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OVG Lüneburg, Urteil vom 18.06.2015 – 8 LB 191/13

§ 3 Nr 20 Buchst b GewStG, Art 3 Abs 1 GG, § 3 Abs 4 S 2 IHKG, § 3 Abs 4 S 3 IHKG

Gehen die Satzungsbestimmungen der IHK bei einer Beitragsbemessung allein nach der Betriebsgröße von der sachlichen Unteilbarkeit des Kammerbeitrages aus, ohne die Möglichkeit eines – teilweisen – Absehens von der Beitragserhebung für ganz überwiegend von der Gewerbesteuerpflicht befreite Kammerzugehörige vorzusehen, liegt hierin ein Verstoß gegen den Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Grundsatz
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
(Äquivalenzprinzip) sowie den Gleichheitssatz, der zur Nichtigkeit dieser Satzungsregelung führt.

Die vorläufige Festsetzung des Grundbeitrages nach den Kennzahlen des gesamten Unternehmens der Klägerin nach der in II.3 Wirtschaftssatzung vorgesehenen Großbetriebsstaffelung – gegen deren grundsätzliche Zulässigkeit der Senat keine rechtlichen Bedenken hat – und somit unter Einbeziehung ihres gewerbesteuerbefreiten Tätigkeitsbereiches verstößt aber gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz. Die Grundbeiträge sind Beiträge im abgabenrechtlichen Sinn (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 – BVerwG 1 C 45.87 -, juris Rn. 10). Bei der Ausgestaltung der Grundbeitragsstaffelung kommt der Beklagten als Selbstverwaltungskörperschaft grundsätzlich ein weites Gestaltungsermessen zu (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 50), das seine Grenzen allerdings in der Einhaltung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitsgrundsatzes findet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2011, a.a.O., Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 – BVerwG 1 C 19/97 -, juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, a.a.O., m.w.N.). Als untergesetzliche Rechtsnormen unterliegen die Satzungsregelungen insoweit der inzidenten verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2006 – BVerwG 6 C 19.05 -, BVerwGE 125, 384, 386).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Grenzen des ihr zustehenden Gestaltungsermessens überschritten. Im Unterschied zu Gebühren werden Beiträge bereits für die potentielle Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung oder Leistung erhoben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.6.2014 – 1 BvR 668/10 u. 2104/10 -, juris Rn. 43 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 18.5.2004 – 2 BvR 2374/99 -, BVerfGE 110, 370, 388; BVerfG, Beschl. v. 20.5.1959 – 1 BvL 1/58 u.a., BVerfGE 9, 291, 297 f.). Sie dienen der Abgeltung eines besonderen Vorteils des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens und müssen entsprechend bemessen werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 und 259/66 -, BVerfGE 38, 281, 311 m.w.N.). Nach dem Äquivalenzprinzip als beitragsrechtlicher Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf die Höhe der Beiträge daher nicht außer Verhältnis zu dem durch sie abgegoltenen Vorteil stehen (BVerwG, Beschl. v. 14.12.2011, a.a.O., Rn. 5; BVerwG, Urt. v. 21.7.1998 – BVerwG 1 C 32.97 -, BVerwGE 107, 169, 177; BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, a.a.O.). Der Vorteil, den das Mitglied aus der Kammertätigkeit zieht, besteht darin, dass die Kammer die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllt, insbesondere das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrnimmt, für die Förderung der gewerblichen wirtschaft wirkt und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend berücksichtigt (§ 1 Abs. 1 Halbsatz 1 IHKG). Zudem bilden die Industrie- und Handelskammern Berufsnachwuchs für die gewerbliche wirtschaft aus, was für die Mitglieder zu dem Vorteil führt, qualifiziertes Personal einstellen zu können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.1.1997 – 11 A 12624/96 -, NVwZ-RR 1998, 305, 307). Dieser Vorteil kommt allen Mitgliedern, auch der aufgrund ihrer gewerblichen Betätigung kammerzugehörigen Klägerin, zugute. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die Kammerzugehörigen noch andere Möglichkeiten haben, ihre Interessen – etwa durch Mitgliedschaften in Berufsverbänden – zur Geltung zu bringen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, a.a.O., Rn. 12; BVerwG, Urt. v. 14.12.2011, a.a.O., Rn. 5 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.10.2012 – OVG 1 B 98.10 -, juris Rn. 39; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.1.1997, a.a.O.), so dass eine weitere, ebenfalls beitragsbelastete (Kammer-)Mitgliedschaft grundsätzlich nicht zu einer Entlastung bei der Beitragspflicht gegenüber der Industrie- und Handelskammer führt. Etwas anderes gilt aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 2 und 3 IHKG nur für die dort genannten, mit einer Doppelmitgliedschaft belasteten Kammerzugehörigen: Apotheker, Angehörige freier Berufe, Betriebsinhaber von Land- und Forstwirtschaft. Für diese Gruppen ist eine Privilegierung hinsichtlich der Beitragshöhe durch eine Reduzierung der Bemessungsgrundlagen vorgesehen ist (vgl. § 3 Abs. 4 Sätze 2 und 3 IHKG). Diese Ausnahme ist jedoch auf die Klägerin weder unmittelbar anzuwenden, noch lässt sich der Rechtsgedanke einer beitragsmäßigen Privilegierung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft auf sie übertragen. Die – freiwillige – Mitgliedschaft der Klägerin in der Landeskrankenhausgesellschaft ist mit den Pflichtmitgliedschaften im Bereich des Handwerks und der freien Berufe nicht vergleichbar. Gemäß § 108a Satz 1 SGB V ist die Landeskrankenhausgesellschaft ein Zusammenschluss von Trägern zugelassener Krankenhäuser im Land. Zwar ist die Tätigkeit dieser Landeskrankenhausgesellschaft in zahlreichen Bereichen des Sozialrechts gesetzlich vorgesehen, etwa bei der Vereinbarung des Basisfallwerts nach § 10 KHEntG, der Bestellung der Mitglieder des Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs. 4 KHG, der Bildung einer Schiedsstelle nach § 18a KHG, der Einrichtung und Verwaltung eines Ausgleichsfonds zugunsten ausbildender Krankenhäuser sowie bei Verträgen nach §§ 112 Abs. 1, 115 Abs. 1 SGB V und Vergütungsvereinbarungen nach § 115a Abs. 3 SGB V. Gleichwohl handelt es sich bei der Landeskrankenhausgesellschaft nicht um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit entsprechender Pflichtmitgliedschaft. Vielmehr sollte mit ihrer Schaffung ausdrücklich an privatrechtliche Verbandsstrukturen angeknüpft werden (Begründung zum Gesetzentwurf des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes, BT-Drs. 13/6087, S. 28 f.). Das Vorhaben, für die Krankenhausvereinigungen einen öffentlich-rechtlichen Status als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts zu schaffen (vgl. Begr. zum Entwurf eines Zweiten Gesundheitsstrukturgesetzes, BT-Drs. 13/3607, S. 33 f.), wurde nicht realisiert (vgl. Kruse/Hänlein, Gesetzliche Krankenversicherung (LPK SGB V), § 112 Rn. 3). So ist die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft e.V. als Zusammenschluss der niedersächsischen Krankenhäuser im Sinne des § 108a SGB V privatrechtlich organisiert, ein Austritt ist satzungsgemäß möglich (vgl. Veröffentlichung der Satzung unter http://www.nkgev.de). Für das einzelne Mitglied kann sich der aus der Kammermitgliedschaft ergebende Vorteil aufgrund der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer im Interesse aller Kammerzugehörigen regelmäßig nur mittelbar auswirken (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, a.a.O., Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.2.2006 – 4 A 4451/03 -, juris Rn. 43; Senatsurt. v. 20.5.1996  – 8 L 647/95 -, juris Rn. 8). Dies ist Ausdruck des dem Beitragsrechts immanenten fiktiven Elements (vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 3 Abs. 1 Rn. 123), denn der Beitrag stellt nur eine abstrakte Gegenleistung für den Vorteil dar, den der Kammerzugehörige aus der Kammerzugehörigkeit ziehen kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Grundbeitrag einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil ausgleicht, der sich bei dem einzelnen Mitglied messbar niederschlägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.7.1998, a.a.O., S. 176; BVerwG, Urt. v. 25.11.1971 – BVerwG I C 48.65 -, BVerwGE 39, 100, 107; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O.; Senatsurt. v. 20.5.1996, a.a.O.). Zur Wahrung des Äquivalenzprinzips genügt vielmehr der allgemeine Nutzen, der sich für die Kammermitglieder aus der Aufgabenwahrnehmung der IHK ergibt (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 45; kritisch Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 2. Aufl., § 13 Rn. 30 f.). Dies führt dazu, dass der Grundbeitrag in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich als nicht teilbar anzusehen ist (vgl. Senatsurt. v. 20.5.1996, a.a.O., Rn. 8; Senatsbeschl. v. 26.7.2004 – 8 LA 61/04 -, n.v.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 2.12.1997 – 9 S 2122/95 -, GewArch 1999, 80; Frentzel/Jäkel/ Junge, a.a.O., § 3 Rn. 57; Jahn, GewArch 2008, 187 a. A. VG Gießen, Urt. v. 26.10.2005 – 8 E 1697/05 -, juris Rn. 24). Dementsprechend ist der Grundbeitrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. BeitrO auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn die Kammerzugehörigkeit nicht während des gesamten Jahres bestanden hat. Allerdings sieht § 6 Abs. 2 Satz 3 BeitrO zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit vor, von der Erhebung des Grundbeitrags ganz oder teilweise abzusehen, wenn die Beitragspflicht im Erhebungszeitraum nicht länger als drei Monate bestanden hat. In sachlicher Hinsicht enthält die Beitragsordnung eine derartige Vergütungsklausel dagegen nicht. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. BeitrO ist der Grundbeitrag auch dann in voller Höhe zu entrichten, wenn der gewerbliche Betrieb nur mit einem Betriebsteil beitragspflichtig ist.

Zwar kann diese Satzungsbestimmung nicht dahingehend verstanden werden, dass die Kammerzugehörigkeit allein für einen Betriebsteil bestehen kann. Die Mitgliedschaft ist nach § 2 Abs. 1 IHKG ist grundsätzlich nicht teilbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.1.2005, a.a.O., S. 349; VG Trier, Urt. v. 1.12.2010 – 5 K 905/10.TR -, juris Rn. 17), da sie besteht, sofern – und nicht soweit – eine Gewerbesteuerveranlagung erfolgt. Die Regelung des § 2 Abs. 3 IHKG, wonach Handwerksbetriebe oder handwerksähnliche Betriebe nur mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der IHK angehören (vgl. hierzu Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung von Gesetzen auf dem Gebiet des Rechts der wirtschaft, BT-Drs. 12/3320, S. 7), steht der Annahme einer grundsätzlichen Unteilbarkeit der Kammerzugehörigkeit aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht entgegen. Eine vergleichbare Regelung existiert weder für teilweise von der Gewerbesteuer befreite Unternehmen noch für andere, der gemischten Betätigung von Handwerksbetrieben ähnliche Konstellationen. Auch bei Angehörigen freier Berufe besteht in vollem Umfang eine „Doppelmitgliedschaft“ (vgl. Drexler/König, Die Zugehörigkeit und Beitragspflicht von Steuerberatungs GmbHs bei den Industrie- und Handelskammern, GewArch 2004, 461, 462 f.). Die Beklagte hat § 6 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. BeitrO dahingehend angewendet, dass der Grundbeitrag auch dann in voller Höhe zu entrichten ist, wenn der Kammerzugehörige allein aufgrund eines Teilbetriebes – hier aufgrund der Gewerbesteuerpflicht nur des nicht zum eigentlichen Krankenhausbetrieb gehörenden Geschäftsbetriebes – überhaupt beitragspflichtig ist. Diese schematische Handhabung steht nicht im Einklang mit höherrangigem Recht. Das Fehlen einer satzungsgemäß vorgesehen Möglichkeit, von dieser sachlichen Unteilbarkeit des Grundbeitrages abzusehen, führt zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Zwar hat der Normgeber einen gewissen Regelungsspielraum, was er im Sinne des Äquivalenzprinzips als angemessen ansieht, so dass nur bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ein rechtlich relevanter Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 2.12.2009 – 10 KN 155/06 -, juris Rn. 35). Im Fall der Klägerin liegt aber ein solches grobes Missverhältnis vor, da sich auch die abstrakten und mittelbaren Vorteile einer Kammermitgliedschaft sich überhaupt nur auf etwa 5 v.H. der Tätigkeit der Klägerin beziehen können. Die Größe und Leistungskraft der untergeordneten gewerblichen Betätigung der Klägerin steht außer Verhältnis zur Höhe des Mindestgrundbeitrages. Der Umsatz, der auch Ausdruck des Umfangs der wirtschaftlichen Betätigung des Kammermitglieds ist, resultiert im Fall der Klägerin in den maßgeblichen Beitragsjahren ganz überwiegend aus dem gewerbesteuerbefreiten Krankenhausbetrieb. Von rd. 80.000.000 EUR Gesamtumsatz im Jahr 2011 entfielen nur etwa 3.200.000 EUR auf den gewerbesteuerpflichtigen Geschäftsbetrieb, was einem Anteil von unter 5 v.H. entspricht, entsprechendes gilt für das Jahr 2012. Mit mindestens 95 v.H. ihrer Tätigkeit wird die Klägerin daher nicht im Bereich der gewerblichen wirtschaft tätig und kann in diesem Umfang auch nicht abstrakt auf die Vorteile einer Kammerzugehörigkeit aufgrund einer allgemeinen Interessenwahrnehmung verwiesen werden. Der mit dem Beitrag abzugeltende Vorteil würde bei einer derart geringen Nutzungsmöglichkeit in einen Bereich der „Fiktion“ des abzugeltenden Vorteils (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1971, a.a.O., S. 107) rücken, in welchem dieser Vorteil nicht mehr nur nicht messbar – im Sinne fehlender Unmittelbarkeit – ist. Für den ganz überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Betätigung, die der Bemessung des den Vorteil abgeltenden Beitrags zugrunde gelegt werden soll, entsteht ein derartiger Vorteil von vornherein nicht. Die Wahrnehmung der Interessen der gewerblichen wirtschaft durch die Beklagte lässt sich für diesen Bereich wegen des Fehlens einer gewerblichen Betätigung nicht darstellen. Zwar verfolgt die Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG vorrangig und zunächst ohne Bezug zur Kammermitgliedschaft den Zweck, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen zu entlasten (vgl. BFH, Urt. v. 22.6.2011 – I R 59/10 -, juris Rn. 9; Lenski/Steinberg, a.a.O., § 3 Rn. 492 m.w.N., Stand: März 2015). Aufgrund der gesetzlichen Verknüpfung der objektiven Gewerbesteuerpflicht mit der beitragspflichtigen Kammermitgliedschaft ist jedoch die Folgerung, es werde keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, auch im Rahmen der Beitragsbemessung beachtlich.

Das somit bestehende Missverhältnis zwischen den Bemessungsgrundlagen des Kammerbeitrags und dem abzugeltenden Vorteil überschreitet vorliegend auch die Grenzen zulässiger Typisierung. Im Hinblick auf den Zweck und die Eigenart des Grundbeitrags stehen eine Industrie- und Handelskammer bei der Beitragsbemessung in weitem Maße Pauschalisierungen und Typisierungen offen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.3.2000, – BVerwG 1 C 15.99 -, juris Rn. 14). Das Gleichheitsgebot verlangt nicht, dass – insbesondere im Bereich des Abgabenrechts – jeder Besonderheit Rechnung zu tragen ist. Aus Praktikabilitätsgründen können in der Regel bei Massenvorgängen die Sachverhalte, an die dieselben abgabenrechtlichen Folgen geknüpft werden, typisiert werden, wobei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigt werden dürfen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Abgabepflichtigen darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.6.2014, a.a.O., Rn. 51, m.w.N.). So müssen sich die Ungleichbehandlungen infolge der Typisierung auf eine relativ kleine Anzahl von Beitragspflichtigen beschränken und der Verstoß darf im Einzelfall nicht unzumutbar sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.1994 – 1 BvR 1022/88 -, BVerfGE 91, 93, 115; Kluth, a.a.O., § 13 Rn. 158). Regelmäßig ist der Grundsatz der Typengerechtigkeit geeignet, die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu rechtfertigen, solange nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem Typ widersprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.9.1983 – BVerwG 8 N 1/83 -, juris Rn. 9 – zur Bemessung von Entwässerungsbeiträgen), wobei es sich nicht um eine starre Grenze handelt. Von dem dargestellten Missverhältnis zwischen Beitrag und abzugeltendem Vorteil aufgrund teilweiser Befreiung von der Gewerbesteuer ist ein relevanter Teil der 58 nach der Großbetriebsstaffel veranlagten Unternehmen im Bezirk der Beklagten betroffen. Nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung werden im Bezirk der Beklagten alle, jedenfalls aber mehrere private Krankenhäuser bzw. Krankenhausträger laufend nach der „Großbetriebsstaffel“ veranlagt. Bei diesen Krankenhausbetreibern kann es in gleichem Maße wie bei der Klägerin zu einem deutlichen Überwiegen des von der Gewerbesteuer befreiten Krankenhausbetriebs gegenüber den weiteren, gewerblichen Tätigkeiten kommen. Zudem ist aufgrund des Grades des Missverhältnisses zwischen einer Heranziehung der Beitragsbemessungsgrundlagen zu 100 v.H. bei einer nur zu 5 v.H. bestehenden gewerblichen Betätigung eine Pauschalisierung auch im Hinblick auf die bei einer Massenveranlagung relevanten Vereinfachungsgesichtspunkte nicht mehr gerechtfertigt und im vorliegenden Einzelfall nicht zumutbar.

Das Entstehen der vollen Beitragspflicht gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. BeitrO auch für Kammerzugehörige, die nur mit einem geringen Teil ihres Geschäftsbetriebes überhaupt gewerblich tätig sind, stellt aufgrund der fehlenden Vorteilsgerechtigkeit auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG dar. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89, u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385; BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252; st. Rspr – „neue Formel“; BVerwG, Urt. v. 25.11.1971, a.a.O., S. 105). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, diese bedürfen jedoch der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der VerhältnismäßigkeitBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (st. Rspr., BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a, -, BVerfGE 126, 400, 416; BVerfG, Beschl. v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69; BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188). Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber regelmäßig einer strengen Bindung, die umso enger ist, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten nur mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung dagegen davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Unterscheidungsmerkmale zu beeinflussen. Dem Gestaltungsspielraum sind jedenfalls umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92 u.a. -, BVerfGE 88, 87, 96 m.w.N.). Bei einer Berücksichtigung des Gesamtunternehmens für die Bemessung des Kammerbeitrages besteht eine Ungleichbehandlung der Klägerin, die mit ihrem gesamten Unternehmen die Kennzahlen der „Großbetriebsstaffel“ überschreitet, mit ihrem gewerbesteuerpflichtigen Geschäftsbetrieb aber unterschreitet, gegenüber einer insgesamt gewerblich tätigen GmbH mit einer Betriebsgröße unterhalb dieser Kennzahlen. Bei einem Gewerbeertrag von etwa 315.000 EUR (Gewerbeertrag der Klägerin im Beitragsjahr 2011) und etwa 470.000 EUR (Gewerbeertrag der Klägerin im Beitragsjahr 2012) würde eine voll gewerbesteuerpflichtige Kammerzugehörige nach Ziffer II.2.4 Wirtschaftssatzung nur zu einem Grundbeitrag von 600 EUR zuzüglich einer Umlage nach Ziffer II.6 Wirtschaftssatzung von 0,17 v.H. des Gewerbeertrages (nach den genannten Gewerbeerträgen in Höhe von 535,50 EUR und 799,00 EUR), mithin zu einem Beitrag von insgesamt 1.135,50 EUR für das Jahr 2011 und 1.399,00 EUR für das Jahr 2012 herangezogen, während die Klägerin nach Ziffer II.3.2 Wirtschaftssatzung in Höhe von jeweils 10.000 EUR belastet wird. Eine derartige Ungleichbehandlung durch ein Vielfaches der Beitragsbelastung ist nach dem dargestellten Maßstab als nicht mehr gerechtfertigt anzusehen. Prägend für die Bestimmung des im Einzelfall anzuwendenden Maßstabes ist, dass die Heranziehung zu Kammerbeiträgen aufgrund der gewerblichen Betätigung einer GmbH nicht an personenbezogene, sondern allein an verhaltensbezogene Merkmale anknüpft, die durch den betroffenen Gewerbetreibenden beeinflussbar sind. Zudem werden die hinter der wirtschaftlichen Betätigung einer juristischen Person stehenden natürlichen Personen – jedenfalls wie hier im Rahmen eines Konzernverbundes gestaffelt (vgl. BVerfG, Urt. v. 2.3.1999 – 1 BvL 2/91 -, BVerfGE 99, 367, 389) – nur mittelbar und jedenfalls nicht in ihrem Persönlichkeitskern betroffen. Zwar findet gemäß Art. 19 Abs. 3 GG der Gleichheitssatz auch auf inländische juristische Personen des Privatrechts Anwendung (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 16), allerdings rechtfertigt die ausdrückliche Personenbezogenheit des Art. 3 Abs. 1 GG eine abgestufte Betrachtung. So mag die Unternehmensgröße, die für die Beitragsstaffelung in Bezug genommen wird, ein Merkmal des von der juristischen Person betriebenen Unternehmens sein, dies jedoch nur als Ausdruck ihrer wirtschaftlichen Betätigung. Die Erhebung des Kammerbeitrages berührt auch nicht den Schutzbereich des Art. 12 GG. Die Berufsfreiheit ist bei der Erhebung öffentlicher Abgaben dann betroffen, wenn diese in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 7.5.1998 – 2 BvR 1876/91 u.a. -, BVerfGE 98, 83, 97; BVerfG, Urt. v. 6.7.2005 – 2 BvR 2335/95 u.a. -, BVerfGE 113, 128, 145). Eine objektiv berufsregelnde Tendenz kommt jedoch der nur allgemein an die gewerbliche Betätigung oder Betätigungsmöglichkeit anknüpfenden Beitragsregelung einer Industrie- und Handelskammer nicht zu (vgl. zur Beitragspflicht bei Zwangsmitgliedschaft in berufsständischen Versorgungswerken: BVerfG, Beschl. v. 29.12.2004 – 1 BvR 113/03 -, juris Rn. 17 – Zusatzversorgungswerk der Apothekerkammer; BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u.a. -, BVerfGE 55, 7, 27 – ; BVerfG, Beschl. v. 11.10.1972 – 1 BvR 288/70 -, BVerfGE 34, 62, 70 – Handwerkerpflichtversicherung; BVerfG, Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52 -, BVerfGE 10, 354, 362 f. – Ärzteversorgung). Die Erhebung des Kammerbeitrages mag aufgrund der wirtschaftlichen Belastung zwar mittelbar Auswirkungen auf die Berufstätigkeit ihrer Mitglieder entfalten. Allein dies reicht aber für die Annahme einer berufsregelnden Tendenz nicht aus, wenn nicht durch die in einem engen Zusammenhang mit der Berufsausübung stehende Maßnahme die Rahmenbedingungen der Berufsausübung selbst verändert werden, insbesondere wenn die Verwendung der erhobenen Abgaben in erheblicher Weise auf die Berufsausübung zurückwirkt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.7.2004 – 1 BvR 1298/94 u.a. -, BVerfGE 111, 191, 213 f. – Notarkammern; BVerfG, Beschl. v. 16.9.2009 – 2 BvR 852/07 -, BVerfGE 124, 235, 242 – BaFin-Umlage). Im Rahmen einer abgestuften Kontrolldichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bewegt sich die erforderliche Rechtfertigung daher hier im unteren Bereich (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.10.2012, a.a.O., Rn. 26) des „stufenlosen Prüfungsmaßstabes“ mit den Eckpunkten Willkürverbot und „neue Formel“ (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, a.a.O. Rn. 32). Der Gleichheitssatz ist daher erst dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Differenzierung nicht finden lässt (vgl. BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 -, BVerfGE 1, 14, 52). Insoweit ist maßgeblich zu beachten, dass bei der Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft den wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Die Beiträge müssen im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden, dürfen also nicht in einem Missverhältnis zueinander stehen (BVerwG, Urt. v. 25.11.1971, a.a.O., S. 106; BVerwG, Urt. v. 26.6.1990. a.a.O., Rn. 16 f.; BVerwG, Urt. v. 26.4.2006, a.a.O., S. 389). Ein sachlicher Grund für die dargestellte Ungleichbehandlung besteht danach nicht. Ist die Äquivalenzbeziehung zwischen der Höhe des zu leistenden Beitrags und dem abzugeltenden Vorteil derart gestört, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzunehmen ist, kann die Vorteilsgerechtigkeit kein sachgerechtes Kriterium für die Ungleichbehandlung mehr darstellen. Aufgrund dieser gestörten Vorteilsgerechtigkeit bei der Bemessung der Beitragshöhe ist daher auch von einem groben Missverhältnis der Beitragsbelastung nur teilweise gewerbesteuerpflichtig tätiger Kammerzugehöriger – wie der Klägerin – im Verhältnis zu voll gewerbesteuerpflichtigen Kammerzugehörigen auszugehen.

 

 

 

Schlagworte: Beitragsbescheid, IHK-Beitrag