Die Abwerbung von Arbeitnehmern ist im Grundsatz zulässig und nur dann untersagt, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Unlauterkeit begründen. Diese können in einem verwerflichen Zweck oder aufgrund verwerflicher Mittel gesehen werden. Der Zweck ist in der Regel unlauter, wenn die Abwerbung die Beeinträchtigung des Mitbewerbers bezweckt oder die unlautere Ausbeutung des Mitbewerbers angestrebt wird.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für unlauterer Wettbewerb
OLG Rostock, Beschluss vom 02.08.2021 – 2 U 17/20
Zum Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 4 UWG (Mitbewerberbehinderung/Vertragsbruchverleitung) im Rahmen des so genannten Lebensversicherungszweitmarktes (hier bejaht für ein Schreiben des Lebensversicherers an seinen Versicherungsnehmer, nachdem Letzterer seine Rechte aus der Police an einen gewerblichen Aufkäufer „abgetreten“ hat) sowie zur Rechtsnatur eines „Kauf- und Abtretungsvertrages“ (Abgrenzung zum Inkasso).
Eintrag lesenLG Wuppertal, Urteil vom 18. März 2021 – 13 O 4/19
1. Der Kundenstamm und die Kundenbeziehungen sind dem Unternehmer nicht in der Weise als Vermögensgegenstand zugeordnet, dass Mitbewerber hierauf nicht zugreifen dürften. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Das Bestimmen zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen ist daher wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wettbewerbswidrig wird ein Einbrechen in fremde Vertragsbeziehungen erst dann, wenn besondere Unlauterkeitsumstände hinzutreten (vgl. u.a. BGH, 22. April 2004, I ZR 303/01).(Rn.47)
2. Solche Umstände liegen im Einzelfall vor, wenn zur Kontaktaufnahme mit Kunden anvertraute Geschäftsgeheimnisse zweckwidrig zu eigenen Wettbewerbszwecken verwendet werden.
Eintrag lesenLG Frankfurt, Urteil vom 17. Februar 2021 – 3-08 O 67/20
b)
Die Verantwortlichkeit der Beklagten ergibt sich nicht aus einem eigenen Verstoß dieser gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht i.S.d. § 3 UWG.
aa) Wer gegen eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstößt, ist Täter einer unlauteren geschäftlichen Handlung. Der Haftung wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden Gefahren notwendig sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 301, Rn 51 – Solarinitiative). Im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern von Internethandelsplattformen für rechtsverletzende fremde Inhalte konkretisiert sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht als Prüfpflicht (vgl. BGHZ 173, 188, Rn 22, 36 – Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGHZ 185, 330, Rn 13 – Sommer unseres Lebens). Die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten ist aber nicht auf die Verletzung von Prüfpflichten beschränkt. Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten können sich ebenso als Überwachungs- und Eingreifpflichten konkretisieren (vgl. BGH, GRUR 2014, 883, Rn 21 – Geschäftsführerhaftung; Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler/Feddersen UWG, 39. Aufl. 2021, § 8 Rn 2.10).
Um einer unangemessenen Ausdehnung der Haftung für Rechtsverstöße Dritter entgegenzuwirken, ist eine täterschaftliche Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen (BGH, GRUR 2018, 203, Rn 37 – Betriebspsychologe). Es muss eine Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr für Rechtsverstöße Dritter bestehen. Die Zumutbarkeit von Gefahrenabwehrmaßnahmen hängt von einer Interessenabwägung ab. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gewichtig das verletzte Interesse ist und welches wirtschaftliche Eigeninteresse der Verpflichtete verfolgt. Geht es – wie hier – um Mittelspersonen, ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Risiken ihr Geschäftsmodell für Wettbewerbsverstöße Dritter typischerweise begründet (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler/Feddersen, a.a.O., § 8 Rn. 2.12). Der Mittelsperson dürfen keine Anforderungen auferlegt werden, die ihr von der Rechtsordnung gebilligtes Geschäftsmodell gefährden oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren (BGH, GRUR 2011, 152 Rn 38 – Kinderhochstühle im Internet I; zum Vorstehenden im Ganzen vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RS 2020, 16298, Rn. 23 f. – MyTaxi-App).
bb) Entscheidend gegen eine täterschaftliche Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht spricht vorliegend der Umstand, dass die Beklagte nicht selbst Normadressatin der §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG, 30 Abs. 1, 43 BOKraft ist. Derjenige, der nicht Adressat einer Verbotsnorm ist, kann nach den im allgemeinen Deliktsrecht und im Lauterkeitsrecht entsprechend geltenden strafrechtlichen Bestimmungen allenfalls als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) haften (BGH, GRUR 2015, 1025, Rn. 16 – TV-Wartezimmer; BGHZ 177, 150, Rn 14 – Kommunalversicherer). Adressaten des Personenbeförderungsgesetzes sind die Unternehmer, die Personen befördern, also die Beförderungsleistung selbst erbringen (§ 1 PBefG). Wer Beförderungsverträge dagegen nicht selbst ausführt, sondern lediglich vermittelt, ist nicht Unternehmer im personenbeförderungsrechtlichen Sinne. Die Tätigkeit der Beklagten ist als Vermittlung einzustufen. Die von der Beklagten vermittelten Fahrten werden von unabhängigen Taxi- und Mietwagenunternehmen in eigener Verantwortung durchgeführt (BGH, GRUR 2018, 946, Rn 18 – Bonusaktion für Taxi App; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RS 2020, 16298, Rn. 26 m.w.N. – MyTaxi-App). Insoweit spricht vorliegend auch die nach Bezahlung mit der App ausgehändigte Quittung (vgl. Anlage K2, Bl. 11 ff. d.A.) nicht dafür, dass die Beklagte als das befördernde Unternehmen anzusehen ist. Die Quittung weist als „Rechnungssteller“ das Mietwagenunternehmen und die Beklagte nur als Aussteller der Rechnung im Rechnungskopf und in der Fußzeile aus. Es ist damit klar, dass die Leistung im Namen des vermittelten Mietwagenunternehmens abgerechnet wird.
Eintrag lesenLG Berlin, Urteil vom 05. Mai 2020 – 15 O 107/18
Wettbewerbsverstoß im Internet: Anwendbarkeit deutschen Rechts; irreführende Werbung für einen Onlineshop mit dem Geschäftsmodell des Abschlusses von Mietverträgen für IT-Geräte; persönliche Haftung des Geschäftsführers einer deutschen Dienstleistungs-GmbH
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18
Kundenbewertungen auf Amazon
1. Den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts trifft für nicht von ihm veranlasste Kundenbewertungen keine wettbewerbsrechtliche Haftung, wenn er sich diese Bewertungen nicht zu eigen macht.
Für die Beurteilung, ob eine wegen wettbewerbswidriger Werbung in Anspruch genommene Person sich fremde Äußerungen zu eigen macht, kommt es entscheidend darauf an, ob sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, sie identifiziere sich mit ihnen. Dieser Maßstab gilt auch im Heilmittelwerberecht.
2. Ob das Angebot auf der Online-Handelsplattform Amazon eine Garantenstellung mit der Rechtspflicht begründet, eine Irreführung durch Kundenbewertungen abzuwenden, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls und bedarf einer Abwägung.
3. Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Kundenbewertungssysteme auf Online-Handelsplattformen gesellschaftlich erwünscht sind und verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich zu Produkten zu äußern und sich vor dem Kauf über Eigenschaften, Vorzüge und Nachteile eines Produkts aus verschiedenen Quellen, zu denen auch Bewertungen anderer Kunden gehören, zu informieren oder auszutauschen, wird durch die Meinungs- und Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Bei einem Angebot von Arzneimitteln oder Medizinprodukten kann allerdings das Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit bei der Abwägung zu berücksichtigen sein.
4. Gibt der Anbieter eines auf einer Online-Handelsplattform angebotenen Produkts selbst irreführende oder gefälschte Kundenbewertungen ab, bezahlt er dafür oder können ihm die Kundenbewertungen aus anderen Gründen als Werbung zugerechnet werden, haftet er als Täter, gegebenenfalls Mittäter, eines Wettbewerbsverstoßes.
Eintrag lesenOLG Hamburg, Urteil vom 25.7.2019 – 3 U 12/16
Gezielte Behinderung eines Mitbewerbers I Unangemessene Beeinträchtigung bei Vereinbarung mit den Leistungskräften eines Mitbewerbers über die Abwerbung von Mitarbeitern; Störung des Betriebsablaufs; Darlegungslast zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität
1. Eine Vereinbarung eines Wettbewerbers mit den Leitungskräften eines anderen Mitbewerbers, eine konzertierte Abwerbung eines Großteils von dessen Mitarbeitern durch dessen Leitungskräfte – gleichsam „von innen heraus“ – vorzunehmen, ist grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der unangemessenen Beeinträchtigung nach § 4 Nr. 10 UWG aF (§ 4 Nr. 4 UWG nF) zu erfüllen.
2. Eine solche mit einem externen Unternehmen vereinbarte Mitarbeiterabwerbung durch die Leitungskräfte des betroffenen Mitbewerbers stellt eine Störung des Betriebsablaufs dar, die in ihrer Intensität signifikant über Telefonanrufe eines Dritten hinausgeht. Eine solche Störung des Betriebsablaufs des Unternehmens muss der betroffene Mitbewerber nicht hinnehmen.
3. Für die Verwirklichung dieser Variante des Behinderungstatbestandes ist erforderlich, dass sich feststellen lässt, dass das betroffene Unternehmen aufgrund der Handlungen des Wettbewerbers nicht mehr in der Lage war, seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung in angemessener Weise zur Geltung zu bringen.
Eintrag lesenOLG Stuttgart, Urteil vom 07.03.2019 – 14 U 26/16
Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter
1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der „Aushöhlung“ der Gesellschaft nicht feststellbar ist.
2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. „Geschäftschancenlehre“ bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.
Eintrag lesenOLG Frankfurt, Beschluss vom 15.05.2018 – 6 W 39/18
Wettbewerbsrechtliche Grenzen für die Abwerbung von Mitarbeitern
Die Abwerbung auch einer Vielzahl von Mitarbeitern eines Mitbewerbers ist nur dann unlauter, wenn sich die Abwerbung nicht mehr als Versuch der Gewinnung neuer Mitarbeiter auf dem Arbeitskräftemarkt darstellt, sondern nach den Gesamtumständen auf die gezielte Behinderung des Mitbewerbers gerichtet ist. Ein Anhaltspunkt dafür kann sein, dass „putschartig“ ganze Geschäftsbereiche einschließlich der damit verbundenen Kunden abgeworben werden. Dagegen reicht es für den Schluss auf die Behinderungsabsicht allein nicht aus, dass die Abwerbung die Wettbewerbsposition des Mitbewerbers erheblich beeinträchtigt.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 154/16
Werbeblocker II
1. Das Angebot einer Software, die Internetnutzern ermöglicht, beim Abruf mit Werbung finanzierter Internetangebote die Anzeige von Werbung zu unterdrücken, ist keine unlautere zielgerichtete Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG. Dies gilt auch, wenn das Programm die Freischaltung bestimmter Werbung solcher Werbetreibender vorsieht, die dem Anbieter des Programms hierfür ein Entgelt entrichten.
2. Das Angebot einer Werbeblocker-Software stellt auch keine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des § 4a Abs. 1 UWG gegenüber den Unternehmen dar, die an der Schaltung von Werbung interessiert sind.
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