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Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 29.01.1998 – 5 U 125/96

Auslegung Gesellschafterbeschluss

§ 31 GmbHG, § 45 GmbHG, § 246 Abs 1 AktG

1. Wenn der Gesellschaftsvertrag einer GmbH für die Anfechtung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine Frist von 2 Wochen bestimmt, ist diese Bestimmung unwirksam. Es gilt statt dessen eine am Leitbild des AktG § 246Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 246
Abs 1 orientierte Anfechtungsfrist von etwa 1 Monat.

2. Diese Frist beginnt vorbehaltlich anderweitiger Satzungsregelungen mit der Beschlußfassung. Soweit der betroffene Gesellschafter von einem Beschluß erst nachträglich Kenntnis nehmen kann, wird dies bei der Bemessung der angemessenen Frist zu berücksichtigen sein. Ansonsten kommt eine Überschreitung der Anfechtungsfrist nur dann in Betracht, wenn zwingende Gründe den Gesellschafter an einer früheren Klageerhebung gehindert haben. Solche zwingenden Umstände können sich aus dem Umfang und dem Schwierigkeitsgrad der Sach- und Rechtslage ergeben.

3. Beinhaltet der angefochtene Beschluß ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung den Ausschluß eines Gesellschafters, kann dieser Beschluß dahin ausgelegt werden, daß die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des betroffenen Gesellschafters gewollt ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 17. Mai 1996 – 3 O 249/94 – geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges trägt die Klägerin.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt für Klägerin und Beklagte jeweils 80.000 DM.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses, durch den die Klägerin aus der Beklagten ausgeschlossen worden ist.

Die Geschäftsanteile der Beklagten hielten die Klägerin zu 26 %, ihr Ehemann und Geschäftsführer der Beklagten zu 64 % und deren beider Sohn T. B. zu 10 %. Die Ehe der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten ist zerrüttet, sie leben getrennt. Das Scheidungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Gemäß § 5 des Gesellschaftsvertrages vom 5. November 1986, für dessen Einzelheiten auf die Ablichtung Bl. 44-48 d. A. Bezug genommen wird, werden Gesellschaftsbeschlüsse, soweit das Gesetz keine andere Mehrheit vorschreibt, mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Stimmen gefaßt, eine ¾ Mehrheit ist erforderlich für die Beschlußfassung über die Einziehung oder Abtretung von Geschäftsanteilen. Nach § 5 Ziffer 11 des Gesellschaftsvertrages können Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nur binnen 2 Wochen seit Beschlußfassung angefochten werden. Gemäß § 8 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages ist die zwangsweise Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung von Geschäftsanteilen
u. a. zulässig, wenn ein Gesellschafter seine Pflichten schuldhaft grob verletzt und nach Ziffer 2 entscheidet die Gesellschafterversammlung ohne Stimmberechtigung des betroffenen Anteilsberechtigten über die Zwangseinziehung.

Die Klägerin war Prokuristin der Beklagten, sie hatte die Büroarbeiten übernommen und betreute die Kundenannahme. Mit Schreiben vom 31. Mai 1994 sprach der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin „eine vorläufige Beurlaubung vom Bürodienst“ aus und verbot ihr, das Betriebsgelände während der Geschäftszeit zu betreten. Anfang Juni 1994 entzog er ihr die Prokura. All das war Ausdruck und Folge des ehelichen Zerwürfnisses der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten. Am 18. Juli 1994 kündigte der Geschäftsführer der Beklagten fristlos das Anstellungsverhältnis der Klägerin. Eine Kündigungsschutzklage war mangels Wahrung der Klagefrist erfolglos.

Unter dem 25. August 1994 lud der Geschäftsführer der Beklagten zu einer Gesellschafterversammlung der Beklagten ein, auf deren Tagesordnung u. a. die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
der Klägerin stand. Wegen des Versuchs, einvernehmlich ein Ausscheiden der Klägerin aus der Beklagten zu bewirken, wurde der vorgesehene Termin aufgehoben; die Einigungsversuche scheiterten jedoch. Unter dem 7. September 1994 lud der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin neuerlich zu einer Gesellschafterversammlung am 17. September 1994 ein. Als Tagesordnungspunkte waren

1.

Die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
der Gesellschafterin I. B. gemäß § 8 Ziffer 1 a des Gesellschaftsvertrages,

2.

Ausschluß der Gesellschafterin I. B. aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund,

3.

Verschiedenes

vorgesehen. Die Klägerin beantragte am 8. September 1994 die Ergänzung der Tagesordnung um einen Punkt „Bilanzen und Einkommensteuererklärung 1992“. An der Gesellschafterversammlung vom 17. September 1994, deren Tagesordnung nicht ergänzt worden war, nahmen alle drei Gesellschafter teil, der Geschäftsführer der Beklagten trug zunächst die Gründe für einen Ausschluß der Klägerin vor. Insoweit wird auf die handschriftlichen Aufzeichnungen des Geschäftsführers der Beklagten Bl. 14 bis 28 der Akte verwiesen. Sodann beschlossen die Gesellschafter T. und H. B. einstimmig „den Ausschluß der Gesellschafterin I. B.“. Vor oder bei Beschlußfassung verließ die Klägerin die Gesellschafterversammlung unter Mitnahme von 15 der insgesamt 17 Seiten der schriftlichen Aufzeichnungen des Geschäftsführers der Beklagten zur Begründung eines Ausschlusses der Klägerin. Das Protokoll der Gesellschafterversammlung mit dem vorgenannten Beschluß (Ablichtung Bl. 13 d. A.) sowie eine 10-seitige maschinenschriftliche Begründung zum Ausschluß der Klägerin wurde der Rechtsanwältin der Klägerin am 23. September 1994 zugestellt.

Mit der am 24. Oktober 1994 beim Landgericht Itzehoe eingegangenen Anfechtungsklage hat die Klägerin vorrangig die Feststellung begehrt, daß der am 17. September 1994 gefaßte Beschluß auf Einziehung ihrer Geschäftsanteile unwirksam sei. Die Klageschrift ist dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 31. Oktober 1994 zugestellt worden.

Die Klägerin hat behauptet, daß sämtliche zur Begründung der Einziehung vorgebrachten Behauptungen nicht der Wahrheit entsprächen. Vielmehr habe der Geschäftsführer der Beklagten sie am 2. März 1994 innerhalb des Wohnhauses zu Boden gestoßen, wodurch sie eine erhebliche Wirbelsäulenverletzung erlitten und mehrere Wochen im Krankenhaus gelegen habe. Ihre diesbezüglichen Vorwürfe gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten seien also zutreffend. Im übrigen sei der Gesellschafterbeschluß unwirksam, da die Erweiterung der TagesordnungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Erweiterung der Tagesordnung
Tagesordnung
abgelehnt worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

Feststellung, daß der in der Gesellschafterversammlung der Autohaus B. GmbH am 17. September 1994 in B. gefaßte Beschluß auf Einziehung der Gesellschaftsanteile der Gesellschafterin I. B. unwirksam ist;

2.

Feststellung, daß die Entziehung der Prokura für Frau I. B. unwirksam ist;

3.

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und hilfsweise widerklagend,

die Klägerin aus der Gesellschaft der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung von 79.560 DM auszuschließen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die Anfechtungsklage verspätet erhoben worden sei. Die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin und der Entzug der Prokura sei formell und materiell in Ordnung. Sämtliche gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe seien wahr. Die Klägerin habe sich kundenfeindlich und geschäftsschädigend verhalten und dadurch grob schuldhaft ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen mißachtet.

Nach umfangreicherer Beweisaufnahme hat das Landgericht mit Urteil vom 17. Mai 1996, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird,  festgestellt, daß der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten am 17. September 1994 gefaßte Beschluß auf Einziehung der Gesellschaftsanteile der Klägerin unwirksam sei. Die weitergehende Klage und die Widerklage sind abgewiesen worden.

Die Aufhebung der Prokura hat das Landgericht für rechtswirksam angesehen, weil es weder einer vorherigen Anhörung der Klägerin noch eines Gesellschafterbeschlusses bedurft habe. Hingegen sei der Beschluß über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin unwirksam. Die Anfechtungsklage sei nicht verspätet, da die zweiwöchige Anfechtungsfrist im Gesellschaftsvertrag unwirksam sei. Die 1-monatige Anfechtungsfrist analog § 246 AktG sei keine starre Frist und hier nur um einige wenige Tage überschritten. Ob der Einziehungsbeschluß wegen unzureichender Gewährung rechtlichen Gehörs bereits unwirksam sei, hat das Landgericht dahingestellt sein lassen und entscheidend darauf abgestellt, daß die Voraussetzungen für eine Zwangseinziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Zwangseinziehung
Zwangseinziehung des Geschäftsanteils
der Klägerin nicht vorliegen würden. Trotz der ehelichen Zerwürfnisse hätte die Klägerin ihre gesellschaftlichen Treuepflichten zur Wahrung des geschäftlichen Ansehens der Beklagten und der Pflege der Geschäftsbeziehung zur Kundschaft und zu Geschäftspartnern wahren müssen, was sie nicht stets getan habe. Diese Pflichten habe sie verletzt, indem sie in der Öffentlichkeit unter Vorzeigen von Narben auf dem Rücken verbreitet habe, ihr Ehemann habe sie mißhandelt, im Dorf freimütig über ihre Scheidung berichtet und sich ruinöser Ausgleichsansprüche berühmt habe, indem sie ferner der Wahrheit zuwider ein Verhältnis zwischen einem Herrn G. und einer Frau S. in der Öffentlichkeit behauptet habe, indem sie einen Scheck eines Kunden an sich genommen und dessen Herausgabe an die Beklagte verweigert habe und letztlich indem sie einen Tankstellenschlüssel aus dem Betrieb der Beklagten und 300 DM aus der Kasse der Beklagten an sich genommen habe, auch wenn sie stets vorgehabt habe, den Geldbetrag später zurückzulegen.

Diese Pflichtverletzungen hat das Landgericht aber nicht als so schwerwiegend angesehen, daß von einem grob schuldhaften Verhalten der Klägerin gesprochen werden könnte und deshalb die Voraussetzungen für eine Einziehung ihres Geschäftsanteils verneint. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen, weil es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluß mangeln würde und zudem die Voraussetzungen für einen Ausschluß nicht vorlägen.

Mit ihrer form- und fristgerechten Berufung weist die Beklagte zunächst darauf hin, daß in dem Gesellschafterbeschluß vom 17. September 1994 keine Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Klägerin, sondern deren Ausschluß als Gesellschafterin erfolgt sei. Der Anfechtungsklage der Klägerin fehle deshalb das Rechtsschutzinteresse. Zudem sei ohnehin die Klagefrist versäumt. Es seien aber hinreichende AusschlußGründe gegeben. Tatsächlich habe der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin nicht geschlagen und ihr auch nicht die Wirbelsäulenverletzung zugefügt, so daß die Klägerin diese Behauptung der Wahrheit zuwider in der Öffentlichkeit aufgestellt habe. Auch habe die Klägerin wahrheitswidrig behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe eine ehemalige Putzfrau, die Zeugin H., sexuell belästigt. Vielmehr sei es die Klägerin gewesen, die dem Geschäftsführer der Beklagten eine ganze Flasche CS-Gas ins Gesicht gesprüht habe, so daß dieser kaum noch etwas habe sehen können

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

1.

die Klage abzuweisen,

2.

auf die Widerklage der Beklagten die Klägerin aus der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung von 79.560 DM auszuschließen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß die Anfechtungsklage fristgerecht erhoben sei und der Gesellschafterbeschluß vom 17. September 1994 trotz des Wortlauts als Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Klägerin auszulegen sei. Am 2. März 1994 habe der Geschäftsführer der Beklagten sie in der Wohnung geschlagen, wodurch sie die Rückenverletzungen erlitten habe. Die Zeugin Holm habe der Geschäftsführer der Beklagten sexuell belästigt und darüber hinaus schon vor Trennung der Eheleute mehrfach Freundinnen gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist erfolgreich und die Klage abzuweisen, da die Klägerin die Anfechtungsfrist nicht gewahrt hat.

Allerdings ist die 2-wöchige Anfechtungsfrist gemäß § 5 Ziffer 11 des Gesellschaftsvertrags unwirksam. Auch wenn § 246 Abs. 1 AktG auf Gesellschaftsversammlungsbeschlüsse der GmbH keine analoge Anwendung findet, so gilt doch eine von Fall zu Fall zu bestimmende angemessene Frist, die sich am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG zu orientieren hat, keinesfalls aber kürzer als die für das Aktienrecht geltende Frist sein darf (vgl. BGH GmbHR 1992, 801; Scholz-Schmidt, 8. Aufl., § 45 GmbHG Rn. 142). § 246 Abs. 1 AktG bestimmt eine 1-monatige Anfechtungsfrist, so daß die 2-wöchige Anfechtungsfrist aus § 5 Ziffer 11 des Gesellschaftsvertrags keine Gültigkeit beanspruchen kann.

Die Klägerin hat aber auch die dann nach dem Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG zu bestimmende Anfechtungsfrist nicht gewahrt, als sie am 24. Oktober 1994 ihre Anfechtungsklage gegen den Gesellschafterbeschluß vom 17. September 1994 bei Gericht eingereicht hat. Auch wenn der Anfechtungskläger im GmbH-Recht nicht in jedem Fall an die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG gebunden ist, hat er doch die Anfechtungsklage mit aller ihm zumutbarer Beschleunigung zu erheben. Bei einer Überschreitung dieser Frist kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren Klagerhebung gehindert haben (BGH a. a. O.).

Die Frist beginnt vorbehaltlich anderweitiger Satzungsregelungen mit der Beschlußfassung. Soweit der betroffene Gesellschafter von einem Beschluß erst nachträglich Kenntnis nehmen kann, wird dies bei der Bemessung der angemessenen Frist zu berücksichtigen sein (Scholz-Schmidt, 8. Aufl., § 45 GmbHG Rn. 145; Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht – Ingerl, Band 3, § 40 Rn. 54). Der Beschluß der Gesellschafterversammlung ist am 17. September 1994 gefaßt worden. Die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage endete damit grundsätzlich am 18. Oktober 1994.

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht eine förmliche Bekanntgabe von Beschlüssen der Beklagten nicht vor. Es wird aber eine Mitteilung des Einziehungsbeschlusses verlangt, wenn der betroffene Gesellschafter an der Beschlußfassung nicht teilgenommen hat (vgl. Baumbach-Hueck, 16. Aufl., § 34 GmbHG Rn. 12). Ob die Klägerin an der Gesellschafterversammlung noch teilgenommen hat, als der fragliche Beschluß gefaßt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Dieser Frage braucht aber nicht weiter nachgegangen zu werden, da der angefochtene Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin jedenfalls am 23. September 1994 zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten zugestellt worden ist.

Dieser bis zur Mitteilung des Beschlusses verstrichene Zeitraum von 6 Tagen bietet keinen Anlaß für eine Verlängerung der 1-monatigen Anfechtungsfrist. Aus den Ereignissen im Vorfeld und dem Gang der Gesellschafterversammlung, an der die Klägerin jedenfalls bis kurz vor der Abstimmung teilgenommen hatte, wußte sie, daß die beiden Mitgesellschafter ihren Ausschluß aus der Beklagten erstrebten. Der Geschäftsführer der Beklagten hatte dieses Begehren umfangreich begründet und die entsprechenden Einzelheiten dargelegt. 15 Seiten der handschriftlichen Aufzeichnungen des Geschäftsführers der Beklagten hat die Klägerin bei Verlassen der Gesellschafterversammlung am 17. September 1994 mitgenommen, die vollständige schriftliche Begründung ist der Klägerin mit dem Gesellschafterbeschluß am 23. September 1994 zugestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin über alle notwendigen Informationen, um eine Anfechtungsklage erheben zu können.

Dieses hatte die Klägerin nach der vorgenannten Rechtsprechung des BGH mit aller ihr zumutbaren Beschleunigung zu tun, eine Überschreitung der Anfechtungsfrist kommt nur dann in Betracht, wenn zwingende Umstände die Klägerin an einer früheren Klagerhebung gehindert hätten. Derartige zwingende Umstände sind von der Klägerin weder dargetan noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich. Das Umfang und Schwierigkeit der Sache eine genauere Prüfung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht erfordert hätten, ist weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen. Auch Verzögerungen durch den Versuch der Regelung eines einvernehmlichen Ausscheidens der Klägerin aus der GmbH können nicht Ursache für die verspätete Erhebung der Anfechtungsklage sein, da zunächst die auf den 5. September 1994 anberaumte Gesellschafterversammlung wegen eben solcher Einigungsversuche abgesagt worden war, diese dann aber gescheitert sind. Der Verlauf der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschafterversammlung
Verlauf der Gesellschafterversammlung
vom 17. September 1994 bot dann keinen Anlaß für einen erneuten Einigungsversuch. An sich hätte die Regelung einer 2-wöchigen Anfechtungsfrist in dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin Anlaß geben müssen, die Anfechtungsklage möglichst kurzfristig zu erheben. Um so weniger ist es nachvollziehbar, daß die Klägerin einen Zeitraum bis zum 24. Oktober 1994 hat verstreichen lassen, bis sie die Anfechtungsklage bei Gericht eingereicht hat. Die Klägerin hat auch nicht den Versuch einer Erklärung unternommen, warum der bis zum 18. Oktober 1994 zur Verfügung stehende Zeitraum nicht ausgereicht hätte, eine Anfechtungsklage zu erheben. Aus alledem folgt, daß die Anfechtungsfrist nicht gewahrt ist.

Da Streitgegenstand der Anfechtungsklage auch etwaige Nichtigkeitsgründe sind, bleibt zu prüfen, ob die Klägerin ihre Angriffe gegen den Gesellschafterbeschluß vom 17. September 1994 auf Nichtigkeitsgründe stützen kann. Aber auch das ist nicht der Fall. Die Nichtberücksichtigung ihres Antrags, die Tagesordnung um die Erörterung der Bilanzen und der Einkommenssteuererklärung 1992 zu erweitern, mag mit § 50 Abs. 2 GmbHG nicht vereinbar sein, begründet jedoch nicht die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses vom 17. September 1994. Die mit der Einladung übersandte Tagesordnung umfaßte sowohl den Punkt der Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
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der Klägerin als auch ihren Ausschluß aus der Gesellschaft. Hinsichtlich des angegriffenen Gesellschafterbeschlusses war die Tagesordnung mithin ordnungsgemäß, die abgelehnte Erweiterung der TagesordnungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Erweiterung der Tagesordnung
Tagesordnung
hatte auf die vorgenommene Beschlußfassung keine Auswirkung. Überdies sind Beschlüsse der Gesellschafterversammlung trotz Mängel der Ankündigung zur Tagesordnung nur anfechtbar, keineswegs jedoch nichtig (vgl. Baumbach-Zöllner, 16. Aufl., § 51 GmbHG Rn. 27). Die Klägerin hätte von ihrem Selbsthilferecht aus § 50 Abs. 3 GmbHG Gebrauch machen und selbst die Ankündigung zur Tagesordnung vornehmen können.

Auch die vermeintlich unzureichende Gewährung rechtlichen Gehörs führt nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses vom 17. September 1994. Allerdings ist vor Beschlußfassung über die Einziehung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung von Geschäftsanteilen
dem betroffenen Gesellschafter Gelegenheit zu geben, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen (Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht – Korth, Band 3, § 29 Rn. 43). Auch wenn das vorliegend nicht geschehen ist, was zwischen den Parteien streitig ist, so handelt es sich keineswegs um einen Beschlußmangel, der in analoger Anwendung von § 241 AktG zur Nichtigkeit des Beschlusses führt. Einer der in § 241 AktG genannten Fälle ist nicht gegeben. Auch insoweit besteht mithin nur ein Anfechtungsrecht (vgl. Münchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht – Korth a. a. O.).

Anderweitige Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich und auch von der Klägerin nicht dargetan. Der Klägerin stand folglich nur ein Anfechtungsrecht zu, das sie jedoch nicht innerhalb der Anfechtungsfrist ausgeübt hat. Der Geschäftsanteil der Klägerin ist mithin wirksam durch den Beschluß vom 17. September 1994 eingezogen worden. Auch wenn nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 17. September 1994 der Ausschluß der Klägerin als Gesellschafterin beschlossen worden ist, so stellt das nach der Überzeugung des Senats eine bloße Falschbezeichnung dar und ist dahingehend auszulegen, daß Beschlußgegenstand die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin war. In der Einladung vom 7. September 1994 zur Gesellschafterversammlung vom 17. September 1994 war als erster Punkt der Tagesordnung die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin genannt. Zweiter Tagesordnungspunkt sollte der Ausschluß der Klägerin aus der Gesellschaft sein. Nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 17. September 1994 ist nur ein Tagesordnungspunkt behandelt worden. Die Tagesordnungspunkte sind nicht im einzelnen bezeichnet worden, vielmehr ist eingangs vermerkt, daß der Geschäftsführer der Beklagten die Gründe zum Ausschluß der Gesellschafterin I. B. vorgetragen hat. Nach der in der Einladung gegebenen Tagesordnung wäre als erster Tagesordnungspunkt die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin aufzurufen gewesen, bei dessen Erörterung sicherlich dieselben Gründe eine Rolle gespielt haben, wie im Falle des Ausschlusses der Klägerin aus der Gesellschaft. Da es sich zudem bei dem Geschäftsführer der Beklagten nicht um einen Volljuristen handelt, ist der im Protokoll der Gesellschafterversammlung verwendete Begriff des Ausschlusses der Auslegung zugänglich. Da auf der Gesellschafterversammlung nur der erste Tagesordnungspunkt behandelt worden ist, und es sich dabei um die Frage der Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin handeln sollte, ist der im Protokoll der Gesellschafterversammlung verwendete Begriff des Ausschlusses als Einziehung auszulegen.

Für eine solche Auslegung spricht ferner, daß die Gesellschafter der Beklagten offenbar davon ausgegangen sind, mit dem Beschluß vom 17. September 1994 alles zum Ausscheiden der Klägerin aus der Gesellschaft Notwendige geregelt zu haben. Das gilt aber nur für den Fall der Einziehung der Geschäftsanteile. Bei einem Ausschluß der Klägerin aus der Gesellschaft wäre mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag eine Ausschlußklage gegen die Klägerin zu erheben gewesen, wie es jetzt mit der Widerklage geschehen ist. Bei der von dem Geschäftsführer der Beklagten angenommenen dringenden Notwendigkeit eines Ausscheidens der Klägerin aus der Beklagten wäre zu erwarten gewesen, daß die Beklagte umgehend nach der Gesellschafterversammlung vom 17. September 1994 eine solche Ausschlußklage gegen die Klägerin erhoben hätte, was die Beklagte jedoch nicht getan hat.

Auch die Klägerin hat den Beschluß vom 17. September 1994 nicht in seinem wörtlichen Sinne verstanden und die Zustellung einer Ausschlußklage abgewartet, sondern ihrerseits eine Anfechtungsklage mit dem Antrag erhoben, die Unwirksamkeit des am 17. September 1994 gefaßten Beschlusses auf Einziehung ihrer Gesellschaftsanteile festzustellen. Daraus wird deutlich, in welchem Sinne die Klägerin den fraglichen Gesellschafterbeschluß verstanden hat.

Letztlich ist in erster Instanz von keiner Partei ein anderes Verständnis des Gesellschafterbeschlusses an den Tag gelegt worden, vielmehr ist übereinstimmend die Einziehung des Gesellschaftsanteils der Klägerin an der GmbH zum Ausgangspunkt des Rechtsstreits gemacht worden. So hat denn auch die Beklagte nur im Rahmen ihrer Hilfswiderklage den Antrag auf Ausschluß der Klägerin aus der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung gestellt, und zwar gerade für den Fall, daß der Einziehungsbeschluß für rechtswirksam angesehen wird. Beide Prozeßparteien haben mithin den Beschluß vom 17. September 1994 übereinstimmend dahingehend verstanden, es wäre die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin beschlossen worden, so daß im Ergebnis eine bloße Falschbezeichnung in dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vorliegt und der maßgebliche Beschluß als Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin auszulegen ist. Da insoweit jedoch die Frist zur Anfechtung des Beschlusses verstrichen ist, ist die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wirksam.

Hinsichtlich der Widerklage, die im Berufungsverfahren nicht als Hilfswiderklage erhoben worden ist, hat das zur Folge, daß ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt. Mit einem etwaigen Ausschlußurteil gegen die Klägerin wird keine weitergehende Rechtsverfolgung erzielt als mit der Einziehung des Gesellschaftsanteils der Klägerin, so daß dem Begehren der Beklagten voll umfänglich Rechnung getragen ist. Die Widerklage ist deshalb mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung über die Vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Schlagworte: Auslegung Aufsichtsratbeschluss, Auslegung des Ausschlussbeschlusses, Auslegung von Gesellschafterbeschlüssen, Ausschluss des Gesellschafters, Einziehung des Geschäftsanteils, Inhalt des Ausschlussbeschlusses, objektive Auslegung eines Gesellschafterbeschlusses