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Saarländisches OLG, Urteil vom 07.02.2007 – 1 U 243/06

§ 243 AktG, §§ 243ff AktG, § 47 Abs 4 GmbHG

1. Ein Antrag auf die Nichtigerklärung von Beschlüssen der GmbH-Gesellschafterversammlung ist bereits im Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit enthalten. Der Streitgegenstand von Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist mithin identisch.

Ein Grund für die Nichtigkeit der zu TOP 2 und 3 gefassten Beschlüsse ist nicht ersichtlich. Wie noch auszuführen sein wird, hält der Senat auch die zu den TOP 7, 8 und 9 gefassten Beschlüsse nicht für nichtig. Alle Beschlüsse sind aber rechtswidrig und waren deshalb auf die Klage für nichtig zu erklären. Denn der Antrag auf die Nichtigerklärung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung ist im Antrag auf Feststellung ihrer Nichtigkeit enthalten, der Streitgegenstand von Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist identisch (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997, a. a. O., unter II. 1.; Zöllner in Baumbach/Hueck, Anh. § 47 GmbHG, Rdnr. 166 f.). Eines entsprechenden ausdrücklichen Antrags des Klägers bedurfte es mithin nicht. Nach Auffassung des Senats erfolgte die Umformulierung des Tenors dabei letztlich nur zur Klarstellung, beinhaltete also keine teilweise Abweisung der Klage. Denn im Ergebnis macht es im vorliegenden Fall für die Parteien keinen Unterschied, ob die Nichtigkeit der Beschlüsse festgestellt wird oder die Beschlüsse für nichtig erklärt werden.

2. § 47 Abs. 4 GmbH gilt grundsätzlich nicht für den Einzelrechtsnachfolger eines ausgeschlossenen Gesellschafters und kommt nicht schon dann zur Anwendung, wenn der abstimmende Gesellschafter in einem besonderen Näheverhältnis (etwa enger verwandtschaftlicher Art) zu der Person steht, die vom Stimmrecht ausgeschlossen wäre. Jedoch schlägt der Stimmrechtsausschluss auf den Erwerber eines Geschäftsanteils durch, sofern die Anteilsübertragung gerade mit dem Ziel erfolgt, den Stimmrechtsausschluss zu umgehen.

Hier hat freilich nicht Herr G. S abgestimmt, sondern dessen Söhne, denen er zuvor seinen Geschäftsanteil übertragen hatte. In ihrer Person liegen die Voraussetzungen des Stimmrechtsausschlusses nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht vor. § 47 Abs. 4 GmbHG gilt grundsätzlich nicht für den Einzelrechtsnachfolger des ausgeschlossenen Gesellschafters (Scholz/Schmidt, Rdnr. 170 zu § 47 GmbHG) und greift auch nicht schon dann ein, wenn der abstimmende Gesellschafter in einem besonderen Näheverhältnis – etwa enger verwandtschaftlicher Art – zu der Person steht, die vom Stimmrecht ausgeschlossen wäre (BGH, Urteil vom 13. Januar 2003, a. a. O., unter II. 2. a; BGH, Urteil vom 16. Februar 1981, II ZR 168/79, BGHZ 80, 69 = NJW 1981, 1512, unter II. 1.; Zöllner in Baumbach/Hueck, Rdnr. 101; a. A. Roth in Roth/Altmeppen, Rdnr. 81 zu § 47 GmbHG). Anerkannt ist jedoch, dass der Stimmrechtsausschluss auf den Erwerber eines Geschäftsanteils durchschlägt, wenn die Anteilsübertragung gerade mit dem Ziel erfolgt, die Stimme zur Geltung zur bringen (BGH, Urteil vom 29. Januar 1976, II ZR 19/75, NJW 1976, 713, unter 3.; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
NZG 2001, 991, unter III. 1.; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
NJW-RR 1988, 1439, unter II. 1. b; Scholz/Schmidt, Rdnr. 170 zu § 47 GmbHG; Zöllner in Baumbach/Hueck, Rdnr. 101 zu § 47 GmbHG). Eine damit vergleichbare Fallgestaltung liegt hier vor. Zwar ist die Annahme, dass die Anteilsübertragung die Umgehung des Stimmrechtsausschlusses zum Ziel hatte, nicht gerechtfertigt. Denn hier liegen andere, im Vordergrund stehende Gründe für die Übertragung nahe, nämlich die Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass diese Erwägung für die Anteilsübertragung von Bedeutung gewesen sein kann. Hier ist der Senat indes – wie das Landgericht – schon aufgrund des Geschehensablaufs davon überzeugt, dass mit der Beschlussfassung über die Gehaltserhöhung zugewartet werden sollte, bis die – aus anderen Gründen beabsichtigte – Übertragung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Übertragung
Übertragung des Geschäftsanteils
vollzogen war, um auf diese Weise ein vermeintlich gefahrloses Überstimmen des Klägers zu ermöglichen, weil sich ein Stimmrechtsausschluss des Herrn G. S aufdrängte. Unmittelbar nach Vollzug der Anteilsübertragung wurde nämlich zu der Gesellschafterversammlung geladen, in der über die bereits Anfang 2003 vorgenommene Gehaltserhöhung eine Beschlussfassung erfolgen sollte. Einen anderen Grund für dieses Vorgehen als die Umgehung der jedenfalls angreifbaren Abstimmung des Herrn G. S hat auch die Beklagte nicht aufgezeigt. Dass sich die Anteilsübertragung verzögerte, weil die Zustimmung des Klägers dazu erstritten werden musste, erklärt nicht die Verzögerung der Beschlussfassung über die Gehaltserhöhung. Nach Auffassung des Senats liegt bei dieser Sachlage ein Umgehen des Stimmrechtsausschlusses vor, das es rechtfertigt, den Ausschluss auch für die Rechtsnachfolger des Herrn G. S zur Geltung zu bringen. Die Umgehung war zwar nicht das Ziel der Anteilsübertragung. Sie folgt aber daraus, dass mit der Beschlussfassung bis zum Vollzug der Übertragung abgewartet wurde.

3. Neben der starren Stimmrechtsschranke des § 47 Abs. 1 GmbHG existiert die bewegliche Schranke des Stimmrechtsmissbrauchs. Dabei ist das Stimmrecht in bestimmten Situationen nicht generell ausgeschlossen, sondern nur wenn sich der Ausschluss aus dem konkreten Beschlussinhalt ergibt. Ein solcher Stimmrechtsausschluss kommt gerade in Fällen einer besonderen persönlichen Nähebeziehung des abstimmenden Gesellschaft zum Betroffenen in Betracht, insbesondere dann, wenn der Abstimmung die Anteilsübertragung unmittelbar vorausging. Ansonsten kommt ein missbrauch wegen Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht namentlich dann in Betracht, wenn ein Gesellschafter durch die Entlastung der Geschäftsführung nicht unerhebliche Ansprüche der Gesellschaft aufgibt.

Neben der starren Stimmrechtsschranke des § 47 Abs. 4 GmbHG gibt es die „bewegliche“ Schranke des Stimmrechtsmissbrauchs, bei der das Stimmrecht nicht in bestimmten Situationen generell ausgeschlossen ist, sondern bei der sich der Ausschluss aus dem konkreten Beschlussinhalt ergibt (vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, Rdnr. 107 zu § 47 GmbHG; MünchHdb.GesRIII/Ingerl, § 38 Rdnr. 22; Scholz/Schmidt, Rdnr. 99 zu § 47 GmbHG). Gerade in den Fällen der engen persönlichen Nähe des abstimmenden Gesellschafters zum Betroffenen ist an einen Stimmrechtsmissbrauch zu denken (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1981, a. a. O., unter II. 1.; MünchHdb.GesRIII/Ingerl, § 38 Rdnr. 40; Lutter/Hommelhoff, Rdnr. 14 zu § 47 GmbHG), zumal dann, wenn der Abstimmung die Anteilsübertragung seitens des Betroffenen unmittelbar vorausging. Im übrigen kommt ein missbrauch im Wege der Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht namentlich dann in Betracht, wenn ein Gesellschafter durch die Entlastung der Geschäftsführung nicht unerhebliche Ansprüche der Gesellschaft aufgibt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1977, II ZR 79/75, WM 1977, 361, unter 2. f; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
NZG 2001, 991, unter III. 2.; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Hamm
ZIP 1993, 119, unter II. 2. b; Zöllner in Baumbach/Hueck, Anh. § 47 GmbHG, Rdnr. 99).

Schlagworte: Inhaltliche Mängel, Stimmrechtsmissbrauch, Verletzung der Treuepflicht