Überschuldete Publikumspersonengesellschaft in Form eines Immobilienfonds I Pflicht des nicht zahlungsbereiten Gesellschafters zur Zustimmung zu einem mehrheitlichen Gesellschafterbeschluss über die Kapitalerhöhung zum Zwecke der Sanierung unter Ausschluss nicht sanierungswilliger Gesellschafter
1. Ist von einer überschuldeten Publikumsgesellschaft in Form eine Immobilienfonds mit darlehensgebenden Banken ein Sanierungskonzept entwickelt worden , ist ein Gesellschafterbeschluss, der vorsieht, dass Gesellschafter, die nicht bis zum Einzahlungsstichtag ihren Anteil an einer (vereinbarten) Kapitalerhöhung übernommen und bewirkt haben, mit Ablauf des Sanierungsstichtages mit dinglicher Wirkung, bzw. mit Ablauf des dem Sanierungsstichtag vorausgehenden Tages mit schuldrechtlicher Wirkung aus der Gesellschaft ausscheiden, zulässig.
2. Ungeachtet der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Befugnis zur Änderung des Vertrages mit Mehrheitsentscheidung bedarf es aber im Einzelfall für die materielle Wirksamkeit des Beschlusses der Prüfung, ob der Beschluss in unverzichtbare oder nur mit Zustimmung eines betroffenen Gesellschafters gestaltbare Mitgliedschaftsrechte eingreift. Soweit Mehrheitsentscheidungen unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte beschränken, werden sie nur wirksam, wenn die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters erteilt worden ist, da anderenfalls regelmäßig eine treupflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht vorliegt. Der Beschluss über den Ausschluss eines Gesellschafters, der sich an einer Sanierung nicht beteiligt, bedarf grundsätzlich der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters, da der Entzug der Mitgliedschaft den Kern der Gesellschafterrechte betrifft.
3. Ein Gesellschafter ist zwar im Allgemeinen nicht verpflichtet, einer solchen, seine Gesellschafterstellung aufhebenden Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. Eine Zustimmungspflicht kommt aber in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder auf die bestehenden Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander dringend erforderlich ist und die Änderung dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist.
4. Haben die Gesellschafter mehrheitlich eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dahin beschlossen, dass das ursprüngliche Eigenkapital herabgesetzt und sodann nominal erhöht wird, um eine Sanierung der Gesellschaft zu ermöglichen und verbleibt ein Gesellschafter in der Gesellschaft, ohne sich an der Sanierung zu beteiligen, ist dies den übrigen Gesellschaftern, die risikobereit waren und den finanziellen Aufwand der Nachschusspflicht infolge der „Kapitalerhöhung“ aufgebracht haben, nicht zuzumuten.
5. Die aus der gesellschafterlichen Treuepflicht resultierende Pflicht des nicht sanierungswilligen Gesellschafters, einer Änderung des Gesellschaftervertrages zuzustimmen, die seinen Ausschluss aus der Gesellschaft bewirkt, besteht aber dann nicht, wenn der Gesellschafter sich auf schützenswerte Belange stützen kann, die der vorgeschlagenen Änderung des Gesellschaftsvertrages entgegenstehen. Der Ausschluss ist vor diesem Hintergrund unwirksam, wenn der Gesellschafter im Fall seines Ausschlusses schlechter dasteht, als er bei einer Entscheidung der Gesellschaft gegen die Sanierung und für die sofortige Liquidation gestanden hätte. Der von den ausscheidenden Gesellschaftern aufzubringende Anteil am Verlust darf nicht höher sein, als die von ihm im Fall einer sofortigen Zerschlagung und Liquidation auszugleichenden Verluste, da dies die Alternative für die sanierungswilligen Gesellschafter gewesen wäre, um das Sanierungskonzept – mit einem höheren finanziellen Aufwand und Risiko – durchzusetzen.
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