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KG Berlin, Urteil vom 29. April 2021 – 2 U 108/18

§ 111 Abs 1 AktG, § 116 AktG

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. September 2018 – 94 O 73/17 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.587.324,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.465.105,12 € ab dem 29. Juli 2016 sowie auf weitere 122.219,17 € ab dem 8. Juni 2018 zu zahlen.

a. Den Beklagten bleibt vorbehalten, nach Zahlung an den Kläger ihre Rechte in Höhe der an ihn gezahlten Beträge durch Anmeldung zur Insolvenztabelle zu verfolgen.

a. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 8.910,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.10.2017 zu zahlen.

a. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der T. Aktiengesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin) und macht mit seiner Klage Ansprüche auf Schadensersatz gegen die früheren Aufsichtsräte der Schuldnerin geltend.

Die Schuldnerin wurde am 12. November 2010 durch formwechselnde Umwandlung einer T. GmbH gegründet. Nach § 2 der Satzung befasste sich die Gesellschaft unter anderem mit der technischen Beratung im In- und Ausland in den Bereichen Verkehr, Kommunikation und Umwelt.

Das Grundkapital von 500.000,00 € wurde je zur Hälfte von den beiden Vorständen der Schuldnerin H1 und H2 gehalten. Die Beklagten wurden am 29. Februar 2012 gemeinsam mit dem weiteren und später verstorbenen Mitglied E., der jedoch in dieser Funktion zu keinem Zeitpunkt tätig geworden ist, zu Aufsichtsräten gewählt.

Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es bestehe kein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 116 AktG i. V. m. § 421 BGB. Zwar habe der Kläger zutreffend und substantiiert die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin entsprechend der rechtlichen Anforderungen des Bundesgerichtshofs dargelegt. Grundsätzlich bestehe auch die Möglichkeit der Haftung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wegen Zahlungen nach InsolvenzreifeBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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wegen der Verweisung des § 116 AktG auf § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, weil damit ein Schaden der Gesellschaft einem Schaden der Insolvenzgläubiger gleichgestellt werde. Trotz der personalistischen Struktur der Schuldnerin scheide eine Haftung der Beklagten auch nicht von vornherein aus.

Allerdings fehle es vorliegend an einer Pflichtverletzung der Beklagten im Sinne des § 116 AktG. Zwar treffe den Aufsichtsrat eine Pflicht zur Überwachung des Vorstandes gemäß § 111 Abs. 1 AktG. Der Kläger habe hier jedoch viel zu hohe Maßstäbe angelegt. Aus der Überwachungspflicht folge kein allgemeines Misstrauensgebot. Zentraler Streitpunkt sei die Frage nach einer Informationsobliegenheit der Beklagten. Von dem Aufsichtsrat könne insofern keine laufende Überwachung in dem Sinne erwartet werden, dass er einzelne Geschäftsvorfälle, Zahlungseingänge und Buchungsunterlagen prüfe. Das Tagesgeschäft sei gerade nicht erfasst. Schließlich sei das Aufsichtsratsamt ein Nebenamt. Der Aufsichtsrat dürfe sich grundsätzlich auf Informationen des Vorstandes verlassen, so dass das Verhalten der Beklagten nicht zu beanstanden sei.

Die Anforderungen an die Überwachungspflicht stiegen erst dann, wenn es eine Krise des Unternehmens oder sonst einen besonderen Anlass gebe. Der Kläger habe aber weder vorgetragen noch sei sonst erkennbar, zu welchem Zeitpunkt oder und durch welches Ereignis die Beklagten eine Krise bei der Schuldnerin hätten erkennen können. Der Lagebericht der Anlage K 13, wohl von August 2013, komme nicht in Betracht, weil es auf eine Einschätzung des Aufsichtsrats ex ante ankomme und der weite unternehmerische Spielraum des Vorstandes zu berücksichtigen sei, in den der Aufsichtsrat nicht eingreifen dürfe. Nachdem auch der Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt Dr. K., der dem Vorstand und der Schuldnerin als Fachmann zur Seite gestanden habe, eine Insolvenzantragspflicht nicht gesehen habe, könne den Beklagten insoweit auch kein Vorwurf gemacht werden. Nachdem sich im Sommer 2014 eine Krise abgezeichnet habe, die den Beklagten nicht habe verborgen bleiben dürfen, seien von diesen auf der Aufsichtsratssitzung vom 14. August 2014 die Anforderungen an die Berichtspflichten des Vorstands pflichtgemäß erhöht worden.

Selbst wenn man zu einem früheren Zeitpunkt eine erhöhte Berichtspflicht annähme, lasse sich jedenfalls die Kausalität einer solchen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht erkennen. So sei völlig unklar, wie die Beklagten den Vorstand so zeitnah zur Stellung eines Insolvenzantrags hätten bringen können, damit der behauptete Schaden noch hätte abgewendet werden können. Die Hauptversammlung habe nur aus den beiden Vorständen bestanden. Im Übrigen wäre erforderlich gewesen, dass der Vorstand darüber berichtet und damit indirekt einen eigenen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einräumt. Der Aufsichtsrat sei zudem unterbesetzt gewesen, weshalb ein Abberufungsbeschluss betreffend den Vorstand ohnehin erst über den Umweg des § 104 AktG möglich gewesen wäre, was ebenfalls weitere Zeit in Anspruch genommen hätte. Überdies stelle sich die Frage, wie die Beklagte die Zahlungen, die nun den Schaden ausmachen sollen, hätten verhindern sollen. Anders als in dem von den Parteien zitierten Fall des Bundesgerichtshofs habe die Möglichkeit zur direkten Vermögensverfügung hier nicht bestanden.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen erster Instanz, einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge sowie des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, wird auf das am 5. September 2018 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 94 des Landgerichts Berlin – 94 O 73/17 –, den Beklagten jeweils zugestellt am 10. September 2018, Bezug genommen. Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27. September 2018 eingelegte und mit gleichem Schriftsatz begründete Berufung des Klägers.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Er begründet diese im Wesentlichen wie folgt:
Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung liege nicht bei ihm, dem Kläger. Vielmehr sei von den Beklagten darzulegen und zu beweisen, dass und warum sie die objektiv bestehende Krise nicht hätten erkennen können. Von den Beklagten seien die Pflichten zur Berichtsanforderung (§§ 111, 90 AktG), zur Berichts- und Unternehmensprüfung und zur Ergänzung des Aufsichtsrates verletzt worden.

Bei dem letzten schriftlichen Bericht des Vorstands vom 23. August 2013 habe es sich um einen verspäteten Quartalsbericht zum 30. Juni 2013 gehandelt. Die Insolvenzschuldnerin habe daher zum 30. September 2013, spätestens aber Ende November 2013, erneut schriftlich berichten müssen, was unstreitig nicht erfolgt sei. Von dem im August 2013 erstellten Bericht könne eine Fortwirkung dahingehend, dass sich die Beklagten hierauf hätten verlassen dürfen, nicht ausgehen. Andernfalls würde § 90 Abs. 2 Nr. 3 AktG komplett ins Leere laufen. Selbst bei einem gesunden Unternehmen sei der Aufsichtsrat verpflichtet, sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu verschaffen. Darauf, dass es sich bei dem Aufsichtsratsamt um ein Nebenamt handele, könne es daher nicht ankommen. Im Übrigen sei der Bericht vom 23. August 2013 auch schon nicht aussagekräftig, weil er keinerlei Zahlen zu den fälligen oder demnächst fällig werdenden Verbindlichkeiten enthalte. Es sei daher von vornherein unmöglich gewesen, aus diesem Bericht auf die bestehende Zahlungsfähigkeit des Unternehmens im Sinne von § 17 InsO zu schließen. Anhand der vorläufigen betriebswirtschaftlichen Auswertung der Insolvenzschuldnerin für Juni 2013 lasse sich die Liquiditätssituation eines Unternehmens nicht beurteilen. Erforderlich seien nämlich des Weiteren die Summen- und Saldenlisten und die Liquiditätsdarstellung. Der Aufsichtsrat habe daher auf vollständige Berichterstattung drängen müssen. Obwohl der Bericht deutliche Hinweise auf Liquiditätsprobleme geliefert habe, habe der Aufsichtsrat darauf verzichtet, hier weitere Unterlagen anzufordern, geschweige denn zu prüfen.

Dass sich das Unternehmen in einer Krisensituation befunden habe, sei Ende August 2013 erkennbar gewesen. Insbesondere in einer Krisensituation müsse der Aufsichtsrat alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. Die Insolvenzschuldnerin habe sich auch in einer Krise befunden. So hätten schon Ende 2012 Bankkredite von rund 1.000.000,00 € valutiert, ohne dass auf der Aktivseite etwas Belastbares gegenübergestanden habe. Die wesentlichen Vermögenswerte Ende 2012 seien unfertige Leistungen (rund 2.300.000,00 €) und angebliche Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (rund 4.000.000,00 €) gewesen. Diese Werte seien jedoch schon nicht geeignet, die Bankkredite abzusichern. Es sei insoweit zu berücksichtigen, dass die Insolvenzschuldnerin große und vor allem ausländische Verkehrsprojekte betrieben habe und die angeblichen Forderungen und unfertigen Leistung mit hohen Unsicherheiten behaftet gewesen seien, was auch dem Aufsichtsrat, der aus dieser Branche komme, bewusst gewesen sei. So sei auch kein einziger Bankkredit durch irgendwelches Gesellschaftsvermögen abgesichert gewesen, was belege, dass die Gesellschaft eben keine Sicherheiten zu bieten gehabt habe. Dem Bericht des Vorstandes lasse sich auch keine optimistische Einschätzung des Ist-Zustandes entnehmen. Der Bericht enthalte keine entsprechenden Tatsachen, sondern lediglich Hoffnungen für die Zukunft.

Es sei auch nicht zutreffend, dass der Insolvenzschuldnerin ein Fachmann für den Jahresabschluss 2012 zur Seite gestanden habe, der eine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ebenfalls nicht gesehen habe. Ein Jahresabschluss für das Jahr 2012 habe gerade nicht vorgelegen, sondern lediglich ein Entwurf. Nachdem der Jahresabschluss für das Jahr 2012 nicht rechtzeitig vorgelegen habe, sei es die Pflicht des Aufsichtsrats gewesen, von dem Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen Gebrauch zu machen und diese sorgfältig zu prüfen (§ 111 Abs. 2 S. 1 AktG). Herr Dr. K., der Steuerberater des Unternehmens, sei auch nicht der mit der Prüfung befasste Fachmann gewesen, weil er für die Abschlussprüfung nicht bestellt worden sei. Dieser habe sich auch zu der Insolvenzantragspflicht nicht geäußert. Wenn es um den Gläubigerschutz gehe, dann gebe es – ebenso wie es keine Haftungserleichterung wegen einer personalistischen Struktur der Aktiengesellschaft gebe – auch keinen unternehmerischen Spielraum des Vorstandes.

Bei intensiver Überwachung der Insolvenzschuldnerin wäre den Beklagten aufgefallen, dass die Verbindlichkeiten bis Ende 2013 bereits auf fast 150.000,00 € angewachsen seien und die Liquidität im Dezember 2013 nicht ausgereicht habe, um bei Fälligkeit die Sozialversicherungsbeiträge und die Gehälter vollständig zu zahlen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass den Aufsichtsrat die Pflicht zur Inanspruchnahme fachlicher Beratung treffe, sofern er die Sach- und Rechtslage selbst nicht hinreichend beurteilen könne.

Auch eine Kausalität der Pflichtverstöße der Beklagten für den Eintritt des Vermögensverlustes sei von ihm, dem Kläger, nicht darzulegen und zu beweisen. Wie der Vorstand hafte auch der Aufsichtsrat schlicht für verbotswidrig nach Insolvenzreife geleistete Zahlungen. Insoweit müsse der Aufsichtsrat seine gesetzlichen Pflichten zur Überwachung der Geschäftsführung nach § 111 Abs. 1 AktG auch dann erfüllen, wenn er davon ausgehen müsse, bei Erfüllung dieser Pflichten als Aufsichtsrat abberufen zu werden. Falls der Vorstand nicht bereit gewesen wäre, einen Insolvenzantrag zu stellen, habe der Aufsichtsrat ihn abberufen müssen. Er, der Kläger, bestreite, dass der Vorstand im Falle des Hinwirkens der Beklagten auf die Stellung eines Insolvenzantrags eine Hauptversammlung einberufen und die Beklagten mit qualifizierter Mehrheit abberufen hätte.

Die Klageerweiterungen in Höhe von 73.132,40 € und 49.086,77 € seien aufgrund der Zahlungen der Insolvenzschuldnerin in Höhe von insgesamt 73.132,40 € an die Wohnungsbaugesellschaft Y (Zeitraum: 6. bis 9. Mai 2014) sowie in Höhe von insgesamt 98.172,77 € (27.427,12 € + 35.727,82 € + 35.372,83 €) an die S. E. GmbH (Zeitraum: 10. Februar 2014 bis zum 9. Mai 2014) begründet. Hinsichtlich der drei Forderungen gegenüber der S. E. GmbH sei nach der Anfechtung dieser Zahlungen nach § 133 InsO ein Vergleich über die Zahlung von 49.086,00 € geschlossen worden. Mit der Klageerweiterung werde der Restbetrag in Höhe von 49.086,77 € geltend gemacht.Randnummer17

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

a. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.587.324,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.465.105,12 € ab dem 29. Juli 2016 sowie auf weitere 122.219,17 € ab dem 8. Juni 2018 zu zahlen,

a. es dem Beklagten vorzubehalten, nach Zahlung an ihn ihre Rechte in Höhe der an ihn gezahlten Beträge durch Anmeldung zur Insolvenztabelle zu verfolgen,

a. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Kosten in Höhe von 15.552,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auch die erweiterte Klage abzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und führen im Berufungsverfahren im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Regelungen in §§ 116, 93 AktG bezweckten nach der Gesetzesbegründung den Schutz von Minderheiten in den Aktionärsreihen vor dem schädigenden Verhalten des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates. Da Vorstand und Aktionäre personengleich gewesen seien, dürfe keine zu formale Sicht der Dinge erfolgen, weil die Interessen der hiesigen Aktionäre schlichtweg nicht schützenswert seien. Im Übrigen werde der Arglisteinwand erhoben. So könne das schädigende Verhalten der Vorstandsaktionäre, das ihnen, den Beklagten, nicht bekannt gewesen sei und auch nicht habe bekannt sein müssen, nicht zu ihrer Haftung führen. Dieser Haftungsausschluss folge aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. So hätten beide von Bankberatern und Wirtschaftsprüfern beratenen Aktionäre ihr eigenes Verhalten für korrekt gehalten.
Zu bedenken sei auch, dass Voraussetzung für die hiesige Haftung eine Pflichtverletzung des Vorstandes sei, die erst in Betracht komme, wenn der Schadenseintritt offensichtlich gewesen sei und die Eingehung des Risikos nicht durch vernünftige geschäftliche Gründe gerechtfertigt gewesen sei. Genau das Gegenteil habe sich aber für Vorstand und Aufsichtsrat noch im August 2014 als Ergebnis der Prüfungen der Berater ergeben. Zudem gebe es auch einen Ermessensspielraum des Aufsichtsrats, der den Vorstand im Übrigen zu keinem Zeitpunkt habe abberufen können, weil er nicht beschlussfähig gewesen sei.

Aus dem IDW S 6 Gutachten habe sich weder für die Vorstände noch für die Bank- und Wirtschaftsprüfer ein Insolvenztatbestand ergeben. Die X Sparkasse, der Vorstand und deren Wirtschaftsprüfer seien ebenso wie die Gutachter selbst davon überzeugt gewesen, dass die Gesellschaft sanierungsfähig gewesen sei. Angesichts des durch die X Sparkasse finanzierten Sanierungsgutachtens habe es für sie, die Beklagten, keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Insolvenztatbestands gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei anerkannt, dass das Stillhalten einer Bank, insbesondere während der Erstellung eines Sanierungsgutachtens nach Standard IDW S 6, keinerlei Haftung der Bank auslöse; diese Grundsätze müssten auch für den Aufsichtsrat gelten. Bevor überhaupt feststehe, dass ein Insolvenzgrund vorliege oder die Sanierungsfähigkeit nicht gegeben sei, könne es eine Pflicht zum Hinwirken auf die Stellung eines Insolvenzantrags denklogisch nicht geben, weil dies dem Sinn und Zweck der Sanierung zuwiderliefe.

Der Kläger habe bis zum Ablauf der mündlichen Verhandlung den Schaden seitens der Gesellschaft nicht hinreichend konkretisiert.

Aufgrund der Aussagen des Vorstandes habe es für die Beklagten keinen Anlass gegeben, an eine Insolvenz der Gesellschaft zu denken. Wie unter Beweisantritt ausgeführt, sei den Beklagten seitens des Vorstandes am 23. August 2013 mitgeteilt worden, dass das Jahr mit einem Fehlbetrag von lediglich 6.386,87 € und das Jahr 2013 mit einer schwarzen Null beendet werden würde. Ein Fehlbetrag in dieser Höhe habe sie, die Beklagten, nicht zum Tätigwerden veranlassen müssen. Am 14. August 2014 habe der Vorstand dem Aufsichtsrat noch bestätigt, dass ein Insolvenztatbestand nicht vorliege und die Sanierungsfähigkeit gegeben sei. Erst in der Hauptversammlung der Gesellschaft am 18. Dezember 2014 in Berlin sei berichtet worden, dass es 2012 einen Fehlbetrag in Höhe von 185.616,26 € gegeben habe. Einen Fehlbetrag in Höhe von 373.919,62 € (vgl. Anlage K 26) habe es indes nie gegeben.

Ihnen, den Beklagten, sei auch nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht ausreichend bemüht hätten, sämtliche Informationen über die wirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin zu erhalten. Nach der dokumentierten Aufsichtsratssitzung am 23. August 2013 habe ein ständiger Austausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat stattgefunden. Der Aufsichtsrat habe ab August 2013 regelmäßig im Sinne des § 90 Abs. 2 AktG Berichte des Vorstands eingefordert. Auch aus der seitens der Beklagten geforderten Liquiditätsplanung der Vorstände vom 15. Juli 2018 (gemeint 2014) habe sich eine positive Entwicklung der Gesellschaft ergeben. Danach habe die freie Liquidität der Gesellschaft im Dezember 2014 auf 2.834.576,00 € und im April 2015 sogar auf 5.388.632,00 € steigen sollen. Den Beklagten sei auch nicht bekannt gewesen, dass die Gesellschaft sich in einer Krise befunden habe. Im Sommer 2014 habe der Vorstand dem Aufsichtsrat gegenüber auf mehrfache Nachfrage betont, dass es keine „wirkliche Krise“ der Insolvenzschuldnerin gebe. Eine ständige Kontrolle der laufenden Geschäftsführung obliege dem Aufsichtsrat dagegen nicht. Er dürfe den Berichten und Auskünften des Vorstands grundsätzlich Glauben schenken. Der Vorstand sei auch durch den Aufsichtsrat aufgefordert worden den Jahresabschluss für das Jahr 2012 fertigzustellen. Nachdem die Vorstände die Fertigstellung zugesichert hätten, habe der beschlussunfähige Aufsichtsrat nicht mehr tun können.
Es sei nicht zutreffend, dass die Schuldnerin Ende 2013 zahlungsunfähig gewesen sei. Nach Auskunft des Vorstandes H2 seien regelmäßig Zahlungen den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft betreffend erfolgt (Gehälter, Mieten, Steuern, Sozialversicherungsabgaben und Zahlungen an externe Dienstleister). Die X Sparkasse habe die Insolvenzschuldnerin zudem auch noch ab Juli 2013 im Zahlungsverkehr begleitet und damit sichergestellt, dass der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten worden sei.

Das Aufsichtsratsmitglied sei nur für sein eigenes und zudem schadensstiftendes Fehlverhalten verantwortlich. Insoweit müsse auch klargestellt werden, dass den Vorstand nach § 90 AktG eine Berichtspflicht und nicht den Aufsichtsrat eine Berichtseinforderungspflicht treffe.

Schließlich wären die streitgegenständlichen Zahlungen von den Vorständen „so oder so“ vorgenommen worden. Von den Beklagten habe dies nicht verhindert werden können. Der Aufsichtsrat habe weder einen Insolvenzantrag stellen oder Einsicht in die Geschäftsunterlagen nehmen noch den Vorstand abberufen oder eine einzige Kontoverfügung unterbinden können. Der Vorstand hätte dem Aufsichtsrat auch keinen Einblick in die Unterlagen gegeben. Der nicht beschlussfähige Aufsichtsrat sei im Verhältnis zum Vorstand und im Hinblick auf seine Pflichten quasi nicht existent. Es sei auch nicht Aufgabe des Aufsichtsrats, sich selbst ordnungsgemäß zu besetzen oder beschlussfähig zu machen. Dies sei allein Aufgabe der Vorstände bzw. der Hauptversammlung. Auch die Pflicht aus § 104 Abs. 1 S. 1 AktG treffe den Vorstand und nicht den Aufsichtsrat.

Der Abschluss des zwischen dem Kläger und der S. E. geschlossenen Vergleichs werde bestritten. Im Übrigen habe dieser nicht abgeschlossen werden dürfen.

Auf die Berufungserwiderungen der Beklagten hat der Kläger seinen Vortrag wie folgt ergänzt:

Dass der Vorstand auch bei einer Aufforderung durch den Aufsichtsrat keinen Insolvenzantrag gestellt hätte, werde bestritten. Im Übrigen müsse der Aufsichtsrat den Vorstand auswechseln, sollte dieser pflichtwidrig keinen Insolvenzantrag stellen. Es werde auch bestritten, dass die Stellung eines zeitnahen Insolvenzantrags die streitgegenständlichen Zahlungen ohnehin nicht habe verhindern können.

Der Arglisteinwand könne schon deshalb nicht greifen, weil § 92 Abs. 2 AktG den Schutz der Gläubiger betreffe.

Der Vorstand sei – anders als von der Beklagtenseite behauptet – nicht von einem Bankberater beraten worden. Auch der Steuerberater des Unternehmens habe zu der Frage der Insolvenzreife nicht beraten. Von dem Vorstand sei auch kein IDW S 6-Gutachten in Auftrag gegeben worden. Bei dem eingereichten Bericht handele es sich lediglich um einen Unternehmensstatus in Entwurfsform. Dass verschiedene Beteiligte der Überzeugung gewesen seien, dass die Gesellschaft sanierungsfähig sei, werde ebenfalls bestritten. Die von den Beklagten bereits erstinstanzlich behaupteten Kontrolltätigkeiten seien bereits bestritten worden. Im Übrigen lägen die Vorgänge rund um die angebliche Begleitung durch die X Sparkasse lange nach Eintritt der Insolvenzreife. Wenn eine Bank – wie hier – keine neuen Kredite gewähre, dann treffe sie auch keine weitreichenden Pflichten. Ob die Kündigung eines Kredites sinnvoll sei, werde unter Umständen nach ganz anderen Kriterien entschieden. Die Firma P. GmbH habe der Insolvenzschuldnerin auch keine Sanierungsfähigkeit bescheinigt.

In ihren weiteren auf den Hinweis des Senats vom 11. Januar 2021 und die Replik des Klägers eingereichten Schriftsätzen wiederholen und vertiefen die Beklagten ihren bisherigen Vortrag und führen zudem aus:

Die Krise der Insolvenzschuldnerin habe erst im September 2014 begonnen. Ihre Amtszeit als Aufsichtsräte sei spätestens mit dem 31. August 2014 abgelaufen. Im Übrigen komme eine Haftung schon deshalb nicht in Betracht, weil das neue Recht eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Stellung eines Insolvenzantrages gerade nicht vorsehe. Sie, die Beklagten, hätten zudem dem Vorstand frühzeitig mitgeteilt, dass sie beabsichtigen, ihre Ämter niederzulegen. Vor diesem Hintergrund stünden dem geltend gemachten Anspruch auch die Grundsätze von Treu und Glauben entgegen. Die erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens erklärte Aufrechnung mit einem gegen die Insolvenzschuldnerin bestehenden Schadensersatzanspruch wegen der Nichtentrichtung der Versicherungsbeiträge der D & O-Versicherung scheitere nicht an § 533 ZPO, weil sie sich auf die unstreitige Tatsache der fehlenden Zahlung der Versicherungsbeiträge stützen könnten. Die Gläubiger würden durch diese Aufrechnung nicht benachteiligt.

Der Beklagte zu 1. hat der Klageerweiterung im Berufungsverfahren widersprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist am Maßstab der §§ 511 ff. ZPO zulässig und dabei insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist auch begründet. Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Landgericht hat die Klage des Klägers zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.587.324,29 € zu.

A) Die von Seiten des Klägers in zweiter Instanz vorgenommenen Klageerweiterungen in Höhe von 73.132,40 € und 49.086,77 € sind zuzulassen. Eine Klageänderung erfordert gemäß § 533 Nr. 1 ZPO die Einwilligung des Gegners oder – ersatzweise – eine vom Berufungsgericht zu bejahende Sachdienlichkeit.

Zwar hat der Beklage zu 1. der Klageerweiterung ausdrücklich widersprochen. Die Klageerweiterung ist aber jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 Alt. 2 ZPO. Die Sachdienlichkeit kann bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise nur verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, ohne dass das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger auf der Grundlage der bisherigen Klagebegründung seine Klage um Einzelpositionen erweitert. Hierdurch wird aber kein völlig neuer Streitstoff in den prozess eingeführt. Es entspricht vielmehr der Prozesswirtschaftlichkeit, diese Streitpunkte nicht in einem gesonderten Verfahren klären zu lassen. Die Klageänderung wird zudem ausschließlich auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hatte (§§ 533 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO). Es kann dahinstehen, ob die Geltendmachung der Ansprüche erst im Berufungsverfahren auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht (531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO), weil jedenfalls unstreitiges Vorbringen jenen Beschränkungen nicht unterfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 551/13, zitiert nach juris). Dies gilt selbst dann, wenn der unstreitige Vortrag im Hinblick auf Folgefragen eine Beweisaufnahme erfordert (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2015 – VI ZR 551/13, zitiert nach juris). So liegt der Fall hier. Dass die Schuldnerin Zahlungen in Höhe von 73.132,40 € an die Wohnungsbaugesellschaft Y (Zeitraum: 6. Mai und 9. Mai 2014) und Zahlungen in Höhe von 98.172,77 € an die S. E. GmbH (Zeitraum: 10. Februar bis 9. Mai 2014) geleistet hat, haben die Beklagten nicht bestritten. Soweit der Beklagte zu 2. das Zustandekommen des Vergleichs mit der S. E. GmbH bestritten hat, handelt es sich um eine Folgefrage, so dass sich das Bestreiten auf die Zulassung der Klageerweiterung von vornherein nicht auswirkt.

B) Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 1.538.237,52 € (1.587.324,29 € – 49.086,77 €) aus §§ 116 S. 1, 92 Abs. 2 S. 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG zu. Denn durch die von dem Kläger im Einzelnen dargelegten Zahlungen der Schuldnerin (vgl. Anlagen K 5 bis K8) ist die Insolvenzmasse um diesen Betrag geschmälert worden, was nicht geschehen wäre, wenn die Beklagten als Mitglieder des Aufsichtsrats wirksame Maßnahmen ergriffen hätten, um diese Zahlungen zu verhindern.

I. Die Regelungen in §§ 116 S. 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG finden trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz auf den hiesigen Rechtsstreit in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung Anwendung, weil nach der zu diesem Gesetz erlassenen Überleitungsvorschrift in Art. 103m EGInsO die bisherigen Regelungen auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Januar 2021 beantragt worden sind, weiter anzuwenden sind.

II. Beide Beklagte hatten in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch die Organstellung eines Aufsichtsratsmitglieds inne.

1. Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, nicht mehr als Aufsichtsratsmitglieder der Schuldnerin tätig gewesen zu sein, weil ihre Amtszeit bereits am 27. Oktober 2011 beendet gewesen sei. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass die Beklagten in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 29. Februar 2012 erneut zu Mitgliedern des Aufsichtsrats gewählt worden seien, wobei die Amtszeit der Beklagten mit Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das Geschäftsjahr 2013 beschließt, enden sollte. Entsprechendes ergibt sich in der Tat aus der notariell beurkundeten Niederschrift über die außerordentliche Hauptverhandlung vom 29. Februar 2012 (Anlage K 25). Dass eine solche außerordentliche Hauptverhandlung stattgefunden hätte, durch die die Amtszeit beendet worden wäre, haben die Beklagten indes schon nicht dargetan.

Anders als die Beklagten meinen, ist ihre Amtszeit als Mitglieder des Aufsichtsrates auch nicht spätestens mit dem 31. August 2014 abgelaufen. Zwar ergibt sich aus § 120 Abs. 1 S. 1 AktG, dass die Hauptversammlung alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates beschließt. Wird aber – wie hier – die Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates entgegen der Regelung von § 120 Abs. 1 AktG nicht innerhalb von acht Monaten nach Beginn des nächsten Geschäftsjahres durchgeführt, so endet die Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds mit Ablauf der Frist, in der die Hauptversammlung über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr seit Amtsantritt (vgl. § 102 Abs. 1, S. 1 AktG) hätte beschließen müssen (BGH, Urteil vom 24. Juni 2002 – II ZR 296/01, OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, Beschluss vom 9. November 2009 – 31 Wx 136/09, beide zitiert nach juris). Diese Frist war jedoch, nachdem die Aufsichtsräte erst am 29. Februar 2012 bestellt worden waren, jedenfalls noch nicht abgelaufen.

III. Der Kläger hat das Vorliegen der Insolvenzreife, nämlich das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin spätestens zum Stichtag am 31. Dezember 2013 substantiiert dargetan. Die Beklagten sind diesem Vortrag lediglich pauschal entgegengetreten, ohne dass sie sich mit den Einzelheiten des Vortrags auch nur im Ansatz auseinandergesetzt hätten.

Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er wegen eines objektiven, kurzfristig nicht zu behebenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Dabei ist eine Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO immer dann anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (BGH, Urteile vom 20. November 2001 – IX ZR 48/01, 14. Februar 2008 – IX ZR 38/04 und 25. Oktober 2001 – IX ZR 17/01, alle zitiert nach juris). Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außer Stande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – IX ZR 231/04, zitiert nach juris). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH, Urteile vom 21. Juli 2007 –IX ZR 231/04 und 20. Dezember 2007 – IX ZR 93/06, beide zitiert nach juris), auch wenn die tatsächlich noch geleisteten Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – IX ZR 104/07, zitiert nach juris). Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann dagegen eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist (BGH, Urteil vom 20. November 2001 – IX ZR 48/01, zitiert nach juris).

Eine Zahlungseinstellung kann zudem aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, Beschluss vom 13. April 2006 – XI ZR 118/04, zitiert nach juris). In diesem Fall bedarf es nicht einer darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder gar einer Unterdeckung von mindestens 10 % (BGH-Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, Beschluss vom 13. Juni 2006 – IX ZB 238/05, beide zitiert nach juris). Insoweit kann auch ein Vortrag ausreichend sein, der zwar in bestimmten Punkten lückenhaft ist, eine Ergänzung fehlender Tatsachen aber schon auf der Grundlage von Beweisanzeichen zulässt (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, beide zitiert nach juris).

Es obliegt dann dem Tatrichter, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob eine Zahlungseinstellung gegeben ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 – IX ZR 230/90, Urteil vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, beide zitiert nach juris).

Unter Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ist nach der vorzunehmenden Gesamtschau der nachfolgenden Beweisanzeichen von einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin zum 31. Dezember 2013 auszugehen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Kläger hatte die Insolvenzschuldnerin am 31. Dezember 2013 bereits Rückstände der Sozialversicherungsbeiträge bei der TKK H. in Höhe von 7.563,12 € und bei der S.-Betriebskrankenkasse in Höhe von 2.346,28 €, wobei sich die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen auch in den Folgemonaten wiederholte. Ende 2013 gab es zudem unstreitig rückständige Gehaltszahlungen. Insgesamt beliefen sich die am 31. Dezember 2013 offenen und auch bis zu der Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichenen Verbindlichkeiten auf mindestens 89.513,70 €. Abgerundet wird das Bild schließlich durch die im Januar 2014 von mehreren Seiten betriebenen Pfändungen gegen die Insolvenzschuldnerin. Nach alledem muss davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin bereits Ende Dezember 2013 nicht mehr in der Lage war, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

IV. Die Beklagten haben auch ihre Pflichten, konkret ihre Überwachungspflicht und in der Folge ihre Pflicht, den Vorstand zur Stellung eines Insolvenzantrages und zur Einhaltung des Zahlungsverbots zu veranlassen, verletzt.

1. Die Pflicht aus § 92 Abs. 2 S. 1 AktG, nach Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr zu leisten, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind, richtet sich zwar an den Vorstand der Aktiengesellschaft und nicht an deren Aufsichtsrat; ihr entspricht aber eine Beratungs- und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats (BGH, Urteile vom 16. März 2009 – II ZR 280/07 und 20. September 2010 – II ZR 78/09, beide zitiert nach juris). Erkennt also der Aufsichtsrat, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, oder musste er dies erkennen und bestehen für ihn Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Vorstand entgegen dem Verbot des § 92 Abs. 2 S. 1 AktG Zahlungen leisten wird, so hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand die verbotswidrigen Zahlungen unterlässt (BGH, Urteile vom 16. März 2009 – II ZR 280/07 und 20. September 2010 – II ZR 78/09, beide zitiert nach juris). Ein Anhaltspunkt eines Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 S. 1 AktG besteht etwa dann, wenn – wie hier – die Gesellschaft Arbeitnehmer beschäftigt und der Vorstand das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife fortführt, weil es dann naheliegt, dass der Vorstand zumindest die Zahlung der Löhne und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nicht veranlassen und dadurch gegen § 92 Abs. 2 S. 1 AktG verstoßen wird (BGH, Urteile vom 16. März 2009 – II ZR 280/07 und 20. September 2010 – II ZR 78/09, beide zitiert nach juris).

2. Indem die Beklagten es entgegen ihrer in § 111 Abs. 1 AktG statuierten Pflicht unterlassen haben, den Vorstand zu überwachen und auf die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken, haben sie vorliegend ihre Pflichten als Aufsichtsrat verletzt. Die Behauptung der Beklagten, dass ihnen die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin erstmals am 15. Juli 2014 bewusst geworden sei und sie erstmals im Oktober 2014 tatsächlich Kenntnis von dem Vorliegen eines Insolvenztatbestands hatten, kann unterstellt werden. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagten – hätten sie ihre Informations- und Überwachungspflichten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben erfüllt – spätestens Ende des Jahres 2013 von der Zahlungsunfähigkeit hätten Kenntnis erlangen müssen.

a) Der Aufsichtsrat hat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen. Grundlage der Überwachung durch den Aufsichtsrat bildet die Vorstandsberichterstattung, die notfalls durch Fragen, Anforderungsberichte, Einsichtnahme, Prüfungen und Sachverständigentätigkeit ergänzt werden muss (Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 111 AktG Rn. 29). Der Aufsichtsrat muss die Intensität seiner Überwachung der Lage der Gesellschaft anpassen. Damit er dies kann, muss er stets über hinreichende Informationen über die Gesellschaft verfügen; hierzu hat er insbesondere von den ihm zur Verfügung stehenden Informationsrechten Gebrauch zu machen (Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 111 AktG Rn. 29). Im Allgemeinen genügt der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht dadurch, dass er neben der Unternehmensorganisation im Allgemeinen und den Kontroll- und Compliance-Systemen im Besonderen sowie dem Jahres- und dem Konzernabschluss nebst Lageberichten und Prüfberichten des Abschlussprüfers die Regelberichte des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG sorgfältig prüft und mit dem Vorstand erörtert (Habersack in: 5. Aufl. 2019, § 111 AktG, Rn. 55). Dabei hat der Aufsichtsrat darauf zu achten, dass die Regelberichte den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen (Habersack in: 5. Aufl. 2019, § 111 AktG, Rn. 55). Nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 AktG hat der Vorstand über den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft, vierteljährlich zu berichten. Insoweit hat der Vorstand in Textform und stets über die finanzielle Lage der Gesellschaft, insbesondere ihre Liquidität, zu berichten (Fleischer in: BeckOGK, 15. Januar 2020, § 90 AktG, Rn. 28). Eingehen muss der Vorstand auf die Markt- und Auftragslage, außergewöhnliche Risiken und Besonderheiten des Geschäftsverlaufs (Fleischer in: BeckOGK, 15. Januar 2020, § 90 AktG, Rn. 28). Erscheinen die Berichte unklar, unvollständig oder inhaltlich unrichtig, hat der Aufsichtsrat nachzufassen und ggf. eigene Nachforschungen anzustellen (Habersack in: 5. Aufl. 2019, § 111 AktG, Rn. 55). Der Aufsichtsrat muss sich dabei ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, zitiert nach juris).

Den Aufsichtsrat trifft überdies die Pflicht, Verstöße des Vorstands im Sinne des § 93 Abs. 3 AktG zu verhindern (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07; OLG BrandenburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Brandenburg
, Urteil vom 17. Februar 2009 – 6 U 102/07, beide zitiert nach juris; Hüffer/Koch, 14. Aufl. 2020, § 111 AktG, Rn. 15). Ist die Lage der Gesellschaft angespannt oder bestehen sonstige risikoträchtige Besonderheiten, so muss die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates entsprechend der jeweiligen Risikolage intensiviert werden (OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 31. Mai 2012 – I-16 U 176/10, zitiert nach juris). Die Pflicht zur eigenen Urteilsbildung betrifft auch nicht nur den Aufsichtsrat als Gesamtorgan, sondern jedes einzelne Mitglied (OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Februar 2012 – 20 U 3/11, zitiert nach juris; Hüffer/Koch, 14. Aufl. 2020, § 111 AktG, Rn. 15 m. w. N.). Stellt der Aufsichtsrat fest, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen leistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind; erforderlichenfalls muss er ein ihm unzuverlässig erscheinendes Vorstandsmitglied abberufen (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, zitiert nach juris).

Das Aufsichtsratsmitglied muss nach §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG auch selbst darlegen und beweisen, dass es seine Pflichten erfüllt hat oder dass ihn jedenfalls an der Nichterfüllung kein Verschulden trifft (BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, zitiert nach juris). Es ist damit darlegungs- und beweispflichtig für das Vorhandensein eines Informationssystems und dessen sachgerechte Ausgestaltung (vgl. §§ 93 Abs. 2 Satz 2, 116 AktG; hierzu BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, zitiert nach juris). Fehlte ein nach Sachlage erforderliches und geeignetes Informationssystem, so sind dafür auch die Beklagten aufgrund ihrer Überwachungsaufgabe als Aufsichtsratsmitglieder verantwortlich (§§ 116, 111 AktG).

b) Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes ist es den Beklagten nicht gelungen, den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und hinsichtlich ihres Verschuldens zu führen. Die Beklagten hatten spätestens im August 2013 Kenntnis von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens. Selbst wenn sie diese Kenntnis aber nicht gehabt hätten, so haben sie es jedenfalls versäumt, sich seit September 2013 hinreichend über die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin zu informieren.

aa) Der Senat geht bereits davon aus, dass die von Seiten des Vorstandes im August 2013 aufgezeigte wirtschaftliche Situation die Beklagten hätte alarmieren müssen. Schon zu diesem Zeitpunkt hätten sie sich daher kontinuierlich von Seiten des Vorstandes über die Entwicklung der als aussichtsreich beschriebenen Projekte sowie über die konkrete wirtschaftliche Lage unterrichten lassen müssen.

Ausgangspunkt ist zunächst der Jahresabschluss der Schuldnerin für das Jahr 2011, der unstreitig einen Fehlbetrag in Höhe von 98.124,60 € auswies. Darüber hinaus gibt der nicht datierte Lagebericht 2012/2013 des Vorstandes deutliche Anhaltspunkte für wirtschaftliche Schwierigkeiten der Unternehmensgruppe. So heißt es in dem einleitenden Satz, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung der T. Gruppe seit Ende 2012 durch Verzögerungen beim Abnahmeprozess im Projekt B. und den damit verbundenen Mehrkosten sowie durch Verzögerungen bei der Vergabe neuer Aufträge verschlechtert habe. Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass aus verschiedenen Gründen in 2013 die geplanten Umsatzwerte nicht erreicht werden konnten. Die Unternehmensgruppe habe im Jahr 2012 einen Jahresfehlbetrag von 6.400,00 € erzielt. Aufgrund dieser Information des Lageberichts konnten die Beklagten aber nicht annehmen, dass die Schuldnerin das Jahr 2012 ebenfalls mit einem Jahresfehlbetrag in dieser Höhe abgeschlossen habe. Hiervon konnte sie schon deshalb nicht ausgehen, weil alles dafür spricht, dass den Beklagten die vorläufige Bilanz für das Jahr 2012 ebenfalls bereits in der Sitzung des Aufsichtsrates vom 23. August 2013 vorgelegen hat, die einen Jahresfehlbetrag von 293.503,62 € auswies.

Der gesamte Parteivortrag und die eingereichten Anlagen sprechen nämlich dafür, dass den Beklagten sämtliche Unterlagen des Anlagenkonvoluts B 2 bereits in der Sitzung am 23. August 2013 übergeben wurden, so dass dahinstehen kann, ob – was der Kläger bestritten hat – eine Sitzung am 13. Dezember 2013 überhaupt stattgefunden hat. Der Vortrag der Beklagten ist bezüglich der Vorlage der Unterlagen widersprüchlich. Der Beklagte zu 2. hat zunächst selbst vorgetragen, dass ihm die mit dem Anlagenkonvolut 2 eingereichten Informationen in den Sitzungen des Aufsichtsrates am 23. August 2013 und 13. Dezember 2013 vorgelegt worden seien. Soweit der Beklagte zu 2. sodann im Grunde lediglich suggeriert hatte, dass der Lagebericht in der Zeit nach dem 20. Dezember 2013 vorgelegt worden sei, ist der Kläger dem entgegengetreten. Tatsächlich ist nicht nachvollziehbar, weshalb sieben Tage nach der von den Beklagten behaupteten Aufsichtsratssitzung am 13. Dezember 2013 ein Lagebericht erstellt worden sein soll, der aber nach dem Vortrag des Beklagten zu 2. spätestens bereits am 13. Dezember 2013 übergeben worden ist. Im Übrigen erhält der von dem Beklagten zu 1. eingereichte Lagebericht auf der ersten Seite neben dem Briefkopf den handschriftlichen Zusatz „erh. 23/08/13“, der zudem mit einer Paraphe versehen ist. Schließlich hat der Beklagte zu 1. auch selbst vorgetragen, dass der Jahresabschluss 2012 im Entwurf bereits im August 2013 vorgelegen habe. Ebenfalls mit einem handschriftlichen Zusatz („23/08/13“ und Paraphe) ist zudem die von Seiten des Beklagten zu 2. vorgelegte Übersicht über die vorläufigen Bilanzen für das Jahr 2012 und über die vorläufige betriebswirtschaftliche Auswertung für das erste Halbjahr 2013 versehen.

Geht man dementsprechend davon aus, dass den Beklagten diese Unterlagen allesamt bereits am 23. August 2013 vorgelegen haben, so musste diesen die angespannte wirtschaftliche Situation der Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt klar sein. Der betriebswirtschaftlichen Auswertung für das erste Halbjahr 2013 lässt sich bereits auf den ersten Blick entnehmen, dass die Schuldnerin im Jahr 2012 ein negatives Ergebnis von 293.503,62 € erzielt hat. Weitere Einzelheiten finden sich sodann in der vorläufigen Bilanz und der Gewinn- und Verlustabrechnung für das Jahr 2012. Insoweit lässt sich feststellen, dass den hohen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, aus Lieferungen und Leistungen und sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 7.922.113,33 € ein Umlaufvermögen gegenüber steht, dass sich in Höhe von 2.300.000,00 € auf unfertige Erzeugnisse bzw. unfertige Leistungen stützt und damit erheblich risikobehaftet ist. Ebenso wird deutlich, dass das Unternehmen nur über eine verhältnismäßig geringe Liquidität verfügte. So weisen die unter III. der Aktiva gebuchten Bestände (Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks) lediglich einen Betrag von 655.522,87 € aus. Demgegenüber bestanden Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr in Höhe von 3.482.299,59 €. Nachdem in dem Lagebericht 2012/2013 zwar eine deutliche Verbesserung der Situation insbesondere wegen der bevorstehenden Vergabe neuer Aufträge verzeichnet wird und der aktuelle Stand von Projekten in Ma., in Mo. und des X…projekts B./T. dargestellt wird, durften die Beklagten zu diesem Zeitpunkt zwar noch darauf vertrauen, dass der Gesellschaft eine positive Entwicklung bevorsteht. Die Informationen aus dem Lagebericht 2012/2013 nebst Anlagen hätten die Beklagten aber dennoch veranlassen müssen, sich zu vergewissern und erforderlichenfalls den Vorstand dazu zu bewegen, dass – um eine Gefährdungslage rechtzeitig erkennen zu können – die für die laufende Bonitätskontrolle erforderlichen Informationsgrundlagen zur Verfügung gestellt werden.

Anders als die Beklagten meinen ist der Kläger mit seinem Vortrag zu der Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten auch nicht bereits präkludiert. So hat er bereits erstinstanzlich zu der Krisensituation, die eine übersteigerte Überwachungspflicht auslöst, vorgetragen. Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht an, weil die Beklagten schon ihre einfache Überwachungspflicht vernachlässigt haben.

bb) Aber selbst wenn angenommen wird, dass den Beklagten die vorstehend aufgelisteten Unterlagen in der Aufsichtsratssitzung am 23. August 2013 noch nicht zur Verfügung stand, so haben sie ihre Überwachungs- und Informationspflichten jedenfalls in der Zeit ab September 2013 verletzt, weil ihnen bei entsprechender Wahrnehmung ihrer Pflichten der nicht gedeckte Fehlbetrag in Höhe von 4.191.494,20 € zum Stichtag 31. Dezember 2013 (Anlage K 14) nicht hätte entgehen können. Ebenso hätte ihnen bekannt werden müssen, dass – was die Beklagten nicht konkret bestritten haben – bis zum 31. Dezember 2013 hohe Verbindlichkeiten aufgelaufen sind und zwei Monatsgehälter der Arbeitnehmerin V. in Höhe von jeweils 4.300,00 € brutto offen waren. Denn legt man zugrunde, dass den Beklagten in der Aufsichtsratssitzung im August 2013 keine nachvollziehbaren Zahlen vorgelegt worden sind, so hätten sie den Vorstand spätestens im September 2013 auffordern müssen, den nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 AktG vierteljährlich vorzulegenden Bericht über den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und die Lage der Gesellschaft, vorzulegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte für den Aufsichtsrat Veranlassung bestanden, sich durch Einsicht in die weiteren betriebswirtschaftlichen Auswertungen nähere Kenntnisse über den finanziellen Stand der späteren Insolvenzschuldnerin zu verschaffen. Dem sind die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten jedoch nicht gerecht geworden.

Soweit sie vorgetragen haben, dass sie regelmäßig Berichte des Vorstandes gefordert und in ständigem Austausch mit diesem gestanden haben, hat der Kläger dies bestritten. Hierauf haben die Beklagten ihren Vortrag schon nicht konkretisiert. So fehlt es an jeglicher Darlegung, wann genau und auf welche Art und Weise welche Informationen übermittelt wurden und aus welchen konkreten Umständen sie schließen konnten, dass Anhaltspunkte für eine Insolvenzreife nicht vorliegen. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten kann daher zu ihrer Entlastung nicht genügen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, wonach der Vorstand bis August 2014 immer wieder beteuert habe, dass es keinen Grund zur Besorgnis gäbe und keine Insolvenzgründe vorlägen. Auf welcher Grundlage der Vorstand derartige Äußerungen getroffen hat, bleibt völlig offen. Indem derartige Beteuerungen lediglich unkritisch zur Kenntnis genommen werden, ohne diese auf ihre Substanz zu überprüfen, wird die Tätigkeit des Vorstandes jedenfalls von vornherein nicht der erforderlichen Kontrolle des Aufsichtsrats unterworfen. Selbst wenn aber die Vorstände ihre Einschätzung mit konkretem Zahlenwerk untermauert hätten, so hätten die Beklagten sich nicht allein auf die bloßen mündlichen Informationen des Vorstandes verlassen dürfen, sondern hätten solche durch Einsicht in die Bücher der Insolvenzschuldnerin überprüfen müssen (vgl. hierzu OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Urteil vom 31. Mai 2012 – I-16 U 176/10, zitiert nach juris). Diese allgemeinen Grundsätze ergeben sich bereits aus § 90 Abs. 4 AktG, wonach die Berichte des Vorstandes den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen haben und möglichst rechtzeitig und in der Regel in Textform zu erstatten sind. Dass eine solche gewissenhafte Kontrolle der Tätigkeit des Vorstandes stattgefunden hat, haben die Beklagten schon nicht behauptet. So haben die Beklagten lediglich pauschal vorgetragen, dass sie Ende 2013 und Anfang 2014 regelmäßig bei den Vorständen angerufen und um aktuelle Informationen gebeten haben. Insoweit fehlt es aber an Vortrag dazu, durch welche konkreten Informationen und Unterlagen er sich von der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin hat überzeugen können. Insgesamt bleibt der Vortrag zu der Erfüllung der eigenen Informations- und Prüfpflicht oberflächlich. Soweit die Beklagten behaupten, dass die Vorstände Bilanzkosmetik betrieben hätten und die Aufsichtsräte auf die vorgelegten Zahlen hätten vertrauen dürfen, fehlt es schon an konkretem Vortrag dazu, welche gefälschten Zahlen ihnen den Blick auf den Eintritt der Insolvenzreife verstellt haben.

Soweit die Beklagten pauschal behauptet haben, dass sie mehrfach darauf hingewirkt hätten, dass Insolvenzantrag gestellt und der Aufsichtsrat komplettiert wird, fehlt es ebenfalls an hinreichendem Vortrag. So lässt sich diesem schon nicht entnehmen, wann und durch wen diese Hinwirkung konkret erfolgt sein soll. Der Kläger hat diesen Vortrag bestritten. Vor diesem Hintergrund kann dieser erstinstanzliche Vortrag der Beklagten nicht genügen. Eine Vernehmung der Zeugen kam nicht in Betracht, weil dies aufgrund des fehlenden Sachvortrags einer Ausforschung gleichkäme.

Die Beklagten können sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Vorstand ihnen im Juli 2014 eine Liquiditätsplanung für den Zeitraum von Juli 2014 bis April 2015 vorgelegt habe, wonach im Dezember 2014 mit freier Liquidität in Höhe von 2.834.576,00 € und im April 2015 mit freier Liquidität in Höhe von 5.388.632,00 € zu rechnen gewesen sei. Denn zu diesem Zeitpunkt lagen die Insolvenzgründe bereits seit mehreren Monaten vor. Im Übrigen hätten sie auch hier nicht blind auf die Übersichten des Vorstandes vertrauen dürfen, sondern sich selbst unter Zuhilfenahme ihres Einsichtsrechts einen Überblick über die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Schuldnerin verschaffen müssen. Soweit die Beklagten behauptet haben, dass die P. GmbH ein Sanierungsgutachten nach IDW S 6 Standard erstellt habe und auch die Sparkasse noch im Juli 2014 von der Sanierungsfähigkeit ausgegangen sei und mit der Schuldnerin ein Stillhalteabkommen vereinbart habe, vermag dies an der Beurteilung nichts zu ändern. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sowohl die Sparkasse als auch das Gutachten allein auf den Angaben des Vorstandes basierten, deren Wahrheitsgehalt von diesen nicht untersucht werden konnte. Im Übrigen wurde von der P. GmbH auch lediglich ein Vorabentwurf eines Unternehmensstatus (Quickcheck) und nicht – wie die Beklagten behaupten – ein Sanierungsgutachten erstellt. Insoweit heißt es auf Seite 5 des Berichts auch, dass mit der Erstellung des Sanierungsgutachtens erst nach Behebung der Unterdeckung sinnvoll begonnen werden kann. Dass sich diesem Quickcheck die Sanierungsfähigkeit der Schuldnerin entnehmen ließe, ist zudem nicht ersichtlich. Hieraus geht zwar hervor, dass die Unterdeckung durch Stundungsvereinbarungen bzw. Zahlung von Löhnen erheblich reduziert werden konnte, weiterhin aber 239.000,00 € an Unterdeckung verbleiben. Zudem handelt es sich schon deshalb nicht um eine abschließende Einschätzung, da den Gutachtern offenbar entscheidende Unterlagen fehlten, deren erforderlichen Vorlage in dem Katalog der weiteren Maßnahmen angeführt wird.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die ausländischen Tochtergesellschaften für die Insolvenz verantwortlich und die Beklagten für deren Überwachung nicht zuständig gewesen seien. Es fehlt insoweit schon an einem nachvollziehbaren Vortrag. Die Gesellschaften einer Unternehmensgruppe sind in wirtschaftlicher Hinsicht getrennt voneinander zu betrachten. Wie die ausländische Tochtergesellschaft die Insolvenz der Schuldnerin verursacht haben soll, ist ebenfalls nicht vorgetragen.

Letztlich können sich die Beklagten auch nicht darauf berufen, dass weder der Vorstand noch die personenidentische Gesellschaft etwas unternommen habe und daher auch von dem Aufsichtsrat nicht zu erwarten gewesen sei, tätig zu werden. Der Aufsichtsrat ist ein eigenes unabhängiges Kontrollorgan, das gerade dann von besonderer Bedeutung ist, wenn auf Seiten des Vorstands Versäumnisse zu verzeichnen sind. Versäumnisse des Vorstands können daher von vornherein nicht zu einer Entlastung des Aufsichtsrates führen. Da es vorliegend um den Schutz Dritter, nämlich der Insolvenzgläubiger geht, kann sich der Aufsichtsrat schließlich auch nicht mit dem Argument entlasten, dass die vorliegend voll informierte Gesellschaft selbst nicht tätig geworden ist.

Schließlich können sich die Beklagten auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Wirtschaftsberater der Gesellschaft, Dr. K., ebenfalls keine Insolvenzgründe erkannt habe. Der Kläger hat schon bestritten, dass Herrn Dr. K. überhaupt mit einer derartigen Prüfung betraut worden sei. Insoweit fehlt es aber an jeglichem Vortrag der Beklagten, weshalb der Wirtschaftsprüfer Dr. K. trotz der Zahlungseinstellung und des erheblichen nicht gedeckten Fehlbetrages zum Stichtag 31. Dezember 2013 dennoch davon hat ausgehen können, dass Insolvenzgründe nicht vorliegen. Überdies obliegt den Mitgliedern des Aufsichtsrates gerade eine eigene, von dem Vorstand unabhängige Prüfpflicht.

Auch der Umstand, dass das Aufsichtsratsamt als Nebentätigkeit ausgeübt wird (vgl. § 110 Abs. 3 AktG), kann nicht zu einer anderen Bewertung führen. Zwar ist dieser Umstand im Rahmen der Prüfung des Umfangs der geschuldeten Sorgfaltspflicht durchaus zu berücksichtigen. So genügt es, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied für seine Bewertung des Vorstandshandelns so vorbereitet, dass er in den Sitzungen des Aufsichtsrats zu einer kritischen Einschätzung im Sinne eine Plausibilitätskontrolle in der Lage ist und diese Einschätzung ggf. im Gremium diskutiert. Den begrenzten zeitlichen Ressourcen wird dabei gerade dadurch Rechnung getragen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand zu näherer Aufklärung und Erläuterung auffordern kann. Ist die Darlegung des Vorstandes nicht ausreichend, so kann der Aufsichtsrat auch externe Berater hinzuziehen. Derartige Maßnahmen sind aber von dem nebenamtlich beschäftigten Aufsichtsrat zu erwarten, weil andernfalls die Einsetzung eines Aufsichtsrates ins Leere laufen würde.

Die Beklagten können sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass nach der seit dem 1. Januar 2021 geltenden Rechtslage eine Pflicht des Aufsichtsrates zur Stellung eines Insolvenzantrages nicht mehr bestehe. Aufgrund der Verweisung in § 116 Abs. 1 AktG auf § 15b InsO besteht die Haftung der Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft auch nach neuem Recht fort. Im Übrigen beurteilt sich der vorliegende Sachverhalt – wie bereits ausgeführt (vgl. B. I.) – nach der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden früheren Rechtslage.

V. Die Beklagten können sich schon von vornherein nicht darauf zurückziehen, dass sie wegen der Erkrankung und des späteren Todes des weiteren Aufsichtsratsmitglieds E. nicht beschlussfähig gewesen seien.

Der Aufsichtsrat war vorliegend seit Ausscheiden des Mitglieds E. in der Tat nicht mehr beschlussfähig. So müssen nach § 108 Abs. 2 S. 3 AktG „in jedem Fall“ mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Hierbei handelt es sich um ein zwingendes Erfordernis, das unabhängig davon gilt, ob die Beschlussfähigkeit in der Satzung geregelt ist (Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 108 AktG Rn. 44). Somit kann auch § 5 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 3 S. 2 des Gesellschaftsvertrages, wonach der Aufsichtsrat beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder des aus drei Personen bestehenden Aufsichtsrates an der Beschlussfassung teilnehmen, vorliegend nicht zu einer anderen Bewertung führen. Zwei Mitglieder des Aufsichtsrats können vielmehr auch dann keinen Beschluss fassen, wenn die Hälfte der Sollstärke erreicht oder überschritten ist. Für einen dreiköpfigen Aufsichtsrat bedeutet dies, dass sämtliche Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen müssen (Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 108 AktG Rn. 44).

Allerdings – und dies ist entscheidend – wird die Stellung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder durch die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht berührt. Die Mitglieder müssen demnach weiterhin ihre Pflichten erfüllen und unterliegen nach wie vor ihrer gesetzlichen Haftung (Schütz in: Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, 1. Aufl. 2015, § 108 AktG, Rn. 85). Insoweit trifft jedes in einem beschlussunfähigen Aufsichtsrat verbliebene Mitglied sogar noch eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht (RG, Urteil vom 2. November 1934 – II 186/34, RGZ 146, 145, 152, zitiert nach juris; Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 108 AktG, Rn. 48; Schütz in: Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, 1. Aufl. 2015, § 108 AktG, Rn. 86; Spindler in: BeckOGK, 19. Oktober 2020, § 108 AktG Rn. 56). Im Rahmen seiner Möglichkeiten muss also auch der beschlussunfähige Aufsichtsrat den Vorstand überwachen und ihn insbesondere zur Berichterstattung (§ 90 AktG) anhalten.

Im Übrigen wären – worauf es vorliegend schon nicht mehr ankommt – die Beklagten aber auch nach § 104 AktG verpflichtet gewesen, auf eine Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit hinzuwirken, was sowohl durch eigene Antragstellung als auch durch Einwirkung auf den Vorstand geschehen könnte (vgl. Hüffer/Koch, § 111 AktG Rn. 4; Spindler in: BeckOGK, 19. Oktober 2020, § 108 AktG Rn. 56; Schütz in: Semler/v. Schenck, Der Aufsichtsrat, 1. Aufl. 2015, § 108 AktG, Rn. 87). Nachdem das Aufsichtsratsmitglied – wie sich aus dem Tatbestand des Urteils des Landgerichts, an den der Senat gebunden ist, ergibt – spätestens Mitte 2013 erkrankte und für das Amt nicht mehr zur Verfügung gestanden hat, hätten die Beklagten spätestens bis zum Beginn des 4. Quartals 2013 für die Herstellung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats sorgen müssen. Der Einwand, dass ein geeigneter Kandidat gefehlt habe, vermag diese indes nicht zu entlasten. Schließlich wäre es auch eine Option gewesen, das Amt des Aufsichtsrats niederzulegen und so den Vorstand in Zugzwang zu bringen. Dass jede Aktiengesellschaft zwingend einen Aufsichtsrat haben muss, ergibt sich auch ohne ausdrückliche Bestimmung bereits aus §§ 36, 37 AktG, wonach die Aktiengesellschaft ohne Aufsichtsrat als juristische Person nicht entstehen kann (Hirte/Mülbert/Roth in: Hirte/Mülbert/Roth, Aktiengesetz Großkommentar, 5. Aufl. 2018, § 95 Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, Rn. 46; Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 95 AktG, Rn. 5).

Dem Anspruch des Klägers stehen auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegen. Soweit die Beklagten dem Vorstand bereits Anfang 2014 mitgeteilt haben sollen, ihre Ämter niederlegen zu wollen, ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben nicht erkennbar, nachdem diese ihre Ämter auch in der Folge unstreitig nicht niedergelegt haben.

VI. Die Haftung der Beklagten ist auch nicht mit Blick auf die personalistische Struktur der Schuldnerin oder wegen eines etwaigen Einverständnisses der Vorstände und Aktionäre ausgeschlossen.

Dass durch die streitgegenständlichen Zahlungen bei der Schuldnerin selbst ein Schaden nicht entstanden ist, weil die durch die Zahlungen eingetretene Minderung des Gesellschaftsvermögens auf Grund des Wegfalls der entsprechenden Verbindlichkeit ausgeglichen wurde, kann nicht zu einer anderen Betrachtung führen. Anders als die Mitglieder eines lediglich fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH haften die Mitglieder des obligatorischen Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft nämlich auch bei Schäden zu Lasten Dritter, insbesondere bei solchen zulasten der Insolvenzgläubiger. Denn die Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit schädigen die Insolvenzmasse und damit die Insolvenzgläubiger, die später eine geringere Insolvenzquote erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 78/09, zitiert nach juris). Das Haftungsprivileg des fakultativen Aufsichtsrates begründet der Bundesgerichtshof damit, dass dieser lediglich den Interessen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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diene und deshalb bei Verletzung ihrer Aufgaben nicht für Schäden bei gesellschaftsfremden Dritten einstehen müsse. Überdies folge die Privilegierung schon aus der Regelung des § 52 Abs. 1 GmbHG, welche lediglich die entsprechende Anwendung von §§ 116 und 92 Abs. 1 und 2 S. 1 und S. 2 AktG für fakultative Aufsichtsräte vorsehe, nicht aber die Anwendbarkeit von § 93 Abs. 3 AktG (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 78/09, zitiert nach juris).

In der hiesigen Konstellation stellt das Gesetz aber, geleitet von dem Ziel, die Gesamtheit der Gläubiger der Aktiengesellschaft durch Wahrung von Neutralität bei der Bewirkung von Zahlungen in der KriseBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vor Schäden in Gestalt einer Verminderung ihrer Quote durch masseschmälernde Leistungen zu schützen, den Drittschaden in § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG einem Schaden der Gesellschaft gleich (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 78/09, zitiert nach juris). Da § 116 S. 1 AktG auch auf § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG verweist, gilt die Gleichstellung des Schadens der Insolvenzgläubiger mit einem Schaden der Gesellschaft auch für den Aufsichtsrat, der seine Überwachungspflicht in Bezug auf die Einhaltung des Verbots des § 92 Abs. 2 S. 1 AktG durch den Vorstand verletzt; auch er ist, wenn er seine Überwachungspflicht schuldhaft verletzt hat, zum Ersatz der verbotswidrig geleisteten Zahlungen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010 – II ZR 78/09, zitiert nach juris).

Diese Rechtsanwendung überzeugt auch im Ergebnis, weil die Interessen der Gläubiger bei einer personalistischen Aktiengesellschaft in gleicher Weise schützenswert sind wie bei einer größeren Gesellschaft. Insoweit steht der Hauptversammlung oder dem Vorstand auch keine Dispositionsbefugnis zu. Nur am Rande sei angemerkt, dass Gegenstand der Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, zitiert nach juris) ebenfalls eine personalistische Aktiengesellschaft war, an der der Vorstand mit 70,6 % der Aktien beteiligt gewesen ist, ohne dass dies zu einem Haftungsausschluss geführt hätte. Aus dem gleichen Grund kommt schließlich auch eine entsprechende Anwendung von § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nicht in Betracht, wonach eine Haftung des Vorstandes für Handlungen ausgeschlossen ist, die auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptverhandlungen beruhen.

VII. Die Tatsache, dass die Beklagten es unterlassen haben, gegenüber dem Vorstand auf die Beachtung des Zahlungsverbots und die Stellung eines Insolvenzantrages hinzuwirken, ist auch als adäquat-kausale Ursache für den eingetretenen Schaden zu werten. Denkt man nämlich hinzu, dass die Beklagten den Vorstand auf das Vorliegen der Insolvenzgründe und die damit zusammenhängenden Haftungsrisiken und das Risiko der strafrechtlichen Verfolgung nach § 15a Abs. 4 InsO hingewiesen hätten, so wären die streitgegenständlichen Zahlungen nicht mehr veranlasst worden, wenn der Vorstand pflichtgemäß gehandelt hätte.

Die Beklagten können vorliegend auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die streitgegenständlichen Zahlungen „so oder so“ von dem Vorstand der Schuldnerin vorgenommen worden wären. Zwar ist es dem Aufsichtsratsmitglied grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zu berufen. Den beklagten Aufsichtsratsmitgliedern trifft aber für den Einwand pflichtgemäßen Alternativverhaltens die Darlegungs- und Beweislast. Damit die Entlastung gelingt, muss der sichere Nachweis erbracht werden, dass der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit und selbst die Wahrscheinlichkeit, dass er auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre, genügen nicht (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – II ZR 24/17, m. z. w. N., zitiert nach juris). Weist der Aufsichtsrat nach, dass der Vorstand trotz einer entsprechenden Aufklärung durch den Aufsichtsrat nicht anders gehandelt hätte, kann ihm bei wertender Betrachtung grundsätzlich der in Folge des Kompetenzverstoßes eingetretene Schaden billigerweise nicht zugerechnet werden. Die Erheblichkeit des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – II ZR 24/17, m. z. w. N., zitiert nach juris). Der Aufsichtsrat soll die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestalten. Eine äußere Grenze des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens ist zudem erreicht, wenn die Weigerung des Vorstands, entsprechend dem Vorschlag des Aufsichtsrates vorzugehen, ex ante betrachtet pflichtwidrig gewesen wäre. So liegt der Fall hier.

Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durfte der Vorstand nach § 92 Abs. 2 S. 1 AktG a. F. keine Zahlungen mehr leisten. Dieses Zahlungsverbot dient dazu, eine Schmälerung der Insolvenzmasse und die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (Spindler in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 92 AktG, Rn. 23). Bei dieser Frage verbleibt dem Vorstand schon kein unternehmerischer Handlungsspielraum. Der Aufsichtsrat muss darüber hinaus von seinem Vetorecht Gebrauch machen, wenn das Geschäft zu einem von ihm bei seiner Entscheidungsfindung zukommenden unternehmerischen Handlungsspielraum nicht mehr gedeckten Schaden der Gesellschaft führen würde. Andernfalls trifft die Aufsichtsratsmitglieder selbst eine Schadensersatzpflicht, wenn sie die Zustimmung zu einem Geschäft erteilen, die sie bei pflichtgemäßem Handeln hätten verweigern müssen (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224 Rn. 9). Verengt sich der unternehmerische Handlungsspielraum des Vorstandes aber zu einer Pflicht, entsprechend den Handlungsempfehlungen des Aufsichtsrates vorzugehen, so kann sich der Aufsichtsrat nicht mit einer hypothetischen, dann pflichtwidrigen Weigerung eines solchen Handelns entlasten. Geht es also wie hier um den Vorwurf der pflichtwidrigen Unterlassung der Anrufung oder Information des Vorstands, so ist zu unterstellen, dass dieser auch pflichtgemäß reagiert hätte (vgl. v. Schenck in: Semler/v. Schenck, Aufsichtsrat, 1. Aufl. 2015, § 116 AktG, Rn. 545; Habersack in: MüKo, 5. Aufl. 2019, § 116 AktG Rn. 74).

Darüber hinaus und unabhängig hiervon können sich die Beklagten aber auch aus tatsächlichen Gründen nicht darauf berufen, dass ihnen faktisch die Durchsetzungsmacht gefehlt habe, um die Zahlungen zu verhindern. Notfalls wäre der Aufsichtsrat verpflichtet gewesen, die satzungswidrigen Zahlungen gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG durch ad-hoc-Vorbehalt von seiner Zustimmung abhängig zu machen und zu verhindern (OLG BraunschweigBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Braunschweig
, Beschluss vom 14. Juni 2012 – 45/12, zitiert nach juris). Hätte der Vorstand sich auch über diesen Zustimmungsvorbehalt hinweggesetzt, so wäre dem Aufsichtsrat letztlich die Möglichkeit geblieben, mit der Stellung eines Strafantrages auf den Vorstand einzuwirken. Sofern sich der Vorstand dennoch der Stellung eines Insolvenzantrages widersetzt hätte, so hätte der Aufsichtsrat diesen nach § 84 AktG abberufen müssen mit der Folge, dass er mit dem Eintritt der Führungslosigkeit der Schuldnerin gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch selbst zur Stellung des Antrags nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen wäre.

Dass ein zeitnaher Insolvenzantrag die Zahlungen nicht verhindert hätte, da die Zahlungen im normalen Geschäftsbetrieb erfolgt seien, haben die Beklagten schon nicht hinreichend konkret vorgetragen. So bleibt offen, auf welche der zahlreichen Positionen sich dieser Einwand konkret bezieht.

VIII. Schließlich kann auch der von den Beklagten erhobene Arglisteinwand nach § 242 BGB diese nicht entlasten. Der Einwand, der sich gegen die Gesellschaft und den Vorstand richtet, greift vorliegend bereits deshalb nicht, weil es hier um eine Schädigung der Gläubiger geht. Aus demselben Grund kam auch die Anwendung eines abweichenden Haftungsmaßstabes nicht in Betracht, obwohl die Beklagten die Tätigkeit als Aufsichtsrat unstreitig übernommen haben, ohne hierfür eine Vergütung zu erzielen.

IX. Dem Kläger steht der Anspruch in voller Höhe zu. Der Schaden besteht in der Schmälerung der Masse durch die vorgenommenen Zahlungen. Anders als die Beklagten meinen, scheitert der Anspruch des Klägers auch nicht in Höhe von 49.06,77 €, weil der Kläger einen Vergleich mit der S. E. GmbH geschlossen hat. Soweit es dem Insolvenzverwalter gelingt, Zahlungen ganz oder teilweise erfolgreich anzufechten, so handelt es sich um einen Vorteilsausgleich, der zugunsten der Beklagten in Ansatz zu bringen ist. Dementsprechend hat der Kläger hier einen Betrag in Höhe von 49.086,00 € aus der Klageforderung ausgeklammert, weil der Masse dieser Betrag aufgrund des Vergleichs mit der S. E. GmbH zugeflossen ist. Dass er die Forderung darüber hinaus nicht durchgesetzt hat, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil die unterlassene Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs gerade nicht zu einer Minderung des Anspruchs gegen den Geschäftsführer bzw. den Vorstand führt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1995 – II ZR 277/94, zitiert nach juris).

X. Soweit die Beklagten erstmals im Berufungsverfahren die Aufrechnung erklärt haben mit einem Schadensersatzanspruch, der ihnen gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe der Klageforderung wegen der Nichtentrichtung der Versicherungsbeiträge der D & O Versicherung zustehen soll, kann dies ihrer Verteidigung gegen die Klageforderung ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Ob die Aufrechnung bereits an § 533 ZPO scheitert, kann letztlich dahinstehen. Insoweit dürfte die Klageerweiterung zwar sachdienlich sein. Dass sich die Beklagten zur Begründung ihres Anspruchs allein auf Tatsachen stützen können, die diesem Verfahren ohnehin bereits nach § 529 ZPO zugrunde zu legen wären, ist – auch wenn die Nichtzahlung der Prämie unstreitig ist – bereits zweifelhaft, weil Einzelheiten zu der Ausgestaltung des Vertrages von den Beklagten schon nicht vorgetragen wurden.

Aber selbst wenn man die Aufrechnung im Rahmen des Berufungsverfahrens zuließe, hätte sie keinen Erfolg. Dabei kann auch offenbleiben, ob den Beklagten ein Schadensersatzanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin zusteht. Denn jedenfalls steht einer Aufrechnung vorliegend bereits die Eigenart des Ersatzanspruchs entgegen. So kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 64 GmbHG, wonach eine Aufrechnung in solchen Fällen ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 – II ZR 425/18, m. w. N., zitiert nach juris), ohne Weiteres auf den hiesigen Anspruch des Klägers gegen die Aufsichtsräte übertragen werden. Beide Anspruchsnormen dienen nämlich gleichsam dem Zweck, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. für den Fall, dass das Organ dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht (so zu § 64 GmbHG: BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2019 – II ZR 425/18, m. w. N., zitiert nach juris). Die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen die Schuldnerin würde aber einer Auffüllung des Gesellschaftsvermögens zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger gerade entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund könnte aber selbst eine abweichende vertragliche Abrede, wonach erst die Versicherung und dann die Aufsichtsräte in Anspruch genommen werden sollten – die von Seiten des Klägers überdies bestritten wurde – nicht zu einer anderen Bewertung führen. Soweit die Beklagten eingewandt haben, dass die Aufrechnung nicht mit zu der Tabelle angemeldeten Forderungen erfolgt sei und die Gläubiger nicht benachteilige, kann dem nicht gefolgt werden. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch dient gerade dazu, die Masse zu mehren und die Gläubiger zumindest anteilig zu befriedigen.

B) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB zu. Er hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der vorprozessual entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 8.910,70 € aus §§ 280 Abs. 3, 286 BGB.

Die Beklagten befanden sich mit dem Zugang des ersten anwaltlichen Mahnschreibens, mithin seit dem 29. Juli 2016, bzw. seit Klageerhebung in Verzug. Ausgehend von einem außergerichtlich zunächst noch geltend gemachten Anspruch in Höhe von 1.465.105,12 € sind die für die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren zwar ersatzfähig. Allerdings kann – anders als der Kläger wohl meint – lediglich eine Gebühr in Höhe von 1,3 angesetzt werden. Mit Blick auf die Rahmengebühr nach Nr. 2300 VV RVG besteht das aus § 14 Abs. 1 RVG folgende Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts nicht unbeschränkt. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann er nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dies ist von dem Rechtsanwalt darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813). Dem ist der Kläger schon nicht nachgekommen. Dass die Sache im Vergleich zu anderen Verfahren mit entsprechendem Volumen eine umfangreiche Tätigkeit erfordert hätte oder inhaltlich komplex wäre, lässt sich auch im Übrigen nicht feststellen. Da es sich lediglich um eine Nebenforderung handelt, war die Erteilung eines rechtlichen Hinweises nicht erforderlich (§ 139 Abs. 2 S. 1 ZPO).

C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.R

Die Revision war nicht zuzulassen. Die vorliegende Rechtssache hat weder grundsätzliche, also über den Streitfall hinausgehende, Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die entscheidungserheblichen grundsätzlichen Rechtsfragen sind geklärt. Im Übrigen beruht das Urteil des erkennenden Senats im Wesentlichen auf der Rechtsanwendung im konkreten Fall und auf der Würdigung von dessen tatsächlichen Umständen. Divergenzen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder zu Judikaten anderer Oberlandesgerichte, die höchstrichterlich noch ungeklärte Fragen mit Relevanz für den Ausgang des hiesigen Streitfalls betreffen, sind nicht ersichtlich. Die Frage, ob es für den Aufsichtsrat eine Pflicht zur Stellung eines Antrags nach § 104 Abs. 1 S. 2 AktG gibt, war schon nicht entscheidungserheblich, nachdem davon auszugehen war, dass den beschlussunfähigen Aufsichtsrat sogar eine erhöhte Aufmerksamkeitspflicht trifft. Dass die personalistische Struktur der Aktiengesellschaft nicht zu einem Ausschluss der Haftung führen kann, ergibt sich bereits aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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