Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen sonstiger Gerichte zum Gesellschaftsrecht

FG Münster, Urteil vom 12. August 2022 – 4 K 1469/20 U

Haftet die nominelle Geschäftsführerin, die lediglich Strohfrau des faktischen Geschäftsführers ist, nach § 69 AO?

LG Essen, Urteil vom 11.08.2022 – 6 O 83/22 

Nichterfüllte Einlage des GmbH-Gesellschafters I Haftung der Rechtsvorgänger

Für die nicht erfüllte Einlageverpflichtung eines ausgeschlossenen Gesellschafters haftet gegenüber der Gesellschaft auch der letzte sowie jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen Gesellschafters, der im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.

LG Hannover, Urteil vom 16.08.2022 – 32 O 116/22 

Einstweilige Verfügung I Verfügungsanspruch und -grund bei Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers

1. Ein Geschäftsführer kann gegen seine Abberufung vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, die es ihm ermöglicht, zeitlich oder sachlich beschränkt, seine Tätigkeit als Geschäftsführer bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Hauptsache fortzuführen.

2. Gesellschaft und deren Geschäftspartner benötigen Klarheit, ob der Geschäftsführer (als Verfügungskläger) bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin die Geschäfte der Gesellschaft führen und diese vertreten kann.

3. Abberufungsbeschluss eines Geschäftsführers und Bestellung eines Notgeschäftsführers haben Dauerwirkung. Eine dadurch bewirkte zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung ist unwirksam, wenn der Beschluss nicht gleichzeitig in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird.

LG Stuttgart, Urteil vom 02.08.2022 – 31 O 135/21 KfH 

1. Steht zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über eine aktienrechtliche Nichtigkeits- und hilfsweise Anfechtungsklage lediglich fest, dass eine weitere Hauptversammlung einberufen wurde, die zu einem Zeitpunkt nach Schluss der mündlichen Verhandlung Bestätigungsbeschlüsse gem. § 244 AktG zu den streitgegenständlichen Beschlüssen fassen soll, so bietet dieser Sachverhalt keinen Anlass und keine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung, das entscheidungsreife Verfahren auf Antrag der Gesellschaft gem. § 148 Abs. 1 ZPO wegen „Vorgreiflichkeit“ auszusetzen. In einer solchen Konstellation liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach dieser Norm nicht vor, und auch unter Berücksichtigung aktienrechtlicher Besonderheiten, insbesondere des § 244 AktG, ist die Verfahrensaussetzung nicht obligatorisch.

2. Die Entscheidung über eine Verfahrensaussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO liegt im Ermessen des Gerichts. Ein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage auszusetzen, sobald die Hauptversammlung einen Bestätigungsbeschluss fasst, selbst wenn dieser noch nicht bestandskräftig ist, lässt sich weder dem Normwortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 244 Satz 1 AktG entnehmen. Erst Recht ergibt sich aus § 244 Satz 1 AktG kein prozessuales Gebot, das Verfahren über die gegen den Erstbeschluss gerichtete Anfechtungsklage bereits im Vorgriff auf einen noch nicht einmal gefassten Hauptversammlungsbeschluss auszusetzen. Der bloßen Absicht zur Fassung eines Bestätigungsbeschlusses kommt nach § 244 AktG materiell-rechtlich keine Wirkung zu, erst Recht keine Heilungswirkung. Sie ist schlicht unerheblich. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch Zurückweisung eines gleichwohl gestellten unbegründeten Aussetzungsantrags scheidet in dieser Konstellation aus. Gegenteiliges folgt auch nicht aus BGH, Beschluss vom 11. August 2010 – II ZR 24/10, Rn. 1, juris; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2010 – II ZR 262/08, Rn. 1, juris oder BGH, Urteil vom 12. Dezember 2005 – II ZR 253/03, Rn. 4, juris).

3. Für eine Verfahrensaussetzung ist bei aktienrechtlichen Beschlussmängelklagen im Übrigen kein Raum, wenn es bereits zu einer „Kaskade“ von Bestätigungsbeschlüssen gekommen ist, und wenn der Aussetzungsantrag rechtsmissbräuchlich in Verschleppungsabsicht gestellt wird.

4. Auch natürliche Personen können bei direktem oder indirektem Beteiligungserwerb gemäß § 20 Abs. 1, 4 AktG, ggf. in Verbindung mit § 16 Abs. 4 AktG, gegenüber der Gesellschaft zur Mitteilung verpflichtet sein, denn auch sie können die für eine solche Mitteilungspflicht erforderliche Unternehmenseigenschaft besitzen.

5. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Stimmrechtsverlusts nach § 20 Abs. 7 AktG liegt beim klagenden Aktionär. Legt der Aktionär jedoch im Rahmen einer auf die Missachtung eines Stimmrechtsverbots gestützten Anfechtungsklage die Unternehmenseigenschaft einer nach seiner Auffassung meldepflichtigen natürlichen oder juristischen Person substantiiert dar, die unstreitig vor der Beschlussfassung keine Meldung abgegeben hat, so liegt es an der beklagten Aktiengesellschaft, dem Vortrag substantiiert entgegenzutreten, wenn sie behauptet, der Dritte sei nicht meldepflichtig gewesen. Das gilt insbesondere dann, wenn der aus Sicht des Klägers schon vor der Beschlussfassung meldepflichtige Dritte die Stimmrechtsmitteilung an die Gesellschaft später tatsächlich nachgeholt hat und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Dritte erst nach Beschlussfassung (zum Zeitpunkt der Nachmeldung) zum Unternehmen i.S.d. §§ 20 Abs. 1, 16 Abs. 4 AktG geworden sein könnte.

LG Hamburg, Urteil vom 01.07.2022 – 418 HKO 83/21

Anfechtung von im Umlaufverfahren zustande gekommener GmbH-Gesellschafterbeschlüsse

1. Die Durchführung eines Umlaufverfahrens trotz des Widerspruchs eines Gesellschafters ist nicht als so besonders gravierender Mangel zu bewerten, der zur Nichtigkeit der Gesellschafterbeschlüsse führt.

2. Wird ein satzungsgemäßes Quorum zur Beschlussfähigkeit von Gesellschafterversammlungen im erleichterten Umlaufverfahren nicht erreicht, so ist der Beschluss unwirksam. Wenn sein Zustandekommen gleichwohl festgestellt wird, ist der Beschluss anfechtbar.

3. Soweit der Gesellschaftsvertrag ein Mindestquorum für die Beschlussfassung in Präsenzgesellschafterversammlungen verlangt, ist dieses auf die Frage der Zulässigkeit einer erleichterten Beschlussfassung nach § 2 CovMG zu übertragen.

Raucherpause nach Landesarbeitsgericht Arbeitszeitbetrug?

Raucherpause kann Arbeitszeitbetrug sein
Täuschung über Arbeitsleistung während Raucherpause

LG Ingolstadt, Urteil vom 26.04.2022 – 1 HK O 1505/21

Kein Feststellungsinteresse bei fehlender Klageerhebung gegen den gesamten Gesellschafterkreis

Eine Klage, durch die die Feststellung der Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen geltend gemacht wird, ist mangels Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig, wenn sich die Klage nicht gegen sämtliche Gesellschafter (einschließlich der Komplementär-GmbH) richtet.

LG Frankfurt, Urteil vom 25. Februar 2022 – 2-02 O 213/21

erfolgt grundsätzlich durch Einigung und Übergabe bzw. Vereinbarung eines Besitzkonstituts bzw. Abtretung des Herausgabeanspruchs nach §§ 929 ff. BGB, unabhängig von der Art der Verwahrung und der Verbriefung der Urkunde.

Das Mitgliedschaftsrecht (das „Recht aus dem Papier“) folgt bei ihr dem „Recht am Papier“, also dem Eigentum an der Aktienurkunde.

Die Unterscheidung zwischen der Inhaberaktie und der Namensaktie liegt gerade entscheidend darin, dass bei der Inhaberaktie derjenige legitimiert ist, wer sie besitzt und bei der Namensaktie als Aktionär nur derjenige gilt, wer als solcher im Aktienbuch steht; die Verbriefung der Aktie kann bei der Namensaktie auf Basis einer entsprechenden SatzungsbestimmuDie Übereignung einer Inhaberaktie und der in ihr verbrieften Rechte und Pflichten ng unterbleiben.

Insofern ergibt sich für den Inhaber einer Aktienurkunde gegenüber der Aktiengemeinschaft und gegenüber Dritten die widerlegbare Vermutung, dass er auch Inhaber des verbrieften Mitgliedschaftsrecht ist .

BAG, Urteil vom 16. Dezember 2021 – 2 AZR 356/21

Verhaltensbedingte Kündigung – Auflösungsantrag

Der Arbeitgeber trägt auch dann die Beweislast für den von ihm behaupteten Kündigungs- bzw. Auflösungsgrund, wenn das betreffende Verhalten
des Arbeitnehmers den Tatbestand der üblen Nachrede iSv. § 186 StGB
erfüllen würde.

1. Die Beweislast verschiebt sich nicht deshalb, weil es um den Beweis einer negativen Tatsache geht. Eine solche Beweisführung unterliegt zwar für die beweisbelastete Partei im Allgemeinen besonderen Anforderungen. Doch ist den Schwierigkeiten, denen sich die Partei gegenübersieht, die das Negativum (das Nichtvorliegen einer Tatsache) beweisen muss, im Rahmen des Zumutbaren regelmäßig dadurch zu begegnen, dass sich der Prozessgegner auf die bloße Behauptung des Negativen durch den primär Darlegungs- und Beweispflichtigen seinerseits nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen darf, sondern im Rahmen einer sekundären Darlegungslast vortragen muss, welche tatsächlichen Umstände für das Vorliegen des Positiven sprechen. Dem Beweispflichtigen obliegt sodann (nur) der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft.

2. Dem Prozessgegner ist es schlechterdings nur erlaubt, das Vorliegen einer negativen Tatsache zu bestreiten, wenn er aus eigener Kenntnis oder aufgrund von Nachforschungen das von ihm behauptete Geschehen in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht substantiiert darlegen kann. Ist er dazu nicht in der Lage, trifft ihn die gleiche prozessuale Folge, die sonst einen Anspruchsteller trifft, der nicht alle Tatbestandsmerkmale einer einschlägigen Anspruchsgrundlage dartun kann: Zu seinem Nachteil ist dann davon auszugehen, dass die im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu schildernde (positive) Tatsache nicht vorliegt.

BAG, Urteil vom 30. November 2021 – 9 AZR 225/21

Fallen aufgrund von Kurzarbeit einzelne Arbeitstage vollständig aus, ist dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen.