Kein gutgläubiger Erwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils vor Bedingungseintritt durch einen Zweiterwerber

Urteil des BGH vom 20.09.2011, II ZB 17/10

I.

Der BGH hat mit Urteil vom 20.09.2011 entschieden:

  1. Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
    Gesellschafter
    Veränderungen in den Personen der Gesellschafter
    oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt.
  2. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

II.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Rechtsbeschwerdeführer reichte in seiner Eigenschaft als Notar eine Liste der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Liste der Gesellschafter
der K. GmbH zum Handelsregister ein. In einer Spalte „Veränderungen“ war bei dem Gesellschaftsanteil einer der beiden Gesellschafterinnen vermerkt: „aufschiebend bedingt abgetreten“. Der Rechtsbeschwerdeführer bescheinigte zugleich, dass sich die Veränderung aufgrund seiner Urkunde vom 30. März 2010 ergeben habe und die Liste im Übrigen mit der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimme. Das Registergericht hat die Aufnahme der Liste in das Handelsregister abgelehnt, da sie keine bereits eingetretene Veränderung enthalte. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Abtretung eines Gesellschaftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, dürfe die Einreichung der bereinigten Gesellschafterliste erst nach Eintritt der Bedingung erfolgen; ein gutgläubiger Erwerb durch einen Dritten vor Bedingungseintritt sei nicht möglich. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte der Rechtsbeschwerdeführer sein Begehren auf Aufnahme der Gesellschafterliste in den Registerordner weiter.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Der vom BGH mitentschiedenen Rechtsfrage, ob ein gutgläubiger Erwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils möglich ist, liegt die Sachverhaltskonstellation zugrunde, dass der Gesellschafter einer GmbH seinen Geschäftsanteil unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung an den Ersterwerber abtritt und noch vor Bedingungseintritt (regelmäßig Kaufpreiszahlung) den Geschäftsanteil ein zweites Mal verkauft und unbedingt (sofort) an den Zweiterwerber abtritt:

III.

Der BGH gelangte zu seinem Ergebnis auf folgendem Weg:

1.

Die Prüfberechtigung des Registergerichts

1.1

Veränderungen in den Personen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Veränderungen in den Personen der Gesellschafter
oder des Umfangs ihrer Beteiligung

Nach Ansicht des BGH darf das Registergericht – auch wenn es nur Verwahrstelle ist – die vom Notar eingereichte Gesellschafterliste jedenfalls darauf prüfen, ob diese den Anforderungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entspricht. Das Registergericht ist daher berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafter
Veränderungen in den Personen der Gesellschafter
oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern eine solche Veränderung nur ankündigt. Denn vor dem Hintergrund des geltenden Grundsatzes der Registerklarheit steht es nicht im Belieben der Beteiligten, den Inhalt der von ihnen eingereichten Gesellschafterliste abweichend von den gesetzlichen Vorgaben um weitere, ihnen sinnvoll erscheinende Bestandteile zu ergänzen.

1.2

Abtretung eines Geschäftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung kündigt Veränderung erst an.

Nach § 40 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 GmbHG sind die Geschäftsführer bzw. der Notar verpflichtet, unverzüglich „nach Wirksamwerden jeder Veränderung“ in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung eine von ihnen unterschriebene Liste zum Handelsregister einzureichen. Eine solche Veränderung ist insbesondere die Abtretung eines Geschäftsanteils. Steht die Abtretung eines Geschäftsanteils unter einer aufschiebenden Bedingung, setzt die Verpflichtung des die Abtretung beurkundenden Notars, eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erst mit Wirksamwerden der Veränderung in der Person des Gesellschafters, das heißt mit Bedingungseintritt, ein. Die Einreichung einer Gesellschafterliste, in der eine Veränderung erst angekündigt wird, sieht das Gesetz nicht vor.

Diese Auslegung nach dem Wortlaut entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers und der Entstehungsgeschichte der jetzigen Fassung der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Scheitert die Abtretung unter einer aufschiebenden Bedingung nachträglich am Nichteintritt einer Bedingung oder Ähnlichem könnte – wenn die Anzeige des Notars bereits vor Wirksamkeit der Abtretung möglich wäre – die Anzeige ins Leere gehen, was aus Gründen der Rechtsklarheit nicht gewollt ist.

2.

Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach § 161 Abs. 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden.

Dass ein Teil des Schrifttums eine vom Notar eingereichte Gesellschafterliste mit Hinweis auf die bedingte Anteilsabtretung für zulässig hält, hat damit zu tun, dem Ersterwerber nach einer aufschiebend bedingten Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils ein Mittel gegen einen gutgläubigen Erwerb dieses Anteils bei erneuter Abtretung durch den Veräußerer (Zweiterwerb) an die Hand zu geben.

Der BGH hat nun aber ausdrücklich festgestellt, dass ein derartiges praktisches Bedürfnis nicht besteht, weil ein gutgläubiger Erwerb eines aufschiebend bedingt abgetretenen Geschäftsanteils nach § 161 Abs. 3 BGB i.V.m. § 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber nicht möglich ist.

§ 161 Abs. 1 und 3 BGB lauten wie folgt:

1. Hat jemand unter einer aufschiebenden Bedingung über einen Gegenstand verfügt, so ist jede weitere Verfügung, die er während der Schwebezeit über den Gegenstand trifft, im Falle des Eintritts der Bedingung insoweit unwirksam, als sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würde. […]

[…]

3. Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung.“

§ 16 Abs. 3 GmbHG lautet wie folgt:

„[…]

3. Der Erwerber kann einen Geschäftsanteil oder ein Recht daran durch Rechtsgeschäft wirksam vom Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Dies gilt nicht, wenn die Liste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils weniger als drei Jahre unrichtig und die Unrichtigkeit dem Berechtigten nicht zuzurechnen ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist ferner nicht möglich, wenn dem Erwerber die mangelnde Berechtigung bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist oder der Liste ein Widerspruch zugeordnet ist […].“

Der BGH begründet seine Rechtsansicht wie folgt.

2.1

Das Prioritätsprinzip des § 161 Abs. 1 BGB wurde durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach § 16 Abs. 3 GmbHG nicht außer Kraft gesetzt.

Das in § 161 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Prioritätsprinzip, das bisher den Ersterwerber nach einer bedingten Anteilsabtretung gegen einen Zweiterwerb geschützt hat, wurde durch die Einführung des gutgläubigen Erwerbs von Geschäftsanteilen nach § 16 Abs. 3 GmbHG mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) nicht außer Kraft gesetzt. Das ergibt sich nach Ansicht des BGH auch nicht aus § 161 Abs. 3 BGB. Denn § 161 Abs. 3 BGB regelt kein Abrücken vom Prioritätsprinzip, sondern verweist je nach Gegenstand des Gutglaubenserwerbs auf diejenigen Vorschriften, die einen Gutglaubensschutz für den jeweiligen Verfügungsgegenstand vorsehen. Für den Erwerb eines GmbH-Geschäftsanteils ist die einschlägige Vorschrift der § 16 Abs. 3 GmbHG.

2.2

Die Gesellschafterliste i.S.d. § 16 Abs. 3 GmbHG ist kein Rechtsscheinträger dafür, dass der in der Liste eingetragene Inhaber des Geschäftsanteils über diesen nicht bereits aufschiebend bedingt verfügt hat.

Nach § 16 Abs. 3 GmbHG ist die Gesellschafterliste Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Erwerb eines Geschäftsanteils. Die Rechtsscheinwirkungen des § 16 Abs. 3 GmbHG können nur so weit gehen, wie die Gesellschafterliste als Rechtsscheinträger den für den Rechtsverkehr maßgeblichen Vertrauenstatbestand begründen kann. Die Gesellschafterliste ist nach Ansicht des BGH aber nicht geeignet, einen Rechtsschein dafür zu setzen, dass der in der Liste eingetragene Inhaber des Geschäftsanteils über diesen nicht bereits aufschiebend bedingt verfügt hat.

Weil nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 GmbHG die Gesellschafterliste nur eine Aussage über die Gesellschafterstellung trifft, nicht aber über die Belastung des Geschäftsanteils mit einem Anwartschaftsrecht, erfasst die Reichweite des Gutglaubensschutzes der Gesellschafterliste auch nur den guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft des eingetragenen Gesellschafters. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung. Die Gesellschafterliste begründet also keinen Vertrauenstatbestand für die Freiheit des Geschäftsanteils von Belastungen oder dafür, dass der Gesellschafter in seiner Verfügungsmacht über den Geschäftsanteil nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder gemäß § 161 Abs. 1 BGB beschränkt ist.

Aus einer Parallele zu § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB (öffentlicher Glaube des Grundbuchs) ergibt sich nichts anderes. Denn eine § 892 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechende Regelung, nach der eine Verfügungsbeschränkung dem Erwerber gegenüber nur wirksam ist, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder dem Erwerber bekannt ist, wurde in § 16 Abs. 3 GmbHG gerade nicht übernommen. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs lehnt sich § 16 Abs. 3 GmbHG nur teilweise an § 892 BGB an. Einen vollständigen Gleichlauf von § 892 BGB und § 16 Abs. 3 GmbHG hat der Gesetzgeber nicht gewollt und auch als nicht erforderlich erachtet. Nach Ansicht des BGH zeigt sich dies auch daran, dass in § 16 Abs. 3 Satz 2 GmbHG teilweise das Veranlasserprinzip verankert ist (gutgläubiger Erwerb auch dann, wenn die 3-Jahres Frist – während der die Gesellschafterliste für einen Gutglaubenserwerb unrichtig gewesen sein muss – noch nicht erreicht ist, die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste aber dem Berechtigten zuzurechnen ist), in § 892 BGB aber nicht.

2.3

Der stärkere Schutz des Anwartschaftsrechts des Ersterwerbers gegenüber seinem Vollrecht ist vom Gesetzgeber gewollt.

Im Ergebnis ist somit das Anwartschaftsrecht des Ersterwerbers stärker geschützt als sein Vollrecht, weil die Gesellschafterliste als der den Vertrauenstatbestand setzende Rechtsscheinträger über § 161 Abs. 3 BGB den durch § 161 Abs. 1 BGB vermittelten Schutz bei aufschiebend bedingten Verfügungen nicht relativiert.

Dass mit diesem Ergebnis (kein Gutglaubensschutz hinsichtlich des Anwartschaftsrechts des Ersterwerbers ) das gesetzgeberische Ziel, die bei der Abtretung gebotenen Prüfungen zu vereinfachen und die damit verbundenen Kosten zu senken, zumindest zum Teil verfehlt wird, hat der Gesetzgeber ausweislich der intensiven Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren bewusst in Kauf genommen. So wurde im Zuge dieser Diskussionen auch der gutgläubige Erwerb in Bezug auf Pfandrechte oder Nießbrauchrechte an Geschäftsanteilen nicht in den Regelungsbereich des § 16 Abs. 3 GmbHG aufgenommen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Erfurt/ Thüringen November 2011