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OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.12.2012 – 20 AktG 1/12

AktG §§ 16, 17, 20, 124, 182, 186, 246a

1. Maßgeblich für die Grenze des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG ist nicht der – den Betrag von 1.000 Euro übersteigende – Kurswert, sondern das anteilige Grundkapital, das die Aktien repräsentieren. Sind Stückaktien ausgegeben, ist auf das durch die Zahl der Aktien dividierte Grundkapital abzustellen (Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 4).

2. Es ist der Aktienbesitz jedes Klägers gesondert zu betrachten (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
ZIP 2010, 986; Drescher in Henssler/Spohn, GesR, § 246a AktG Rz. 6; Göz in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 4; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 246a Rz. 19; Stilz in Festschrift Hommelhoff, 2012, 1181, 1186; a. A. Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 9); eine Addition der Beteiligungen mehrerer Antragsgegner kommt nicht in Betracht (so aber Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 9). Eine andere Ansicht stünde im Widerspruch zum erklärten und verfassungskonformen (OLG Stuttgart, ZIP 2009, 2337; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, AG 2010, 215) Ziel des Gesetzgebers, das „Aufspringen von Trittbrettfahrern“ mit sehr geringem Aktienbesitz zu verhindern und die faktische Kassationsmöglichkeit nur solchen Aktionären zu gewähren, die ein nicht unwesentliches Investment in eine Gesellschaft getätigt haben (vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2009, 2337).

3. Nach § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG offensichtlich unbegründet ist eine Anfechtungsklage, wenn sie – sei es auch aufgrund komplexer rechtlicher Erwägungen – nach der Rechtsauffassung des im Freigabeverfahren erkennenden Senats aufgrund des unstreitigen Sachverhalts unbegründet ist oder – sofern ihr Erfolg von einer Beweisaufnahme abhängt – mit eindeutig überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird (Drescher in Henssler/Spohn, GesR, § 246a AktG Rz. 5; OLG Stuttgart, AG 2003, 456; OLG Stuttgart, AG 2004, 105; OLG Stuttgart, AG 2009, 204; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamburg
, NZG 2005, 86). Bei der Beurteilung von Rechtsfragen ist keine Eindeutigkeit im Sinne einer Evidenz zu fordern; es genügt vielmehr, wenn die Rechtsfragen aus Sicht des Senats eindeutig im Sinne einer Unbegründetheit der Klage zu beantworten sind, ohne dass es darauf ankommt, ob dazu auch andere Standpunkte vertreten werden (OLG Stuttgart, AG 2009, 204 m. w. N.).

4. Eine Telefonkonferenz stellt zwar keine Abstimmung in einer Aufsichtsratssitzung dar, weil dazu die körperliche Anwesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder, zumindest die nur bei einer Video-, nicht jedoch bei einer Telefonkonferenz gewährleistete gegenseitige audiovisuelle Wahrnehmbarkeit erforderlich ist (Habersack in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 108 Rz. 16; Hopt/Roth in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 108 Rz. 27; Bürgers/Israel in Bürgers/Köber, AktG, 2. Aufl., § 108 Rz. 8). Es kann sich aber um eine besondere Form der Beschlussfassung handeln, die nach § 108 Abs. 4 AktG i. V. m. Satzungsregelung zulässig sein kann. Danach können Beschlussfassungen außerhalb von Sitzungen durch fernmündliche Stimmabgaben zugelassen werden.

5. Fehlt der nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG erforderliche Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats, ist der von der Hauptversammlung gefasste Beschluss nach § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG grundsätzlich anfechtbar (BGHZ 149, 158; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2003, 163; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, AG 2010, 842; Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 124 Rz. 47; Ziemons in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 124 Rz. 22). Dies gilt auch dann, wenn der veröffentlichte Text einen Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats enthält, ihm jedoch keine wirksame Beschlussfassung des Aufsichtsrats zugrunde liegt (LG Frankfurt am Main, NZG 2004, 672, 673).

6. Zwar ist der Beschlussvorschlag des Aufsichtsrats nach dem Wortlaut § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG „in der Bekanntmachung“ zu machen. Damit ist aber ersichtlich nur gemeint, dass der Beschlussvorschlag Bestandteil der Bekanntmachung sein muss; zwingende Vorgaben für den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Aufsichtsrats lassen sich dem Wortlaut der Bestimmung nicht entnehmen. Entscheidend für die „Heilung“ des Bekanntmachungsfehlers durch die Nachholung des erforderlichen Aufsichtsratsbeschlusses ist, ob der von der Hauptversammlung gefasste Beschluss auch dann noch auf einem ursprünglichen Bekanntmachungsfehler beruht, wenn der zunächst fehlende Organbeschluss noch vor der Beschlussfassung der Hauptversammlung nachgeholt wird.

7. Nach allgemeinen Grundsätzen setzt die Anfechtbarkeit wegen eines Bekanntmachungsfehlers voraus, dass dieser Fehler relevant ist. Dabei ist § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass Bekanntmachungsfehler für das Teilhaberecht des Aktionärs grundsätzlich relevant sind (BGHZ 149, 158; BGHZ 153, 32; Noack/Zetsche in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 124 Rz. 90). Ausgeschlossen ist die Anfechtbarkeit nur, wenn dem Fehler im Einzelfall die für eine sachgerechte Meinungsbildung der Aktionäre erforderliche Relevanz fehlt (BGHZ 149, 158; BGHZ 153, 32; Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 124 Rz. 44; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2.Aufl., § 124 Rz. 30).

8. Nur wenige gesetzliche Bestimmungen, die neben einer qualifizierten Stimmenmehrheit auch eine qualifizierte Kapitalmehrheit verlangen, lassen eine Abweichung nach unten zu. Dies betrifft zum einen Satzungsänderungen – mit Ausnahme der Änderung des Unternehmensgegenstands – gemäß § 179 Abs. 2 Satz 2 AktG sowie zum anderen Kapitalerhöhungen gegen Einlage mit Ausnahme der Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien nach § 182 Abs. 1 Satz 2 AktG und die Ausgabe von Schuldverschreibungen nach § 221 Abs. 1 Satz 3 AktG. Im Fall der bedingten Kapitalerhöhung bzw. des genehmigten Kapitals sowie der Kapitalherabsetzung sieht das Gesetz zwar eine satzungsdispositive Kapitalmehrheit vor; § 193 Abs. 1 Satz 2 AktG bzw. § 202 Abs. 2 Satz 3 AktG und § 222 Abs. 1 Satz 2 AktG ermöglichen aber nur eine Erhöhung des Mehrheitserfordernisses durch Satzung. Auch an anderen Stellen, an denen das Gesetz eine qualifizierte Kapitalmehrheit vorsieht, wie in § 52 Abs. 5 AktG, § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, § 274 Abs. 1 Satz 3 AktG, § 293 Abs. 1 AktG oder § 319 Abs. 2 Satz 3 AktG, eröffnet der Gesetzgeber dem Satzungsgeber nur die Möglichkeit einer Abweichung nach oben.

9. Die Verletzung einer Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 5 AktG zieht nicht die Rechtsfolge des Stimmrechtsausschlusses nach § 20 Abs. 7 AktG nach sich. Dies folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs. 7 AktG, der nur auf die Mitteilungspflichten nach Absatz 1 und 4 der Bestimmung abstellt, sowie der vergleichsweise geringeren Bedeutung der Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 5 AktG und entspricht der herrschenden Literatur (Franz in Wachter, AktG, § 20 Rz. 25; Bayer In Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 41; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 34; Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 49; Maier-Reimer in Henssler/Spohn, GesR, § 20 AktG Rz. 12; Becker in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 28).

10. Die Sanktion des § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG knüpft nicht an das Unterlassen der Bekanntmachung durch die Gesellschaft nach § 20 Abs. 6 AktG an, sondern an das Unterlassen der Mitteilungen gegenüber der Gesellschaft (Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 20 Rz. 9; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 34; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 41; Franz in Wachter, AktG, § 20 Rz. 25; so im Ergebnis auch Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 88).

11. Ob ein inhaltlicher Fehler die Feststellung rechtfertigt, eine Mitteilung sei Unterlassen worden, muss am Informationszweck gemessen werden (Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 20 Rz. 66; Petersen in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 36; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 20 Rz. 8; Becker in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 25).

12. Im Allgemeinen liegt die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Beschlussmangels bei dem klagenden Aktionär (BGHZ 167, 204; BGHZ 71, 40; OLG Stuttgart, AG 2009, 124; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rz. 264). Dies gilt grundsätzlich auch für die Tatsachen, die einen Stimmrechtsverlust wegen Verstoßes gegen Mitteilungspflichten begründen sollen (BGHZ 167, 204; OLG Stuttgart, AG 2009, 124; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, AG 2007, 363 und OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, AG 2006, 202 zu § 28 WpHG). Abweichungen hiervon können sich jedoch durch das allgemeine zivilprozessuale Institut der sekundären Darlegungslast ergeben (ausführlich OLG Stuttgart, AG 2009, 124 m. w. N.).

13. Im Wahrnehmungsbereich der Gesellschaft liegt im Ausgangspunkt nur, welche Mitteilungen nach § 20 Abs. 1 bzw. 4 AktG bei ihr eingehen; nicht dagegen, ob bei ihren Aktionären oder deren Mutterunternehmen Beteiligungsverhältnisse oder Zurechnungstatbestände vorhanden sind, die Mitteilungspflichten auslösen (OLG Stuttgart, AG 2009, 124). Eine Informationsbeschaffungspflicht der Gesellschaft besteht in diesem Zusammenhang nicht (OLG Stuttgart, AG 2009, 124 zu § 28 WpHG; in diesem Sinne auch OLG OldenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Oldenburg
, AG 1994, 415, 416 zu § 20 AktG). § 20 Abs. 6 AktG beschränkt die Pflichten der Gesellschaft auf die Bekanntmachung ihr übermittelter Mitteilungen. Selbst wenn die Gesellschaft auf andere Weise von einer mitteilungspflichtigen Beteiligung Kenntnis erlangt, ist sie jedenfalls nicht zu einer Bekanntmachung verpflichtet (Becker in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 20 Rz. 23; Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 45; Windbichler in Großkommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 57; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 38).

14. Im Allgemeinen werden Umstände, die ein Wissensvertreter privat erlangt hat, der Organisation, für die er handelt, nicht zugerechnet (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 166 Rz. 6). Eine Organstellung gebietet nichts Anderes. Die Wissenszurechnung beruht im Gesellschaftsrecht nicht allein auf der Organstellung, sondern gründet in der Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation (BGHZ 132, 30). Danach ist ein außerhalb der Führung der Geschäfte der Gesellschaft privat erlangtes Wissen eines Organmitglieds grundsätzlich nicht der Gesellschaft zuzurechnen (Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 78 Rz. 5; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 78 Rz. 56). Die Beteiligungsverhältnisse oder Zurechnungstatbestände der Gesellschafter und deren Gesellschafter kennt ein Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft indes nicht kraft seiner geschäftlichen Tätigkeit.

15. Dass Anteile für Rechnung eines anderen gehalten werden, ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sie im Rahmen einer Geschäftsbesorgung oder Treuhand für den Zurechnungsempfänger gehalten werden (Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 16 Rz. 22; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 16 Rz. 12; Fett in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 16 Rz. 15; Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 16 Rz. 27; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 16 Rz. 47).

16. Abhängig ist ein Unternehmen vom Zurechnungsempfänger, wenn es in dessen Mehrheitsbesitz steht und die Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG nicht widerlegt wird oder wenn der Zurechnungsempfänger sonst i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG auf das abhängige Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 16 Rz. 30). Letzteres kann im Einzelfall auch wegen personeller Verflechtungen (Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 17 Rz. 43; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 33; Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 17 Rz. 31; Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 62) oder der (gesicherten) koordinierten Einflussnahme gemeinsam mit einem Mitgesellschafter (Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 16 Rz. 30; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 37; Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 17 Rz. 32; Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 90 f.) festzustellen sein.

17. Allein der faktische Einigungszwang in einem paritätischen Gemeinschaftsunternehmen, an dem zwei Gesellschafter je hälftig beteiligt sind, rechtfertigt die Feststellung oder Vermutung der Abhängigkeit dieses Unternehmens von seinen Gesellschaftern indes nicht (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, AG 2004, 567; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
, BB 1998, 2175, 2176; Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 93; Hüffer in AktG, 10. Aufl., § 17 Rz. 16; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 81; Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 17 Rz. 65; Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl.,§ 17 Rz. 28; Fett in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 17 Rz. 24). Hinzu kommen müssen vielmehr weitere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art, die in verlässlicher Weise einen beherrschenden Einfluss i.S.v. § 17 AktG begründen (BGHZ 69, 334). Eine vertragliche Vereinbarung wäre für die Annahme einer hinreichend gesicherten Einflussmöglichkeit grundsätzlich erforderlich (vgl. Koppensteiner in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 90 f.; Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 17 Rz. 64 f.; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 37 f.).

18. Auch eine Minderheitsbeteiligung kann eine Abhängigkeit begründen, wenn diese in Verbindung mit anderen verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art einen beherrschenden Einfluss i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG sichert (BGHZ 69, 334; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NJW-RR 1995, 1066); in diesem Zusammenhang stellt die personelle Identität der die Unternehmen leitenden Persönlichkeiten ein typisches Beherrschungsmittel dar (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NJW-RR 1995, 1066).

19. Entscheidend für die Feststellung eines beherrschenden Einflusses ist nicht, wer rechtlich nach außen für ein Unternehmen handeln, sondern wer die Geschäftsführung des Unternehmens bestimmen kann (vgl. Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 17 Rz. 9; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl., § 17 Rz. 6; Vetter in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 17 Rz. 8; Bayer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 17 Rz. 26; Windbichler in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 17 Rz. 11; sowie zum Kartellrecht BGHZ 121, 137).

20. Eine Kapitalerhöhung bedarf nur im Fall eines Bezugsrechtsausschlusses einer sachlichen Rechtfertigung (vgl. Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2176; Servatius in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 40; Marsch-Barner in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 27; Pfeifer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 186 Rz. 71; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 186 Rz. 25). Die Zwischenschaltung eines Emissionsunternehmens ist nach § 186 Abs. 5 AktG nicht als Bezugsrechtsausschluss anzusehen ist, sondern als mittelbares Bezugsrecht.

21. Die Gesellschaft vermeidet damit den Aufwand der Durchführung der Kapitalerhöhung und das Risiko, dass der Erhöhungsbetrag nicht rechtzeitig in voller Höhe aufgebracht wird; für die Gesellschaft ist die Kapitalerhöhung bereits mit der Übernahme der Aktien durch das Emissionsunternehmen in der ersten Stufe durchgeführt (Peifer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 186 Rz. 110; Kraft/Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, AktG, 3. Aufl., § 56 Rz. 104; Wiedemann in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 186 Rz. 194; Lutter in Kölner Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 110).

22. Eine Bis-zu-Kapitalerhöhung ist jedenfalls dann zulässig, wenn – durch die Anordnung des Ungültigwerdens des Beschlusses, falls nicht die Durchführung der Kapitalerhöhung bis zu einem bestimmten Datum im Handelsregister eingetragen ist – die Hauptversammlung der Verwaltung nicht unter Überschreitung der Grenzen zum genehmigten Kapital völlig freie Hand lässt, sondern eine Durchführungsfrist bestimmt (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, NZG 2009, 1274). Dies gilt grundsätzlich auch für Kapitalerhöhungen mit mittelbarem Bezugsrecht (Seibt/Vogt, AG 2009, 133, 135 f.; Marsch-Barner in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 52; Servatius in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 67; Veil in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 45).

23. Trifft der Kapitalerhöhungsbeschluss keine Bestimmung, obliegt die Festsetzung des Bezugspreises dem Vorstand (Marsch-Barner in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 56; Wiedemann in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 186 Rz. 198; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 186 Rz. 49; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177; Kraft/Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, AktG, 3. Aufl., § 56 Rz. 106; Peifer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 186 Rz. 109). In diesem Fall ist der Vorstand bei der Bestimmung der Differenz zwischen Ausgabebetrag und Bezugspreis bis zur Grenze des faktischen Bezugsrechtsausschlusses frei, sofern der eine angemessene Provision übersteigende Mehrerlös vom Emissionsunternehmen an die Gesellschaft abgeführt wird (Kraft/Krieger in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, AktG, 3. Aufl., § 56 Rz. 106; Peifer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 186 Rz. 109; Lutter in Kölner Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 186 Rz. 107).

24. Eine etwaige Feststellung der Rechtsmissbräuchlichkeit der Anfechtungsklage hat nicht deren Unzulässigkeit, sondern deren Unbegründetheit zur Folge hätte (BGHZ 107, 296; OLG Stuttgart, AG 2001, 315; Drescher in Henssler/Spohn, GesR, § 246a AktG Rz. 5). Die Unbegründetheit der Klage führt indes nur dann nach § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG zum Erfolg des Freigabeantrags, wenn sie offensichtlich ist.

25. Obwohl die Erhebung der Anfechtungsklage nicht die Wahrnehmung eines Eigeneinteresses verlangt, kann die eigensüchtige Interessenverfolgung den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen. Diese Voraussetzung kann bereits dann erfüllt sein, wenn die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben wird, die beklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die kein Anspruch besteht und billigerweise auch nicht erhoben werden kann (BGHZ 107, 296). Dies gilt insbesondere, wenn Grund der Klage ist, der Gesellschaft Schwierigkeiten zu machen und auf diesem Wege letztlich eine unberechtigte Leistung zu erhalten (OLG Stuttgart, AG 2001, 315).

26. Dem Interesse der Antragsgegner am Schutz vor einer Verwässerung ihrer Beteiligung ist durch das Bezugsrecht im Normalfall hinreichend Rechnung getragen (KG, AG 2010, 494; KG, AG 2010, 497). Unerheblich ist demgegenüber, ob den Antragsgegnern im Fall ihrer Teilnahme an der Kapitalerhöhung Schäden entstehen könnten. Solche Schäden können jedenfalls durch den in § 246a Abs. 4 Satz 1 AktG ausdrücklich geregelten, verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft kompensiert werden, der zwar nicht auf Naturalrestitution, aber auf Entschädigung in Geld gerichtet ist. Der Schadenersatzanspruch aus § 246a Abs. 4 Satz 1 AktG deckt Schäden in Gestalt von Finanzierungskosten im Fall der „erzwungenen“ Teilnahme an der Kapitalerhöhung ebenso ab wie einen etwaigen „Verwässerungsschaden“ (so ausdrücklich für den Fall des – fehlerhaften – Bezugsrechtsausschlusses OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, AG 2010, 596; Zöllner in Festschrift für H.P. Westermann, 2008, 1631, 1638; Wagner/Epe in Wachter, AktG, § 246a Rz. 13, Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 40; Hüffer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 246a Rz. 37, Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 46), da sich der Schadensumfang durch den Vergleich der Vermögenslage des Antragsgegners nach Eintragung des Beschlusses mit derjenigen ergibt, die ohne die Eintragung bestünde (Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 40). Der konkrete Umfang eines „Verwässerungsschadens“ kann gegebenenfalls durch Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt werden (Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 246a Rz. 40; Wagner/Epe in Wachter, AktG, § 246a Rz. 13; Hüffer in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 246a Rz. 37). Seiner Geltendmachung steht § 57 AktG nicht entgegen (so ausdrücklich DAV Stellungnahme zum UMAG, ZIP 2004, 1230, 1236).

Schlagworte: Abhängiges Unternehmen, Aktienrecht, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Aufsichtsrat, Ausschluss, Beschlussfassung, Bezugsrecht, Darlegungs- und Beweislast, Erhöhung des Stammkapitals, Freigabeverfahren, Hauptversammlungsbeschluss, Konzernrecht, Mehrheitsklausel, Rechtsmissbrauch, Relevanzlehre, Schadensersatzanspruch, Schadensschätzung