls hätten die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, wirtschaftlich betrachtet, das Vermögen der R. B-GmbH umsonst bekommen – ein Ergebnis, dessen Unerträglichkeit unmittelbar einleuchtet, wenn man bedenkt, dass die Gemeinschuldnerin theoretisch noch andere Gesellschafter als die B-GmbH oder den Nebenintervenienten gehabt haben könnte. Wegen des Erlöschens der B-GmbH kann die Anteilsgewährungspflicht allerdings nicht weiter gegenüber der B-GmbH bestanden haben. Vielmehr muss für den Anteilsgewährungsanspruch der Mutter (B-GmbH) gegen die Tochter (Gemeinschuldnerin) auf Grund der Verschmelzung der Mutter auf die Tochter das gelten, was auch für den Anteil der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft gilt, nämlich, dass er auf die/den Gesellschafter der Muttergesellschaft übergeht (vgl. Hachenburg/Schilling/Zutt, aaO, § 77 Anh II § 25 VerschmG Rdn. 52). Traf die Gemeinschuldnerin aber aus dem Verschmelzungsvertrag mit der R. B-GmbH eine Anteilsgewährungspflicht, die den Erwerb der Anteile an der R. B-GmbH schon durch Aufnahme der B-GmbH überdauert hat, so kann die Kapitalerhöhung nicht an § 23 Absatz I 1 KapErhG gescheitert sein. Denn ohne Kapitalerhöhung konnte die Gemeinschuldnerin die Anteilsgewährungspflicht nicht erfüllen.

Schlagworte: Aktivlegitimation des Gesellschafters, Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG analog, Verzicht des Rechtsvorgängers, Zeitpunkt der Klageerhebung, Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung