Einträge nach Montat filtern

OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Oktober 1999 – 20 U 30/99

§ 246 Abs 1 AktG

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 25.02.1999 — 2 KfH O 120/98 — abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf DM 50.000,00 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die auf Anfechtung des Einziehungsbeschlusses vom 06.06.1998 gerichtete Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat die Klagschrift am 17.08.1998 bei Gericht eingereicht und damit die für die Anfechtungsklage gebotene Frist nicht gewahrt.

Nach gefestigter Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ist auf Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH § 246 Abs. 1 AktG weder direkt noch analog anwendbar. Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine angemessene Frist zu bestimmen. Diese Frist hat sich aber am „Leitbild“ des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren und darf keinesfalls kürzer sein als die für das Aktienrecht geltende Monatsfrist (BGH NJW 1993, 129 = GmbHR 1992, 801 = BB 1992, 2239; BGHZ 111, 224, 225 = NJW 1990, 2625 = GmbHR 1990, 344, 345; BGH WM 1989, 63, 66; BGHZ 104, 66, 71 = NJW 1988, 1844; Baumbach-Hueck-Zöllner, GmbHG, 16. Aufl., Anh. § 47 Rn. 78 ff; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., Anh. § 47 Rn. 59; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 1 III 4 b; für eine strenge Orientierung an der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG: Ingerl in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, § 40 Rn. 51 ff).

Auch wenn das Bedürfnis an Rechtssicherheit, dem die einmonatige Anfechtungsfrist im Aktienrecht dient, dort wesentlich größer ist als bei der GmbH, die wegen der typischerweise zwischen den Gesellschaftern bestehenden persönlichen Beziehungen auf eine tragfähige Vertrauensgrundlage angewiesen ist, muß die Klage mit aller dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden. Liegen daher keine besonderen Umstände vor und ist eine einvernehmliche Regelung nicht (mehr) zu erwarten, muß der Gesellschafter ihm bekannte Mängel innerhalb eines Monats durch Klageerhebung geltend machen. Dies gilt grundsätzlich auch für kleinere Gesellschaften, deren Gesellschafter durch verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbunden sind (BGHZ 111, 224, 225 = NJW 1990, 2625 = GmbHR 1990, 344, 345). Die Bindung des Gesellschafters an die aktienrechtliche Anfechtungsfrist kann aber auch dann unzumutbar sein, wenn dieser längere Zeit benötigt, um schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen zu klären, die für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage bedeutsam sind (BGH NJW 1993, 129, 130 = GmbHR 1992, 801 = BB 1992, 2239).

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze war im vorliegenden Fall die angemessene Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage bei Einreichung der Klageschrift bei Gericht bereits abgelaufen.

Die Frage der Wirksamkeit der Einziehung der Geschäftsanteile und damit die Auslegung der §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 2 c der Satzung der Beklagten war nicht von solcher Schwierigkeit, daß sie nicht binnen Monatsfrist hätte geklärt werden können. Dies gilt um so mehr, als die Problematik bereits vor der Gesellschafterversammlung vom 06.06.1998 allen Beteiligten bekannt war. Die Auswirkungen der Anteilsschenkung vom 02.04.1998 waren bereits Gegenstand der Diskussion bei der Gesellschafterversammlung vom 14.05.1998. Bereits in dieser Gesellschafterversammlung sollte über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin entschieden werden, was aber daran scheiterte, daß die Vertreter der Klägerin den Versammlungsraum verließen und die Gesellschafterversammlung dadurch beschlußunfähig wurde. Die Einziehung der auf die Klägerin übertragenen sowie der originären Anteile der Klägerin nach § 6 Abs. 2 c der Satzung war schließlich auch der einzig bedeutsame Tagesordnungspunkt der Gesellschafterversammlung vom 06.06.1998.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.06.1998 wurden die Geschäftsführer der Beklagten zur Aufhebung des Einziehungsbeschlusses aufgefordert. Die rechtliche und tatsächliche Problematik war, wie diesem Schreiben zweifelsfrei zu entnehmen ist, zu diesem Zeitpunkt vom Klägervertreter bereits vollständig aufgearbeitet worden. Wenngleich das Antwortschreiben vom 02.07.1998 die erste anwaltliche Äußerung der Beklagten war, enthielt es doch keine neuen Gesichtspunkte, die für die Erfolgsaussicht einer Anfechtungsklage relevant waren, sondern faßte lediglich den Sachverhalt nochmals zusammen und wiederholte die bereits zuvor geäußerte Rechtsauffassung der Geschäftsführer der Beklagten. Die weiteren Ausführungen auf S. 5 u. 6 dieses Schreibens waren für die Erfolgsaussicht der Anfechtungsklage ersichtlich ohne Bedeutung.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihr sei es wegen der personalistischen, auf einvernehmliche Regelung von Streitigkeiten angelegten Prägung der GmbH unzumutbar gewesen, die Anfechtungsklage früher einzureichen. Zwar ist die Beklagte personalistisch strukturiert, weshalb der Klägerin ein hinreichender Zeitraum gelassen werden mußte, zu einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts mit den Mitgesellschaftern zu gelangen. Der Versuch, die Auseinandersetzung einvernehmlich beizulegen, war aber mit Zugang des Schreibens des Beklagtenvertreters vom 02.07.1998 am 06.07.1998 endgültig beendet. Bereits mit Schreiben vom 22.06.1998 hatte der Klägervertreter die beiden anderen Gesellschafter zur Aufhebung des Beschlusses aufgefordert und mitgeteilt, er sei beauftragt, andernfalls Anfechtungsklage zu erheben. Aus dem Antwortschreiben vom 02.07.1998 ergab sich eindeutig, daß eine Aufhebung des Einziehungsbeschlusses vom 06.06.1998 nicht in Betracht kam. Weitere Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung wurden im Anschluß an dieses Schreiben von keiner der Parteien unternommen.

Nachdem jedenfalls mit Zugang des Schreibens vom 02.07.1998 klar war, daß eine einvernehmliche Regelung ausschied und auch keine sonstige Umstände vorlagen, die der Klägerin eine zügige Klageerhebung unzumutbar machten, mußte die Anfechtungsklage jedenfalls innerhalb eines Monats ab Zugang dieses Schreibens eingereicht werden. Bis zur Einreichung der Klageschrift verging aber eine Frist von sechs Wochen. Der Einziehungsbeschluß vom 06.06.1998 ist daher nicht rechtzeitig angefochten worden. Die Klage ist, da Nichtigkeitsgründe weder dargetan noch ersichtlich sind, unbegründet.

In dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 15.10.1999 sind neue Tatsachen nicht vorgetragen. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO ist nicht geboten.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Schlagworte: Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Beginn des Fristlaufs, Fristbeginn bei Gesellschafterbeschlüssen, Fristlauf bei außergerichtlichen Verhandlungen, Klagefrist/Anfechtungsfrist