SCHIFFSFONDS: Keine „automatische“ Rückforderbarkeit von gewinnunabhängigen Ausschüttungen durch die Fondsgesellschaft gegenüber ihren Anlegern!

Urteile des BGH vom 12.03.2013, II ZR 73/11 und II ZR 74/11

1.

Den Urteilen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Beklagte ist als Kommanditistin an zwei in der Rechtsform einer GmbH & Co KG organisierten Schiffsfonds-Beteiligungsgesellschaften der Dr. Peters Gruppe (im Folgenden „Klägerinnen“/“Gesellschaft“) beteiligt. Gesellschaftszweck der Klägerinnen ist jeweils der Betrieb eines Containerschiffs.

In den Gesellschaftsverträgen der Klägerinnen ist übereinstimmend geregelt, dass die Gesellschaft unabhängig von einem im Jahresabschluss ausgewiesenen Gewinn oder Verlust für den Fall, dass die Liquiditätslage es zulässt, Beträge an die Gesellschafter ausschüttet, die auf „Darlehenskonto” gebucht werden. Sofern ein Gesellschafter im Hinblick auf das Wiederaufleben der Haftung auf diese Entnahmen verzichtete, sollte „für ihn insoweit die Bildung der Darlehensverbindlichkeit” entfallen.

An die Beklagte wurden Beträge in Höhe von 61.355,03 € und 30.667,51 € als gewinnunabhängige Ausschüttungen gezahlt. Gebucht wurden diese Beträge nicht als Darlehen, sondern auf der Passivseite der Bilanz als „Entnahmen“ gegen das Eigenkapital.

Nachdem die Gesellschaften in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten waren, beschlossen die Gesellschafterversammlungen die Rückforderung der an die Kommanditisten ausgezahlten Beträge.

Auf dieser Grundlage wurde die Beklagte von den Gesellschaften zur Rückzahlung der erhaltenen gewinnunabhängigen Ausschüttungen aufgefordert und schließlich auf Rückzahlung dieser Beträge verklagt. Prozessbevollmächtigte auf Seiten der Beklagten war Löffler. Rechtsanwälte, Erfurt.

Das Landgericht Dortmund und das Oberlandesgericht Hamm hatten den Klagen stattgegeben. Der BGH hat mit seinen Urteilen vom 12.03.2013 die Klagen abgewiesen.

2.

Diese Entscheidung hat der BGH im Wesentlichen mit folgenden Argumenten begründet:

Die zentrale Aussage des BGH lautet, dass ein Kommanditist nur dann eine Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen schuldet, wenn der Gesellschaftsvertrag dies ausdrücklich und klar verständlich vorsieht; die Überprüfung des Gesellschaftsvertrags einer Publikumsgesellschaft erfolgt unabhängig von den Vorstellungen und verfolgten Zwecken der Initiatoren rein nach objektiven Maßstäben, wobei Unklarheiten in den Verträgen zulasten der Initiatoren und zugunsten der Kapitalanleger auszulegen sind.

Der BGH stellt anfangs klar, dass das Gesetz gewinnunabhängige Ausschüttungen nicht vorsieht, da der Kommanditist nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns hat. Solche nicht durch Gewinne gedeckten Ausschüttungen, die wirtschaftlich eine feste Kapitalverzinsung oder garantierte Mindesttantieme zu Lasten des Kapitals darstellen, können jedoch durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss vereinbart werden. Da es bei der Kommanditgesellschaft keinen im Innenverhältnis wirkenden Kapitalerhaltungsgrundsatz gibt, können die Gesellschafter ihre Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis weitgehend frei gestalten. Das schließt auch die Entscheidung darüber ein, ob überhaupt und wie erbrachte Einlagen zurückgewährt werden.

Zwar können gewinnunabhängige Ausschüttungen gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft im Außenverhältnis zu einem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung führen; diese Außenhaftung betrifft jedoch nicht das Verhältnis zur Gesellschaft, sodass zugunsten der Gesellschaft nicht automatisch ein Rückgewähranspruch gegen den Kommanditisten entsteht. Voraussetzung hierfür ist eine ausdrückliche und klare Regelung im Gesellschaftsvertrag.

Eine solche unmissverständliche Regelung, die den sehr hohen Anforderungen des BGH gerecht würde, haben die Gesellschaftsverträge der Dr. Peters Gruppe nicht enthalten, da es für den Kapitalanleger nicht erkennbar war, dass die Ausschüttungen nicht endgültig bei ihm verbleiben dürfen. So weist das Gericht darauf hin, dass die verwendeten Begrifflichkeiten „Ausschüttung“ und „Entnahme“ gegen eine Rückforderbarkeit und für einen Verbleib beim Gesellschafter sprechen; dies gilt insbesondere für den Verweis im Gesellschaftsvertrag auf das Darlehenskonto. Denn entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bringt diese Bezugnahme auf das Darlehenskonto keinen Rückforderungsvorbehalt zum Ausdruck, vielmehr wird hierdurch nur die buchungstechnische Handhabung beschrieben: da das Darlehenskonto einer Personengesellschaft im Regelfall die entnahmefähigen Zuweisungen an den Kommanditisten und dessen tatsächliche Entnahmen ausweist, werden die gewinnunabhängigen Ausschüttungsbeträge dem Darlehenskonto auf der „Habenseite“ als Forderung des Kommanditisten gegen die Gesellschaft gutgeschrieben; diese Forderung erlischt, wenn der gewinnunabhängige Ausschüttungsbetrag an den Kommanditisten (tatsächlich) ausgezahlt und diese Zahlung im Soll gebucht wird. Eine Zahlungsverpflichtung des Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft wird bei diesem Vorgang nicht begründet.

Die im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehene Rückzahlungsverpflichtung untermauert der BGH durch die zusätzliche Einbeziehung anderer gesellschaftsvertraglicher Regelungen; so berücksichtigt das Gericht in einer Gesamtbetrachtung, dass der Vertrag keine Verrechnung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen mit späteren Gewinnen vorsieht und dass insbesondere in einer möglichen Liquidation der Gesellschaft keine Rückforderung vorgesehen ist.

Mangels einer ausdrücklichen und unmissverständlichen Regelung im Gesellschaftsvertrag ist ein Wille der Gesellschafter über eine Rückzahlungsverpflichtung nicht feststellbar; daher ist auch ein Rückgriff auf das bürgerlich-rechtliche Darlehensrecht aus systematischen Gründen nicht zulässig, welches obendrein zu nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen führen würde.

Der BGH wertet den Rückforderungsbeschluss daher als eine Nachschussverpflichtung ohne Rechtsgrundlage im Gesellschaftsvertrag, die im Personengesellschaftsrecht jedenfalls gegenüber solchen Gesellschaftern grundsätzlich unwirksam ist, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben.

3. Anmerkung und Ausblick:

Die einzelnen Aussagen des BGH sind isoliert betrachtet allesamt nicht neu, sie sind in ihrem Zusammenspiel und ihrer Klarheit jedoch nur zu begrüßen. Der BGH bestätigt in vielen Einzelpunkten seine langjährige Rechtsprechung, weshalb die Entscheidungen als klares Signal an die Initiatoren von Fondsgesellschaften verstanden werden müssen, ihren Gesellschaftsvertrag und ihre Anleger ernst zu nehmen.

Dabei gehen die Entscheidungen auch weit über den Einzelfall dieser beiden Schiffsfonds-Beteiligungsgesellschaften der Dr. Peters Gruppe hinaus. Die Vorgaben des BGH sind grundsätzlich auf alle Publikumspersonengesellschaften übertragbar, sowohl auf die Fonds anderer Initiatoren als auch auf Fonds mit anderem Unternehmensgegenstand (so z. B. auf Immobilien-, Flugzeug- oder Windenergieanlagenfonds). Die Entscheidungen des BGH betreffen sowohl laufende Verfahren als auch Anleger, die die Ausschüttungen auf die Aufforderung der Fondsgesellschaft hin zurück gezahlt haben und nun überlegen, ob sie diese ihrerseits zurückfordern können.

Maßgeblich wird sein, ob der jeweilige Gesellschaftsvertrag eine klare und widerspruchsfreie Regelung zur Rückzahlungsverpflichtung gewinnunabhängiger Ausschüttungen enthält. Da der BGH insoweit keine isolierte Betrachtung der einzelnen Klausel zu den Ausschüttungen vornimmt, sondern eine umfassende Betrachtung des gesamten Gesellschaftsvertrags samt seiner tatsächlichen Handhabung in der Vergangenheit anstellt, können alle bisher veröffentlichten pauschalen Beiträge der Initiatoren- („Unsere Fonds sind wegen einer anderen Klausel nicht betroffen“) und Kapitalanlegervertreter („Keine Rückforderungsmöglichkeit mehr bei gewinnunabhängigen Ausschüttungen“) nur als übereiltes Lobbyistengebaren abgetan werden. Richtigerweise muss daher ausweislich der BGH-Rechtsprechung unter anderem auch geprüft werden, welche Kapitalkonten der Gesellschaftsvertrag vorsieht und wie diese in der Vergangenheit buchhalterisch gehandhabt wurden, ob Verrechnungsvorschriften bestehen und welches Schicksal die gewinnunabhängigen Ausschüttungen in der Liquidation einer Gesellschaft teilen sollen.

Da der BGH jedoch einerseits hohe Anforderungen an die Vertragsklausel stellt, andererseits im Rahmen der Gesamtbetrachtung die in den umfangreichen Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften regelmäßig auftretenden Widersprüche als schädlich erachtet, kann bei konservativer Schätzung davon ausgegangen werden, dass in ca. 80 % der Gesellschaftsverträge der Fondsgesellschaften keine rechtswirksame Rückforderungsklausel enthalten ist.

Eine aufbereitete Zusammenstellung der Kernaussagen der BGH-Entscheidungen können Sie unter

http://www.gesellschaftsrechtskanzlei.com/index.php/bgh-urteile-vom-12-marz-2013-ii-zr-7311-und-ii-zr-7411/

abrufen. Für weitere Informationen aus erster Hand stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Erfurt/ Thüringen, Juni 2013

Anlage I: Jahresabschluss der Fondsgesellschaft zum 31. Dezember 2007