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OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2020 – I-3 Wx 117/20

§ 73 Abs 1 GmbHG, § 74 Abs 1 GmbHG, § 74 Abs 2 GmbHG, § 378 Abs 2 FamFG

Zum Gesuch des Liquidators einer aufgelösten GmbH auf Eintragung, dass die Liquidation der Gesellschaft beendet, die Firma erloschen sei und Bücher und Schriften der Gesellschaft von ihm als letztem Liquidator verwahrt würden (hier: vom Senat missbilligte Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht wegen fehlender Vollzugsreife mit Blick auf vom Finanzamt noch durchzuführende „steuerliche Veranlagungsarbeiten“).

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Das Registergericht wird angewiesen, von seinen dort geäußerten Bedenken gegen den Vollzug des Eintragungsantrages vom 22. August 2019 Abstand zu nehmen.

Gründe

I.

Die betroffene Gesellschaft ist im Jahre 2018 aufgelöst worden. Dieser Umstand ist mit der Aufforderung an die Gläubiger der Gesellschaft, sich bei ihr zu melden, unter dem 8. August 2018 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden.

Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 22. August 2019 hat der Liquidator zur Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
angemeldet: die Liquidation der Gesellschaft sei beendet, die Firma sei erloschen, Bücher und Schriften der Gesellschaft würden von ihm als letztem Liquidator verwahrt. Am gleichen Tage hat die Gesellschaft beantragt, dem Eintragungsantrag zu entsprechen. Daraufhin hat das Registergericht das zuständige Finanzamt angeschrieben und gebeten mitzuteilen, ob hinsichtlich der Gesellschaft noch steuerliche oder sonstige vermögensrechtliche Angelegenheiten abzuwickeln seien und wie lange dies voraussichtlich dauern werde, ansonsten sei beabsichtigt, das Erlöschen im Register einzutragen. Das Finanzamt hat geantwortet (10. September 2019), es werde gebeten, die Firma nicht vor dem 31. Dezember 2022 [sic] zu löschen, weil nach Aktenlage ausschüttungsfähiges Vermögen nicht ausgeschlossen werden könne.

In der Folgezeit ist es zu weiterer Korrespondenz des Gerichts mit der Gesellschaft einerseits, dem Finanzamt andererseits gekommen. Erstere hat zunächst unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Senats die Bestätigung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 13. November 2019 zur Akte gereicht, wonach die Abschlussbilanz der betroffenen Gesellschaft ein Eigenkapital von null EUR aufweise und an die Gesellschafter ausschüttungsfähiges Vermögen nicht existiere, die Gesellschaft mithin vermögenslos sei. Auf Hinweis des Registergerichts, die Löschung sei aus seiner Sicht nur dann unzulässig, wenn noch (verteilungsfähiges) Aktivvermögen feststellbar sei, offene Verbindlichkeiten stünden nicht entgegen, hat das Finanzamt alsdann mit Datum vom 20. Januar 2020 unter nochmaliger Nennung der besagten Frist mitgeteilt, es seien noch Verwaltungsakte zuzustellen, außerdem liege laut eingereichter Bilanz vom 30. Mai 2018 ein steuerliches Einlagekonto von rund 410.000 EUR vor, so dass Ausschüttungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Gesellschaft hat erwidert, die Existenz des vorgenannten und vor Erstellung der Abschlussbilanz aufgelösten Kontos sei im gegebenen Zusammenhang belanglos, maßgeblich sei die Abschlussbilanz. Das Finanzamt wiederum hat entgegnend unter dem 24. April 2020 abschließend die Frist vom Jahresende 2022 aufgegriffen, auf zuzustellende Verwaltungsakte verwiesen und ausgeführt, die Veranlagungsarbeiten zur Liquidation seien noch nicht abgeschlossen.

Letztlich hat das Registergericht durch die angefochtene Entscheidung den Eintragungsantrag zurückgewiesen, weil laut zuständigem Finanzamt noch steuerliche Veranlagungsarbeiten durchzuführen seien.

Gegen diesen ihr am 29. Mai 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die betroffene Gesellschaft mit ihrem am 16. Juni 2020 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, zu dessen Begründung sie unter anderem einen Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über das Rumpfgeschäftsjahr 2019 und die Prüfung des Jahresabschlusses per 7. August 2019 vorlegt.

Das Registergericht hat mit weiterem Beschluss vom 23. Juni 2020 erklärt, es helfe dem Rechtsmittel nicht ab und lege die Sache dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.

Der Senat hat das Finanzamt gebeten, die mit seinem Schreiben vom 24. April 2020 geäußerten Bedenken zu konkretisieren; eine Rückäußerung ist nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel der betroffenen Gesellschaft – der einlegende Notar hat sich ausdrücklich auf § 378 Abs. 2 FamFG bezogen – ist infolge der vom Registergericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG. Es ist als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig, §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 382 Abs. 3, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Vollzugsreife des Eintragungsantrages stehen die Äußerungen des Finanzamts nicht entgegen.

1.

Der Senat hat in der Vergangenheit den Standpunkt vertreten, zwar sei im Grundsatz eine Liquidation nicht beendet, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei; anders lägen die Dinge aber, wenn die Gesellschaft den Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt habe, über kein Vermögen mehr verfüge und allenfalls Steuernachforderungen in Rede stünden (in: NJW-RR 2017, 810 f und NZG 2020, 264 f). Diese Rechtsprechung ist teilweise zustimmend (von Rintelen RNotZ 2017, 185 f; ihr folgend auch: Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 74 Rdnr. 2 a.E.; MK-H.-F.Müller, GmbHG, 3. Aufl. 2018, § 74 Rdnr. 3 sowie im Ergebnis Henssler/Strohn-Büteröwe, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 74 GmbHG Rdnr. 3), teilweise distanzierend (BeckOK GmbHG – Lorscheider, Stand: 01.05.2020, § 74 Rdnr. 3; Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 74 Rdnr. 2) aufgenommen worden.

Auf diesen Grundlagen lässt sich hier eine Vollzugsreife nicht in Abrede stellen. Das Sperrjahr nach § 73 Abs. 1 GmbHG ist – inzwischen lange – abgelaufen. Ausweislich des mit der Beschwerdebegründung überreichten Wirtschaftsprüferberichts (S. 6) hatte die Gesellschaft nach dem Versiegen von Fördergeldern per Ende 2002 alle laufenden Verträge gekündigt und ihre operative Geschäftstätigkeit eingestellt, Überlegungen zu deren Wiederaufnahme seit 2012 zerschlugen sich, und im Mai 2018 beschlossen die Gesellschafter die Auflösung; wirtschaftlich betrachtet, hat die betroffene Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb seit Jahren eingestellt. Verteilungsfähiges Vermögen ist nach dem bezeichneten Bericht nicht zutage getreten; im Rumpfgeschäftsjahr wurden keine Umsatzerlöse erzielt, sondern nur Rückstellungen aufgelöst, die liquiden Mittel zum Abschlussstichtag reichten lediglich aus, bestehende restliche Verbindlichkeiten sofort zu begleichen (Anlage 4). Berechtigterweise verweist die betroffene Gesellschaft darauf, dass es sich bei dem von der Finanzverwaltung angeführten steuerlichen Einlagekonto um eine reine Rechengröße handelt, anhand deren bestimmt wird, ob Ausschüttungen an die Gesellschafter von diesen (!) zu versteuern sind (Betrag der Einlagen, die von den Gesellschaftern über das Stammkapital hinaus der Kapitalgesellschaft zugeflossen sind, in welchem Umfang Auszahlungen der Gesellschaft an die Gesellschafter steuerfrei erfolgen können; Wikipedia).

2.

Demgegenüber können zumindest im hier gegebenen Fall etwa ausstehende Veranlagungsarbeiten und Zustellungserfordernisse im Veranlagungsverfahren nicht gegen die Vollzugsreife angeführt werden.

Allerdings hat das Kammergericht gegen die Rechtsprechung des hiesigen Senats eingewandt: Eine Liquidation sei noch nicht beendet, wenn ein Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, das Finanzamt es aber noch abschließen wolle; auf eine vom Liquidator versicherte Vermögenslosigkeit der Gesellschaft komme es insoweit nicht an. Seien Gläubiger vorhanden, und zu diesen könne auch das Finanzamt gehören, müsse ihnen Gelegenheit gegeben werden, ihre Ansprüche geltend zu machen, bzw. den Liquidatoren, ihren gesetzlichen Pflichten, etwa nach § 15a InsO, nachzukommen. Dabei gehörten zum Gesellschaftsvermögen auch Haftungsansprüche gegen die Organe (KG NZG 2019, 1294 f; dezidiert ablehnend: H. Schmidt FGPrax 2019, 212-214).

Doch zum einen betraf die Entscheidung des Kammergerichts einen Fall der Löschung vor Ablauf des Sperrjahres, in dem den dargestellten Gesichtspunkten ein deutlich größeres Gewicht zukommt, als bei der hier beantragten Eintragung nach Ablauf des Jahres. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass am vorliegenden Verfahren die Finanzverwaltung nicht als Gläubiger beteiligt worden ist, sondern – wie vom Registergericht in der angefochtenen Entscheidung richtig bemerkt – im Wege der Anhörung, nämlich zur Auskunft zum Zwecke der Verhütung unrichtiger Registereintragungen nach § 379 Abs. 2 Satz 1 FamFG. Dann jedoch vermag die Stellungnahme des Finanzamtes der Eintragung nur entgegenzustehen, wenn sie für das Gericht tragfähig erscheinen kann. Das ist hier nicht der Fall. Zunächst hat sich das Finanzamt, ohne dies gesondert zu begründen, von Anfang an ein Zuwarten mit der Eintragung von tatsächlich (seinerzeit) mehr als drei Jahren ausbedungen, wohingegen der Liquidator mit dem Erhalt der letzten Steuerbescheide „etwa im Frühjahr 2020“ rechnet (Wirtschaftsprüferbericht zur Beschwerdebegründung, S. 7). Sodann hat es Anhaltspunkte für vorhandenes Gesellschaftsvermögen aufgezeigt, die aus Rechtsgründen unerheblich und sogar geeignet waren, in die Irre zu führen. Der sich anschließende Hinweis auf Abwicklungsmaßnahmen ist ganz pauschal geblieben, und dies trotz Bitte des Senats um Konkretisierung.

3.

Bei dieser Lage ist es gleichwohl nicht eröffnet, das Registergericht zur Eintragung anzuweisen. Denn hiermit würde sich der Senat über die Einschätzungsprärogative des Vordergerichts zum Erfordernis weiterer Maßnahmen vor Eintragung hinwegsetzen; dann aber ist zu entscheiden, wie geschehen.

Denkbar erscheint unter anderem – dies einzig zu Argumentationszwecken angesprochen -, dass sich das Registergericht gehalten sieht, in Wahrnehmung seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG ausnahmsweise eine ergänzende Versicherung des Liquidators anzufordern, wie sie sonst in Fällen der „Blitzlöschung“ vor Ablauf des Sperrjahres üblich ist (beispielsweise: Gesellschaftsvermögen durch Gläubigerbefriedigung erschöpft, keine Verbindlichkeiten und keine Rechtsstreitigkeiten mehr, kein Insolvenzgrund, Geschäftsanteile waren voll eingezahlt).

III.

Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, noch eine Wertfestsetzung von Amts wegen veranlasst. Auch erübrigt sich eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil diese von der betroffenen Gesellschaft als einziger Beteiligten mangels Beschwer ohnehin nicht in zulässiger Weise eingelegt werden könnte.

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