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OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Januar 2001 – 20 U 91/99 

§ 241 Nr 1 AktG, § 245 AktG, § 246 AktG, § 132 Abs 1 ZPO, § 249 Abs 2 ZPO, § 263 ZPO, § 295 ZPO

1. Die Erhebung der aktienrechtlichen Nichtigkeitsklage durch einen Aktionär kann nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Beweislast trägt, als rechtsmißbräuchlich angesehen werden. Veranlaßt ein Nichtaktionär einen Aktionär zur Erhebung der Nichtigkeitsklage mit der Zusage, für diesen das Verfahren unter voller Kostenübernahme zu betreiben, so liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die Klageerhebung aus sachfremden, nicht von den Bestimmungen des AktG gedeckten Motiven erfolgt, sondern um Druck auf die Gesellschaft mit dem Ziel auszuüben, unberechtigte Sondervorteile zu erzielen, auf die weder der klagende Aktionär noch der „Hintermann“ einen Anspruch hat (Anschluß BGH, 15. Juni 1992, II ZR 173/91, AG 1992, 448).

2. Darüber hinaus spricht für die Rechtsmißbräuchlichkeit der Klageerhebung sowohl die Tatsache, daß der Aktionär erst nach Verabschiedung der Beschlüsse, gegen die sich seine Klage richtet, Aktien der Gesellschaft erworben hat („Splitterbeteiligung“), als auch der Umstand, daß der klagende Aktionär auf Vergleichsbemühungen des Gerichts mit dem Ziel der Korrektur etwaiger Beschlußmängel mit einem Befangenheitsantrag gegen den Richter reagiert.

3. Die Erhebung einer rechtsmißbräuchlichen Nichtigkeitsklage führt zur Unzulässigkeit der Klage, und nicht wie bei der Anfechtungsklage zur Unbegründetheit.

4. Der Beitritt eines weiteren Klägers zu der Nichtigkeitsklage in der Berufungsinstanz ohne Zustimmung des Beklagten ist nicht sachdienlich und daher unzulässig, wenn die vom Erstkläger erhobene Nichtigkeitsklage rechtsmißbräuchlich und unzulässig ist, und daher eine Entscheidung in der Sache nicht ergeht, bezüglich der Klage des Beitretenden die Einlassungsfrist und auch die Wochenfrist des ZPO § 132 Abs 1 nicht gewahrt ist, und darüber hinaus keine Entscheidungsreife besteht. Dem steht ZPO § 249 Abs 2 nicht entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klagerhebung durch den Kläger Ziff. 1 ist, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat, rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig.

Der erst kurz vor dem – zweiten – Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht erfolgte Beitritt des Klägers Ziff. 2 zur Klage des Klägers Ziff. 1 ist in entsprechender Anwendung von § 263 ZPO unzulässig, da die Beklagte ihm nicht zugestimmt hat und er auch nicht als sachdienlich erachtet werden kann.

Die Klagabweisung des Landgerichts war daher insgesamt zu bestätigen.

I. Das Urteil des Landgerichts ist nicht aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen, weil die Klage der Beklagten nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, wie die Kläger meinen.

1. Zwar wurde bei der Zustellung der Klage den Vorschriften der §§ 249, 246 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht Rechnung getragen, nach denen die Gesellschaft bei Nichtigkeitsklagen durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, so dass die Klage sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat – und zwar zumindest einem Mitglied – zuzustellen gewesen wäre.

Dies ist nicht geschehen.

Die Zustellung erfolgte, nachdem kein Vertretungsorgan der Beklagten im Rahmen der Zustellung erreichbar war, am Firmensitz zu Hand von Frau F im Wege der Ersatzzustellung. Diese hat die Zustellung im Zweifel für den Vorstand entgegengenommen, nachdem eine Ersatzzustellung an den Aufsichtsrat am Firmensitz nicht möglich ist (Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 246, Rn. 30 ff, 33 ff).

2. In der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2000 sind jedoch sowohl der Alleinvorstand, Herr R, als auch sämtliche Aufsichtsratsmitglieder, die Herren R, F und K, mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten erschienen, haben sich von diesem vertreten lassen und dessen Prozessführung zumindest stillschweigend genehmigt, § 89 Abs. 2 ZPO. Er handelte somit mit Vollmacht beider Gesellschaftsorgane.

Der Aufsichtsrat war durch Beschluss des AG Esslingen vom 19.6.2000 gem. § 104 AktG bestellt worden (Anl. B 14) und hatte die Bestellung des Vorstands “ zur Vermeidung rechtlicher Unstimmigkeiten “ vorsorglich nochmals wiederholt.

Die fehlende Zustellung hat die Beklagte, in deren Interesse die Zustellungsförmlichkeiten bestehen, nicht gerügt, obwohl die Problematik der zweifelhaften Zustellung in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2000 erörtert worden ist und ihr daher bekannt war. Damit wurde der Zustellungsmangel zumindest durch Rügeverzicht gem. § 295 ZPO geheilt (vgl, BGH NJW 1992, 2099 f.; BGH NJW 1998, 384, 385; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., Rn. 26a zu § 253).

Eine Heilung von Zustellungsmängeln durch Rügeverzicht ist selbst in der Revisionsinstanz noch möglich (BGH NJW 1998, 384 f. und NJW 1989, 2055 ). Dass der Mangel erst in der mündlichen Verhandlung erkannt wurde, hat auch nicht zur Folge, dass diese zu vertagen gewesen wäre. Der Kläger Ziff. 1 kann sich auf die Nichtzustellung und die Nichtwahrung der Einlassungsfrist nicht berufen (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., Rn. 10 zu § 274).

Ob den beiden Gesellschaftsorganen im Laufe des Verfahrens ein Exemplar der Klage übergeben wurde und der Mangel daher zuvor auch gem. § 187 ZPO geheilt worden ist, kann dahinstehen (vgl. dazu BGH NJW 1992, 2099f.).

II. Die Klage des Klägers Ziff. 1 ist, auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers Ziff. 2 als – hilfsweiser – Streithelfer, rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig.

1. a) Das Klagerecht des Aktionärs hat nach der Intention des Gesetzgebers die Aufgabe, die Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der sich selbst verwaltenden Kooperation zu gewährleisten und damit neben individuellen Vermögensinteressen allgemeine öffentliche interessen der Aktionärsgemeinschaft zu wahren. Die Klagberechtigung setzt dabei voraus, dass der Kläger Aktionär ist, eine aktienrechtliche Popularklage, die auch Nichtaktionären offen stehen würde, ist dem Aktienrecht fremd.

Die Aktionärseigenschaft muss bei der hier erhobenen Nichtigkeitsklage, anders als bei der Anfechtungsklage (Hüffer, a.a.O., Rn. 7 zu § 245) nicht bereits bei der Beschlussfassung der Versammlung bestehen. Es geht nicht wie bei der Anfechtungsklage um ein Gestaltungsrecht, das nur dem zusteht, dessen bestehende Rechte durch einen rechtswidrigen Beschluss tangiert werden, sondern um die Feststellung des in der Gesellschaft geltenden Rechts. Hieran kann auch ein erst später hinzustoßender Aktionär ein berechtigtes Interesse haben. Entscheidend für die Aktionärseigenschaft ist bei einer Nichtigkeitsklage gem. § 249 AktG daher der Schluss der mündlichen Verhandlung (Hüffer, a.a.O., Rn. 5 zu § 249).

b) Sind diese formalen Voraussetzungen erfüllt, so bedarf es eines berechtigten Eigeninteresses zur Klagerhebung grundsätzlich nicht (BGHZ 107, 296 ff). Demgemäß kann eine Klagerhebung nur in Ausnahmefällen, für die die Gesellschaft die Beweislast trägt, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.

Ein solcher Ausnahmefall kommt nach ständiger Rechtsprechung dann in Betracht, wenn der Kläger in Wahrheit weder berechtigte interessen als Teilhaber des Unternehmens noch allgemeine Aktionärsinteressen verfolgt, sondern wenn er sein Klagerecht in zweckentfremdender Weise dazu nutzt, sachfremde eigennützige interessen zu verfolgen. Davon ist dann auszugehen, wenn er die Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen sucht; auf die er keinen Anspruch hat und die er billigerweise nicht verlangen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Kläger sich bei Erhebung der Klage von der Vorstellung leiten lässt, diese werde – wegen ihres möglichen Erfolgs oder auch nur wegen der zeitlichen Verzögerung bis zur gerichtlichen Klärung – die Gesellschaft derart unter Druck setzen, dass sie sich den Verzicht auf die Rechtsverfolgung durch den Aktionär „etwas kosten lassen werde“.

Neben den Fällen, in denen der Kläger von sich aus aktiv wird und Forderungen für einen Klageverzicht stellt, reicht es dabei aus, wenn er darauf spekuliert, die Gesellschaft werde sich unter dem Druck der befürchteten Nachteile selbst an ihn wenden und von sich aus versuchen, den Verzicht auf die Weiterverfolgung der Klage zu erkaufen (BGH AG 1991, 102 ff, 104; BGH AG 1990, 259). Die Verwerflichkeit ist in diesen Fällen in der subjektiven Motivation zu sehen, auf die ggf. nur aus Indizien geschlossen werden kann (vgl. dazu Wardenbach, ZGR 1992, 563 ff; Hüffer, a.a.O. Rn. 22 ff zu § 245; K. Schmidt in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., Rn. 47 ff zu § 245). Entscheidend für die Beurteilung ist dabei eine Gesamtbetrachtung, bei der in der Regel mehrere Indizien für die Annahme der Rechtsmissbräuchlichkeit erforderlich sind (BGH AG 1992, 449 ff; BGH ZIP 1990, 168, 171 ff – DAT-Atlanta II; OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, ZIP 1991, 925).

c) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Anfechtungsklage, auf die sich die einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in der Regel beziehen, sondern auch für die hier verfolgte Nichtigkeitsklage (K. Schmidt, a.a.O. Rn. 29 zu § 249; Hüffer, a.a.O. Rn. 11 zu § 249; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
, AG, 1991, 208 = NJW-RR 1991,805).

Anders als bei der Anfechtungsklage, bei der eine rechtsmissbräuchliche Klagerhebung zur Unbegründetheit führt, da ein materiell-rechtliches, privates Gestaltungsrecht ausgeübt wird, dessen missbrauch zum Verlust der materiellen Berechtigung führt (BGH AG 1992, 448 f; Kölner Kommentar/Zöllner, Rn. 89 zu § 245; Hüffer, a.a.O., Rn. 26 zu § 245; a.A. Schmidt, a.a.O. Rn. 75 zu § 245), hat die Erhebung einer rechtsmissbräuchlichen Nichtigkeitsklage die Unzulässigkeit der Klage zufolge, da nicht ein materielles Gestaltungsrecht, sondern der missbrauch des prozessualen Rechts, die Nichtigkeit eines Beschlusses feststellen zu lassen, in Rede steht (Hüffer, a.a.O., Rn. 11 zu § 249; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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AG, 1992, 208 ff).

2. Trotz der somit grundsätzlich hohen Anforderungen an die Bejahung missbräuchlichen Verhaltens sind diese hier zu bejahen.

Zwar hat der Kläger Ziff. 1 nach der streitigen Beschlussfassung Aktien der Beklagten erworben und war daher für die erhobene Nichtigkeitsklage grundsätzlich klagebefugt. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass es ihm bei der Klagerhebung nicht um die Verfolgung geschützter und legitimer Aktionärsinteressen ging, sondern darum, auf die Beklagte Druck auszuüben mit dem Ziel, unberechtigte Sondervorteile für sich bzw. seinen Vorstand M zu erzielen.

a) Hierfür spricht zunächst die dem Verfahren vorausgegangene Klage des Aktionärs E, die auf das gleiche Klagziel gerichtet war.

Die Klage E ging nicht auf dessen Antrieb zurück, sondern wurde, wie er als Zeuge angegeben hat, durch M initiiert. Dieser hat die Klagerhebung mit Zustimmung E unter dessen Namen betrieben, ohne über eigene AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu verfügen. Dabei hat er E volle Kostenübernahme zugesagt. Er hat also unter Einsatz eigener Mittel einen prozess gegen eine Gesellschaft geführt, an der er nicht beteiligt war. Berechtigte, über §§ 241 ff AktG geschützte Aktionärsinteressen hieran standen ihm als Nichtaktionär dabei von vornherein nicht zu. Selbst auf ein „ideelles“ Interesse an gesetz- und satzungsmäßigem Handeln der Organe der Beklagten kann er sich nicht berufen. Da das Gesetz eine Popularklage nicht vorsieht, kann es nicht als legitim anerkannt werden, derartige interessen über die Zwischenschaltung von Aktionären, die nicht bereit sind, selbst das Kostenrisiko zu übernehmen, zu verfolgen. Die gegenteilige Auffassung würde im Ergebnis zu einer nach dem Gesetz nicht gegebenen Klagberechtigung eines Nichtaktionärs führen.

Dieses Verhalten legt zudem nahe, dass es M um Vorteile ging, auf die er als Nichtaktionär von vornherein keinen Anspruch hatte, aber auch B nicht.

b) Der wahre Hintergrund dieser Klage wird in einem Schreiben B vom 10.02.1999 an Rechtsanwalt J den Klägervertreter in beiden Verfahren, deutlich. In diesem Schreiben weist B Rechtsanwalt J an, die von M initiierte Klage zurückzunehmen (Anl. B2). Er führt dabei u.a. aus:

…“aber: Herr R wird nicht bezahlen. Er wird entsprechend eine neue Versammlung einberufen lassen, die wiederum alles genauso entscheiden wird, mit Ausnahme des Punktes 11 der TO. Da würde stehen… zu 8,50 DM“.

Diese Äußerung geht nach dem Schreiben auf eine Unterredung B mit dem früheren Vorstand der Beklagten K zurück. Sie zeigt eindeutig, dass Grund für die Klage war, der Beklagten „Schwierigkeiten zu machen“ und auf diesem Wege letztlich eine unberechtigte Leistung zu erhalten. Dies wird in dem Schreiben als selbstverständlich und bekannt vorausgesetzt. Es war ersichtlich weniger an eine Zahlung der Beklagten selbst als vielmehr eine solche des Mehrheitsaktionärs Ritter gedacht. Da dieser über den mit dem Bezugsrechtsausschluss verbundenen, nur für ihn bestimmten besonderen Ausgabepreis der neuen Aktien begünstigt werden sollte und außerdem die Kapitalerhöhung der Finanzierung des Kaufpreises des von ihm selbst erworbenen Unternehmens dienen sollte, erwartete man sich in erster Linie von ihm als wirtschaftlich Betroffenem ein „Entgegenkommen“ durch einen Abkauf des mit der Klage verbundenen Lästigkeitswerts.

Zur Klagrücknahme hat sich E nach diesem Schreiben und nach seiner Zeugenaussage entschlossen, weil er aufgrund eines Gesprächs mit dem Vorstand der Beklagten davon ausging, der Plan werde nicht aufgehen und weil er sich im Übrigen dem Verfahren physisch und psychisch nicht gewachsen fühlte.

In seiner Zeugenaussage vor dem Landgericht hat E zwar bestritten, mit M Absprachen über die Erzielung von „Sonderleistungen“ und deren Verteilung getroffen zu haben, jedoch auch hier eingeräumt,

„ich persönlich habe mir gedacht, unter Umständen kommt ein Erlös dabei herum….

… wenn Geld herauskäme, wäre es auch nicht schlecht…

Ich bin kein 100%-iger Moralapostel oder Geldmensch. Ich dachte, unter Umständen wird es auf dem kleinen Dienstweg geregelt. Unter Umständen habe ich mir gedacht, dass ich vielleicht ein Abfindungsangebot bekomme, vielleicht kaufen die die Aktien um 3,50 DM teurer zurück..

… wenn dem so gewesen wäre, hätte ich Herrn M sämtliche Kosten erstattet. Ich hätte den Erlös bestimmt nicht für mich behalten, sondern mit M geteilt.“

Auch wenn der Zeuge mit M diese Thematik nicht unmittelbar angesprochen haben sollte, kann bei dieser Sachlage nach sicherer Überzeugung des Senats kein Zweifel daran bestehen, dass auch M dieses Ziel im Auge hatte und es ihm bei dieser Klagerhebung ausschließlich darum ging, ggf. entsprechenden Profit zu erzielen. Ein anderes Motiv ist bei dieser Sachlage unter Berücksichtigung dessen, dass er nicht Aktionär war, nach der Lebenserfahrung nicht denkbar.

Dass der Kläger Ziff. 1, als der Plan nicht aufging und B die Klage gegen den erklärten Willen M ( Schreiben vom 12.2.99, Anl. B3 ) zurücknehmen ließ, erneut Klage erhoben hat, stellt vor diesem Hintergrund ersichtlich die Fortsetzung des bisherigen Plans dar, nachdem es M bzw. dem Kläger Ziff. 1 inzwischen gelungen war, selbst Aktien zu erwerben. Dies wird insbesondere aus dem Schreiben M an E vom 12.2.99 deutlich ( Anl. B3 ). In diesem bot M im Rahmen der Abrechnung der Kosten des unter dem Namen B geführten Verfahrens – deren Übernahme B im Hinblick auf seinen „Rückzieher“ zugesagt hatte – für den Fall, „dass Sie mir ein oder zwei Aktien aus ihrem Bestand überlassen“, eine etwas günstigere Kostenrechnung an.

Schon die geringe Zahl der von M erbetenen Aktien zeigt dabei, dass er diese nicht als Anlageobjekte erwerben wollte, sondern nur, um sich über diese die Legitimation für eine Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage und damit die Möglichkeit zur Fortsetzung seines Plans zu verschaffen. Ein solcher Aktienerwerb ist ihm in der Folge sodann gelungen, woraufhin er über den Kläger Ziff. 1 die streitgegenständliche Klage mit demselben rechtsmissbräuchlichen Ziel erhoben hat. Angesichts der beherrschenden Stellung M beim Kläger Ziff. 1 ist dessen Verhalten mit dem M in dem hier maßgebenden Zusammenhang gleichzusetzen.

c) Für einen Rechtsmißbrauch spricht unabhängig von diesen Besonderheiten, dass der Kläger Ziff. 1 die Aktien erst nach der Hauptversammlung erworben hat.

Ob in einem solchen Fall schon deshalb regelmäßig das Rechtsschutzinteresse für eine Klagerhebung fehlt, weil geschützte Mitgliedschaftsrechte nicht tangiert sind und derjenige, der Aktien zu einer Zeit erwirbt, in der der von ihm beanstandete Beschluss bereits ergangen ist, sie mit dem behaupteten Makel erwirbt und diesen deshalb hinnehmen muß, kann dahinstehen ( in diese Richtung Wardenbach ZGR 1992, 563).

Zumindest ist der nachträgliche Erwerb einer Splitterbeteiligung ein weiteres Indiz für die rechtsmissbräuchliche Motivation des Klägers Ziff. 1, insbesondere im Zusammenhang mit der beschriebenen „Vorgeschichte“. Dass M seinen Plan zunächst ganz ohne eigene AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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durchziehen wollte und nur „notgedrungen“ Aktien erworben hat, nachdem B nicht mehr „mitgespielt“ hat, zeigt mit großer Deutlichkeit, dass es ihm nicht um reelle und legitime Aktionärsinteressen geht.

d) Ein zusätzliches Indiz ergibt sich aus dem vom Kläger Ziff. 1 gegen Vorsitzenden Richter am LG P in erster Instanz gestellten Befangenheitsantrag.

Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.1999 Möglichkeiten der Fehlerbeseitigung erörtert und im Rahmen dessen auf die Möglichkeit hingewiesen, die angegriffene Beschlussfassung in einer neu einzuberufenden Hauptversammlung unter Beachtung der beanstandeten Formalien zu wiederholen und so den Rechtsstreit einer Erledigung in der Hauptsache zuzuführen. Diese Lösung hätte im Interesse des Klägers Ziff. 1 liegen müssen, da so seinem Anliegen auf Legalitätssicherung voll entsprochen worden wäre. Nach der Erklärung des Vorstands K gegenüber B ( Schreiben B an Rechtsanwalt J Anl. B 2) wäre dabei voraussichtlich auch auf die Bevorzugung des Aktionärs R verzichtet und der Bezugspreis für die Kapitalerhöhung einheitlich auf 8,50 DM festgesetzt worden; andernfalls wäre es dem Kläger Ziff. 1 offengestanden, diesen Punkt einer Anfechtungsklage zuzuführen, was ihm in diesem Verfahren angesichts des Ablaufs der Anfechtungsfrist nicht möglich ist.

Dass der Kläger Ziff. 1 auf diesen richterlichen Hinweis, der gem. § 279 ZPO geboten war, mit einem Befangenheitsantrag reagiert hat, kann nicht mit legitimen Aktionärsinteressen, sondern nur damit erklärt werden, dass aus seiner Sicht durch den Richter der Beklagten ein Weg aufgezeigt wurde, mit dem der Klage der Druck und damit der Lästigkeitswert genommen werden würde.

Ein Verhalten, mit dem sich ein Kläger einer Korrektur von Beschlussmängeln verschließt und sich ihr widersetzt, ist ebenfalls ein gewichtiges Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten (Wardenbach, a.a.O.). Ein Aktionär, dem es um die Wahrung seiner berechtigten Mitgliedschaftsrechte oder um die Legalitätswahrung geht, ist grundsätzlich an einer Mängelbeseitigung interessiert, da durch sie dem von ihm verfolgten berechtigten Anliegen Rechnung getragen wird. Nur ein Aktionär, dem es um andere, sachfremde Ziele geht, wehrt sich hiergegen, da hierdurch sein Plan vereitelt wird.

e) Als ergänzendes, nicht jedoch allein entscheidendes Indiz ist anzuführen, dass der Vorstand des Klägers Ziff. 1 nahezu „berufsmäßig“ Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Aktiengesellschaften führt und in der Zeit von 1980 bis 1998 mindestens 10 % der in der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen erhoben hat (Untersuchung von Baums, Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Osnabrück, Gutachten für den deutschen Juristentag sowie Baums/Vogel/Tacheva, ZIP 2000, 1649 ff; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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AG 1992, 208 ff), wobei M zumindest in einem Fall eine Zahlung von 180.000,– DM erreicht hat (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O.).

f) Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ist der Senat aufgrund dieser Anhaltspunkte von Rechtsmissbrauch überzeugt, auch wenn der Vorstand des Klägers Ziff. 1 keine Forderungen an die Beklagten gestellt hat und auf ein Gesprächsangebot der Beklagten zur Bereinigung der Angelegenheit nicht eingegangen ist. Diese Initiativen der Beklagten erfolgten am 02.06.1999 bzw. 12.08.1999, also nach der Klagerwiderung vom 26.03.1999, in der die Beklagte vehement die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klagerhebung geltend gemacht und den Vorstand des Klägers Ziff. 1 als „notorischen Abzocker“ bezeichnet hatte. In dieser Situation musste der Vorstand des Klägers befürchten, das Vermittlungsgespräch werde von der Gegenseite nicht ernsthaft gesucht, sondern sei eine „Falle „, um weitere Beweise für den Rechtsmissbrauch aus einem Eingehen auf entsprechende „Annäherungsgespräche“ zu gewinnen. Der Plan war zu dieser Zeit für den Kläger Ziff. 1 aus seiner Sicht daher nicht mehr zu verwirklichen. Er hat nach Überzeugung des Senats das Verfahren auch nur deshalb weitergeführt, um den Schein der Wahrnehmung berechtigter Aktionärsinteressen zu wahren, zumal die Aufgabe der Klagverfolgung zusätzliches Indiz für Rechtsmißbrauch – auch mit Indizwirkung für andere Verfahren – gewesen wäre.

Die Klage des Klägers Ziff. 1 ist daher als unzulässig abzuweisen, ohne dass auf die gerügten Nichtigkeitsgründe einzugehen wäre (vgl. dazu den Beschluß des Senats vom 15.12.1999 im Verfahren 20 U 46/99, der sich mit einer ähnlichen Fallgestaltung auseinanderzusetzen hatte). Ebenso bedarf das Verhalten der Organe der Beklagten im Zusammenhang mit der streitigen Kapitalerhöhung und dem Erwerb der Fa. keiner Würdigung.

III. Der erst in der Berufungsinstanz erfolgte Beitritt des Klägers Ziff. 2 zur Klage ist nicht sachdienlich und deshalb auch insoweit die Klage als unzulässig abzuweisen.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheitert die Zulassung einer Parteierweiterung in der Berufungsinstanz nicht schon daran, dass dem Berufungsgericht für die Klage des neuen Klägers die funktionelle Zuständigkeit fehlt, ebensowenig daran, dass ein erstinstanzliches Urteil nicht vorliegt (BGHZ 65, 264 ff; MüKo/Luke, Rn. 84 zu § 263; a.A. u.a. Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., Vorbem. § 50 ZPO Rn. 26). Mit dem Bundesgerichtshof ist vielmehr eine Parteierweiterung in der Berufungsinstanz unter den Voraussetzungen einer Klagänderung gem. § 263 ZPO zulässig, also dann, wenn der Gegner zustimmt oder Sachdienlichkeit gegeben ist (nach Stein/Jonas/Schumann, a.a.O., Rn. 139 ff, 141 zu § 264 ZPO ist – mit Ausnahme der Rechtsmißbräuchlichkeit der Verweigerung – im Gegensatz dazu stets die Zustimmung der Gegenseite erforderlich). Entgegen der Ansicht der Kläger liegt keine ursprüngliche subjektive Klagehäufung, sondern eine Parteierweiterung vor, da die Genehmigung der Prozessführung der Beklagten hinsichtlich der Klage gegenüber dem Kläger Ziff. 1 gem. § 295 ZPO insoweit – anders als bei der Frage der sachlich-rechtlichen Rechtshängigkeit gem. § 270 Abs. 3 ZPO – zurückwirkt.

2. Die Zulassung scheitert jedoch daran, dass die Beklagte der Parteierweiterung nicht zugestimmt hat und diese auch nicht als sachdienlich erachtet werden kann.

Der Parteierweiterungsschriftsatz ging erst am 24.11.2000, einem Freitag, ein und konnte dem Beklagtenvertreter erst am 29.11.2000 zugestellt werden. Die Einlassungsfrist hinsichtlich des bereits am 31.08.2000 auf 06.12.2000 bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung konnte daher nicht gewahrt werden. Es ist zwar umstritten, ob bei einer Parteierweiterung die Einlassungsfrist gewahrt werden muss (bejahend: Musielak/Foerste, ZPO, Rn. 26 zu § 264; verneinend: Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., Rn. 107 zu § 264 ZPO). In jedem Falle ist dem Beklagten jedoch ausreichend Zeit und Gelegenheit zu geben, sich auf die neue Lage in zumutbarer Weise einzustellen, insbesondere auch im Hinblick auf etwaige Einwendungen (Stein/Jonas/Schumann, a.a.O.).

Hier hat die Beklagte eingewandt, die Umstände der Klage des Klägers Ziff. 2 legten den Verdacht nahe, dass auch insoweit Rechtsmissbrauch vorliege. Sie könne dies derzeit jedoch nicht behaupten, weil hierzu noch Ermittlungen anzustellen seien, die in der Kürze der Zeit nicht hätten getätigt werden können.

Dieser – nachvollziehbaren – Einlassung der Beklagten wäre, zumal auch die Frist des § 132 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt war, bei Zulassung der Parteierweiterung durch Gewährung eines angemessenen Schriftsatzrechts Rechnung zu tragen gewesen. Dies hätte eine Verzögerung des im Übrigen entscheidungsreifen Rechtsstreits mit sich gebracht, zumal ggf. auch dem Kläger Ziff. 2 wieder Gelegenheit zur Stellungnahme zu etwaigen Einwendungen der Beklagten zu gewähren gewesen wäre. Eine neue mündliche Verhandlung wäre daher unumgänglich gewesen.

Hinzu kommt, dass die Frage eines evtl. Rechtsmissbrauchs des Klägers Ziff. 2 eine individuelle Beurteilung aufgrund neu einzuführender Tatsachen erforderlich gemacht hätte, die für das Verfahren im Übrigen unerheblich sind, dessen Abschluss jedoch verzögert hätten.

Nachdem die Klage des Klägers Ziff. 1 unzulässig und entscheidungsreif ist, ohne dass in die Prüfung der gerügten Nichtigkeitsgründe einzugehen ist, wäre es auch nicht sachgemäß, müßte sich der Senat allein im Hinblick auf diesen neuen Kläger mit der Begründetheit der Klage auseinandersetzen, die sich hinsichtlich der Klage des bisherigen Klägers nicht stellt.

Der Beitritt des Klägers Ziff. 2 und damit seine Klage in diesem Verfahren ist daher nicht zulässig und diese daher ab- und die von ihm mitverfolgte Berufung zurückzuweisen (vgl. auch OLG Stuttgart, OLGR Karlsruhe/Stuttgart, 1998, 198).

Eines besonderen Antrags hierfür bedarf es nicht (Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 2 zu § 297 ZPO).

Dass gem. § 249 Abs. 2 AktG mehrere Nichtigkeitsprozesse zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden sind, steht der Verneinung der Sachdienlichkeit nicht entgegen, da es zu einer Sachentscheidung nicht kommt und über die Zulässigkeitsvoraussetzungen für jeden Kläger individuell zu befinden ist.

IV. Soweit die Kläger beantragt haben, das Verfahren im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart auszusetzen, war dem nicht Folge zu geben. Die Kläger haben nicht dargetan, inwieweit die von der Staatsanwaltschaft getätigten Ermittlungen für die Entscheidung des streitgegenständlichen Rechtsstreits, insbesondere die Rechtsmissbräuchlichkeit der erhobenen Klage, erheblich sein können. Unabhängig davon kommt eine Aussetzung dann nicht in Betracht, wenn, wie hier, der Rechtsstreit entscheidungsreif ist.

Schlagworte: Ausnutzung des Klagerechts in zweck-, Feststellungsinteresse und Rechtsschutzbedürfnis, Klage in Schädigungsabsicht, Klage wirtschaftlich gerichtet gegen Mitgesellschafter, Rechtsmissbrauch sowie Treuepflichtverletzung bei Nichtigkeitsklage, Rechtsmissbrauch und Treuepflichtverletzung, Rechtsmissbräuchliche Klageerhebung