UNTERBETEILIGUNG an einer Gesellschaft: Wann ist sie als Schenkung unter Lebenden vollzogen?

Urteil des BGH vom 29.11.2011, II ZR 306/19

I.

Der BGH hat mit Urteil vom 29.11.2011 entschieden:

Die unentgeltliche Zuwendung einer durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages entstehenden Unterbeteiligung, mit der dem Unterbeteiligten über eine schuldrechtliche Mitberechtigung an den Vermögensrechten des dem Hauptbeteiligten zustehenden Gesellschaftsanteils hinaus mitgliedschaftliche Rechte in der Unterbeteiligungsgesellschaft eingeräumt werden, ist mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Sinn von § 2301 Abs. 2, § 518 Abs. 2 BGB vollzogen.

II.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin, die S. U.-Stiftung, ist die mit Testament vom 25.10.2001 eingesetzte Alleinerbin des am 26.10.2002 verstorbenen Verlegers Dr. S. U., der Beklagte ist der Sohn des Erblassers. Der Erblasser war als persönlich haftender Gesellschafter an der S. Verlag GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und der I. Verlag GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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betreffend Grundbesitz beteiligt. Mit notarieller Urkunde vom 24.10.2001 räumte er unter anderem für den Zeitpunkt seines Versterbens einem Treuhänder für die zu diesem Zeitpunkt aufsichtsrechtlich noch nicht genehmigte gemeinnützige S. U.-Stiftung ohne Gegenleistung Unterbeteiligungen in Höhe von jeweils 30 % an den genannten Gesellschaften ein mit der Maßgabe, dass nach seinem Tod sein Erbe Hauptbeteiligter sei. Der Treuhänder trat die Rechte aus den Unterbeteiligungen am 23.10.2002 an die zu diesem Zeitpunkt rechtswirksam entstandene S. U.-Stiftung ab.

In § 16 des notariellen Vertrags vom 24.10.2001 heißt es zur Geschäftsführung:

„I. Geschäftsführer der Innengesellschaft ist der Hauptbeteiligte. […]

II. Der Hauptbeteiligte hat die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, ehe er bei der Wahrnehmung ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehender Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Gesellschafterentscheidungen in den Beteiligungen hinausgehen (entsprechend § 116 Abs. 2 HGB), ist die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

[…]

§ 18 des notariellen Vertrages lautet:

„Verteilung von Gewinn und Verlust

I. Auszugehen ist von dem Gewinn oder Verlust, der für den Hauptbeteiligten in den Hauptgesellschaften steuerlich maßgeblich ist.

II. Der so berechnete verteilungsfähige Gewinn beziehungsweise etwaige Verlust wird unter die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Kapitalkonten verteilt. […]

Seit dem Tod des Erblassers streiten die Parteien darüber, ob die der S.U.-Stiftung eingeräumten Unterbeteiligungen in den Nachlass gefallen und bei der Berechnung des vom Beklagten geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen sind.

Das Landgericht Frankfurt hat dem Klagebegehren, es solle festgestellt werden, dass der Erblasser durch den notariellen Vertrag vom 24.10.2001 der S. U.-Stiftung Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den vier genannten Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes rechtswirksam eingeräumt habe, entsprochen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Auch die Revision des Beklagten beim BGH hatte keinen Erfolg.

III.

Der BGH gelangt zu seinem Ergebnis auf folgendem Weg:

1.

Einschlägige Vorschriften

§ 2301 Abs. 2 BGB lautet wie folgt [Hervorhebungen durch den Verfasser]:

[…]

(2) Vollzieht der Schenker die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstands, so finden die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung.“

§ 518 Abs. 2 BGB lautet wie folgt:

[…]

(2) Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.“

2.

Zulässigkeit der Feststellungsklage

Der BGH hält die Feststellungsklage

„es solle festgestellt werden, dass der Erblasser durch den notariellen Vertrag vom 24.10.2001 der S. U.-Stiftung Unterbeteiligungen von jeweils 30 % an den vier genannten Gesellschaften schenkungsweise auf den Zeitpunkt seines Todes rechtswirksam eingeräumt habe“

für zulässig, weil die Klage auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinn von § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet ist und die Klägerin ein Interesse an der von ihr begehrten Feststellung hat.

2.1

Mit der Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO kann nicht nur die Feststellung des Bestehens des Rechtsverhältnisses im Ganzen, sondern auch die Feststellung einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis hervorgehender Berechtigungen verlangt werden. Allerdings können weder einzelne rechtserhebliche Vorfragen noch Elemente eines Rechtsverhältnisses oder bloße Berechnungsgrundlagen Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Ebenso wenig kann die Feststellung einer abstrakten Rechtsfrage ohne Bezug zu einem konkreten Rechtsverhältnis erstrebt werden.

2.2

Im vorliegenden Fall begehrt nach Ansicht des BGH die Klägerin die Feststellung einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis des Pflichtteilsanspruchs hervorgehender gegenseitiger Berechtigungen und Verpflichtungen. Denn: Wenn die jeweiligen Unterbeteiligungen an den genannten Gesellschaften der S. U.-Stiftung durch den Erblasser rechtswirksam zu Lebzeiten auf den Zeitpunkt seines Todes geschenkt worden sind, so sind sie nicht in den Nachlass gefallen. Ein Pflichtteilsanspruch des Beklagten könnte sich hierauf nicht erstrecken. Würde es sich demgegenüber bei der Einräumung der Unterbeteiligungen lediglich um ein Vermächtnis handeln, wäre dieses gegenüber dem Pflichtteilsanspruch des Beklagten nachrangig und deshalb bei dessen Berechnung nicht von den Nachlassaktiva abzusetzen.

2.3

Nach Ansicht des BGH brauchte sich die Klägerin auch nicht darauf verweisen werden, durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage klären zu lassen, dass dem Beklagten über einen bestimmten Betrag hinaus kein weitergehender Pflichtteilsanspruch zustehe. Die Erhebung einer solchen Klage hätte bei einem umfangreichen Nachlass wie vorliegend zur Folge, dass nicht nur über die von der Klägerin rechtshängig gemachten Hauptstreitpunkte, sondern über zahlreiche weitere Fragen, insbesondere die Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Nachlass sowie deren Bewertung, in einem gerichtlichen Verfahren gestritten werden müsste.

Für die Beurteilung der Zulässigkeit der erhobenen Feststellungklage kommt es aber maßgeblich darauf an, ob sie im konkreten Einzelfall prozessökonomisch sinnvoll ist, weil sie einzelne zwischen den Parteien streitige Punkte so klären kann, dass der Streit zwischen ihnen insgesamt ausgeräumt wird und sich weitere Prozesse erübrigen. Das hat der BGH im vorliegenden Fall angenommen.

3.

Begründetheit der Feststellungsklage

Die unentgeltliche Zuwendung einer durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages entstehenden Unterbeteiligung mit mitgliedschaftliche Rechten für den Unterbeteiligten ist nach Ansicht des BGH mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages im Sinn von § 2301 Abs. 2, § 518 Abs. 2 BGB vollzogen.

3.1

Zwischen dem Hauptbeteiligten (Erblasser) und dem Unterbeteiligten (S. U.-Stiftung) kommt eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft ohne Gesamthandsvermögen zustande, in der der S. U.-Stiftung eine schuldrechtliche Mitberechtigung zumindest am Gewinn des Gesellschaftsanteils des Hauptbeteiligten eingeräumt wird. Auf die Unterbeteiligungsgesellschaft sind grundsätzlich die Vorschriften der §§ 230 bis 236 HGB analog anzuwenden. Der Gesellschaftsvertrag der Unterbeteiligungsgesellschaft kann jedoch abweichend hiervon regeln, dass der Unterbeteiligte über eine schuldrechtliche Forderung auf Vermögensleistungen hinaus mitgliedschaftliche Teilhaberechte in der (Innen-)Gesellschaft erwerben soll.

3.2

Die Unterbeteiligung an einem Geschäftsanteil kann Gegenstand einer Schenkung sein, das Schenkungsversprechen bedarf gemäß § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung (BGH, Urteil vom 6. März 1967 – II ZR 180/65, WM 1967, 685). Wird die Unterbeteiligung – wie hier – zu Lebzeiten, jedoch erst auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers zugewendet, liegt ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nur dann vor, wenn die Schenkung bereits vollzogen wurde (§ 2301 Abs. 2 BGB). Hierfür ist erforderlich, dass der Schenker alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um die Schenkung zu vollziehen. Dementsprechend genügt es für den Vollzug einer Schenkung, dass für den Beschenkten ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wird, das sich bei Eintritt der Bedingung, hier des Todesfalls, zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt (BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338, 1339 m.w.N.; Urteil vom 10. Mai 1989 – IVa ZR 66/88, NJW-RR 1989, 1282 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

3.3

Die Schenkung der Unterbeteiligungen an die S. U.-Stiftung wurde durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages in der notariellen Urkunde vom 24.10.2001 als Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall gemäß §§ 2301 Abs. 2, 516 ff. BGB vollzogen, weil der S. U.-Stiftung mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft eingeräumt wurden.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die unentgeltliche Einräumung einer Unterbeteiligung mangels dinglicher Mitberechtigung des Unterbeteiligten am Gesellschaftsvermögen der Hauptgesellschaft nicht vollzogen werden. Dies kann weder durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages über die Begründung der Innengesellschaft noch durch die Einbuchung des Gesellschaftsanteils in die Bücher der Gesellschaft geschehen.

(1)

Das Wesen der Unterbeteiligung als Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen besteht nämlich gerade darin, dass nur der Hauptbeteiligte an der Hauptgesellschaft beteiligt ist und dass er dem anderen nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages lediglich schuldrechtlich zur Teilhabe zumindest am Gewinn seines Gesellschaftsanteils verpflichtet ist. Geht die Verpflichtung des Hauptbeteiligten dahin, einen anderen durch Einräumung einer Unterbeteiligung lediglich schuldrechtlich an den Vermögensrechten des ihm an der Hauptgesellschaft zustehenden Gesellschaftsanteils zu beteiligen, erschöpft sich die Zusage in einer schuldrechtlichen Verpflichtung, die im Falle der unentgeltlichen Erteilung des Versprechens der notariellen Form bedarf.

(2)

Ein solches Schenkungsversprechen kann auch nicht dadurch vollzogen werden, dass der Hauptbeteiligte den vereinbarten Anteil des Unterbeteiligten buchmäßig, steuerlich oder in anderer Weise als Vermögen des anderen führt. Denn auch durch eine derartige Handhabung wird der Unterbeteiligte nicht stärker als schuldrechtlich an dem Gesellschaftsanteil des Hauptbeteiligten als Partner der Innengesellschaft beteiligt. Auch wenn nur ein schuldrechtlicher Anspruch zugewendet werden soll, so stellt doch dessen Anerkennung in den Geschäftsbüchern oder gegenüber dem Finanzamt nicht die Bewirkung der versprochenen Leistung dar, vielmehr wird lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung des Schenkers durch eine andere ersetzt.

(3)

Vorliegend hat der Erblasser der S. U.-Stiftung aber nicht nur schuldrechtliche Ansprüche auf Beteiligung am Gewinn des Hauptbeteiligten eingeräumt, sondern sie erhielt auch mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft. Nach § 16 Abs. 2 des notariellen Vertrags vom 24.10.2001 hat der Hauptbeteiligte die Unterbeteiligte zu unterrichten und anzuhören, bevor er bei der Ausübung der ihm als Gesellschafter der Hauptgesellschaften zustehenden Rechte Handlungen von besonderer Bedeutung vornimmt. Für Handlungen, die über gewöhnliche Entscheidungen im Sinn von § 116 Abs. 1, 2 HGB in den Beteiligungsgesellschaften hinausgehen, ist sogar die Zustimmung der Unterbeteiligten einzuholen.

Für diese Fälle ist nach Ansicht des BGH die Schenkung mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags vollzogen. Zwar kommt es auch bei der Zuwendung einer solchen Unterbeteiligung – anders als bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft – nicht zu einer dinglichen Mitberechtigung an der Hauptgesellschaft, da die Innengesellschaft – wie bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig – über kein Gesamthandsverhandsvermögen. Beschränkt sich aber die Unterbeteiligung nicht nur auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den zuwendenden Hauptbeteiligten auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös, sondern werden dem Unterbeteiligten in der Innengesellschaft darüber hinaus mitgliedschaftliche Rechte eingeräumt, durch die er Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann, dann erhält er nicht nur die Stellung eines schuldrechtlichen Gläubigers, sondern eine in dem Anteil an der Innengesellschaft verkörperte mitgliedschaftliche Rechtsposition. Das rechtfertigt die Annahme, dass die unentgeltliche Zuwendung einer derartigen Beteiligung an einer Innengesellschaft mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen ist.

Wird die Schenkung einer Unterbeteiligung – wie hier – mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages vollzogen, hat der Erblasser zu Lebzeiten alles Erforderliche und Mögliche getan und damit dem Beschenkten eine gesicherte und unentziehbare Anwartschaft eingeräumt, die sich bei Eintritt der Bedingung zwangsläufig zu einem Vollrecht entwickelt.

IV.

Hintergrund

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur schenkweise unentgeltliche Einräumung einer Unterbeteiligung hat im Schrifttum nur teilweise Zustimmung erfahren. Demgegenüber wird sie von zahlreichen anderen Stimmen im Schrifttum, die die Schenkung einer Unterbeteiligung generell mit dem Abschluss des die Innengesellschaft begründenden Gesellschaftsvertrages als vollzogen ansehen wollen, abgelehnt. Eine weitere Ansicht folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls für den Fall nicht, dass dem Beschenkten mit der Beteiligung an der Innengesellschaft nicht nur vermögensrechtliche Ansprüche, sondern auch mitgliedschaftliche Rechte wie Stimm-, Verwaltungs- und Kontrollrechte zugewendet werden. In diesem Fall liege ebenso wie bei der Zuwendung einer Beteiligung an einer Außengesellschaft die Verschaffung des Rechts regelmäßig in der Begründung der Mitgliedschaft. Diese begründe als Zuwendungsgegenstand eine Rechtsposition, über die der Zuwendungsempfänger als Gesellschafter der Innengesellschaft vergleichbar einem Stammrecht grundsätzlich rechtlich und tatsächlich verfügen könne. Dieser Auffassung hat sich der Bundesfinanzhof in seiner neueren Rechtsprechung angeschlossen und dieser Auffassung nähert sich nunmehr auch der BGH mit seiner vorliegenden Entscheidung.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Erfurt/ Thüringen Februar 2012