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KG, Urteil vom 02.10.2002 – 10 U 139/01

§ 823 Abs 2 BGB, § 14 StGB, § 266a StGB, § 11 GmbHG, § 13 GmbHG, § 35 GmbHG

1. Eine Haftung des GmbH-Geschäftsführer für die Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung vor der Registereintragung der Gesellschaft setzt voraus, dass der Geschäftsführer auch Gesellschafter der Vor-GmbH ist. Eine formale Gesellschafterstellung als Treuhänder genügt nicht.

Arbeitgeber war bis zum 11. November 1997 die in Gründung befindliche Vor-GmbH, danach (§ 11 Abs. 1 GmbHG) die durch Eintragung zur Entstehung gelangte GmbH. Der Beklagte hat für die Vorenthaltung der Beiträge durch den Arbeitgeber nur dann einzustehen, wenn er für ihn i. S. d. § 14 StGB gehandelt hat. Das ist hinsichtlich der Beiträge, die vor dem 11. November 1997 fällig wurden, nicht der Fall.

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Verwirklichung des Tatbestandes dem Vertreter zuzurechnen, wenn dieser als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs gehandelt hat. Die GmbH ist nach ihrer Eintragung eine juristische Person, der Geschäftsführer ihr vertretungsberechtigtes Organ, §§ 13, 35 GmbHG. Die Vor-GmbH ist hingegen keine juristische Person und verfügt daher auch nicht über ein vertretungsberechtigtes Organ.

Die Eintragung der GmbH im Handelsregister hat zur Folge, dass die Handlungen ihres Geschäftsführers aus der Zeit vor der Eintragung nunmehr der GmbH zugerechnet werden und in vollem Umfang Rechte und Pflichten für die GmbH begründen, die Haftung der Gründungsgesellschafter bzw. der Handelnden (§ 11 Abs. 2 GmbHG) jedoch erlischt (BGHZ 80, 129 ff., 182 ff.). Das vermag jedoch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers der Vor-GmbH gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht rückwirkend zu begründen. Insofern gilt der Grundsatz, dass die Strafbarkeit der Tat nach dem zur Zeit ihrer Begehung geltenden Recht zu beurteilen ist (Art. 103 Abs. 2 GG, § 2 Abs. 1 StGB), auch für die Zurechnungsnorm des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. BGH NJW 2002, 1122). Auch eine analoge Anwendung der für die GmbH geltenden Grundsätze auf die Vor-GmbH im Rahmen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB scheidet aus. Zwar ist anerkannt, dass die Regeln des GmbHG grundsätzlich auch auf die Vor-GmbH anzuwenden sind. Das gilt aber nicht für die Vorschriften, die ihre Rechtsfähigkeit voraussetzen (vgl. BGH NJW 1993, 459/460). An die Rechtsfähigkeit der juristischen Person – im Gegensatz zu den Personengesellschaftern – knüpft aber die Regelung in § 14 Abs. 1 StGB an, die in Nr. 1 und 2 zwischen beiden Rechtsformen differenziert und in Nr. 1 die strafrechtliche Verantwortlichkeit des vertretungsberechtigten Organs, in Nr. 2 die des vertretungsberechtigten Gesellschafters bestimmt.

Eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf den Geschäftsführer der Vor-GmbH kommt daher nicht in Betracht (ebenso Bittmann/Pikarski, wistra 1995, 91/92; Deutscher/Körner, wistra 1996, 8/13; jeweils zu §§ 283 ff. StGB). Sie lässt sich insbesondere nicht mit den Grundsätzen rechtfertigen, die zur strafrechtlichen Haftung des sog. faktischen Geschäftsführers entwickelt worden sind (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl. 2000, § 84 Rdnr. 3 m. w. N.; zu § 266 a StGB s. BGH NJW 2002, 2480/2482). Danach wird, über den Fall des fehlerhaften Bestellungsaktes (§ 14 Abs. 3 StGB) hinaus, eine Verantwortlichkeit des die Geschäftsführung tatsächlich wahrnehmenden Hintermannes, der sich einen Geschäftsführer als „Strohmann“ hält, neben dem formellen Geschäftsführer angenommen (BGH a. a. O.; kritisch Lutter/Hommelhoff a. a. O. wegen Bedenken gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, ebenso KG, NJW-RR 1997, 1126). Voraussetzung ist aber auch hier, dass es sich um die Zurechnung des Handelns oder Unterlassens einer natürlichen Person aufgrund ihrer faktischen Tätigkeit als Geschäftsführer einer juristischen Person handelt. Mit der Gleichstellung der GmbH als juristischer Person und der vor der Eintragung bestehenden GmbH i. G., die noch keine juristische Person ist, hat das nichts zu tun.

Insoweit sind auch die Bedenken der Klägerin nicht gerechtfertigt, dass sich eine Haftungslücke ergeben könnte, wenn die GmbH i. G. vor ihrer Eintragung den Geschäftsbetrieb aufnimmt, ohne die Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Die von der Klägerin geltend gemachte Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a StGB ist an die Verwirklichung des Straftatbestandes geknüpft. Aufgabe der Strafrechtsnorm ist es nicht, eventuelle Haftungslücken zu schließen, sondern die Nichterfüllung der Beitragsverpflichtung in bestimmten als strafwürdig anerkannten Fällen zu sanktionieren (vgl. dazu BGH, NJW 2000, 2993/2995). Die Haftung der Personen, die als Gründungsgesellschafter für den Geschäftsbetrieb der Vor-GmbH vor ihrer Eintragung verantwortlich sind, ist von der Rechtsprechung im Übrigen auch hinsichtlich der gesetzlichen Beitragspflichten als Arbeitgeber unabhängig von der Strafdrohung des § 266 a StGB entwickelt worden (s. BSG, GmbHR 2000, 425 und BAG, GmbHR 2000, 1041, im Anschluss an BGH GmbHR 1997, 405) und lässt keine Lücken. Auch nach Eintragung der GmbH trifft die Gesellschafter für diese Verbindlichkeiten die sog. Vorbelastungs- oder Unterbilanzhaftung (BGH a. a. O., Lutter/Hommelhoff a. a. O. § 11 Rdnr. 20 f.). Daneben kann der Gläubiger der bei Eintragung vermögenslosen GmbH bei planmäßigem oder missbräuchlichem Vorgehen der Gesellschafter diese unmittelbar in Anspruch nehmen, auch wenn ein Straftatbestand nicht erfüllt wurde (vgl. BGH NJW 2002, 3024 ff.).

Nach alledem schließt sich das Gericht der Auffassung des 29. Zivilsenats des Kammergerichts (29 U 9/01, Urteil vom 4. Juli 2001 – unveröffentlicht –), an, dass die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Begründung der Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung des Geschäftsführers
der Vor-GmbH gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a StGB aus rechtsstaatlichen Gründen ausscheidet und diese Norm auch bei einer späteren Eintragung der GmbH keine Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für den zurückliegenden Zeitraum begründet.

Die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB scheidet nach Auffassung des Gerichts ebenfalls aus. Nach dieser Norm ist die Verwirklichung des Tatbestandes demjenigen zuzurechnen, der als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft für diese handelt. Die GmbH i. G. ist nach dem Verständnis des Gerichts allerdings als Personenhandelsgesellschaft im Sinne dieser Zurechnungsnorm anzusehen, wenn sie – wie hier – den Geschäftsbetrieb aufnimmt, bevor sie die Rechtsfähigkeit erlangt hat (ebenso Bittmann/Pikarski a. a. O., S. 93; ablehnend Deutscher/Körner a. a. O., S. 14). Die Zurechnung ist in diesem Falle aber an ein Handeln als vertretungsberechtigter Gesellschafter geknüpft, ein gesellschaftsfremder Geschäftsführer der Vor-GmbH fällt daher nicht unter diese Norm (Deutscher/Körner a. a. O.). Aus diesem Grunde scheidet im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten nach dieser Vorschrift aus. Der Beklagte ist aufgrund der Übernahme des Anteils M am 5. April 1997 zwar Gesellschafter der GmbH i. G. geworden. Er hielt den Gesellschaftsanteil aber nur treuhänderisch für die a. Dieser standen im Innenverhältnis die Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag zu, der Beklagte durfte sie nur nach Weisung der a ausüben, die ihn wegen aller aus der Gesellschafterstellung erwachsenden Verpflichtungen und Haftungen freizustellen hatte.

Nach Auffassung des Gerichts ist bei Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 266 a StGB das die Stellung des Gesellschafters prägende Innenverhältnis zu beachten. Nach § 266 a StGB macht sich strafbar, wer „als Arbeitgeber“ die rechtzeitige Bezahlung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge unterlässt. Ist der Arbeitgeber eine Personenhandelsgesellschaft und damit eine Personenmehrheit, so erfolgt die Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB an denjenigen, der als vertretungsberechtigter Gesellschafter für sie handelt. Damit ist zugleich der Personenkreis umschrieben, der im arbeits- und sozialrechtlichen Zusammenhang den Arbeitgeber vertritt und daher nicht als Arbeitnehmer gilt (s. BSG, GmbHR 1992, 172). Dabei ist nicht auf die formale Stellung als Gesellschafter und Vertreter abzustellen, wenn die Gesellschaftsbeteiligung auf einem Treuhandverhältnis beruht und dessen vertragliche Gestaltung gewährleistet, dass der Treuhänder die Rechte als Gesellschafter nur nach Maßgabe des Treugebers ausübt und auch nach außen hin nur als dessen „Strohmann“ handeln kann (BSG GmbHR 1995, 584). Die formale Gesellschafterstellung kann in diesem Falle auch die Zurechnung des persönlichen Merkmals „als Arbeitgeber“ nicht begründen. Wollte man hier die Vertretungsmacht verbunden mit einer nur formalen Gesellschafterstellung ausreichen lassen, entstünde ein Wertungswiderspruch zu den zitierten Grundsätzen des Arbeits- und Sozialrechts, der nicht hinzunehmen ist. Dem Geschäftsführer der Vor-GmbH würde eine Verletzung seiner Pflichten „als Arbeitgeber“ vorgeworfen, auch wenn er keine Arbeitgeberfunktion ausübt. Im Unterschied zum Geschäftsführer der eingetragenen GmbH, der kraft Gesetzes für den Arbeitgeber handelt und dessen gesetzliche Verpflichtungen wahrzunehmen hat (§ 35 GmbHG, § 31 BGB), erfordert die – strafrechtliche – Zurechnung beim Vertreter einer Personenhandelsgesellschaft, dass dieser zugleich Gesellschafter ist und dadurch das persönliche Merkmal „als Arbeitgeber“ erfüllt.

2. Nach der Eintragung haftet ein Strohmann-Geschäftsführer auch dann, wenn er nicht über Kontovollmacht verfügt. Es kann aber die Leistungsfähigkeit der GmbH fehlen, wenn die Auszahlung der Nettolöhne durch den die Geschäftsführung tatsächlich wahrnehmenden Hintermann erfolgt.

Nach dem 11. November 1997 war der Beklagte Geschäftsführer der eingetragenen a GmbH und damit strafrechtlich für die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zur Entrichtung der Arbeitnehmeranteile verantwortlich. Diese Verantwortung trifft auch den formellen Geschäftsführer, der die GmbH nur nach außen vertritt, die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen aber anderen überlässt (BGH NJW 2002, 2480/2482). Der Beklagte haftet jedoch nicht, da es nach dem 11. November 1997 an der erforderlichen Zahlungsfähigkeit der abs GmbH fehlte.

Den Tatbestand eines Unterlassungsdelikts verwirklicht nur, wer zu dem geforderten normgemäßen Verhalten in der Lage ist, im Falle des § 266 a StGB ist also erforderlich, dass dem Arbeitgeber die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge im Fälligkeitszeitpunkt möglich war. Als Voraussetzung einer Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB hat der Anspruchsteller daher die Zahlungsfähigkeit des Beitragsschuldners darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 2002, 1123/1124). Daran scheitert die Klage.

Schlagworte: Geschäftsführer, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Handelndenhaftung, Handelndenhaftung Geschäftsführer, Strohmann, Treuhänder, Vor-GmbH