Ausgewählte Entscheidungen

Entscheidungen des OLG München

OLG München, Urteil vom 19.07.2023, Az. 7 U 5309/22

Handelsvertreter I Umfang der Buchauszugspflicht im Falle des Widerrufs von vermittelten Verträgen

OLG München, Urteil vom 03.05.2023 – 7 U 2865/21

Abberufung des Geschäftsführers und Beendigung des Anstellungsvertrags

OLG München, Urteil vom 03.05.2023 – 7 U 4308/22

Prospekthaftung I Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung einer Gesellschaftsbeteiligung

Ein Gründungsgesellschafter hat die Pflicht, einem Beitrittsinteressenten für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln und ihn über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären.

Ein Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschaltete Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen

OLG München, Urteil vom 05.04.2023 – 7 U 6538/20

Gesellschafterstreit I Gesellschafterversammlung I Anfechtung Gesellschafterbeschluss I Stimmrecht I Änderung der Stimmabgabe I Treugeber I Zuständigkeit

OLG München, Endurteil vom 22. März 2023 – 7 U 1995/21

Nichtigkeit der Beschlüsse einer GmbH-Gesellschafterversammlung wegen Versammlungsdurchführung am fehlerhaften Versammlungsort

Analog § 121 Abs. 5 Satz 1 AktG sollen Gesellschafterversammlungen am Sitz der Gesellschaft stattfinden. Von der Sollbestimmung darf abgewichen werden, wenn am Sitz der Gesellschaft kein geeignetes Versammlungslokal vorhanden ist oder die Verkehrsverbindung dorthin gestört ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit den Räumlichkeiten der Gesellschaft oder in etwaig anzumietenden Räumlichkeiten eines Hotels eine auch unter Coronabedingungen geeignete Lokalität zur Verfügung stand und ob deren Nutzung für eine Gesellschafterversammlung nach den geltenden bayerischen Schutzvorschriften zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie zulässig war, sofern der Gesetzgeber sowohl zum Zeitpunkt der Einberufung der Gesellschafterversammlung als auch im Zeitpunkt der Durchführung der Gesellschafterversammlung im Hinblick auf die Pandemielage eine Regelung getroffen hatte, wie Gesellschafterbeschlüsse bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung trotz der getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gefasst werden können.

OLG München, Urteil vom 22.03.2023 – 7 U 723/22

Abberufung eines GmbH-Geschäftsführer und außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses aus wichtigem Grund

1. Wenn ein GmbH-Geschäftsführer, ohne zuvor die dafür nach der Geschäftsordnung der GmbH erforderliche Zustimmung einer Geschäftsführerin einzuholen, 240.000,00 € vom Konto der GmbH auf sein Privatkonto überweist, dann liegt ein wichtiger Grund sowohl für seine Abberufung als Geschäftsführer als auch für die außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses vor.

2. Die etwaige Befürchtung eines GmbH-Geschäftsführerss, dass eine unzulässige Sperrung seines Zugriffs auf die Konten der GmbH erfolgen könnte, rechtfertigt nicht die Überweisung der 240.000,00 € auf sein Privatkonto. Dabei würde es sich um einen unzulässigen Akt präventiver Selbsthilfe handeln. Wenn der Geschäftsführer derartige Befürchtungen hat und dies für rechtswidrig hält, muss er dagegen gerichtlich, gegebenenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, vorgehen. Keinesfalls kann er aber Geld auf seinem Privatkonto in Sicherheit bringen, um Angriffe einer Mitgesellschafterin auf seine Stellung abzuwehren.

3. Bereits der Verstoß gegen die Geschäftsordnung rechtfertigt die Annahme eines wichtigen Grundes für die außerordentliche fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers.

4. Durch die zeitnahe Zurücküberweisung der 240.000,00 € wird das durch die unbefugte Überweisung erschütterte Vertrauen in die Redlichkeit des Geschäftsführers nicht wiederhergestellt.

OLG München, Urteil vom 22. März 2023 – 7 U 453/22 

Anfechtung von GmbH-Gesellschafterbeschlüssen I Rechtsschutzbedürfnis eines ausgeschlossenen Gesellschafter-Geschäftsführers I Wirkungen eines Beschlusses über die Geltendmachung von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen I Umfang der Rechenschaftspflicht

1. Für eine Klage gegen die Ausschließung ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis des ausgeschlossenen Gesellschafters unmittelbar. Auch für einen Beschluss, Ausschließungsklage zu erheben, gilt nichts anderes. Insoweit muss der Gesellschafter ebenfalls befugt sein, einen entsprechenden Beschluss im Falle seiner Rechtswidrigkeit – schon wegen seines guten Rufs – aus der Welt zu schaffen.

2. Einem Beschluss, Auskunft und Rechenschaft zu verlangen, kommt allein die Wirkung zu, dass die Gesellschaft die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen und Ansprüchen auf Rechnungslegung beschließt. Ob und in welchem Umfang die Ansprüche tatsächlich gegeben sind, ist erst in dem Prozess zu klären, in dem die Gesellschaft den Geschäftsführer bzw. ehemaligen Geschäftsführer im Wege der Leistungsklage auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch nimmt.

3. Die Aufbewahrungsfristen für Buchhaltungsunterlagen beschränken den Umfang der Rechenschaftspflicht nicht. Besteht eine Rechnungslegungspflicht, so kann dieser Pflicht lediglich entgegengehalten werden, dass sie unmöglich geworden sei, wenn Unterlagen (eben weil die Aufbewahrungsvorschriften abgelaufen sind) vernichtet worden sind. Sind die Unterlagen jedoch vorhanden, können und müssen sie für die Rechnungslegung verwendet werden (vgl. BGH, 10. Oktober 1994, II ZR 95/93).

OLG München, Urteil vom 22.02.2023 – 7 U 6026/21

Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Makler

Allein durch das Mitbringen des Herrn B. zu dem Gesprächstermin und der von der Beklagten dem Herrn B. eingeräumten Möglichkeit, sich als möglicher Geschäftsführer vorzustellen, ist ein konkludenter Maklervertrag zwischen den Parteien auch unter Berücksichtigung der Wertungen des § 653 Abs. 1 BGB nicht zustande gekommen.

OLG München, Urteil vom 01.02.2023 – 7 U 4346/21

Klage gegen die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils

Eine Zwangseinziehung des Geschäftsanteils scheidet aus, wenn die übrigen Gesellschafter durch längere Fortsetzung der Zusammenarbeit zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Einziehungsgrund keine Bedeutung mehr beimessen.

OLG München, Urteil vom 12.01.2023 – 8 U 2672/17

Zur Haftung der Gründungsgesellschafter für den Prospekt des Immobilienfonds Wachstumswerte Europa Ill („Cloche d’Or“) 

1. Da Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbar sind, bedarf es in diesem Falle zur Aufnahme des Verfahrens gem. § 20 Abs. 4 KapMuG keines Rechtskraftvermerks.
2. Die Bindungswirkung des Musterentscheids gem. § 22 Abs. 1 KapMuG erfasst in objektiver Hinsicht nicht nur die Beantwortung des Feststellungsziels im Tenor der Entscheidung, sondern auch die diesen Entscheidungssatz tragenden tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente; sie reicht jedoch nicht über die Feststellungsziele des Musterverfahrens hinaus (Anschluss an BGH, Beschluss vom 19.09.2017 – XI ZB 17/15, Rn. 54; hier bejaht für die Haftung der Beklagten als Gründungsgesellschafter aus Prospekthaftung im weiteren Sinne).
3. Trotz § 16 Abs. 2 KapMuG ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein gesonderter Ausspruch des Prozessgerichts über die anteilige Kostentragungspflicht der Parteien für die im Musterverfahren erster Instanz angefallenen Kosten grundsätzlich nicht erforderlich.