Streit über Wirksamkeit von Beschlüssen einer Hauptversammlung einer AG
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nach § 243 Abs. 1 AktG analog
OLG München, Beschluss vom 11.10.2023 – 7 U 3195/22
Der Ausschluss eines Gesellschafters bedarf eines wichtigen Grundes, vgl. § 9 Abs. 1 PartGG, § 140 Abs. 1 Satz 1, § 133 HGB. Der wichtige Grund ist im HGB nicht abschließend definiert; es besteht Einigkeit, dass für die Konkretisierung § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB herangezogen werden kann. Danach kommt es darauf an, ob den Klägern der Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. Lehmann-Richter in BeckOK HGB, § 133 Rn. 15 [Stand: 15.01.2023]; Lorz in Ebenroth/Boujong/jhoost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 133 Rn. 1; Roth in Hopt, HGB, 42. Aufl., § 133 Rn. 5). Diese Wertung beansprucht erst recht Geltung, wenn die Kläger selbst bereits die Kündigung erklärt haben und damit die Frist zur Beendigung der Gesellschaftsbeteiligung bereits läuft.
Nicht die Zukunft des Unternehmens, sondern die Dauer der Bindung an den Vertrag, die der durch den wichtigen Grund betroffene Teil ohne die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung noch durchstehen müsste, ist das für die Frage der Zumutbarkeit und damit für das Vorliegen eines wichtigen Grundes mitentscheidende Kriterium. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sind daher an die Intensität der Vertragsstörung um so höhere Anforderungen zu stellen sind, je kürzer die Frist bemessen ist, innerhalb derer das Vertragsverhältnis abläuft oder durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Im Handelsvertreterrecht nimmt der BGH folgerichtig in Kauf, dass der Unternehmer – wenn er allein wegen einer nur noch geringen Vertragslaufzeit an einer außerordentlichen Kündigung gehindert ist – den Handelsvertreterausgleich schuldet (vgl. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB). Nachteile durch eine nur noch kurze Vertragsrestlaufzeit sind somit in Kauf zu nehmen.
Eintrag lesenOLG Nürnberg, Urteil vom 11.08.2021 – 12 U 1149/18
1. Eine „isolierte“ Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss einer Aktiengesellschaft, die sich lediglich gegen die Ermächtigung des Vorstandes richtet, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG) ist zulässig. Die gleichzeitige Anfechtung auch der Ermächtigung des Vorstandes zur Kapitalerhöhung ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB nicht geboten.
2. Die Berichtspflicht des Vorstandes anlässlich des von der Hauptversammlung zu treffenden Ermächtigungsbeschlusses gemäß § 203 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG erfordert nicht, dass sämtliche denkbaren Gründe für einen Ausschluss des Bezugsrechts abschließend benannt werden.
3. Ein Hauptversammlungsbeschluss betreffend die Ermächtigung des Vorstandes, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden, bedarf lediglich insoweit der sachlichen Rechtfertigung, als diese Ermächtigung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben werden muss (im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Juni 1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 – Siemens/Nold). Eine konkrete Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses ist vom Vorstand erst im Zeitpunkt seiner Entscheidung über einen solchen Ausschluss aufgrund der ihm erteilten Ermächtigung zu prüfen.
4. Die Regelung des erleichterten Bezugsrechtsausschlusses gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG steht einem Hauptversammlungsbeschluss über die Ermächtigung, im Rahmen der Ausnutzung genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 1 AktG) über den Ausschluss des Bezugsrechts von Aktionären zu entscheiden (§ 203 Abs. 2 Satz 1 AktG), selbst dann nicht entgegen, wenn dieser Beschluss einen Bezugsrechtsausschluss in weitergehendem Umfang, als in § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG geregelt, ermöglicht.
Eintrag lesenThüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 25.03.2020 – 2 U 516/18
GmbH I Voraussetzungen für den Ausschluss eines Gesellschafters
1. Der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters ist gesetzlich nicht geregelt, in Übernahme des in § 314 Abs. 1 BGB normierten Rechtsgedankens gleichwohl aber möglich, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Gesellschafters vorliegt, der dazu führt, dass dessen Verbleib für die Gesellschaft unzumutbar ist. Für die Begründetheit einer analog § 140 HGB zu erhebenden Ausschließungsklage kommt es ausschließlich auf das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ an.
2. Ein wichtiger Grund liegt u.a. vor bei nachhaltigen groben Pflichtverletzungen, die so schwer wiegen, dass nach umfassender Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine andere Lösung den übrigen Gesellschaftern nicht zumutbar ist oder auch bei einer Vielzahl kleinerer Pflichtverletzungen, die in ihrer Gesamtheit eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar machen. Ein Verschulden des auszuschließenden Gesellschafters ist nicht erforderlich, dessen Vorliegen oder Fehlen im Rahmen der Abwägung aber zu berücksichtigen.
3. Immer erforderlich ist eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls und einer Gesamtabwägung der beteiligten Interessen sowie des Verhaltens der übrigen Gesellschafter (Anschluss BGH, Urteil vom 24. September 2013 – II ZR 216/11, WM 2013, 2223).
Eintrag lesenKG Berlin, Urteil vom 09.03.2020 – 2 U 80/19
Sieht die Satzung einer GmbH die Möglichkeit der Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung eines Gesellschaftsanteils für den Fall seiner Pfändung vor, kann ein entsprechender Einziehungs- oder Abtretungsbeschluss gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen und anfechtbar sein, wenn die Gesellschaft die betreffenden Geschäftsanteile selbst im Wege der Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO aufgrund eines nicht rechtskräftigen Titels wegen einer zwischen den Parteien umstrittenen Forderung gepfändet hat.
Eintrag lesenThüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 10.01.2018 – 2 U 266/17
AktG §§ 251, Abs. 1, 250 Abs. 1, 246 Abs. 1 und Abs. 2, 244, 243 Abs. 1, 241 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 5, 137, 130 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5, […]
Eintrag lesenLG München II, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 O 3420/15
1. Grundsätzlich fehlt es an einer Pflichtverletzung i.S.d. § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer zu dem – später beanstandeten – Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens.
2. Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat und auch dann, wenn der Geschäftsführer bewusst für das Gesellschaftsvermögen nachteilige Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift. Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Ein-Personen-Gesellschaft bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses.
3. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt.
4. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 33 GmbHG oder gegen § 64 GmbHG verstößt. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt.
(siehe auch www.K1.de)
Eintrag lesenOLG Frankfurt, Urteil vom 19. Mai 2015 – 5 U 177/14
§ 121 Abs 3 S 1 AktG, § 122 AktG, § 124 Abs 2 S 1 AktG, § 241 AktG, § 243 AktG, § 117 InsO, § 240 ZPO Die Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen eines […]
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 30. Juni 2015 – II ZR 142/14
Kommanditgesellschaft auf Aktien: Voraussetzungen einer wirksamen Absage der auf ein Aktionärsverlangen einberufenen Hauptversammlung durch den Vorstand; Ausschluss einer Beschlussanfechtungsbefugnis des Vorstands
1a. Die Einberufung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft kann grundsätzlich von dem Organ, das die Versammlung einberufen hat, wieder zurückgenommen werden. Dass eine Hauptversammlung vom Vorstand aufgrund eines Verlangens von Aktionären gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG einberufen worden ist, ändert an der grundsätzlichen Kompetenz des Vorstands zur Zurücknahme der Einladung nichts.
1b. Die von ihm einberufene Hauptversammlung kann der Vorstand nicht mehr wirksam absagen, wenn sich die am Versammlungsort erschienenen Aktionäre nach dem in der Einberufung für den Beginn der Hauptversammlung angegebenen Zeitpunkt im Versammlungsraum eingefunden haben.
2. Die dem Vorstand als Organ wegen seiner Aufgabe, für die Rechtmäßigkeit des Korporationshandelns zu sorgen, im Interesse der Gesellschaft zustehende Anfechtungsbefugnis ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass er die Anfechtbarkeit des Beschlusses mitverursacht hat.
Eintrag lesenKG, Urteil vom 17.04.2001 – 14 U 380/99
GmbHG §§ 71, 243, 246, 257 1. Ein Bilanzfeststellungsbeschluß der GmbH-Gesellschafterversammlung kann analog § 243 AktG wegen inhaltlicher Mängel angefochten werden, da der eine Anfechtung wegen inhaltlicher Mängel ausschließende § 257 Abs. 1 S. 2 […]
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