Ein existenzvernichtender Eingriff ist gegeben, wenn von einer GmbH die inländischen Kunden und damit das Kerngeschäft übernommen werden, zudem der Geschäftsführer und das sonstige Personal sowie die Geschäftsräume, Produktionsanlagen und die Internetseite. Dies gilt auch, wenn bei der GmbH ein Warenbestand, Forderungen und eine Liquidität nebst Verbindlichkeiten verbleiben. Ein existenzvernichtender Eingriff führt zu einer Haftung des Verursachers wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten. Deswegen ist es für die Entstehung eines solchen Schadens nicht kausal, wenn die in diesem Sinne beratenden Rechtsanwälte nicht dafür gesorgt haben, dass vor der Geschäftsübernahme ein Haftungsausschluss im Handelsregister eingetragen wird.
Eintrag lesenGerichtsurteile und Gerichtsbeschlüsse für Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung
BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 – IX ZR 310/14
1. Dem Insolvenzverwalter steht bei der Frage, zu welchem Zeitpunkt er die (drohende) Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu. Dessen Einhaltung kann das Gericht des Haftungsprozesses umfassend nachprüfen.
2. Die vom Insolvenzverwalter bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit berücksichtigte voraussichtliche Verwaltervergütung kann das Gericht des Haftungsprozesses daraufhin überprüfen, ob der Insolvenzverwalter den ihm dabei zuzugestehenden Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschritten hat.
Eintrag lesenLG München II, Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 O 3420/15
1. Grundsätzlich fehlt es an einer Pflichtverletzung i.S.d. § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer zu dem – später beanstandeten – Verhalten anweist. Soweit der Geschäftsführer dadurch nicht gegen gesetzliche Pflichten verstößt, muss er die Weisung befolgen und haftet der Gesellschaft demgemäß nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz des dadurch verursachten Schadens.
2. Diese Grundsätze gelten erst recht, wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter hat und auch dann, wenn der Geschäftsführer bewusst für das Gesellschaftsvermögen nachteilige Entscheidungen trifft und Maßnahmen ergreift. Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Ein-Personen-Gesellschaft bedarf es dazu keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses.
3. Entsprechendes gilt, wenn der alleinige Gesellschafter zugleich als Geschäftsführer der Gesellschaft handelt und praktisch seine eigenen Weisungen ausführt.
4. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist ausschließlich dann denkbar, wenn der Geschäftsführer gegen zwingende Stammkapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 33 GmbHG oder gegen § 64 GmbHG verstößt. Entsprechendes gilt, wenn der Geschäftsführer Weisungen zu existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen erteilt oder diesen zustimmt.
(siehe auch www.K1.de)
Eintrag lesenOLG Köln, Urteil vom 18. Oktober 2016 – I-18 U 93/15
1. Der Gesellschafter – auch wenn er nur an einer Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist, die ihrerseits Gesellschafterin der GmbH ist – haftet gemäß § 826 BGB für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen auf Schadenersatz (vergleiche u.a. BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, II ZR 3/04). Gemäß § 830 Abs. 2 BGB hat der Geschäftsführer, der sich an dem Vermögensentzug durch den Gesellschafter beteiligt, ebenso einzustehen.
2. Die in einem Credit Facility Agreement vorgesehene Verwendung von Gesellschaftsvermögen als Grundlage zur Besicherung eines von dem beklagten Geschäftsführer persönlich aufgenommenen und unter anderem durch eine Mithaft ihrer Alleingesellschafterin besicherten Kredits hat vorliegend als sogenannte „Upstream“-Sicherheit zu einem Eingriff in die dem weiten Vermögensbegriff unterfallenden Geschäftsressourcen der Schuldnerin und in der Folge auch in deren Vermögenssubstanz geführt und stellt aus Sicht der Schuldnerin einen existenzvernichtenden Eingriff dar.
3. Sittenwidrig ist ein Verstoß gegen die aus der Organstellung resultierenden Pflichten, wenn diese zur Durchsetzung von Gesellschafterinteressen in einer Weise missbraucht wird, die als grobe Missachtung des Mindestmaßes an Loyalität und Rücksichtnahme im Verhältnis zur Gesellschaft zu werten ist (vergleiche BGH, Urteil vom 9. Februar 2009, II ZR 292/07).
4. Für einen Eventualvorsatz reicht es aus, dass die faktische dauerhafte Beeinträchtigung des Vermögens der Schuldnerin im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs war und der Beklagte diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres Eintritts billigend in Kauf nahm (vergleiche BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, II ZR 3/04).
5. Das das Gericht einen Fall der Existenzvernichtung annimmt, folgt die Ersatzpflicht des Beklagten auch aus § 43 Abs. 2 GmbHG.
Eintrag lesenLG Hamburg, Urteil vom 21.07.2016 – 334 O 162/15
1. In einem Prospekt über die Beteiligung an einem Ölförderprojekt als Kapitalanlage muss nicht gesondert auf das Erfordernis einer umweltrechtlichen Genehmigung und das Risiko einer Nichterteilung der Genehmigung hingewiesen werden.
2. In einem Prospekt zur Beteiligung an einem Ölförderprojekt als Kapitalanlage (hier: Beteiligung an einem Erdölförderrecht) genügt es für die Darstellung des Anlagerisikos, wenn auf den Totalverlust als Risiko hingewiesen wird, da auch ohne weitere Darstellungen bei einer solchen Anlage ohne weiteres für einen Verbraucher zu erkennen ist, dass die Beteiligung ein Wagnis darstellt.
3. Einzelfall zur deliktischen Haftung wegen behaupteter Unrichtigkeit des Prospekts über die Beteiligung an einem Ölförderprojekt (hier: Haftung verneint).
Eintrag lesenLArbG Hamm, Urteil vom 30.01.2015 – 10 Sa 828/14
1. Schutzgut einer Existenzvernichtungshaftung ist das Gesellschaftsvermögen als solches. Die als Innenhaftung ausgestaltete Gesellschafterhaftung setzt u.a. den Entzug von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation des Vermögensentzugs und die dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung voraus.
2. Nach diesem Haftungskonzept können auch Nicht-Gesellschafter oder frühere Gesellschafter in die Haftung genommen werden, da für eine Haftungszurechnung eine Beteiligung i.S.v. § 830 Abs. 2 BGB ausreicht.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 24. Juli 2012 – II ZR 177/11
Die regelmäßige Verjährung für den Anspruch aus Existenzvernichtungshaftung gegen den Gesellschafter-Gesellschafter einer GmbH beginnt erst zu laufen, wenn dem Gläubiger sowohl die anspruchsbegründenden Umstände als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass der mittelbare Gesellschafter als Schuldner in Betracht kommt, bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind.
Eintrag lesenOLG Celle, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 9 U 125/06
Ein-Mann-GmbH I Wirkung der Aufnahme einer Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter in die Bilanz I Einwand schenkungsrechtlicher Formnichtigkeit gegen die Geltendmachung der Gesellschaftsforderung I vorsätzliche sittenwidrige Schädigung seitens des Gesellschafters durch Vernichtung von Liquidationsvermögen durch gerichtliche Geltendmachung der gegen ihn selbst gerichteten Forderung und Erwirkung eines klageabweisenden Versäumnisurteils I Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs des prozessualen Schädigungsverhaltens durch Fortführung des Prozesses durch einen Vollstreckungsgläubiger der Gesellschaft als Nebenintervenient
1. Wird in die Bilanz einer Ein-Mann-GmbH eine Forderung der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter aufgenommen, ist darin ein starkes Beweisindiz für die Existenz der Forderung zu sehen, so dass dahingestellt bleiben kann, ob die Bilanzfeststellung auch bei dieser Gesellschaftsform rechtsgeschäftlichen Charakter hat.
2. Die Geltendmachung der Gesellschaftsforderung scheitert trotz fehlender Gegenleistung der Gesellschaft nicht am Einwand schenkungsrechtlicher Formnichtigkeit, wenn der Gesellschafter seine Verpflichtung im Hinblick auf seine Mitgliedschaft (causa societatis) eingegangen ist.
3. Ein Gesellschafter haftet gem. § 826 BGB, wenn er seiner GmbH als deren Geschäftsführer eigennützig die gegen ihn selbst gerichtete Forderung entzieht, indem er – auf beiden Prozessseiten agierend – gegen die Gesellschaft ein klagabweisendes Versäumnisurteil erwirkt und damit das Liquidationsvermögen vernichtet, das zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist.
4. Die rechtliche Fehlbewertung des eigenen, sittenwidrigen Verhaltens durch den Gesellschafter lässt den Schädigungsvorsatz nicht entfallen.
5. Führt ein Vollstreckungsgläubiger der Gesellschaft als deren Nebenintervenient den Prozess gegen den Gesellschafter allein fort und setzt er sich damit in Widerspruch zu einem zwischenzeitlich bestellten, pflichtwidrig handelnden Notliquidator der Hauptpartei, unterbricht diese Prozessführung trotz der Regelung des § 67 ZPO nicht den Zurechnungszusammenhang mit dem vorangegangenen prozessualen Schädigungsverhalten des Gesellschafters; der Gesellschafter haftet auch für die weiteren aufgrund der Prozessfortsetzung entstandenen Kosten.
Eintrag lesenBGH, Urteil vom 9. Februar 2009 – II ZR 292/07
Sanitary
1. Eine Existenzvernichtungshaftung des GmbH-Gesellschafters aus § 826 BGB für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen (vgl. BGH, 16. Juli 2007, II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 – TRIHOTEL) kommt auch im Stadium der Liquidation der Gesellschaft (§§ 69 ff. GmbHG) in Betracht.
2. Der für die Existenzvernichtungshaftung nach § 826 BGB bei der werbenden Gesellschaft anerkannte Grundsatz eines verselbstständigten Vermögensinteresses gilt erst recht für eine Gesellschaft in Liquidation, für die § 73 Abs. 1 und 2 GmbHG den Erhalt des Gesellschaftsvermögens im Interesse der Gläubiger in besonderer Weise hervorhebt. Der Liquidationsgesellschaft kann daher ein eigener (Innenhaftungs-)Anspruch aus § 826 BGB gegen den Gesellschafter schon dann zustehen, wenn dieser unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG in sittenwidriger Weise das im Interesse der Gesellschaftsgläubiger zweckgebundene Gesellschaftsvermögen schädigt, ohne dass zugleich die speziellen „Zusatzkriterien“ einer Insolvenzverursachung oder -vertiefung erfüllt sind.
Eintrag lesenBGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 – II ZR 104/07
An einem die Haftung nach § 826 BGB begründenden existenzvernichtenden Eingriff fehlt es, wenn der Gesellschafter zwar Forderungen der GmbH gegen Dritte auf ein eigenes Konto einzieht, mit diesen Mitteln jedoch Verbindlichkeiten der Gesellschaft begleicht und zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus eigenem Vermögen weitere Gesellschaftsschulden tilgt.
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