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Thüringer OLG, Urteil vom 18.04.2012 – 2 U 523/11

GmbHG §§ 18; AktG §§ 241, 243, 246; BGB §§ 745, 2038; ZPO § 167

1. Eine Anfechtungsklage gegen GmbH-Beschlüsse analog § 243 Abs. 1 AktG ist innerhalb der am Leitbild des § 246 AktG orientierten Klagefrist (siehe BGHZ 101, 113, 117 ff.) zu erheben. Eine dreieinhalbwöchige Überschreitung der Monatsfrist kann im Regelfall auch nicht mit der Darlegung besonderer Umstände gerechtfertigt werden.

2. Da § 246 Abs. 1 AktG auf die Klageerhebung und damit wegen § 253 ZPO auf die Zustellung der Klage abstellt, kommt grundsätzlich die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO in Betracht. Wenn sich der Kläger jedoch nach Aufforderung zur Einzahlung von Gerichtskosten mit deren Einzahlung über vier Wochen Zeit lässt (zur umgehenden Einzahlung von Gerichtskosten siehe OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, NJW-RR 1995, 806 f. sowie allg. BGH, VersR 2012, 382 f.), kommt eine Rückwirkung nicht in Betracht.

3. Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage ist zwar grundsätzlich nicht fristgebunden. Eine Nichtigkeitsklage kann auch bei Beschlüssen einer GmbH-Gesellschafterversammlung nur auf die von § 241 AktG erfassten Sachverhalte gestützt werden (siehe BGHZ 101, 113 [117]; BGH, NJW-RR 2008, 706 [708]).

4. Bezieht sich eine Beschlussmängelklage auf die Unwirksamkeit einer Stimmabgabe bzw. deren Berücksichtigung im Beschlussergebnis, handelt es sich um einen Beschlussmangel, der allenfalls zur Anfechtbarkeit, nicht aber zur Nichtigkeit der festgestellten Beschlüsse führt.

5. Nach § 18 Abs. 1 GmbHG können die Rechte aus einem Gesellschaftsanteil, der mehreren Mitberechtigten ungeteilt zusteht, nur gemeinschaftlich ausgeübt werden. Zu den von dieser Vorschrift erfassten Sachverhalten zählt unstreitig die ungeteilte Erbengemeinschaft (statt aller Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 2; Ebbing, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 18 Rdnr. 24; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 18 GmbHG Rdnr. 2; Winter/Löbbe, in: UImer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 18 Rdnr. 5, 7). Die nach § 18 Abs. 1 GmbHG bestehende Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Rechtsausübung gilt jedoch dann nicht, wenn die Satzung der Gesellschaft für die Ausübung der aus dem Geschäftsanteil folgenden Rechte (insbesondere des Stimmrechts) eine von § 18 Abs. 1 GmbHG abweichende Regelung trifft.

6. Wegen § 18 Abs. 1 GmbHG ist grundsätzlich eine Einigung aller Rechtsinhaber über die Ausübung des Stimmrechts erforderlich. Kommt es hierzu nicht, kann das Stimmrecht nicht ausgeübt werden (siehe Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 4). Hiervon gilt jedoch dann eine Ausnahme, wenn nach dem jeweiligen Innenrecht der Rechtsgemeinschaft eine Mehrheit der Mitberechtigten zur Rechtsausübung für die Rechtsgemeinschaft befugt ist, was bei der Erbengemeinschaft nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB der Fall ist, wenn der jeweilige Beschlussgegenstand noch der ordnungsgemäßen (laufenden) Verwaltung des Nachlasses zuzurechnen ist (ebenso BGHZ 49, 183 [191]; BGHZ 108, 21 [30 f.]; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 3; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 18 Rdnr. 4; Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 18 GmbHG Rdnr. 8; Winter/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 18 Rdnr. 21; a. A. Ebbing, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 18 Rdnr. 44). In einem derartigen Fall genügt es, wenn die Miterben mit der notwendigen und ggf. in der Gesellschafterversammlung artikulierten Mehrheit das Recht ausüben. Insoweit kann die unterbliebene Mitwirkung eines Miterben an der Beschlussfassung durch einen Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft überwunden werden (s. Gergen, MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2038 Rdnr. 51), so dass das Innenrecht der Miterbengemeinschaft den Grundsatz der gemeinschaftlichen Rechtsausübung überlagert. Die von § 18 Abs. 1 GmbHG geforderte einheitliche Stimmabgabe durch die Erbengemeinschaft wird in dieser Konstellation durch den Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft bzw. das mehrheitliche Votum ihrer Teilhaber gewährleistet (OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, GmbHR 1995, 824 [826]; ebenso Goette, DStR 1995, 1355 [1357]; K. Schmidt, MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, §§ 744, 745 Rdnr. 10).

7. Gegenstand der Verwaltung im Sinne von § 2038 Abs. 1 BGB ist nicht der Geschäftsanteil der GmbH (Nachlassgegenstand), sondern der Nachlass in seiner Gesamtheit, der in seinem Charakter nicht verändert werden darf (s. BGHZ 164, 181 [186 ff.]; Gergen, MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, § 2038 Rdnr. 34). Für den Inhaber eines GmbH-Geschäftsanteils stellt die Wahrnehmung der Rechte in einer Gesellschafterversammlung deshalb grundsätzlich eine Maßnahme der auf den Nachlass bezogenen laufenden Verwaltung dar. Etwas Anderes könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn der Beschlussgegenstand Struktur und Bestand der Gesellschaft betrifft und der Geschäftsanteil zudem wesentlicher oder alleiniger Bestandteil des Nachlasses ist.

8. Wenn die Satzung vorsieht, dass die Erbengemeinschaft ihr Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen ausschließlich durch einen gemeinsamen Bevollmächtigten ausüben kann, schließt dieser geforderte gemeinsame Bevollmächtigte die gemeinschaftliche Rechtsausübung durch die Erbengemeinschaft nicht vollständig aus. Auch ein „gemeinsamer Vertreter“ bleibt „Vertreter“ und ist deshalb nicht in der Lage, die Gemeinschaft der Rechtsinhaber zu verdrängen (treffend Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 8; s. auch Winter/Löbbe, in: Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, 2005, § 18 Rdnr. 18). Eine die Erbengemeinschaft verdrängende Rechtswirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn die Satzung das gemeinsame Handeln der Gesellschafter ausschließt (ebenso Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 6).

9. Die Einsetzung eines gemeinsamen Bevollmächtigten soll die Rechtsausübung der Gesellschaft erleichtern, nicht aber zur Handlungsunfähigkeit der Erbengemeinschaft bei der Ausübung der Rechte aus dem Geschäftsanteil führen. Wegen dieses Zwecks der Satzungsbestimmung steht die verdrängende Wirkung unter dem Vorbehalt, dass die Erbengemeinschaft einen gemeinsamen Vertreter bestellt hat und dieser die Rechte der Erbengemeinschaft in der Gesellschafterversammlung ausüben kann. Andernfalls könnten die Rechte aus dem auf die Erbengemeinschaft entfallenden Geschäftsanteil nicht ausgeübt werden.

Schlagworte: Anfechtungsfrist, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, besonderer Vertreter, Erbengemeinschaft, Gemeinschaftlich gehaltene Geschäftsanteile nach § 18 GmbHG, Geschäftsanteil, Laufende Verwaltung, Mehrheitsklausel, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, Nichtigkeitsgründe, ordnungsgemäße Verwaltung, Stimmrechte